Bärenstark, zumindest optisch: Mathis-Sportwagen

Zu den faszinierenden Herstellern der automobilen Frühzeit gehört die im Elsass beheimatete Firma Mathis. Ihr Gründer Emile Mathis war noch in den 1890er Jahren erstmals während seiner Lehre bei DeDietrich mit der neuen Erfindung in Kontakt gekommen und fing Feuer.

Nach einer Karriere als Autohändler in Straßburg ließ er von einem gewissen Ettore Bugatti einen Sportwagen konstruieren, den er kurzzeitig unter der Bezeichnung „Hermes-Simplex“ verkaufte – damit bewies Mathis erstmal wettbewerblichen Ehrgeiz.

1910/11 ließ er dann zunächst einen konventionellen Wagen nach Lizenz der angesehenen Stettiner Firma Stoewer fertigen. Dieses erste als Mathis vertriebene Auto entsprach dem Stoewer-Typ B1 8/20 PS bzw. B2 9/22 PS – ein solcher Stoewer-Vierzylindermotor (leider ohne Nebenaggregate) befindet sich übrigens in meiner Sammlung.

Mit dem ersten selbstkonstruierten Modell „Baby“ trumpfte Mathis ab 1912 auch im Rennsport auf. Das „Baby“ gab es in drei Ausführungen – mit 1,1 Litern Hubraum („Babylette“), 1,3 Litern („Bébé) und 1,8 Litern („Race Baby“).

Die letztgenannte Version kam 1912 beim Grand Prix in Dieppe zum Einsatz und schlug sich mit einem 12. Platz im Gesamtklassement sehr achtbar. Nach dem Rennen wurde diese Abbildung des Wagens mit Fahrer Dragutin Esser und seinem Beifahrer veröffentlicht:

Mathis Baby 3 („Race Baby“) von 1912; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen unterscheidet sich in Details von dem im Rennen eingesetzten Fahrzeug – evtl. wurden die Startnummer 12 und das seitlich angebrachte Reserverad wegretuschiert. Das ist jedenfalls mein Eindruck nach Vergleich mit Fotos vom eigentlichen Rennen.

Auf einen Rennsportwagen verweist auf jeden Fall der offene Auspuff, der ganz ohne Krümmer auskommt.

Ein interessantes Detail ist der Stoßdämpfer oberhalb des Hinterrads – ob es sich um einen Reibungsdämpfer oder einen Federspiraldämpfer handelt, weiß vielleicht ein Leser. Im Serienbau wurden diese der Fahrstabilität dienenden Bauteile nach meinem Eindruck erst nach dem 1. Weltkrieg gängig.

Nach dem Krieg wurde das Elsass wieder Frankreich zugeschlagen, doch die ab 1918 gebauten Mathis-Wagen verkauften sich auch dann noch gut in Deutschland – eine Sonderklausel verschaffte der Marke weiterhin Zugang zum einstigen Hauptabsatzmarkt.

So finden sich zahlreiche Aufnahmen der sportlich anmutenden Mathis-Zweisitzer mit deutscher Zulassung wie dieses Exemplar:

Mathis 6CV der ersten Hälfte der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Hier haben wir wahrscheinlich ein Exemplar der „Cyclecar“-Kategorie mit 800ccm Motor (Typ P), das Anfang der 1920er Jahre gebaut wurde. Daneben waren recht ähnliche Modelle mit 1,1 Liter verfügbar (Typ S und Derivate).

Die gestreifte Mehrfarblackierung war damals kurze Zeit Mode, verschwand aber zum Glück rasch wieder – sie passte nicht zu Architektur der Autos und wirkt auf mich ähnlich naiv wie die Regenbogenseligkeit unserer Tage.

Von diesen kleinvolumigen Vierzylinder-Mathis gab es eine Vielzahl sportlicher Varianten – häufig von Privatfahrern individuell angefertigt, weshalb es schwerfällt, Aufnahmen entsprechender Exemplare genau zu identifizieren.

Vermutlich auf Basis des zuvor gezeigten Mathis Typ P 6 CV entstand damals diese ungemein sportlich anmutende Variante:

Mathis der ersten Hälfte der 1920er Jahre (vtl. Typ PR); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dass es hier jemand mit dem Sport durchaus ernst meinte, darauf deuten die Trommelbremsen an den Vorderrädern hin, die zumindest in Europa erst ab etwa 1925 Standard wurden.

Die gewaltige Haube war vermutlich aus gebürstetem Aluminium und lässt ein enormes Aggregat darunter vermuten – das täuscht aber, es handelt sich um einen rein optischen Effekt. Gern hätte man das Gesamtergebnis in natura gesehen.

Ein für die Einordnung wichtiges Element ist die rechts vom Fahrer außen angebrachte Handbremse – das scheint bei Mathis nur kurz nach dem 1. Weltkrieg noch der Fall gewesen zu sein. Die Schaltung lag aber auf jeden Fall bereits mittig.

Laut der Mathis-Website von Francis Roll gab es tatsächlich eine Rennsportversion des Mathis Typs P, die in der späteren Ausführung über solche schwingenartigen Kotflügel (Type PR mit „papillon“-Kotflügeln) verfügte wie das abgebildete Fahrzeug.

Vielleicht findet sich jemand, der uns über den genauen Typ dieses sportlich wirkenden Mathis aufklären und vielleicht sogar die Personen an Bord benennen kann:

Dieser Ausschnitt sollte letzte Zweifel ausräumen, was die Ansprache dieses faszinierenden Zweisitzers als Mathis „Sport“ angeht. Auch wird spätestens jetzt deutlich, weshalb ich zumindest den optischen Auftritt dieses Autos „bärenstark“ finde.

Wer weiß, vielleicht fand sich unter der beeindruckenden Haube ja doch ein Äquivalent dafür…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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