Trotz Schnee mit Spaß mobil in Italien: Fiat 509

Wie immer trifft der Titel der heutigen Betrachtung genau das, was ich Ihnen in Sachen Vorkriegsautos auf alten Fotos präsentieren möchte.

Allerdings müssen Sie sich vorher eine Reihe zeitgenössischer Aufnahmen antun, zu denen ich heute Gelegenheit fand. „Notwendig“ wurde dies, weil mich auf meiner aktuellen Italientour mehr Schnee begleitete, als ich erwartet hatte.

War es im Tessin im Gegensatz zur nördlichen Alpenseite noch angemessen vorwinterlich, fuhr ich nach Durchmessen der Po-Ebene ab Cesena in den tiefverschneiten Apennin hinein, der schon zuvor aus weiter Ferne in der Sonne liegend das Auge verwöhnte.

Gut 10 Zentimeter weiße Pracht hatten die Landschaft mit einer himmlischen Haube überzogen, aus der nur vereinzelt prächtige Bäume mit spätherbstlichen Laub lugten – im Sonnenschein ein ungewohnter und hinreißender Anblick.

Hinreißen ließ ich mich indessen nicht zu einem Fotohalt, denn ich wollte keine Zeit auf dem Weg zu meinem Ziel in Umbrien verlieren. Das sollte sich noch auszahlen. Die Straße war vorbildlich geräumt und die Steigungen mit Taumittel satt behandelt.

Wie stets änderte sich das Mikroklima nach Eintritt in die umbrische Ebene schlagartig – hier war alles noch herrlich grün. Doch auch trugen die umlegenden Hügel und Berge bis auf etwa 700 Meter herunter feine Schneehauben.

Kurz vor dem Ziel lag Assisi herrlich am Hang im Sonnenlicht, doch mit der weißen Kuppe des dahinterliegenden, über 1000 Meter hohen Monte Subasio, bot sich ein Anblick dar, wie er noch großartiger ist.

Kurz darauf gelangte ich in meinem Eremitennest auf Zeit an, das knapp unter der Schneegrenze auf 600 Meter Höhe liegt:

Collepino (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Da ich den Wagen ohnehin noch von der Salzlauge von unterwegs befreien wollte, dachte ich mir, dass ich doch einen kleinen Umweg über den Monte Subasio nehmen könnte, der auch der Hausberg von Collepino ist.

Auf die Idee waren auch andere bereits gekommen, und so fand ich oben eine Flotte vorwiegend geländegängiger Wagen vor – vom noch sehr verbreiteten (alten) Panda 4×4 über allerlei Suzuki Jeeps und aktuelle Dacia Duster Allrad bis hinzu Toyota Landcruiser und Landrover aller Epochen.

Kinder auf dem Schlitten und Erwachsene bei der Schneeballschlacht – auch hier hat man Spaß im Schnee und ist mobil genug, um die Gelegenheit zu nutzen, die sich durchaus öfters, aber nicht immer ergibt.

Meine heutigen Impressionen habe ich im Schwarzweiß-Modus gehalten, mir gefällt das bei diesem Thema und der Übergang zum eigentlichen Fotomodell fällt nicht so abrupt aus:

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Ich hatte Glück, denn die Sonne begann schon hinter neuen Wolken im Westen zu verschwinden.

Also schnell noch ein paar Schüsse mit der guten alten Nikon (immerhin schon digital) in alle Richtungen.

Hier der Blick nach Süden in Richtung Spoleto – Umbrienkenner dürften mittig das praktisch immer sonnenverwöhnte Trevi auf seinem Felssporn über der Valle Umbra erkennen:

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Jetzt schwenken wir nach links und genießen die Aussicht gen Osten, wo in der Ferne noch deutlich höhere Gipfel des Appenins locken.

Man kann sich kaum vorstellen, dass dahinter die blaue Adria liegt, die nur eine gute Stunde Autofahrt entfernt ist:

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Weiter gehts in Richtung Nordosten – hier ahnt man, dass das Licht am Schwinden ist – gut also. wenn man im Schnee so mobil ist, um das noch rasch einfangen zu können:

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Der letzte Blick geht gen Westen, wo sich allmählich bereits die Dämmerung ankündigt. Höchste Zeit, wieder ins Tal zurückzukehren – immerhin lohnt sich nach dieser Aktion die Wagenwäsche noch mehr, als das ohnehin der Fall war.

Monte Subasio (Umbrien) im November 2025; Bildrechte: Michael Schlenger

Natürlich sind diese quasi aus der Hüfte geschossenen konventionellen Fotos selbst kein Grund, Ihre Aufmerksamkeit von Wichtigerem abzulenken. Doch ich meine, dass sie ganz nett zu der letzten Aufnahme überleiten.

Diese zeigt den im Titel angekündigten Fiat 509 – ein auch in Deutschland gern gekauftes 1 Liter-Modell von Mitte der 1920er Jahre.

Unter der Haube fand sich ein Motor mit sportlicher Ambition, denn das Aggregat besaß eine obenliegende Nockenwelle zur Ventilsteuerung, was höhere Drehzahlen und damit größere Leistungsausbeute erlaubte.

Diese Gerät wurde nicht nur gern zu wirklich sportlichen Einsätzen genutzt, sondern offenbar auch dazu, um im italienischen Winter mobil zu bleiben:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dass wir es mit einem Fiat 509 zu tun haben, das verrät uns die in den unteren Kühlerabschluss hineinragende Lichtmaschine, die direkt von der Kurbelwelle angetrieben wurde.

Um einen Dynastarter – also eine Kombination aus Dynamo und Anlasser – scheint es sich nicht zu handeln – der 509 besaß einen separaten Anlasser, der wie üblich in das Schwungrad am hinteren Motorende eingriff.

Kein anderer Fiat besaß dieses optische Detail, was insbesondere die Unterscheidung vom stärkeren 503 (1,5 Liter) erlaubt, der ansonsten sehr ähnlich aussah.

Das Kennzeichen interpretiere ich ohne spezielle Sachkennntnis als eines, das auf eine Zulassung im Raum Turin („Torino“) verweist. Für alternative Erklärungen, die immer willkommen sind, bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Tja, liebe Leser, das war’s auch schon, denn mit so einem heckgetriebenen Fiat traute man sich vor 100 Jahren in den Schnee, was nicht immer ein Vernügen war. Doch es ging, im Zweifelsfall mit Schneeketten und Zusatzgewicht auf der Heckachse.

Alles Übrige musste der Fahrer mit Erfahrung und Können bewerkstelligen. Wenn das nur Stress und kein Spaß gewesen wäre, auch im Schnee in Italien mobil zu sein, wäre ein Foto wie dieses nicht entstanden, das natürlich unzählige Pendants in Deutschland hatte, wo die Alltags-Fahrkompetenz einst ebenfalls sehr hoch gewesen sein muss…

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Nicht vollkommen, aber perfekt! Facetten des Fiat 1500

Es geht doch nichts über eine gelungene Paradoxie – die modische Bezeichnung „Sondervermögen“ für noch mehr Schulden gehört allerdings nicht dazu. Das ist eine Beleidigung des Verstands und sagt einiges über die Seriosität der Urheber aus.

Aber dass etwas perfekt unvollkommen sein kann, das hat bei aller Widersprüchlichkeit durchaus Substanz – jedenfalls wenn das Ausgangsmaterial der wohl vollkommenste Wagen der 1,5 Liter-Klasse von Mitte der 1930er Jahre ist.

Kein anderer Hersteller bot damals dermaßen viel Leistung, Laufkultur, Platz und Charakter wie Fiat mit seinem 1935 eingeführten Typ 1500. 45 PS und 6 Zylinder in dieser Hubraumklasse suchten ebenso ihresgleichen wie der enorm bequeme Einstieg dank vier Türen und fehlendem Mittelpfosten.

Kein Wunder, dass sich dieses feine Automobil auch in deutschen Landen einiger Nachfrage erfreute. Jedenfalls finde ich seit Jahren immer wieder „neue“ zeitgenössische Aufnahmen in Deutschland zugelassener Fiats des Typs 1500.

Heute präsentiere ich wieder einen Schwung davon. Auf keiner der folgenden Aufnahmen findet man den Fiat vollkommen – aber wie er sich präsentiert, das ist stets perfekt!

Diesen Eindruck gewinnt man bereits im Fiat-Autosalon von Arnold Klok am Alsterdamm in Hamburg – dort zeichnet sich die unverwechselbare Frontpartie mit den schrägstehend an die Kotflügel angesetzten Scheinwerfern ab:

Fiat 1500 Limousine; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Übrigens bemerkt man auf diesem außerordentlichen Foto von Leser Klaas Dierks ein weiteres unvollkommenes, aber perfekt platziertes Exemplar auf der Straße.

