Bote zweier Welten: Buick Cabriolet 1934/35

Automobile aus den Vereinigten Staaten waren im Deutschland der späten 1920er Jahre allgegenwärtig. Von den über ein Drittel Importfahrzeugen im Jahr 1929 entfiel der allergrößte Teil auf US-Wagen.

In den 1930er Jahren ebbte dieser Boom deutlich ab, die deutschen Hersteller hatten deutlich aufgeholt und begannen erfolgreich ein eigenes Profil zu entwickeln, sofern sie die harte Auslese im Wettbewerb und während der Weltwirtschaftskrise überlebt hatten.

Dennoch blieben amerikanische Autos immer noch stark verbreitet, selbst auf dieser Ansichtskarte aus dem beschaulichen Stolberg im Harz von der Mitte der 1930er Jahre ist zufällig eines mit abgelichtet worden:

Ansichtskarte aus Stolberg (Harz) aus Sammlung Michael Schlenger

Nur der Omnibus ist größer als die riesige Pullman-Limousine, die fast genau in der Bildmitte zu sehen ist. Auf den ersten Blick könnte das ebenfalls ein deutscher Wagen vom Format eines großen Mercedes oder Horch sein.

Doch trotz der mäßigen Auflösung der Fotografie lässt sich das Fahrzeug eindeutig als Import aus Übersee identifizieren, sogar Marke und Baujahr lassen sich anhand der mittig unterteilten und leicht v-förmig zulaufenden Kühlerpartie benennen:

Das muss ein Buick aus dem Modelljahr 1933 sein, auch die seitlichen Lüftungsklappen in der Motorhaube – hier nur anhand der waagerechten Chromleisten zu erahnen – „passen“.

Zum Aufnahmezeitpunkt wirkte dieser Buick bereits veraltet. Das äußerlich modernste Fahrzeug auf diesem Ausschnitt steht direkt daneben – es ist ein Fiat 500, der 1936 eingeführt und auch im einstigen NSU-Werk in Heilbronn gefertigt wurde.

Der Kontrast zwischen den beiden Wagen könnte von Größe und Gestaltung her kaum krasser ausfallen. Links neben dem Fiat haben wir übrigens noch einen Ford „Köln“ von 1933, einen DKW sowie – eventuell einen Ford „Eifel“.

Während der Buick hier buchstäblich „alt“ aussieht, sollte sich das bereits im Modelljahr 1934 grundlegend ändern. Man nahm ganz Abschied von den gewohnten Formen der 1920er Jahre und verpasste dem Wagen ein neues schnittiges Erscheinungsbild:

Buick von 1934/35; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Diese Cabriolet ist ein schönes Beispiel für US-Fahrzeuge, die am deutschen Markt einen eher dem lokalen Geschmack entsprechenden Aufbau erhielten.

Zwar entspricht zwar die Frontpartie mit den großen Chromscheinwerfern und den waagerechten Zierleisten entlang der Luftschlitze in der Motorhaube ganz der amerikanischen Ausführung, doch ab der Windschutzscheibe hat ganz klar ein deutscher Karosseriefabrikant das Kommando übernommen.

In den Staaten gab es einen solchen Aufbau als Vierfenster-Cabriolet mit nach hinten abfallender breiter Zierleiste nämlich nicht. Dort war nur ein Zweifenster-Convertible Coupé erhältlich – sehr schick zwar, aber in einem ganz anderen Stil gehalten.

Das Konterfei dieses Wagens verdanken wir Leser Klaas Dierks, der damit nicht das erste US-Luxusauto beigesteuert hat, welches einst in der Hansestadt Hamburg zugelassen war.

Gewohnt stark motorisiert war natürlich auch dieses Exemplar – Buick bot seinerzeit nur Achtzylinderwagen an. Die Leistung reichte je nach Ausführung von rund 90 bis annähernd 120 PS – am deutschen Markt war der Buick damit auf dem Niveau von Horch angesiedelt.

Die außenliegenden verchromten Hupen und die vier Zierleisten an der Haubenflanke verraten, dass wir hier mindestens ein Model 50 vor uns haben, das sich unter anderem durch einen längeren Radstand und Sicherheitsglas von der Basisversion Model 40 abgrenzte. Außerdem waren die noch größeren und stärkeren Modelle 60 und 90 verfügbar, die aber äußerlich meines Erachtens kaum vom Model 50 zu unterscheiden sind.

Mit der amerikanischen Technik und dem deutschen Styling der hinteren Wagenhälfte war dieser Buick ein Bote zweier Welten, der auch heute noch überzeugt. In der kolorierten Fassung wirkt das Auto mit einem Mal weniger düster und schwer – mir gefällt er!

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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