Für Frühlingsverächter: Brennabor ASL Pullman

Der Frühling ist die Zeit, die mich zuverlässig vor der einsetzenden Depression bewahrt, dieses Jahr hat er arg lang auf sich warten lassen. Doch endlich lacht die Sonne, die Natur erfreut das Herz mit lang vermisster Üppigkeit und Farbigkeit.

Die Werbeleute der Firma Brennabor aus Brandenburg müssen im Mai 1929 ebenso empfunden haben – oder sie setzten auf die Empfänglichkeit ihrer Zielgruppe. Jedenfalls schufen Sie damals die wohl schönste Reklame der damals schon in Schwierigkeiten befindlichen Traditionsfirma:

Brennabor-Reklame von Mai 1929; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Vor lauter Begeisterung hatten die Werber vergessen, welchen Wagentyp sie da anpriesen. Den angegebenen Preisen nach zu urteilen, muss es sich um eines der Vierzylindermodelle mit 25 bzw. 30 PS gehandelt haben.

Doch daneben hatte man weit Attraktiveres in petto: den Sechszylindertyp AS, den es mit kurzem (Typ ASK) und mit langem Radstand (ASL) gab.

Dieser Wagen mit seinem 3,1 Liter-Motor und 55 PS Leistung sollte den Ende der 1920er Jahre am deutschen Markt enorm erfolgreichen US-Importautomobilen Paroli leisten, theoretisch jedenfalls.

Dazu bot man eine Reihe durchaus gelungener Aufbauten an – vor allem gemessen an dem optisch verunglückten Typen R 6/25 PS. Relativ häufig stößt man auf die Variante als „Faux-Cabriolet“ – also eine Limousine mit nur scheinbar zu öffnendem Verdeck (siehe auch hier):

Brennabor Typ ASK 12/55 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wirklich frühlingstauglich waren freilich eher die Ausführungen mit tatsächlich zu öffnendem Verdeck.

Davon gab es neben einem Cabriolet eine seltene Tourenwagenausführung. Ein Exemplar davon ist mir vor längerer Zeit ins Netz gegangen – mein Foto fand sogar 2019 Eingang in die Neuauflage des Klassikers „Deutsche Autos 1920-1945“ von W. Oswald.

Nachfolgend das Prachtstück, welches ich auf den Tag genau vor drei Jahren hier besprochen habe:

Brennabor Typ ASL 12/55 PS Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nun soll es Zeitgenossen geben, die gegenüber der Sinnlichkeit des Frühlings völlig unempfindlich sind und ihr Dasein gern weiter im Dunkel von Büros und Fabriken fristen.

Die besonders Privilegierten darunter lassen sich noch heute in dunkel abgetönten Limousinen in der Gegend herumfahren – besonders gern, wenn diese mit dem Geld des Pöbels bezahlt werden, dessen unverschämten Blicken man sich entziehen möchte.

Auch an diese Herrschaften hatte man bei Brennabor gedacht und auf dem langen Chassis des Typs 12/55 PS (ASL), welches auch dem Tourer als Unterbau diente, eine ziemlich repräsentative Pullman-Limousine fabriziert.

Bislang ist mir überhaupt nur ein Exemplar davon begegnet, welches ich heute zeigen will:

Brennabor Typ ASL 12/55 PS Pullman-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese stattliche Sechsfenster-Limousine ist leicht anhand des (hier waagerecht liegenden) „B“ auf der Radnabe und der „Nase“ an der Kühleroberseite als Brennabor der späten 1920er Jahre identifiziert.

Die Gestaltung der Luftschlitze in der Motorhaube und die von der A-Säule nach vorn geschwungene Linie sind klare Hinweise auf das Modell AS 12/55 PS, welches ab 1928 dem kleineren Sechszylindertyp A 10/45 PS zur Seite gestellt wurde.

Beim Vergleich mit dem weiter oben gezeigten Faux-Cabriolet, das ebenfalls viertürig war, ist klar zu erkennen, dass die Hintertür hier etwa auf Höhe des Trittbrettendes angeschlagen war – was ein deutlich längeres Chassis voraussetzte.

Somit haben wir es mit der um knapp 30 cm längeren Version ASL zu tun. Viel mehr bleibt an dieser Stelle nicht zu sagen, außer vielleicht, dass der Besitzer des Brennabor, der hier beim Einsteigen posiert, nicht sonderlich sympathisch wirkt.

Bestimmt war dieser finster dreinschauende Geselle ein Frühlingsverächter, am Ende gar ein Frühlingsleugner, pfui!

Wir sind ihm dennoch verpflichtet, hat er uns doch durch seine Entscheidung für die Pullman-Limousine zumindest ein Beweisfoto dieses raren Typs beschert…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

6 Gedanken zu „Für Frühlingsverächter: Brennabor ASL Pullman

  1. Schon klar. Im Ausland wurde übrigens bei deutschem Besuch aus Unkenntnis oder Gewohnheit auch oft weiterhin SWR gehisst. Die SPD von Willy Brandt und Helmut Schmidt wäre nach den Maßstäben der heutigen Meinungsmacher vermutlich rechtsradikal 🙂

  2. Ja, allerdings wurde die schwarz – weiß- rote preußisch- reichdeutsche Flagge (illegalerweise) von allen „kaiser- treuen“ rechtsreaktionären Kreisen gerne gezeigt und hatte ja in jedem bürgerlichen Haushalt und Verein die sog. Revolution von 1918 unbeschadet überstanden.
    Mein Großvater hatte 1934 nach gewissen “ Verdächtigungen“ in einem Rechtfertigungsschreiben an seine vorgesetzten Stellen bei der preußischen Provinzial- Verwaltung betont , hätte im Ausland (auf seiner 2. Tibet- Expedition 1931 – 32) immer schwarzweißrot geführt !
    Im Altwr hat er es dann doch noch bis zum Brandt- Wähler geschafft….

  3. Hatte ich doch gesagt, Herr Weigold. Sieht man an den Grauabstufungen, dass es nicht die ehemalige (und später zeitweilig wieder gebräuchliche…) Reichsflagge gewesen sein kann.

  4. Aber, aber – Herr Schlenger !
    Wikipedia Leser wissen mehr….
    Nationalflagge : Schwarz
    Rot
    Gold
    Das weiß man doch noch aus der Schule.
    Oder hat man in katholischen Gymnasien vermieden, das zu erwähnen ?

  5. Zugegeben : Die Hauptperson der Scenerie um die respektable
    Reiselimousine lässt an Al Pacino in seiner Rolle als Michael Corleone aus dem „Paten“ denken – sollte er sich eine preisgünstige Import- Limousine (als Camouflage?) zugelegt haben? Eher unwahrscheinlich, wissen wir doch als Fans dieses Filmepos, daß die Tätigkeit eines Arbeitgebers in der aufstrebenden Branche des Glücksspiels in den USA damals gelegentlich einen Dienstwagen der überlegenen Leistungsklasse erforderte. Das große “ B“ als Logo lässt zugegebenermaßen an “ B“ wie Buick denken! Ich denke aber, selbst unser Blog- Wart Michael
    würde nicht so weit gehen, deutsche Regierungs- Funktionäre in die Nähe von Mafia- Bossen zu rücken.
    Die linksgeführte Reichsflagge, die wir wir hier in Schwarz- rot – weiß: wahrnehmen, deutet darauf hin !

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