Das wenige, was wir hier sehen, genügt uns vollkommen, um den auch im Heilbronner Fiat-Werk (ex NSU) gebauten Wagen auf dem nächsten Foto auf Anhieb perfekt identifizieren zu können.

In diesem Fall handelt es sich um ein Fahrzeug aus dem Raum Leipzig:

Fiat 1500 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vom Fiat sieht man genug, um sich vollkommen sicher zu sein. Perfekt wird die Aufnahme dann durch den davor posierenden jungen Mann. Im August 1938 ließ er sich so ablichten – ein gutes Jahr später dürfte man ihn nur noch in Uniform gesehen haben, und dann vielleicht nie wieder.

Vielleicht haben Sie auf dem letzten Foto die eigenwilligen vertikalen Türgriffe bemerkt, die weitgehend in die Karosserie eingelassen waren. Auch sie erleichtern die Ansprache des Fiat 1500, selbst dann wenn er sich so mitgenommen präsentiert wie hier:

Fiat 1500 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie, so perfekt kann ein unvollkommener Gegenstand wirken – vorausgesetzt es gibt etwas, was einen daran so fesselt wie das Gesicht der jungen Frau, das sich trotz der übrigen Spuren der Zeit ganz wunderbar erhalten hat.

Man muss gar nicht viel erzählen über diesen faszinierenden Wagen – er ist stets perfekt präsent, selbst wenn er sich nur unvollkommen erkennen lässt. Sie werden diesen Typ garantiert immer wieder erkennen, sollte Ihnen mal einer begegnen.

Im Deutschland des 21. Jh. wird das allerdings schwierig, mir ist hierzulande überhaupt erst ein einziger begegnet und das war ein Italien-Import.

Aber zum Glück gibt es diesen Blog und hier können Sie mühelos und sorgenfrei eine Reise zurück in jene Zeit unternehmen, in der ma n dem Fiat 1500 auf deutschen Boden öfters begegnete – etwa im Mai 1936:

Fiat 1500 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich könnte noch eine Weile so weitermachen, aber dann wird die perfekteste Sache irgendwann vollkommen langweilig.

Also variieren wir das Thema zum Schluss noch ein wenig und gewinnen ihm eine weitere Facette ab, die ich gelegentlich auch beim kleineren Schwestermodell 1100 beleuchten will.

Ab 1940 bekam der Fiat 1500 nämlich eine neue Frontpartie spendiert, die weniger geschmeidig wirkte und Tendenzen im US-Automobilddesign aufnahm. Außerdem erhielt er ausstelbare Dreiecksfenster zur gezielteren Belüftung des Innenraums:

Fiat 1500 C Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser technisch unveränderte Fiat 1500C wurde bis 1943 gebaut. Ob und wie lange er auch im Heilbronner Werk gefertigt wurde, ist mir nicht bekannt.

Ein Exemplar davon muss aber während des 2. Weltkriegs in Deutschland gelaufen sein und das ist der oben gezeigte Wagen, der um 1950 in Sachsen aufgenommen wurde. Dafür spricht jedenfalls der umseitige Stempel eines Fotoladens in Bad Schandau.

Wieder eine unvollkommene Wiedergabe des Fiat, aber ein perfektes Foto, finde ich. Denn es hat alles, was ein historisches Dokument des Automobils als Begleiter und Wegbereiter im Dasein seiner einstigen, meist längst verschwundenen Besitzer ausmacht…

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Der reine Luxus: Fiat 514 – mit zwei Rädern…

So frugal das in der Überschrift anklingende Programm auch klingen mag – wird sich selbiges schon bald als der reine Luxus entpuppen. Vielleicht nehmen Sie sich etwas Zeit dafür, es gibt eine Menge zu sehen – speziell, wenn man sich nicht nur an Vorkriegsautos erbauen kann.

Tatsächlich liefert mir ausgerechnet der 1929 eingeführte Fiat 514 mit seinem konventionellen 1,4 Liter-Motor (28PS) die ideale Überleitung zum hemmungslosen Luxus, auch wenn man es dem Wagen hier noch nicht ansieht:

Fiat 514 Tourer; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Die schöne Aufnahme dieses Tourenwagenmodells verdanke ich Leser Matthias Schmidt. Sicher kann jemand eingrenzen, wo der Fiat 514 zugelassen war.

Alleine solche großzügig in digitaler Kopie bereitgestellten Dokumente darf man getrost als Luxus ansehen, da viele andere Sammler aus mir nicht begreiflichen Gründen Geheimnisse aus ihrem Bestand an altem belichtetem Papier machen.

Bislang war ich dem Modell 514, den Fiat als stärkeren Nachfolger des äußerst erfolgreichen 1-Liter-Typs 509 auf den Markt brachte, nur am Rande begegnet. Mit den Details nicht sonderlich vertraut wunderte ich mich daher über die Gestaltung der Räder mit einfacher Nabenkappe und frei zugänglichen Radbolzen.

Dabei hatte ich den 514 noch als Typ im Hinterkopf, der über markante Radkappen verfügte – hier hatte ich ihn erstmals anhand dieses bemerkenswerten Fotos besprochen:

Fiat 514 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Aus gegebenem Anlass bot sich nun die Möglichkeit, der Sache etwas genauer nachzugehen. Dabei liefert das Stichwort „zwei Räder“ den Schlüssel.

Wie ich aus der in jeder Hinsicht vorbildlichen Website von Ferdinand Lanner zu Fiat-Automobilen entnehmen konnte (warum gibt es das eigentlich nicht für andere Marken?), wurde der Fiat 514 auch mit einer Luxusaustattung angeboten.

Letztere umfasste zwei seitlich montierte Reserveräder, außerdem die erwähnten wohlgeformten Radkappen. Tatsächlich fand ich beides stets in Kombination miteinander auf weiteren Fotos des 514, die ich erwerben konnte.

Hier haben wir ein in Berlin zugelassenes Exemplar, das wahrscheinlich in Deutschland seinen Cabrioaufbau erhalten hatte – in Italien kannte man diesen schwerfälligen Stil mit hoch bauender Tür nicht:

Fiat 514 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

An sich war der Fiat 514 ja Ende der 1920er Jahre als Einstiegsmodell gedacht, doch in Deutschland war damals noch jedes Auto ein Luxusgegenstand – und wer sich das leisten konnte, besaß oft auch das Kleingeld für einen Manufakturaufbau.

Der Besitzer dieses Exemplars gönnte sich sogar den Luxus gleich zweier Ausführungen – jedenfalls könnte man auf die Idee kommen, wenn man das identische Nummernschild zugrundelegt:

Fiat 514 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was soll man davon halten? Nun, beim ersten Foto ist als Aufnahmedatum das Jahr 1937 überliefert – gut möglich, dass man dem Fiat nach etlichen Jahren eine neue Lackierung spendierte.

Wenn Sie jetzt glauben, dass dies bereits alles zum Thema „Fiat 514 mit zwei Rädern“ gewesen ist, dann stellen Sie sich darauf ein, dass Ihnen der angedrohte reine Luxus noch bevorsteht.

Tatsächlich begegnete mir am letzten Sonntag in der Frühe dieses makellos daherkommende Exemplar eines Fiat 514 und es sollte nicht dabei bleiben:

Fiat 514 Limousine im September 2025 in Foligno (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Wo ist denn hier der Luxus?„, mögen Sie jetzt fragen, „der hat doch weder die zwei seitlichen Reserveräder noch die Radkappen?

Schön, dass Sie so gut aufgepasst haben – denn natürlich ist das „nur“ die Basisversion. Auf die zwei Räder und den Luxus müssen wir noch einen Moment warten.

Dafür gibt es den Fiat 514 mit einstiger Zulassung in Perugia (Umbrien, Mittelitalien) hier erst einmal im Rahmen einer Familienzusammenkunft zu sehen:

Fiat Vorkriegswagen im September 2025 in Foligno (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Da steht unser Fiat 514 also zwar ohne den Luxus von zwei Rädern, aber dafür mit zwei Kameraden – links ein Typ 501 der frühen 1920er Jahre und rechts ein 508 A „Balilla“ von Anfang der 30er – beide Modelle waren bereits Gäste in meinem Blog.

Erwähnenswert in diesem Kontext ist auch noch die frühe Version des „Balilla“, welche einem Paar gehört, das sich – mit kleinen Freiheiten – ebenfalls um ein historisches Erscheinungsbild bemüht hat:

Fiat 508 „Balilla“ im September 2025 in Foligno (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Die beiden sehen wir als Randerscheinung auch auf dem nächsten Foto und nun spätestens wird Ihnen klar, was es mit den zwei Rädern wirklich auf sich hat.

