Vielleicht ein wenig streng: Hanomag 3/18 PS

Die Personenwagen, welche der Hannoveraner Maschinenbauer Hanomag von 1925 bis 1941 fertigte, geben in der Regel wenig Rätsel auf.

Zwar gibt es aus meiner Sicht immer noch keine wirklich umfassende und detaillierte Bilddokumentation sämtlicher Typvarianten vom Erstling 2/10 PS „Kommissbrot“ bis zum stromlinienförmigen „1,3 Liter“, mit dem die Produktion im 2. Weltkrieg endete.

Doch grundsätzlich konnte ich in meiner Hanomag-Galerie bereits alle Modelle chronologisch einsortieren, darunter auch einge Exoten mit Spezialkarosserie.

Schwierigkeiten bereitet mir nur die sichere Unterscheidung der Anfang der 1930er entstandenen Typen 3/17, 3/18 und 4/23 PS. Inwieweit sie abweichend gestaltet waren, dafür fehlt mir bisher eine verlässliche Quelle – von daher seien Sie etwas weniger streng mit mir als sonst, wenn ich im Folgenden mehr als üblich spekuliere.

Wie es scheint, gab es den 3/17 PS von 1931/32 nur mit dem herkömmlichen Flachkühler. Vom Vorgänger 3/16 PS unterschied er sich äußerlich insbesondere durch den geschwungenen unteren Abschluss der Frontscheibe:

Hanomag 3/17 PS oder 4/23 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Schick und charmant die Dame, nicht wahr? Dabei macht sie aus ihren vielleicht 1,60m Körpergröße mehr, als es manche großwüchsige Geschlechtsgenossin mit formloser „Funktionskleidung“ heute tut.

Könnte gut sein, dass diese Leute auch an ihrem Hanomag Wert auf’s schöne Detail legten. So könnten die Radkappen entweder ein aufpreispflichtiges Zubehör sein oder sie waren dem parallel angebotenen stärkeren Typ 4/23 PS vorbehalten.

Eben solche Angaben zur Unterscheidung konnte ich bislang nirgends finden.

Klar ist nur dieses: Ab 1932 erhielten die Hanomag-Automobile einen ziemlich „schrägen“ Kühlergrill. Ich habe so ein Originalteil in meiner Sammlung und ich muss sagen: Reichlich krude gestaltet und handwerklich grob gemacht – nicht gerade ein Meisterwerk.

Immerhin können wir anhand dieses Elements nun die Motorisierungen auf die von 1932-34 weitergebauten Varianten 4/23 PS und 3/18 PS (Nachfolger des 3/17 PS) eingrenzen:

Hanomag 3/18 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wieder haben wir es mit modebewussten Leuten zu tun – wobei sich hier der Herr rechts außen im Nadelstreifenanzug besondere Mühe gegeben hat. Die Damen und sein Nachbar tragen die gekonnt zur Schau gestellte Eitelkeit mit Humor bzw. Fassung.

Was an diesem Wagen markant erscheint, ist der schräg verlaufende vordere Türabschluss. Ob er dem Sparmodell 3/18 PS vorbehalten war? Das vermute ich, weiß es aber nicht. Das Fehlen von Radkappen und einer Stoßstange könnten dafür sprechen.

Vielleicht ein wenig streng sieht der Wagen in dieser nüchternen Form aus, finde ich.

Allerdings gibt es auch einige Aufnahmen mit demselben Aufbau als Cabrio-Limousine, auf denen eine einteilige Stoßstange zu sehen ist. Und auf folgendem Foto findet sich sogar eine Variante mit zusätzlichen Radkappen:

Hanomag 3/18 PS oder 4/23 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Haben wir hier es nur mit aufpreispflichtigen Teilen zu tun oder waren die Stoßstange und die Radkappe dem stärkeren 4/23 PS vorbehalten?

