Wo geht’s hier zum Sommer? Austro-Daimler AD6-17

Der Juni 2023 gab einen Vorgeschmack auf einen großen Sommer – jedenfalls in deutschen Landen. Braungebrannt fuhr ich ins italienische Umbrien, wo die Einheimischen noch vornehme Blässe trugen – kühl und regnerisch war es dort wochenlang gewesen.

Wie schon immer spielt das Wetter dem Menschen solche Streiche – meist harmlose, bisweilen auch nicht ungefährliche. Wer aber nicht gerade an „German Angst“ leidet, lässt sich keine Panik einreden. Gibt es „Hitzewarnungen“, zieht es die meisten an den/die See…

Und punktgenau zur medial angefachten „Hitze-Epidemie“ zeigt uns der Sommer die kalte Schulter. Die geweissagten „Tropennächte“ kommen kaum aktuell über 12 Grad hinaus.

In meiner Heimatregion – der an sich von mildem Klima verwöhnten hessischen Wetterau – enttäuscht der Juli-Anfang tagsüber mit knapp über 20 Grad. Grund zur Panik? Nö, vielleicht gibt’s bloß mal wieder einen vermurksten Sommer…

Wer sich freilich für draußen etwas vorgenommen hat – etwa eine sommerliche Ausfahrt in die Berge unter sengender Sonne mit Fahrtwind wie aus dem Fön, um dem am Schreibtisch ruinierten Teint wieder auf die Sprünge zu helfen, sieht derzeit ziemlich angeschmiert aus:

Austro-Daimler AD6-17; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Immerhin scheint auf dieser Prachtaufnahme aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt die Sonne und die Landschaft bietet sich in ihrer ganzen Schönheit dar.

Besser als in der großen Stadt ist es hier draußen allemal„, denkt sich der Fahrer aus dem bayrischen Fürth vielleicht.

Doch wo genau geht es zum Sommer?“, das scheint im durch den Kopf zu gehen, während er sinnierend im wärmenden Wollpullover neben seinem mächtigen Wagen steht.

Irgendetwas muss hier temperaturtechnisch schiefgelaufen sein, doch unser Mitleid hält sich angesichts dieses automobilen Prachtstücks aus dem Hause Austro-Daimler in Grenzen. Für mich eines der beeindruckendsten Fotos des Typs AD6-17, das mir bisher begegnet ist.

Anno 1921, als dieses Modell eingeführt wurde, war das eines der besten Autos, die man von einem Hersteller im deutschsprachigen Raum kaufen konnte: Ein moderner 6-Zylinder mit Ventilsteuerung über oben im Zylinderkopf liegende Nockenwelle, reichlich Drehmoment aus 4,4 Liter Hubraum und satte 60 PS Spitzenleistung.

Das war das Rezept für einen Reisewagen, mit dem sich mühelos die Alpen überqueren ließen. Auch die 140 Liter Inhalt des Benzintanks machten den Austro-Daimler zum idealen Gefährt(en) aus den Niederungen des Alltags hoch auf die Pässe und hinab ins gelobte Land südlich der Alpen.

Was konnte dabei schon schiefgehen, zumal man zu den rund 1.000 Privilegierten gehörte, die sich einen dieser bis 1923 gebauten Traumwagen leisten konnten? Nun, auch mit dem dicksten Portemonnaie und den besten Verbindungen lässt sich das Wetter nicht kaufen.

Der Mensch bleibt doch immer Unwägbarkeiten ausgesetzt, und das ist gut so, sonst schnappt er am Ende völlig über, hält sich gar für die Krone der Schöpfung.

Wo geht’s hier zum Sommer? Das konnte dem Automobilisten damals wie heute keine Karte und kein Wetterfrosch mit absoluter Gewissheit verraten. Nehmen wir das doch einfach an, und überbewerten wir unsere unvollkommenen Maßstäbe nicht.

Freuen wir uns an dem, was uns Natur, Zufall und auch eigenes Bemühen an Schönem bescheren, doch nehmen wir Enttäuschungen und Missgeschicke wie vor 100 Jahren: Mit Demut und Dankbarkeit für das Wunder des Daseins.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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