Denn wieder hat es mich zur Teilnahme an der „La Francescana“ gezogen – einer Ausfahrt mit historischen Fahrrädern ab der Jahrhundertwende bis etwa 1990, die alljährlich in der „Valle Umbra“ im herrlichen Umland der alten Römerstadt Foligno im Herzen Italiens stattfindet. Vor dem Start bietet sich der Luxus unzähliger Fotomotive:

„La Francescana“, September 2025 in Foligno (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Speziell für die sehr zahlreich versammelten Damen ist die Veranstaltung ein willkommener Vorwand, um sich auf leider nicht mehr alltägliche Weise von seiner besten Seite zu zeigen:

„La Francescana“, September 2025 in Foligno (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Die Herren mögen die härteren Knochen sein, was die sportliche Seite angeht – sie wählen meist auch die längere und anspruchsvollere der drei angebotenen Routen. Nicht zufällig finden sich einige altgediente Kämpen unter den Teilnehmern:

„La Francescana“, September 2025 in Foligno (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Aber in optischer Hinsicht müssen sich die Buben nun einmal der hier versammelten Weiblichkeit geschlagen geben:

„La Francescana“, September 2025 in Foligno (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Den Luxus, sich diesem ungleichen Wettbewerb auszusetzen, muss man sich leisten können, am besten dadurch, dass man mit einem interessanten Fahrrad aufwartet.

In meinem Fall war es ein „Triumph“ von 1950, welches auch spontan die Aufmerksamkeit eines anwesenden Fahrrad-Journalisten auf sich zog, der mich dazu befragte.

Zum Glück hatte ich mir am Morgen noch ein paar einschlägige Vokabeln angeeignet, sodass ich auf Italienisch etwas zu dem Rad mit der Startnummer 366 erzählen konnte…

„La Francescana“, September 2025 in Foligno (Umbrien); Fotoquelle: Cyclinside

Um kurz nach neun ging es dann – wie stets nach herzhaftem Absingen der Nationalhymne – mit etlichen hunderten Gleichgesinnnten auf die Strecke.

Im Unterschied zur bekannten „Eroica“-Veranstaltung in der Toscana kann man die Zahl ausländischer Teilnehmer an zwei Händen abzählen. Die Italiener bleiben bei der „Francescana“ weitgehend unter sich und das bekommt der Qualität des Gebotenen zugute – wie wir noch sehen werden.

Der erste Halt war beim Weingut Arnaldo Caprai in den Hügeln bei Montefalco wo man sein Rad zwanglos in der Botanik parkt, um sich anschließend den Herausforderungen eines üppigen zweiten Frühstücks zu stellen:

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Dort begegneten die Radler auch den vierrädrigen Begleitern aus Turin wieder – hier gleich zwei Exemplare des legendären Typs 501, mit dem Fiat 1919 die Großserienproduktion startete und früh weltweit Erfolge hatte:

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Den Fiat 514 hatte ich unterdessen aus dem Auge verloren, doch das störte nicht weiter – so ein klassischer 501 Tourer gibt stets ein reizvolles Motiv ab oder trägt zumindest dazu bei:

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Dasselbe Fahrzeug begegnet uns bei einem späteren Halt zwecks erneuter Verköstigung mit kulinarischen Schätzen der Region nochmals- diese reizvolle Perspektive will ich Ihnen nicht vorenthalten, bevor wir uns endlich dem wahrlich luxuriösen Teil zuwenden:

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Ich hatte mir die Freiheit genommen, den übrigen Teilnehmern der „Luxusfraktion“ etwas vorauszufahren – ich kannte die Strecke noch vom Vorjahr. So bot sich bei der Annäherung an die Station am lieblichen Lago d’Aiso zunächst dieses Bild:

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Das schauen wir uns jetzt näher an und dabei spare ich mir jedem Kommentar – denn den Luxus, einfach nur Bilder mit zwei Rädern sprechen zu lassen, muss man sich gönnen können:

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger
„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Ja, er ist schon anstrengend, dieser Luxus mit zwei Rädern – das sieht man hier ganz deutlich. Soviel Mühe für reine Äußerlichkeiten – und dann noch so unpraktisch, nicht wahr?

Übrigens habe ich während der gesamten über vier Stunden dauernden Tour bei über 30 Grad Celsius keine einzige Klage darüber gehört, dass es ja so unerträglich heiß sei – wie das neuerdings in Deutschland der Fall ist, wenn es mal ein paar Tage über 25 Grad hat.

Man kann sich zur Abwechslung einmal in den Schatten begeben, ohne die Contenance zu verlieren –

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Das Rad im Vordergrund ist übrigens mein „Triumph“ – nur technisch überholt und ansonsten im Fundzustand mit Wachs konserviert und auf Hochglanz gebracht, soweit es die Lacksubstanz noch hergab. Jedenfalls kann sich auch eine 75 Jahre alte Dame so noch sehen lassen.

Gute Figur machte nicht zuletzt dieser Herr, der bei der Gelegenheit mit einer Zeiss-Kamera der Vorkriegszeit und Analogfilm im Negativformat 6×9 cm fotografierte.

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Bei der Gelegenheit sei angemerkt, dass sich Umbrien nach dem Sommer so prächtig grün wie eh und je zeigt – von sich ausbreitenden Steppen und tausenden Hitzetoten weiß man hier nichts – Neurosen wie diese überlässt man von jeher den Teutonen.

Nun ist alles wieder still am Lago d’Aiso und die Luxusmeute mit zwei Rädern ist wieder im Alltag angekommen wie auch ich. Doch nebenbei träumt es sich vorzüglich vom nächsten Mal. Ob wieder mit dem Fiat 514, das wird man sehen…

„La Francescana“, September 2025 in Umbrien; Bildrechte: Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Begegnung mit ungleichen Zwillingen: NSU-/Fiat 1100

Wenn Ihnen der Titel meines heutigen Blogeintrags etwas uninspiriert vorkommt, liegt das daran, dass die Idee „Turiner Wartburg mit vier Takten“ zu verwirrend gewesen wäre.

Zudem mag ich das Bild mit den Zwillingen – übertragen, aber auch ganz konkret, wie Sie am Ende sehen werden. Übrigens verdanke ich die Inspiration zur heutigen Abhandlung und einen Teil der Fotos Leser Andreas Schulz (Rostock).

Der Gegenstand der Betrachtung als solcher ist ein bereits öfters besprochenes Fahrzeug – der erfolgreiche Fiat 1100, welcher ab 1937 gebaut wurde (zunächst noch als 508 C bezeichnet). Als Nachfolger des 1 Liter-Modells 508 Balilla erhielt er einen neuen 1,1 Motor, dessen Konstruktion mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen sich im Sport bewährt hatte.

Das auf 32 PS gedrosselte Aggregat sollte für Jahrzehnte in Produktion bleiben – und das aus gutem Grund. Auch in meinem 1964er Fiat 1100D verrichtet dieser Motor (nun mit 48 PS) vorbildlich sein Werk – ruhig und geschmeidig laufend, zugleich drehfreudig. Man hört den Motor von außen kaumt, so leise ist er.

Der Mode der 30er Jahre folgend besaß der Fiat 1100 eine strömungsgünstig erscheinende Frontpartie (die modernisierte Version ab 1939 bringe ich bei Gelegenheit):

Fiat 1100 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Standard-Limousine wurde als Viertürer angeboten, die gegenläufig angeschlagen waren, wobei die Türgriffe senkrecht ausgeführt und in der Türhaut eingelassen waren. Man sieht das bei näherem Hinsehen gerade noch auf dem obigen Foto.

Dieses Exemplar war im nordhessischen Witzenhausen zugelassen und ist ein Beispiel für einen Import des Modells aus Italien. Es gab aber eine parallele Produktion im ehemaligen NSU-Autowerk in Heilbronn, weshalb die dort montierten Fiats als NSU-Fiat firmierten.

Sie waren technisch identisch mit dem Turiner Original, aber in einer Hinsicht erwiesen sie sich als ungleiche Zwillinge: Die NSU-Fiats wurden nämlich mit einem nur zweitürigen Aufbau vom Karosseriewerk Weinsberg ausgeliefert und der sah so aus:

NSU-Fiat 1100; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Werksaufnahme hat mir mein Oldtimerkamerad und Sammlerfreund Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf) vermacht – wissend, dass ich früher oder später etwas Instruktives damit anzufangen weiß. Ihm sei bei der Gelegenheit nochmals herzlich gedankt!

Man sieht hier nicht nur den abweichenden Aufbau als variable Cabriolimousine (in Italien unbekannt), sondern auch Details wie die traditionell gestalteten Türgriffe.

Über den Aufnahmeort lasse ich mich gern aufklären – ich dachte erst an die AVUS in Berlin, bin mir aber nicht mehr so sicher, ob das passt.