Nun könnte man sagen: Vielleicht ein wenig streng, sich an solchen Finessen oder Nichtigkeiten abzuarbeiten. Reizvoll sind diese Dokumente doch allemal, auch wenn man vielleicht nicht mehr genau sagen kann, welcher Motor nun unter der Haube schlummerte.

Das ist eine Argumentation, der ich mich in Ermangelung gesicherten Wissens nur zu gerne anschließe. Und wissen Sie was? Ich habe sogar das passende Foto dazu!

Hier pfeift man gern auf die zuvor erörterten Fragen – zumal die Doppelstoßstange nur Anlass für noch mehr Verwirrung gibt. Man hat nur Augen für die Dame mit dem perfekt auf den Leib geschneiderten Kostüm und dem wie frisch erlegt über die Schulter geworfenen Fuchs (oder was auch immer):

Hanomag 3/18 PS oder 4/23 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Unsere piekfeine Dame im makellosen Reisetrimm macht blendende Figur – doch vielleicht ein wenig streng schaut sie drein.

Haben wir etwas falsch gemacht bei unserer heutigen Betrachtung? Ich meine, wir haben unser Bestes gegeben, nicht wahr? Wer es noch besser weiß, darf natürlich im Kommentarbereich für Erleuchtung sorgen.

Aber bitte nicht zu streng sein!

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7 Gedanken zu „Vielleicht ein wenig streng: Hanomag 3/18 PS

  1. Wie immer treffend und lehrreich beschrieben! Was die Pelzmode angeht: Muss wirklich nicht sein, vor allem nicht in Verbindung mit schlechter Behandlung der Tiere. Aber wenn es demnächst erst einmal künstlich geschaffenes Fleisch gibt, wird man über die Carnivoren von heute (ich zähle nicht dazu) auch nur den Kopf schütteln. Gegen die jährlich Abermillionen von industriell gehaltenen und getöteten Tiere, die nur dazu da sind, damit sich die faule Masse fett und krank essen kann, erscheinen mir jedenfalls die Opfer der Pelztierbranche fast überschaubar…

  2. Digital lässt sich jedes Werk mühelos erweitern und aktualisieren und bei Interesse auch im Eigenverlag drucken. Machen einige Autoren, ist natürlich nicht billig für die Käufer . Alternativ kann man auch im Netz tätig werden – Sie sind ja selbst ein gutes Beispiel dafür. Wirtschaftlich lohnend waren solche Bücher auch früher für den Autoren nur selten, wenn man die eigene Arbeits- und Lebenszeit ehrlich anrechnet. Nichtstun kann jedenfalls nicht das Fazit sein, wenn man etwas zu sagen hat.

  3. Da wird das Krux von Fachbüchern mal offensichtlich:
    Ein Autor gibt sich Mühe und macht sich viel Arbeit, mit seinem aktuellen Kenntnisstand ein Standard-Werk zu verfassen. Auf Grund des Buches kommen dann viele neue Informationen, welche vorher in irgendwelchen Archiven schlummerten. Eigentlich müsste man nun das Standard-Werk überarbeiten, ergänzen und eine neue Auflage drucken – aber das macht keiner, weil es sich nicht rechnet. In der heutigen Zeit wohl ein unvermeidliches Schicksal aller Druckwerke.

