Fund des Monats: Der Osterhase im Fiat 500

Ein Fiat 500 als Fund des Monats – wie kommt man auf so etwas? Nun, das geht so: Am Ostersamstag fuhr ich aus Italien zurück, knapp 1200 Kilometer in die hessische Wetterau.

Da hat man viel Zeit, um sich Gedanken zu machen – ziemlich genau 12 Stunden, Pausen eingerechnet. Den besten Schnitt fahre ich übrigens in Italien, trotz offiziellen Tempolimits von nur 130 km/h auf der Autobahn.

Das kann man durchaus als Mittel erreichen, wenn man öfters 140 fährt – außer um’s tiefrote Bologna herum – und es wie der Einheimische macht: In Bau- oder Engstellen das Tempo halten, egal was dort steht, solange niemand am arbeiten ist. Geblitzt wurde ich in Italien in 25 Jahren noch nie – solange man es nicht übertreibt, lässt einen die Polente in Ruhe.

In Deutschland dann gibt’s zwar auf der A5 bald kein Tempolimit mehr, aber die Strecke ist über lange Zeit nur zweispurig ausgebaut – völlig unzureichend. Ständig wird man von Zeitgenossen aufgehalten, die mit 100 Sachen LKW überholen, oder von LKW, die noch langsamere Zeitgenossen überholen.

Fast noch Mitleid habe ich dabei mit den armen Vertretern der Elektrofraktion, die ihre teuren Gefährte batterieschonend auf der rechten Spur bewegen müssen. Sympathie stellte sich allerdings diesmal bei einem speziellen Hindernis ganz anderer Art ein.

Denn vor Karlsruhe bemerkte ich, dass Reisebusse ausscherten, um einen Langsamfahrer hinter sich zu lassen. Ich war innerlich schon auf 180.

Doch als ich den „Schleicher“ sah, war alles vergessen. Es war ein Fiat 500 – doch keiner der adretten Wiedergänger unserer Tage, mit welchem die Marke einen Riesenerfolg gelandet hat.

Nein, es war ein Heckmotor-500er der 1960/70 Jahre, damals „500 Nuova“ geheißen, um ihn vom Vorgänger 500er – dem Frontmotor-„Topolino“ – abzugrenzen, dessen Wurzeln bis in die 1930er Jahre zurückreichten.

Es handelte sich aber nicht etwa um den Fiat eines örtlichen Enthusiasten, weit gefehlt. Das winzige Auto, das innen mit Gepäck vollgestopft war, besaß ein altes schwarzes Kennzeichen, das auf eine Zulassung in Padua hinwies.

Wie aus dem Ei gepellt sauste der Kleine die Autobahn entlang, am Steuer eindeutig eine gutgelaunte Italienerin, neben ihr eventuell noch ein Beifahrer, sicher bin ich nicht.

Kurz nachdem ich den Fiat überholt hatte, machte ich halt zum Tanken und wie erhofft sah ich von der Zapfsäule den Wagen mit Vollgas vorbeifahren. Ich fühlte mich an meine Italienfahrt als Student mit 1200er Käfer erinnert, der 150-160.000 km auf der Uhr hatte, mit dem ersten Motor.

Natürlich hieß das ebenso Dauervollgas, aber gute Wartung vorausgesetzt, steckten diese Autos das weg, sonst hätte man solche Touren nicht gewagt. Aber ein Fiat 500 ist kein 1200er Käfer, der mit etwas Nachhilfe immerhin 120 km/h Spitze schaffte.

Daher Hut ab vor der Italienerin, die sich mit ihrem Cinquecento auf die deutsche Autobahn gewagt hatte. Übrigens ist die Präsenz des Fiat 500 im italienischen Alltag bemerkenswert hoch, was man vom „Käfer“ hierzulande nicht behaupten kann.

Das liegt wohl weniger am Auto als an der mittlerweile grassierenden „German Angst“ (Stichwort: Fahrradhelm bei Dreijährigen auf dem Laufrad – gerade heute wieder gesehen).