Für eine weitere Variante des Themas „ungleiche Zwillinge“ hat nun Andreas Schulz gesorgt, der mich um Bestätigung gebeten hat, dass das Auto seiner Eltern in der DDR der 60er Jahre ebenfalls ein NSU-Fiat 1100 war:

NSU-Fiat 1100; Originalfoto: Familienbesitz (Andreas Schulz, Rostock)

Doch so identisch die Perspektive ist, so sehr ergeben sich auch bei diesen Heilbronner Zwillingen wieder Unterschiede im Detail.

Ja, der Aufbau stammt ebenfalls vom Karosseriewerk Weinsberg, doch diesmal haben wir es mit einer ganz geschlossenen Limousine zu tun.

Ein Kuriosum sind hier außerdem die Radkappen mit Mercedes-Stern – wie die nicht originalen Stoßstangen nicht untypisch für das Improvisationsvermögen der Ostdeutschen nach dem Krieg, die Vorkriegsautos bis in die 70er Jahre im Alltag fuhren.

Es gab technisch, leistungsmäßig und ästhetisch kaum etwas Besseres. Die von kleinen Geistern in Ostberlin initiierte sozialistische Planwirtschaft hatte die ostdeutsche Automobilwirtschaft immer mehr an die Kette gelegt und am Ende stranguliert.

Nur eine Ausnahme in optischer Hinsicht gab es und dazu kommen wir noch.

Unterdessen wurden auch im Westen unseres Landes nach dem 2. Weltkrieg noch eine Weile überlebende Fiat 1100 bzw. NSU-Fiat 1100 weitgefahren, obwohl ihr Bestand durch den Einsatz beim Militär dezimiert worden war.

Hier sehen wir ein Beispiel aus der amerikanischen Besatzungszone Württemberg (daher die Kennung AW):

Fiat 1100 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch hier komme ich auf das Thema „ungleiche Zwillinge“ zurück, damit wenigstens etwas unnützes Wissen bei Ihnen hängenbleibt, wenn Sie schon den Besuch meines Blogs der stets neutralen und sachlichen Berichterstattung im Fernsehen vorziehen.

Vorne angeschlagene Türen und senkrechte Türgriffe sind ein klarer Hinweis auf? Einen Fiat 1100 aus Turin, richtig! Dieses Exemplar wirkt dazu passend wie für den Urlaub im Süden gemacht – hell lackiert und sogar mit Lenkrad in Wagenfarbe.

Für den allltäglichen automobilen Straßenkampf in „Bella Italia“ hatte man sich sogar eine extra starke Stoßstange mit Hörnern zugelegt! Aber in Wahrheit wird man wohl eher noch Urlaub in der Heimat gemacht haben, während ein eigenes Auto bis etwa 1960 ohnehin nur für relativ wenige Deutsche in Reichweite war.

Diese schöne Aufnahme habe ich übrigens bewusst ausgewählt, um zum nächsten ungleichen Zwilling überzuleiten. Diesmal sind es aber nicht nur die Ähnlichkeit der Perspektive und die gleichzeitigen Unterschiede im Detail, die mich dazu bringen.

NSU-Fiat 1100; Originalfoto: Familienbesitz (Andreas Schulz, Rostock)

Diese Aufnahme zeigt wieder den NSU-Fiat der Eltern von Andreas Schulz und Sie werden im Geist die Unterschiede zum 1100er Fiat aus Turin vermerken.

Doch viel interessanter sind letzlich die ungleichen Zwillinge auf der Motorhaube des Wagens – das sind nämlich Andreas Schulz und seine Zwillingsschwester! Hier half auch der Versuch nicht, die beiden gleich zu kleiden – schon von Haltung und Temperament her unterscheiden sich die beiden.

Damit wären wir fast am Ende der heutigen Betrachtung – doch eine Sache will noch erzählt werden und die ist vielleicht das Großartigste an der Story.

So zufrieden nämlich die Familie Schulz mit ihrem bald 30 Jahre alten NSU-Fiat 1100 in technischer Hinsicht war, so sehr wünschte man sich mehr Platz im Innenraum für die wachsende Familie.

Und daher entschloss man sich kurzerhand zu etwas, was schlicht genial war. Man behielt Chassis und Motor des NSU-Fiat 1100 bei – denn wie gesagt: etwas Besseres gab es in der DDR nicht – und setzte die Karosserie des einzigen wirklich optisch rundum gelungenen ostdeutschen Autos darauf – die des Wartburg 311.

Dieser Entwurf von Hans Fleischer – Gestalter einiger anderer Meisterstücke – fand bei Erscheinen anno 1955 auch international Anerkennung. Für mich vermitteln der Wartburg 311 und seine zahlreichen faszinierenden Varianten eine Vorstellung davon, was die Autoindustrie im Osten unseres Landes ermocht hätte, wenn man sie hätte machen lassen.

Es war alles da: die Tradition, auf der man aufbauen konnnte, das Können und der Wille – nur in der Politik saßen bornierte, bildungsferne Zentralisten mit ideologischen Zwangsvorstellungen, welche die totale Kontrolle alles Wirtschaftens beinhalteten.

Ich finde es immer wieder bewundernswert, was unsere ostdeutschen Landsleute unter den immer restriktiveren Bedingungen des Regimes im Privaten zustandebrachten. Dass viele fast ein ganzes Leben unter diesen Umständen zubringen mussten, bedrückt mich.

Wir Deutschen in Ost und West sind vor diesem Hintergrund wie Zwillinge, die getrennt wurden – wir kommen aus demselben Stall, erfuhren aber dann unterschiedliche Prägungen.

Dabei können wir voneinander lernen und eines sollten wir nicht: uns von interessierter Seite gegeneinander aufbringen lassen – dazu sind die Familienbande zu stark, hoffe ich…

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Turiner Bubi in Bevagna: Fiat 508 „Balilla“

Die Vorkriegsauto-Geschichte, die ich heute erzähle, ist einigermaßen kompliziert – aber das habe ich mir selbst eingebrockt.

Eigentlich wollte ich es mir leicht machen und einige Fotos präsentieren, die einst auf einer Tour in den Süden nach Mittelitalien entstanden. Am Wochenende fahre ich nämlich selbst dorthin und da dachte ich, dass ich meine Leser einfach mitnehmen könnte.

Im letzten Moment stellte ich aber beim Studium der Aufnahmen fest: „Die fahren ja in die falsche Richtung!„. Also warf ich das Vorhaben über den Haufen und musste mir etwas Neues ausdenken.

Mein Blick fiel auf den Stapel mit alten, noch unbearbeiteten Fotos auf dem Schreibtisch. Drei Ansichtskarten der Vorkriegszeit waren darunter, die aus meinem Zielgebiet stammen – der Valle Umbra zwischen Perugia und Spoleto.

Alle wichtigen Orte dort sind über 2000 Jahre alt und fast alle davon liegen erhöht über der Ebene, die von einem See und Sümpfen bedeckt war, bevor die Römer sie in generationenlanger Arbeit entwässerten und das so gewonnene Land nutzbar machten.

Zwei neue römische Städte in der Ebene kamen hinzu, die bis heute existieren: Foligno („Fulginium“) und die Kleinstadt Bevagna („Mevania“) nordwestlich davon. Hier eine Ansichtskarte der Zwischenkriegszeit, die Bevagna von Westen aus zeigt:

Bevagna (Umbrien); Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Aus eigener Anschauung weiß ich, dass das geschichtsträchtige Städtchen heute noch genau so aussieht. Es gibt praktisch keine Bauten dort, die jünger als 100 Jahre sind.

Die Moderne ist völlig an Bevagna vorübergegangen – jedenfalls, was die Architektur und das Stadtbild betrifft. Die Leute dort wissen, was sie an ihrem Ort haben, pflegen ihr historisches Erbe mit Hingabe und haben sich behutsam dem Tourismus geöffnet.

Wer sich Zeit dafür nimmt, findet in dem Städtchen mit gerade einmal 1.000 Einwohnern diverse romanische und gotische Kirchen, eine Therme, einen Tempel und ein Theater aus der Römerzeit, eine formidable archäologische Sammlung und ein ziemlich einzigartiges Theater des 19. Jahrhunderts.

Letzteres befindet sich – von außen nicht erkennbar – im ehemaligen Palazzo dei Consoli aus dem 13. Jh. Dort war einst die kommunale Selbstverwaltung ansässig und man kann an den Dimensionen des Baus erahnen, wie wohlhabend und selbstbewusst das mittelalterliche Bevagna war:

Bevagna (Umbrien), Palazzo dei Consoli; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Der mächtige Bau wirkt streng und abweisend, daher fand ich, dass etwas Abwechslung nicht schaden könne und der altehrwürdige Palast durchaus auch ein Stück gekonnte Moderne vertragen kann.

Letztere fand sich zufälligerweise von selbst ein in Form eines Automobils der Turiner Fiat-Werke. Das Fahrzeug parkte genau vor den beiden gotischen Arkaden, die rechts neben der breiten Freitreppe zu sehen sind:

Störend wirkt der Wagen hier keineswegs, wie überhaupt Vorkriegsautos aufgrund ihrer speziellen Formensprache und Proportionen meist mit vormodernen Bauten harmonieren.