  4. Vielleicht sollte man es als eine der bedeutendsten Kulturleistungen der letzten 70 Jahre begrüßen, daß unsere Damen davon abzubringen waren , sich mit ganzen Tierhäuten samt Kopf und Schwanz zu behängen – oder soll man das als ersten Sieg der Nicht- Raucher- Bewegung werten?
    Wie immer ist bei der Einordnung vor Kleiautos der verschiedensten Hersteller zu beachten, daß Zubehörteile wie Radkapseln, Stoßstangen, Stein- schlaggitter etc. bei den billigsten Angeboten der Kataloge nicht enthalten waren und von Vornherein als „Zusatzausstattung“ gegen Mehrpreis deklariert waren oder den Katalogen der Zubehör- Lieferanten zu entnehmen waren
    (wie vermutlich die hier u. A. zu sehende mit drei schwarzen Gussteilen und zwei geraden, in der Länge an die Wagenbreite anzupassenden Profilstücken zusammengesteckte Ausführung).
    Analog zu DKW hatten sicher auch die kleinen Hanomag- Wagen um 1930 noch Radmuttern aus Messing mit Rechts- bzw. Linksgewinde, die auf der abschließenden Kappe mit „R“ u. „L“ gekennzeichnet waren und dadurch der Neigung zum Lockern entgegenwirken sollten.
    Erst die Erfindung der geschlossenen „Radkapseln“ , anfangs noch, wie hier zu sehen, mit unter den Radmuttern befestigten Halteringen sorgten für Abhilfe Abgefallene Muttern “ klöterten“ dann in der Kapsel herum um veranlassten den zu Tode erschrockenen Wagenlenker zu einer Notbremsung.
    Auch diese Lösung war jedoch mit Vorsicht zu genießen, da die durch sog. Drücken hergestellten Blechteile logischerweise aus drückbarer, also.weich- zäher Stahlqualität bestehen mussten.
    Das führte jedoch durch ständige “ Überpressung“ beim
    Anziehen der Radmuttern (die dann ja aus hochfestem Stahl
    gefertigt waren) zur fließenden
    Verformung an den Druckstellen.und damit zur Entspannung der Schraubverbindung! Auch diese Mehrausstattung war in diesen Jahren noch der „L“- Ausstattung
    vorbehalten !

  5. Besten Dank für den Hinweis – ich besitze das Buch bereits und weiß es zu schätzen. Allerdings – und das ist mein Punkt – wird dort auch nicht wirklich deutlich, ob und wie sich 3/17 PS. 3/18 PS und 4/20 äußerlich unterscheiden lassen. Beispiel: Es gibt die Flachkühler-Limousine mit rundem und geradem unteren Abschluss der Frontscheibe – deutet das auf unterschiedliche Baujahr, Typen, Karosseriehersteller hin? Wie ist zu erklären, dass der 4/20 PS von Wilhelm Hoepfner von 1929 auf S. 57 mit demselben Nummernschild, aber unterschiedlicher Karosserie zu sehen ist? Wo finde ich Angaben und Bilder zum 3/17 PS? Die Übersicht auf S. 146 berücksichtigt nur 3/16 PS und 3/18 PS. In der Tabelle auf S. 144 taucht immerhin der 3/17 PS auf, aber mit Angabe 18 PS, außerdem der 3/18 PS (aber erst ab 1932). Ich finde das alles etwas verwirrend und mir bereitet das mangelnde Bildmaterial zu diesen Typen Schwierigkeiten. Etliche Fotos aus meiner Hanomag-Galerie kann ich damit nicht wirklich einordnen, speziell die Schrägkühlermodelle ab 32 mit den hinten angeschlagenen Türen finde ich nirgends. Dasselbe gilt für strukturierte Infomationen zu Radkappen, Stoßstangen (ohne, mit, ein- und zweifach), Karosserieherstellern usw. Von daher bin ich dankbar für alle weiterführenden Informationen.

  6. Schöne Bilder, netter Beitrag, leider ohne fachlichen Hintergrund. Alle Details incl. der Technischen Daten findet man in „Hanomag-Personenwagen von 1924 – 1941“, 1999 im Mundschenk-Verlag in Soltau erschienen. Zwar nur noch antiquarisch zu bekommen, aber mit etwas MÜhe kein Peroblem, die Auflage war hoch genug! Herausgeber: Torsten Hamacher + Horst-Dieter Görg, Hannover bzw. Hildesheim, den 21.01.2024 Horst-Dieter Görg, Vorsitzender der Hanomag IG e.V.

  7. So geht das Wissen in vielen Bereichen verloren .. Fuchs oder Steppenwolf .. ein klassischer Rauchwaren Händler kennt die Antwort … Gruß von den Waschbären .. die sind heute auch nicht mehr beliebt

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