Jetzt wird’s aber allmählich Zeit für den Osterhasen im Fiat, mögen Sie jetzt denken. Grundsätzlich schon, aber bis Sie den zu Gesicht bekommen, müssen Sie noch etwas Geduld haben, auch wenn ich ab jetzt auf kurzweilige Fotos umstelle.

Dazu begeben wir uns in die Nachkriegszeit und wieder nach Südwestdeutschland. Dort hatte damals ein Paar das Glück, über einen Fiat 500 des ab 1936 gebauten Vorkriegstyps zu verfügen und auch über das Geld für Benzin und Übernachtungen, um Urlaub mit dem Wagen zu machen.

Dabei ging es Richtung Süden, Richtung Gebirge – einen Drang, den man als Deutscher von den germanischen Vorvätern (m/w/d) ererbt hat und welcher seine konstruktivste Ausprägung in der friedlichen Urlaubsreise gefunden hat:

Fiat 500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ich habe keine Idee, wo genau dieses stimmungsvolle Foto entstanden ist, habe gerade auch keine Zeit zum Recherchieren. Aber wenn jemand es herausfindet oder sogar spontan sagen kann, wäre ich für einen Hinweis im Kommentarteil sehr dankbar.

Auf der nächsten Aufnahme sind wir schon höher hinaus, auch hier könnte die markante Topografie Aufschluss über die Örtlichkeit geben:

Fiat 500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nun haben wie zweimal „sie“ mit dem Fiat gesehen, da möchte man doch auch wissen, wie „er“ ausgesehen hat.

Für die nötige Geschlechtergerechtigkeit sorgen die beiden folgende Fotos. Hier haben wir „ihn“ zunächst anlässlich eines Halts irgendwo an der Autobahn:

Fiat 500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Für mich sieht der Herr mit Baskenmütze und Nickelbrille wie ein „Intellektueller“ im positiven Sinne aus – also kein verkrachter Künstler, der nur wirr reden und herumschmieren kann, sondern jemand, der vielleicht aus einer musischen Begabung eine profitable Existenz gemacht hat – als Professor oder als Kunsthändler.

Hier haben wir ihn nochmals. diesmal mit dem einzigen Ortshinweis“Luitpoldbad“:

Fiat 500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Sie sehen, über den wackeren Fiat verliere ich bei alledem kein Wort – dieser wohl genialste und zugleich schönster aller Kleinstwagen bedarf keiner Worte und auch warum er den Spitznamen „Topolino“ (Mäuschen) erhielt, erklärt sich ganz von selbst.

Wo aber bleibt denn jetzt der Osterhase? Den müssen Sie schon selbst finden. Doch das ist ganz einfach. Ich wollte bloß erst diese Bilderreihe bringen, zu deren Präsentation ich einige Jahre auf die richtige Gelegenheit gewartet habe.

Über die Besitzer des Fiats ist nichts bekannt und vermutlich ist außer diesen Aufnahmen nichts von ihnen geblieben, sonst wären die Aufnahmen nicht kommentarlos auf dem Markt gelandet, wo ich sie entdeckt habe.

Die Geschichte, die sie erzählen, ist ohnehin zeitlos – so wie die Geschichte vom Osterhasen ein uraltes Stück ist, welches sich die frühe christliche Kirche mit ihren in der Hinsicht begabten „Marketing“-Leuten genial angeeignet hat wie so vieles andere.

Und nun kommt endlich der Osterhase ins Spiel…

Fiat 500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

11 Gedanken zu „Fund des Monats: Der Osterhase im Fiat 500

  1. Schön, dass die Aufnahmen räumlich zugeordnet sind. Mit dem Jochpass verbinden sich für mich Erinnerungen an Familienurlaube in den 60er Jahren im Tannheimer Tal. Das letzte Foto (das mit dem Hasen) passt vom Landschaftscharakter allerdings eher in den Südschwarzwald.
    Warum ich eigentlich schreibe: AW im Kennzeichen steht tatsächlich für Amerikanische Zone Württemberg, die Nummer 67 dahinter für die Zulassung in der (Universitäts-)Stadt Heidelberg. Das unterstützt die spekulative Einordnung des Fahrers als Intelektuellen.