Dabei war dieses spezielle Exemplar ein auf Krawall gebürsteter Rabauke -jedenfalls dem Namen nach. Fiat vermarktete dieses ab 1932 gebaute Modell mit Typbezeichnung 508 nämlich mit dem Zusatz „Balilla„.

Das war eine Anspielung auf den Dialekt-Spitznamen eines im 18. Jh. die Obrigkeit mit Steinen bewerfenden Buben namens Giovan Battista Perasso aus Genua. Der furchtlose freche Junge findet in der italienischen Nationalhymne heute noch Erwähnung.

Dass „Balilla“ auch die Bezeichnung der Jungs der faschistischen Jugendorganisation während der totalitären Herrschaft von Mussolini Co. war, stört in Italien keinen.

Der kompakte Fiat 508 mit seinem 20 PS leistenden 1-Liter-Motor war zwar als robuster Einsteigerwagen gedacht, wies mit 12 Volt-Elektrik und Hydraulik-Stoßdämpfern jedoch einige gehobene Charakteristika auf.

Vom etwas stärkeren, aber durchaus als Vorgänger anzusehenden Fiat 514 unterschied sich der Balilla äußerlich insbesondere durch die niedrigere Schwellerpartie unterhalb der Türen sowie die hier zu erahnende geschwungene Scheinwerferstange.

Wenn Ihnen das bisher Gezeigte doch etwas dürftig erscheint, kann ich das verstehen, zumindest in automobilhistorischer Hinsicht. Allerdings kann ich im Fall des Fiat 508 „Balilla“ in Limousinenausführung bislang nur mit diesem einen Foto aufwarten.

Als kleine Entschädigung mag die Gesamtansicht der Szene dienen:

Bevagna (Umbrien), Palazzo dei Consoli und Kirche San Silvestro; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Lassen Sie sich von der bescheiden wirkenden, unvollendeten Fassade der Kirche San Silvestro rechts neben dem Palast nicht täuschen.

Sollten Sie einmal nach Bevagna kommen, werfen Sie unbedingt einen Blick ins Innere – Sie werden überrascht sein, wie freundlich hell dieses romanische Kleinod plötzlich wirkt:

Bevagna, Kirche San Silvestro; Bildrechte: Michael Schlenger

Und wenn Sie wieder hinausgehen, sehen Sie auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes die monumentale Fassade von San Michele.

Innen ist diese Kirche infolge von Umbauten der Neuzeit weniger sehenswert, aber vielleicht haben Sie ja Glück und es steht gerade ein Vorkriegs-Fiat auf der Piazza davor.

Das könnte dann so aussehen – auch wenn es sich hier um den früheren Typ 509 in Sportausführung von Anfang der 1920er Jahre handelt, nach dessen Lenkrad ein kesser Junge greift:

Fiat 509 in Bevagna, September 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Wenn Sie nun damit zufrieden sind und Ihnen obendrein der Hintergrund bekannt vorkommt, dann darf ich meine heutige Geschichte vom Bubi in Bevagna als gelungen betrachten, auch wenn Sie aus der Not geboren und mit heißer Nadel gestrickt ist…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Nichts geschieht zufällig, oder doch? Fiat 508A

Ob in unserer Welt der Zufall eine Rolle spielt oder ob alles determiniert ist, weil alles naturgesetzlicher Kausalität folgt und der „freie Wille“ eine menschliche Illusion ist – dieser alten Frage gehen wir heute nicht wirklich auf den Grund, streifen sie aber.

Als Skeptiker stehe ich auf dem Standpunkt, dass wir wahrscheinlich nicht imstande sind, das zu verstehen, was über die Erfordernisse unseres Daseins hinausgeht – das zu erwägen, hätte uns in der Evolution unserer Gattung nämlich keinen Vorteil gebracht.

Gibt man dem Zufall jedoch Raum als Möglichkeit, ist nicht auszuschließen, dass wir zufälligerweise mehr zu erkennen vermögen, als wir müssen.

Die Katzen können ja auch mit uns Menschen kommunizieren, obwohl es sie schon viel länger gibt als uns. Sie brauchen uns nicht, suchen aber unsere Gesellschaft, wenn es ihnen gefällt und teilen ohne Not ihr ganzes Leben mit uns. Ein zauberhafter Zufall.

Also könnte es doch zumindest theoretisch sein, dass wir die Grundfragen des Daseins dereinst zufällig lösen können. Heute wollen wir uns mit der Arbeitshypothese begnügen, dass nicht alles determiniert ist, sondern der Zufall mitunter eine reizvolle Rolle spielt.

Um diese zu illustrieren, kehren wir zu einem auf den ersten Blick wenig aufregenden Auto der 1930er Jahre zurück, das ich schon öfters anhand geeigneter Bilder vorgestellt habe.

Wie unscheinbar der Wagen sein kann, von dem die Rede ist, sieht man auf der folgenden Aufnahme, die in den 1950er Jahren vermutlich in Frankreich (wo?) entstanden ist:

Fiat 508A; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Da steht er unscheinbar ganz links – der 1934 eingeführte Fiat 508A, in Italien auch als „Nuova Balilla“ oder 508.4m beworben.

Der Zusatz „4m“ bedeutete „quattro marce“ und verwies auf das nunmehr verfügbare Vierganggetriebe bei dem seit 1932 gebauten Typ 508 – damals ungewöhnlich bei einem 1-Liter-Wagen.

In Verbindung mit einer Leistung von 24 PS war der kleine Fiat auf der Straße für europäische Verhältnisse durchaus erwachsen – und das sah man ihm auch an:

Fiat 508A; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der leistungsmäßig annähernd vergleichbare Opel 1,2 Liter wirkte nicht annähernd so ansprechend, war aber auch merklich billiger, was im autobezogen rückständigen Deutschland der 1930er Jahre das Hauptargument war.

Fiat baute vom 508A weit über 70.000 Exemplare, darunter zahlreiche auch im einstigen NSU-Autowerk in Heilbronn. Diese Fahrzeuge wurden als NSU-Fiat 1000 verkauft und fanden bei einer anspruchsvolleren Kleinwagen-Klientel einigen Anklang.

Der internationale Erfolg von Fiat in der 1-Liter-Klasse war kein Zufall, die Turiner hatten bereits ab 1925 mit dem Typ 509 gezeigt, dass ihnen auf dem Sektor weltweit kaum einer das Wasser reichen konnte.

Besonders aufregend war die ab 1935 verfügbare leistungsgesteigerte Version des Fiat 508, die bei gleichem Hubraum (aber mit nun im Zylinderkopf hängenden Ventilen) mit 34 PS aufwartete. Diese heiße Version war auch mit den Standardaufbauten verfügbar.

Streng genommen kann man daher nicht sicher sein, was sich für ein Aggregat unter der Haube eines ansonsten konventionell daherkommenden Fiat 508 A verbarg:

Fiat 508A am Wolfgangsee; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese nette Familienaufnahme entstand einst am Wolfgangsee in Österreich.

Es mag sein, dass das Nationalitätskennzeichen auf dem Wimpel der Vorschrift bei Auslandsfahrten in Deutschland zugelassener Wagen geschuldet war. Ob dabei auch Sympathie für die nationalsozialistische Ideologie eine Rolle spielte, wissen wir nicht.

Bekanntlich genügt eine Minderheit gut organisierter, entschlossener und hinreichend militanter Kräfte, um ein ganzes Land in Geiselhaft zu nehmen. Allerdings müssen die absolut gesehen sehr vielen Täter jener Zeit ja auch irgendwo gewesen sein.

Die immer wieder sprachlos machenden Verbrechen der NS-Zeit bleiben Teil der deutschen Geschichte und verpflichten zu besonderer Wachsamkeit, was Übergriffe eines sich über die Bürger- und Menschenrechte erhebenden Staatsapparats im Verein mit Militarismus und eifrigen Erfüllungsgehilfen angeht.

Verlassen wir dieses Gebiet, welches wir bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautos immer wieder streifen und wenden uns noch einmal jenseits der ideologischen Sphäre der Frage zu, ob sich bestimmte Dinge nur zufällig an bestimmten Orten ereignen.

Hatten wir nicht erst kürzlich mit einem anderen Gefährt ebenfalls einen Ort am Wolfgangsee angesteuert? Ja, das war im Zusammenhang mit der Bildergeschichte zum einem Steyr des Typs XII, der einer Familie aus Niederösterreich gehörte.

Bei einem Ausflug mit diesem Wagen ergab sich anno 1935 auch die Gelegenheit zu einer Motorbootfahrt auf dem Wolfgangsee – hier bei der Annäherung an St. Gilgen:

Natürlich ist es nur ein Zufall, dass wir in so kurzer Folge zwei Aufnahmen vom Wolfgangsee von Mitte der 1930er Jahre finden, oder?

