Freuen Sie sich bloß nicht zu früh, liebe Leser, wenn Sie meinen, dass der Titel meines heutigen Blog-Eintrags spannende Einblicke unter die Haube eines exotischen Vorkriegswagens in Aussicht stellt.
Wie immer ist die Überschrift die reine Wahrheit, meint aber eigentlich etwas anderes…
Dabei hätte ich in Sachen „Blick unter die Haube“ eigentlich etwas zu bieten, wenn ich nur wüsste, worum es sich handelt und wenn man etwas erkennen könnte.
Denn Leser Jörg Pielmann hat mir vor längerer Zeit in digitaler Form dieses Foto zugespielt:
![](https://i0.wp.com/vorkriegs-klassiker-rundschau.blog/wp-content/uploads/2024/05/evtl_Union_DDR_Galerie.jpg?resize=584%2C522&ssl=1)
Diese bemerkenswerte Aufnahme ist in den 1960er Jahren in der DDR entstanden und dokumentiert die neben der Simson „Schwalbe“ für mich größte Errungenschaft des Sozialismus: Die frühzeitige Organisation und Präsentation eines großen Oldtimerbestands zu einer Zeit, als freudlose Ordnungsfanatiker im Westen jeden argwöhnisch beäugten, der sich für altes Blech (auch historische Möbel, Häuser usw.) begeisterte.
Im Osten unseres Landes hat sich über die Jahre des Wiederaufbaus eine Vorkriegsautoleidenschaft erhalten, die in der alten BRD ihresgleichen suchte. Ihr verdanken wir den Erhalt unglaublicher Schätze, auch wenn das DDR-Regime ab den 1970er Jahre aggressiv gegen Besitzer hochkarätiger Wagen wurde, die den am Rande der Pleite entlanglavierenden Planwirtschaftlern in Ostberlin als wertvolle Devisenbringer galten.
Nebenbei: Wer eine Idee hat, was wir für ein Automobil auf dem eingangs gezeigten Foto sehen, ist eingeladen, sein Wissen über die Kommentarfunktion kundzutun. Ich habe zwar einen Verdacht, kann diesen aber bislang nicht verifizieren – also nur zu!
Unterdessen gehen wir der Frage nach, was denn noch gemeint sein könnte mit dem angekündigten „Blick unter die Haube“ in Verbindung mit der französischen Automarke Mathis, die ein durchaus häufiger Gast in meinem Blog ist.
Wer mich ein wenig kennt, ahnt bereits, dass es sich um eine Szenerie ganz anderer Art handeln muss, bei der jemand – aus welchen Gründen auch immer – gerade unter die Haube gekommen ist, wie der Volksmund so schön sagt, wenn geheiratet wurde, wie das hier unübersehbar der Fall ist:
So gelungen die Komposition des Fotos ist und so erfreulich zunächst die Tatsache scheint, dass sich hier zwei für’s Leben zusammengefunden haben, muss ich doch einer gewissen Skepsis Raum geben.
Da es das Institut der Ehe seit Jahrtausenden bei allen Völkern gibt, darf man vermuten, dass es einen wichtigen Zweck erfüllt und sich im Großen und Ganzen bewährt hat – jedenfalls was den Arterhalt angeht, dem vornehmsten Ziel jeder Spezies.
Das Knüpfen enger, nicht ohne weiteres auflösbarer Bande zwischen Mann und Frau war und ist eine wichtige Voraussetzung für eine vordergründig sichere Aufzucht des Nachwuchses.
Gar nicht so selten scheint der Fall, dass der einzige Grund für eine Heirat war bzw. ist, dass ein Kind „unterwegs“ ist. Ich muss das wissen, denn genau so war es nach Aussage meiner Mutter im Fall ihrer eigenen Verehelichung.
Vielleicht nicht das Beste, was ein Kind erfahren möchte, aber glauben Sie mir: Man kommt damit zurecht und muss nicht zwangsläufig zum Psychopathen heranreifen. Die Dämonen der eigenen Vergangenheit lassen sich nie ganz vertreiben, aber als Erwachsener sollte man sie irgendwann unter Kontrolle haben.