  2. Ja, lieber Herr Schlenger,
    mein erstes Auto war ein Fiat Neckar 1100, im April 1964 gebraucht gekauft, also vor exakt 60 Jahren. Da ich über keinerlei Unterlagen mehr verfüge (außer einigen Fotos), bemühe ich mein Gedächtnis: Ich glaube, er war Baujahr 1958 oder 1959. Es war das Modell mit dem mittig eingebauten Nebelscheinwerfer. Lange besaß ich ihn nicht, denn die sehr oft reparaturbedürftige Elektrik von Magneti Marelli hat mich viel Geld und Nerven gekostet. Bei einer Nachtfahrt von meinem Heimatort Sonthofen nach Mittenwald, wo ich meine Z2-Jahre bei den Gebirgsjägern verbrachte (ich hätte vor dem 22 Uhr-Zapfenstreich in der Kaserne sein müssen), streikte im Tannheimer Tal/Tirol die Lichtmaschine und ich fuhr den anschließenden Gaicht-Pass völlig ohne Licht bis Reutte. Das vergisst man nicht.

  3. Großartig, danke! Sie haben also auch einen Fiat 1100 aus deutscher Produktion gefahren? Welches Baujahr genau? Besitze nämlich einen komplett originalen 1100 D aus dem Heilbronner Werk von 1967.

  4. Danke wie immer! Sicher, was die Zulassung angeht? Das Kürzel „AW“ stand m.W. für „Amerikanische Zone Württemberg“, im Fall von Frankfurt/Main hätte es doch „AH“ sein müssen, oder?

  5. Nette Geschichte rund um den kleinen Fiat 🙂
    Andere Frage: Haben Sie auch etwas zum Automobilhersteller Heim & Cie aus Mannheim? Oder zu Lux aus Ludwigshafen?

  6. Ich füge noch ein P.S. hinzu:
    Das Luitpoldbald heißt nach dem damaligen Prinz Luitpold von Bayern, der lange Jahre Prinzregent von Bayern war; sie ahnen es vielleicht: Als Prinzregent „vertrat“ er den „Märchenkönig“ Ludwig II. Luitpold hatte ein großes Jagdrevier bei Hindelang und war daher sehr oft im Oberallgäu..

  7. Na, da kann ich doch etwas aushelfen:
    Das Schild „Luitpoldbad“ steht am Rand der Jochstraße (Oberjochpass), Teil der Deutschen Alpenstraße B308, wenn man von Bad Hindelang nach Oberjoch fährt. Diese kurvenreiche Passstraße (je nachdem, was man als Kurve ansieht, sind es etwa 100) bin ich seit exakt 60 Jahren hunderte Male gefahren (einstmals mit Fiat Neckar und VW Käfer Bj. 1960), da ich nur 8 km vom „Prinz-Luitpold-Bad-Hotel (so heißt das heute) entfernt meine Kindheit, Jugend, Schulzeit usw. verbracht habe und auch heute noch immer in mein geliebtes Allgäu fahre. Ach ja, zur Historie der Jochstraße (von Oberjochpass spricht kein Einheimischer) gehört auch, dass der mal vorübergehend (Sie ahnen den Zeitraum) Adolf-Hitler-Paß hieß. Das zweite Foto mit der Alpe im Hintergrund könnte vom Jochpass aus auf etwa halber Höhe aufgenommen worden sein. Es könnte die „Ochselalpe“ sein. Die anderen Fotos kann ich leider nicht präzise zuordnen.

  8. Hallo Herr Schlenger,
    die Kirche auf dem ersten Bild kenne ich gut, diese steht in Pfronten im Allgäu. Bin ich doch als junger Mann oft über den Fernpass noch Österreich und Süd-Tirol zum Bergsteigen gefahren. Die beiden Herrschaften haben sich im Allgäu aufgehalten. Das Luitpold-Bad gibt es auch heute noch in Bad Oberndorf. Der Topolino war in Frankfurt zugelassen.
    Beste Grüße
    Hans Dieckmann

  9. Hallo Herr Schlenger,
    das ist die Kirche in Pfronten.
    Bin früher oftmals von Ulm aus zum Bergsteigen nach Österreich gefahren.
    Beste Grüße
    Hans Dieckmann

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