Ja und nein. Die Aufnahme des Fiat 508A vom Wolfgangsee habe ich erst dieser Tage erworben, ohne dass ich gleich wusste, was der Aufnahmeort war. Den Rest habe ich so eingerichtet, dass die Sache nicht nach Zufall aussieht. Denn es gibt einen kuriosen Zusammenhang zwischen den beiden Dokumenten vom Wolfgangsee.

Auch die 1935 dort mit einem Steyr reisende Familie hatte nämlich einen Bezug zum Fiat 508A. Der ergab sich aber erst 1937, als man statt des Steyr einen Tatra 57A fuhr. Den haben wir uns hier ausführlich zu Gemüte geführt.

Der Tatra findet sich zur Erinnerung auf der folgenden Aufnahme am linken Bildrand. Im Mittelpunkt steht ein Fiat 508A – nun in der Ausführung als 4-türige Limousine – doch wieder begegnen uns einige alte Bekannte aus den jüngsten Steyr- und Tatra-Stories:

Tatra 57A (links) und Fiat 508A, aufgenommen 1937; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Erkennen Sie das Mädchen wieder, das uns schon auf den Fotos mit dem Tatra und dem Steyr der Familie soviel Freude gemacht hat?

Hier ist sie inzwischen sieben Jahre alt und turnt selbstbewusst auf der Motorhaube des Fiat herum. Ich muss zugeben, dass ich selbst überrascht war, ihr noch einmal zu begegnen, hatte ich doch die einst zusammengehörigen Fotos ihrer Familie nach Fahrzeugtypen getrennt abgespeichert und den ursprünglichen Zusammenhang vergessen.

Nun hat sich alles wieder zusammengefügt, wie es einst war. Zufall oder Vorsehung? Intuition oder Ergebnis des Wirkens höherer Mächte? Sitzt die Kleine aus nunmehr drei Blogeinträgen irgendwo auf Wolke Nr. 7 und lacht sich einen?

Ganz gleich, was Sie glauben – nichts geschieht zufällig oder doch? – wir alle können uns glücklich schätzen, uns am Spiel mit solchen Relikten vergangenen Lebens so erfreuen zu dürfen, so als ob das Vergehen der Zeit nur eine weitere Einbildung wäre…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Erfolgreicher Beutezug gen Süden…

Was haben uns die Römer eigentlich gebracht?“ so lautet die Frage des Anführers der Judäischen Volksfront (oder war es die Volksfront von Judäa) im satirischen (und zeitlos aktuellen) Historienfilm „Life of Brian“ der britischen Komikertruppe „Monty Python“, die heutzutage von humorlosen Zeitgenossen mit Klagen überzogen würde.

Was als rhetorische Frage seitens des Chefs der Widerstandstruppe gedacht war, mündet unbeabsichtigt in eine nicht endenwollende Aufzählung der vielen Vorzüge der römischen Zivilisation durch ein besonders eifriges Mitglied.

Was haben uns die Germanen eigentlich gebracht?“ – diese Frage wäre umgekehrt aus der Perspektive der in der Spätantike über drei Jahrhunderte lang endlos heimgesuchten Bewohner des italienischen Stiefels unbeantwortet geblieben.

In der Tat – außer Plünderungen und sinnlosen Zerstörungen einer Hochkultur, die von den Barbaren aus dem Norden offenbar als Zumutung bzw. Anklage ihres eigenen Unvermögens wahrgenommen wurde, haben die Germanenzüge vom 4 bis ins 7. Jh. praktisch nichts hinterlassen.

Die einzige mir bekannte Ausnahme sind simple Flechtbandmuster bei frühromanischen Kirchen auf italienischem Boden, die wohl germanischen Vorbildern entlehnt waren. Ein Glück muss man sagen, dass Goten, Langobarden und Co. trotz jahrhundetelanger Präsenz kulturell so gut wie keine Spuren hinterlassen haben.

So war in Italien ausreichend Restsubstanz und Kompetenz vorhanden, um bereits ab dem 11. Jh. die Proto-Renaissance und dann die eigentliche Renaissance auf den Trümmern der Antike zustandezubringen – eine auf ganz Europa ausstrahlende und bis heute fortwirkende kulturelle Leistung, die sich ganz allein aus Italien speiste.

Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, wenn ich wieder einmal die lange Strecke über die Alpen ins über 1000 km entfernte Umbrien unter die Räder nehme.

Auch heute wüsste ich nichts, was ich als Nordländer den dort Einheimischen als Bereicherung mitbringen könnte – außer dem Interesse an ihrer uralten und immer noch lebendigen Hochkultur.

Unterwegs unternehme ich in alter Tradition einen Beutezug besonderer Art – ich schaue, was sich so alles an interessanten Automobilen dingfest machen lässt. Das Beste nördlich der Alpen war ein großartiges US-Coupé der frühen 1950er Jahre mit prächtiger Patina, das mit über 120 km/h auf der rechten Spur dahinzog – das Kennzeichen war polnisch.

In der Schweiz gab es nichts mitzunehmen, obwohl einem auch dort bisweilen US-Oldtimer begegnen. Bei Como entdeckte ich einen orangenen Lotus um 1980 – mit seiner radikalen Keilform eine rollende Anklage an das verschwurbelte Autodesign der Gegenwart.

Auf der Höhe von Milano dann der erste Fiat 500 (natürlich das Original), der auf der Autobahn sein Bestes gab. Weitere Klassiker gab es unterwegs – darunter einige Alfa Spider und Porsche 356 – der strahlend schöne Sonntag lud zur Ausfahrt mit dem alten Blech ein.

Das war es wohl, was mich zum heutigen Thema inspirierte. Die Beutetour, die ich dabei mit Ihnen absolvieren will, führt allerdings auf einer anderen Route nach Süden – über die Großglockner-Hochalpenstraße.

An deren höchsten Stelle – der Edelweißspitze auf über 2500 Meter Höhe – fand sich einst einiges an automobilem Beutegut versammelt.

Edelweißspitze an der Großglockner-Hochalpenstraße; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auf einer zeitgenössischen Postkarte von Ende der 1930er Jahre wurde einst dieses prächtige Panorama mitsamt spannendem Auto-Material festgehalten.

Wir wollen heute schauen, was sich dort versammelt hatte und ich darf schon jetzt sagen, dass alle vier Fahrzeuge perfekt in unser Beuteschema passen, da sie unterschiedliche Stile repräsentieren und aus drei Ländern stammen.

Den Anfang machen die beiden Wagen am linken Rand:

Die Limousine ist sicher ein Mercedes-Benz – dafür spricht schon die Gestaltung der Radkappen. Ich vermute hier einen 170V (ab 1936), überlasse das Urteil den Markenkennern, zu denen ich mich in diesem Fall nicht zähle.

So klassisch der Mercedes auch anmutet, so kann er doch nicht mit der Raffinesse des Ford davor mithalten. Klingt wie ein Sakrileg – aber wer würde nicht einen solchen schicken Roadster der Dresdener Manufaktur „Gläser“ einem braven Serien-Benz vorziehen?

Die Basis war ein simpler Ford „Eifel“ (ab 1936) – aber seien wir ehrlich: der Mercedes war nicht gerade ein Musterbeispiel für souveränes Leistungsgewicht, gut möglich, dass der Eifel „Roadster“ ihm bei der Auffahrt zur Edelweißspitze frech die schöne Heckpartie mit dem flachliegenden Reserverad zeigte.

Gewiss, der Mercedes war nicht zum sportlichen Fahren gedacht, aber in einer dermaßen grandiosen Szenerie könnten bei den Insassen doch gewisse Neidgefühle aufgekommen sein. Wer will hier schon in einer Limousine den Berg hinaufschnaufen?

Kein Wunder, dass auch unsere beiden anderen „Beutewagen“ offene Aufbauten besitzen:

So unterschiedlich diese beiden Wagen äußerlich erscheinen, so sehr ähneln sie sich von der Leistungscharakteristik. Beide waren oberhalb der zuvor gezeigten Wagen angesiedelt.

Das Cabriolet im Hintergrund war ein Steyr, wahrscheinlich ein Typ 220 mit dem feinen 6-Zylindermotor, der 55 PS aus 2,3 Litern leistete. Da konnte der Meredes bei allen klassischen Qualitäten nicht annähernd mithalten.

Leider gelang es Steyr nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr, an die Tradition dieser hervorragenden Wagen anzuknüpfen, die ganz auf der Höhe des europäischen Automobilbaus waren und in Deutschland heute zu Unrecht kaum bekannt sind.