Jedenfalls war mir früh klar, dass für mich ein solches Arrangement nicht in Frage kommt, ganz gleich mit wem, und ich darf feststellen, dass ich sehr glücklich damit bin. Die wenigen Beispiele gelungener Ehen, die ich kenne, bestätigen für mich die Regel, wonach eine wirklich fundierte Partnerschaft kein staatliches oder kirchliches Gütesiegel braucht.
Genug dazu – sicher wollen Sie jetzt einen näheren Blick „unter die Haube“ werfen, auch wenn es dort keinen Motor der Vorkriegszeit zu sehen gibt. Nähern wir uns der Sache behutsam an und schauen, was sich dennoch in Sachen Auto sagen lässt:
Der Kenner ahnt bereits, mit was für einem Hersteller wir es zu tun haben: Das große runde Emblem auf dem Kühlergrill war typisch für Wagen der elsässischen Marke „Mathis„, die in den 1920er Jahren eine bemerkenswerte Typenvielfalt produzierte.
Das abgelichtete Exemplar müsste nach meinen Recherchen ein Typ MY sein, der von 1926 bis 1930 gebaut wurde (Quelle). Dabei handelte es sich um einen technisch unauffälligen Kleinwagen mit 1,2 Liter-Vierzylinder (seitengesteuert).
Die Mathis-Automobile fanden nach dem 1. Weltkrieg speziell im Südwesten Deutschlands weiterhin Absatz.
Alte Verbindungen ins Elsass spielten dabei ebenso eine Rolle wie die Unfähigkeit der produktionstechnisch rückständigen deutschen Automobilindustrie der zunehmenden Nachfrage gerecht zu werden, was sich viele ausländische Hersteller zunutze machten.
Ein nettes Detail – bzw. dessen Fehlen – erlaubt die Datierung dieses Wagens auf die Zeit vor Herbst 1928. Damals erhielt der Mathis MY nämlich eine Kühlerfigur in Flammenform. Diese ist hier nicht zu sehen, dafür können wir aber endlich unter die Haube schauen:
Nur am Rande bemerkt der Betrachter das Nummernschild mit der auf den Raum Stuttgart verweisenden Kennung „IIIA“.
Sodann gilt es festzuhalten, dass ich auf Fotos jener Zeit selten ein so ansehnliches Paar Frauenbeine gesehen habe. Die zeittypisch kurzen Kleider standen wahrlich nicht jeder Maid dermaßen gut – doch hier haben wir ein Beispiel, zu dem man sagen muss: „Hut ab“!
Der Bräutigam hat bereits entsprechend den Zylinder gelupft und hält diesen nun etwas verlegen in der Hand, während der Fotograf sein Werk verrichtet. Wir wollen ihm nicht anlasten, dass er arg ernst für den Anlass dreinschaut – vielleicht verbat ihm schwäbisch-protestantischer Ernst, an diesem Tag zu sehr aus sich herauszugehen.
Interessanter finde ich ohnehin den Kopfschmuck der Braut, der mich ein wenig an die Krone der britischen Queen erinnert – vielleicht findet sich jemand, der etwas zu dieser speziellen Tracht zu sagen weiß (bitte Kommentarfunktion nutzen).
Werfe ich nun endlich einen Blick unter die Haube, mache ich allerdings eine Beobachtung, die mich einigermaßen irritiert: Die Braut ist doch dem Bräutigam wie aus dem Gesicht geschnitten – oder bilde ich mir das ein?
Hat hier einer seine Cousine geehelicht oder solange gesucht, bis er sein „alter ego“ in weiblich gefunden hat? Man darf nichts ausschließen, wenn es um kuriose Paarungen im Einzelfall geht – bislang hat die Menschheit noch alles durch schiere Masse überstanden.
So muss auch das Ergebnis dieses Blicks unter die Haube offenbleiben wie im Fall des eingangs gezeigten. Eine Bitte hätte ich dennoch: Weiß jemand mit Ortskenntnis, zu welcher Kirche das schöne gotische Portal gehörte, vor dem der Mathis einst stand?
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.