Doch auch der deutlich ältere Fiat im Vordergrund war Ende der 30er Jahre am Berg noch konkurrenzfähig. Wie der Schriftzug auf dem Kühler verrät, haben wir es bei diesem Beutestück mit einem Typ 521 (ab 1927) zu tun.

Auch er besaß einen 6-Zylindermotor, zwar mit „nur“ 50 PS, allerdings aus einem langhubigen 2,5 Liter-Aggregat – genau das, was man sich am Berg wünscht.

Bei dieser Bestandsaufnahme unseres Beutezugs nach Süden belassen wir es für heute. Wir sparen uns auch die Überlegung, was die ab 1938 einsetzenden Feldzüge germanischer Prägung unseren Nachbarvölkern eigentlich gebracht haben außer neuerlicher Zerstörung.

Zur zivilisatorischen Leistung unserer Anrainer südlich der Alpen nur dies: Es gibt kaum einen Alpenpass, der nicht bereits von den Römern mit Straßen befestigt wurde. Auch am „Hochtor“ auf dem Scheitelpunkt der Großglockner-Hochalpenstraße haben sie ihre Spuren in Form eines archäologisch gut dokumentierten Heiligtums hinterlassen.

Und Meister des Straßenbaus sind die Italiener in ihrem Land mit anspruchsvollster Topografie heute noch. Wir könnten von ihrer Effizienz lernen, wenn wir nicht an der offenbar unausrottbaren deutschen Arroganz zugrundegingen…

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Fotorätsel des Monats: U.a. ein Luxusdampfer um 1930

Der Titel lässt bereits ahnen, das ich heute zu Übermut neige. Das mag damit zusammenhängen, dass ich beim nachmittäglichen Besuch des örtlichen Baumarkts doch nicht von einem rückwärts ausparkenden Elektropanzer überrollt wurde, obwohl der es „nachhaltig“ darauf abgesehen zu haben schien.

Ich weiß schon, warum ich mich nie auf Rück- und Außenspiegel verlasse, außerdem habe ich mir als Motorradfahrer angewöhnt, immer damit zu rechnen, selbst übersehen zu werden oder dass einer einem sogar wissentlich die Vorfahrt nimmt.

Von solcher Paranoia kann man auch als Fußgänger oder Radler profitieren. Ein im spielerischen Umgang mit Katzen erworbenes Reaktionsvermögen mag dem Überleben in einem ins Anarchische abgleitenden Verkehrsgeschehen ebenfalls dienlich sein.

Nachdem dieser Punkt geklärt wäre, tauche ich nun tiefer in die Vergangenheit ein. Einen kurzen Zwischenstopp lege ich beim Fotorätsel des Vormonats ein.

Das dort gezeigte Automobil hatte für einige Resonanz gesorgt, was mich darin bestärkt, diese neue Rubrik fortzuführen. Die Lösung will ich – sofern sich eine gefunden hat – stets zu Beginn des nächsten Fotorätsel bringen.

So kann ich heute mitteilen, dass sich die Vermutung bestätigt hat, dass das abgebildete Luxus-Cabriolet ein Lancia „Astura“ von Mitte der 1930er Jahre war.

Ganz genau zu sagen wusste es Michele Casiraghi, Mitglied einer Facebook-Gruppe, die auf italienische Vorkriegswagen spezialisiert ist und zu der ich ebenfalls beitrage.

Demnach handelt es sich um einen Lancia „Astura“ von 1934 mit Karosserie von Pinin Farina – bezeichnet als „Cabriolet Royal Aerodynamico“ und unter anderem an den hinteren Radverkleidungen erkennbar.

In der puristischen Eleganz der Lancias und Alfas jener Zeit deutete sich bereits die einzigartige Blüte der italienischen Karosseriebaukunst der 1950/60er Jahre an.

Was nun das Fotorätsel dieses Monats angeht, bleibe ich in Italien – eine Entscheidung, die mir stets besonders leicht fällt – doch bewegen wir uns nun einige Jahre zurück:

„Stazione Marittima“ in Genua; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese prächtige Ansicht zeigt das bis heute unverändert erhaltene Passagierterminal im Hafen von Genua – die sogenannte „Stazione Marittima“.

Konzipiert wurde der dreiflügelige Bau kurz vor dem 1. Weltkrieg. Nach Baubeginn 1916 sorgte der 1. Weltkrieg für eine langjährige Unterbrechung des Baufortschritts.

Erst 1930 erfolgte die Fertigstellung. Am historisierenden Baustil der Neorenaissance wurde festgehalten – eine brutale Zäsur in der Architektur wie in Deutschland fand in Italien kaum statt, auch der Jugendstil („Liberty“) hielt sich dort noch bis in die späten 1920er Jahre.

Was mir neben der repräsentativen und abwechslungsreichen Architektur hier besonders gefällt, ist die funktionell gesehen hochmoderne zweistöckige Straßenführung bei gleichzeitiger Wahrung dem Auge schmeichelnder eleganter Formen.

Erstaunlich, wie Moderne und Tradition zusammengehen können, wenn man will (und wenn man es kann), nicht wahr? Den meisten Architekten der Gegenwart ist dieser Weg leider verbaut, da die verabsolutierende Bauhaus-Ideologie bis heute die Köpfe beherrscht.

Ausnahmen gibt es durchaus, aber diese bestätigen lediglich die Regel, welche nach dem Krieg die Hauptursache für die Unwirtlichkeit unserer modernen Städte war.

Die Fachkundigen unter den Lesern mögen mir solche Laienurteile verzeihen – aber als gebürtiger Bad Nauheimer bin ich in Sachen Baukunst massiv vorbelastet und ich verstehe diese Lust an der monotonen Kasten- und Rasteroptik der Gegenwart nicht ansatzweise.

Aber Moment, müssen wir hier nicht wenigstens am Rande auch über Vorkriegsautomobile sprechen? Ja gewiss, das tun wir auch diesmal, auch wenn das Rätsel diesmal wohl kein allzu schweres sein dürfte, oder doch?

Während das heute vorgestellte Foto nach dem zuvor Gesagten frühestens 1930 entstanden sein, verweist die Gestaltung der hier zu sehenden Chauffeur-Limousine auf eine frühere Entstehungszeit des Wagens.

Natürlich spricht die Wahrscheinlichkeit für einen großen Fiat – denn der Turiner Hersteller war damals der einzige Massenproduzent von Automobilen in Italien. Allerdings schließt das nicht aus, dass wir es dennoch mit einem anderen Fabrikat zu tun haben.

Mangels Alternativen möchte ich aber vorläufig an der Fiat-These festhalten und tippe hier auf eine Version des kleinen 6-Zylindertyps 520, der ab 1927 gebaut wurde. Davon gab es ausweislich des deutschen Prospekts auch eine Ausführung als klassische Chauffeur-Limousine, also mit geschlossenem Passagierabteil.

Die Frontpartie des Fiat 520 mit rund 45 PS leistendem Motor kann man auf dieser Aufnahme studieren, die ich vor längerem bereits vorgestellt habe – das Modell fand auch in deutschen Landen etliche Käufer.

Fiat 520;aufgenommen in Troppau (heute: Tschechien); Originalfoto: Sammlung Franz Langer

Da ich in diesem Fall mit wenig Alternativvorschlägen rechne – die vielen Fiat-Modelle der 1920er Jahre kennt hierzulande wohl nur Ferdinand Lanner wie seine Westentasche – habe ich mich im eingangs erwähnten Übermut für ein Rätsel eigener Art entschieden.

Da von der Stazione Marittima in Genua – wo heute riesige Kreuzfahrtkähne ankern – einst die meisten Passagierdampfer ablegten, die italienische Auswanderer in die USA brachten, sollte es auch Enthusiasten geben, die sich mit diesem Vorkriegskapitel auskennen.

Also stelle ich heute zusätzlich zur Fiat 520-Hypothese die Frage in die Runde: Was war das für ein Passagierschiff, das auf dem Foto aus Genua zu sehen ist?

Die nur zwei Schornsteine sprechen gegen einen der ganz großen Dampfer jener Zeit, aber nur für den Mittelmeerverkehr scheint mir dieser Vertreter nicht vorgesehen zu sein.

Wenn Sie nun auf diesem Sektor ebenso ahnungslos sind wie ich, aber dafür unbedingt etwas zu der Figurengruppe rechts im Bild loswerden möchten, dann nur zu. Den Gott Merkur mit merkwürdig platziertem Caduceus sehe ich dort, aber sonst?

Auch solche Details aus der Welt von gestern interessieren mich – wäre doch arg beschränkt, wenn man nur alte Autos im Kopf hätte, oder?

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Mehr Italien Wagen! Fiat 509 Tourer, Spider und Limousine

Der April des Jahres 2025 zeigt sich ausnahmsweise einmal von seiner frühlingshaften Seite – jedenfalls in meiner Heimatregion, der hessischen Wetterau.

Im Unterschied zu sonst habe ich mir gedacht „Diesmal kann man mehr Italien wagen!“.

Also schon früh die mediterranen Kübelpflanzen aus der Oldtimerhalle geholt, wo sie dank des ausgeglichenen Klimas des alten Ziegelbaus jeden Winter gut überstehen.

Das Zitronenbäumchen hat sogar aus Langeweile eine Frucht produziert. Nun steht es zusammen mit Olivenbäumen, deren einer bereits 30 Jahre im Topf residiert, zusammen mit den weniger empfindlichen Oleandern im Hof des Fachwerkanwesens.

Abgesehen vom Grünzeug aus dem Süden bin ich auch sonst der Ansicht, dass man unbedingt mehr Italien wagen sollte im Alltag – auf dem Teller und im Glas, im Kleiderschrank und in der Garage sowieso.

Der 1100er Fiat kommt bald ebenfalls heraus und wird technisch durchgesehen, der anstehende TÜV dürfte wie immer Formsache sein. Nur optisch stehen kleine Arbeiten unter Verwendung guter alter Originalteile an, die noch der Vorbesitzer beschafft hatte.

Noch mehr Italien-Wagen – nunmehr großgeschrieben – gibt es heute in Sachen Vorkriegs-Fiat des Typs 509. Der 1925 eingeführte Kleinwagen machte vor, was in der Klasse von unter einem Liter in Großserie möglich war, wenn man es wollte und konnte.

Der dank obenliegender Nockenwelle drehfreudige Motor produzierte muntere 22 PS, in sportlichen Werksversionen auch 27 bis über 30 PS. Über 90.000 Wagen dieses robusten und trotz kompakter Abmessungen erwachsen aussehenden Autos entstanden bis 1929.

Da es von deutschen Herstellern nichts Vergleichbares in nennenswerten Stückzahlen gab, verkaufte sich der Fiat 509 auch hierzulande hervorragend. Der an einem alten Citroen-Modell „orientierte“ 1-Liter Opel des Typs 4 PS war leistungsmäßig und optisch keine Konkurrenz.

So hat der Fiat mit seiner klassischen Kühlergestaltung auch auf diesem Foto die Nase vorne, während der brave Opel dagegen ziemlich „alt“ aussieht:

Fiat 509 und Opel 4PS am Fichtelberg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zuverlässig zu erkennen ist der kleine Fiat an der markant hervorstechenden Abdeckung der Lichtmaschine am unteren Ende des Kühlers.

Ansonsten folgte seine Gestaltung der Linie der größeren und stärkeren Modelle 503 (1,5 Liter) und 507 (2,3 Liter).

Am häufigsten stößt man auf den Fiat 509 in deutschen Landen und anderswo als Tourer.

Hier haben wir ein Exemplar, das in Graz abgelichtet wurde. Dass es sich nicht um den größeren Fiat 503 handelt, verrät der geringere Abstand zwischen den Türen:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto aus Privatbesitz (via Thomas Frewein)

Natürlich begegnet uns der Fiat 509 Tourer auch in Italien – hier anhand eines Exemplars, das einst am Gardasee unterhalb des Castello di Arco aufgenommen wurde. Hier erkennen wir auch wieder die erwähnte Abdeckung des Dynamo:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Langjährige Leser werden sich vermutlich auch an das folgende Foto erinnern – diese Form des Recyling wird im Fall eines klassischen Themas sicher keinen Anstoß erregen.

Immerhin haben wir hier die Besonderheit eines nur zweitürigen Tourers:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Einen gewissen Neuigkeitswert sollte unterdessen die folgende Aufnahme haben – denn sie ist um 1960 entstanden und zeigt einen an der Kühlerpartie leicht modifizierten, ansonsten originalen Fiat 509 Tourer:

Fiat 509 Tourer; Originalfoto aus der Nachkriegszeit: Sammlung Michael Schlenger

Mit dieser schönen Aufnahme, die vom Nachleben eines Exemplars dieses Typs irgendwo im Süden erzählt, will ich das Thema Tourer vorerst abschließen.

Denn es gibt noch mehr Italien zu wagen auf dem Chassis des Fiat 509. Gerne gekauft wurde der Häufigkeit zeitgenössischer Fotos nach zu urteilen, auch die zweisitzige offene Version als „Spider“.

Dieser Ausführung sind wir ebenfalls schon das eine oder andere Mal begegnet. Ich will mich bemühen, auch hier etwas „Neues“ zu zeigen und hoffe, mich nicht zu sehr zu wiederholen (wobei es Schlimmeres gibt).

Leser Jörg Pielmann hat diese ausgezeichnete Aufnahme eines Fiat 509 „Spider“ beigesteuert, die ich noch nicht präsentiert zu haben glaube:

Fiat 509 „Spider“; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Zwar gab es diesen Aufbau auch auf Basis des etwas stärkeren Fiat 503, doch sieht man diesem die etwas großzügigeren Proportionen an (Prospektabbildung hier).

Auch die folgende Frontalaufnahme eines solchen Fiat 509 „Spider“ verdanke ich Jörg Pielmann – vielleicht kann noch jemand etwas zu dem Kennzeichen sagen:

Fiat 509 „Spider“; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Bleibt zum (vorläufigen) Abschluss der heutigen Abhandlung „Mehr Italien Wagen!“ noch die geschlossene Ausführung auf dem Chassis des Fiat 509.

Auch davon habe ich bereits bei anderer Gelegenheit Exemplare gezeigt, doch meine ich, dass dieses hier ein Novum darstellt:

Fiat 509 „Limousine“; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Dieser hervorragend in Szene gesetzte Fiat war einst zwischen Mergentheim und Würzburg unterwegs, so ist es laut dem Besitzer des Originalfotos überliefert.

Wenn Sie jetzt auf den Geschmack gekommen sind und Ihnen der Sinn nach noch mehr „Italien Wagen“ in Bezug auf den Fiat 509 steht, dann könnten Sie unter anderem an meinem Blog-Eintrag zur Sportversion 509S Gefallen finden.

Ansonsten gilt auch sonst die Devise „Mehr Italien wagen“, um bei Laune zu bleiben…

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Massenphänomen vom Feinsten: Auto-Union Sonderschau

So sehr ich gelungene Auto-Exoten mag, so wenig bin ich darauf festgelegt.

Ich kann mit dem Auto als Massenware sehr gut leben, vorausgesetzt es handelt sich um ein nützliches und ansehnliches Gefährt wie etwa mein Peugeot 202 UH.

Peugeot 202 UH, aufgenommen 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Wenn man schon Städte und Straßen verstopft, sollte wenigstens das Auge nicht zu kurz kommen dabei.

Deshalb ist mir auch die Vorstellung einer reinen Radlerstadt ein Graus, sofern die Leute diese unförmigen modernen Rahmen aus Verbundstoffen fahren und mit schreiend bunten Kunstfaser-Klamotten die Umwelt erst visuell und später auf der Müllkippe verpesten.

Auf dieses Thema kam ich wie so oft auf Umwegen.

So war ich heute wieder in Oberitalien auf dem Weg nach Umbrien unterwegs. Hinter dem Grenzübergang in Chiasso führt die Schnellstraße Richtung Milano an Como vorbei.

Man erhascht dabei nur einen kurzen Blick auf die prächtige Stadt am Südende des Comersees. Von der am Hafen gelegenen Piazza Cavour aus bot sich in die Gegenrichtung (die moderne Straße fehlt hier noch) einst dieser Blick:

Ansichtskarte aus Como (Oberitalien) um 1950; Original: Sammlung Michael Schlenger

Neben den schönen Dampfern erfreuen hier die vielen Autos der 1930er bis ganz frühen 1950er Jahre das Herz des Altblechliebhabers. Ganz vorne stellvertreten ein Fiat „Topolino“ der Vorkriegszeit – ein immer noch erschwingliches Automobil für Ästheten.

Wie es der Zufall wollte, überholte ich wenig später kurz hinter Como den Nachfolger des Fiat Topolino – den 500 Nuova, der ab 1957 in gigantischen Stückzahlen entstand und bis heute in Italien oft anzutreffen ist.

Der Kleine hoppelte mit Tempo 80-90 auf der rechten Spur, während ich mit 130 Sachen vorbeizog. Ein Kontrollblick auf den aktuellen Verbrauch bei dem Tempo ergab übrigens 6,8 Liter – nicht schlecht für einen 150 PS starken Benziner-SUV, meine ich.

Wer moderne Verbrenner immer noch als gravierende Umweltbelastung wahrnimmt, dem sei empfohlen, in die Abgasschwaden der wenigen Autos von einst einzutauchen.

Anno 1914 wie hier im französischen Seebad Deauville – mag das gerade noch akzeptabel gewesen sein:

Ansichtskarte aus Deauville (Frankreich) um 1914; Original: Sammlung Michael Schlenger

Eine frische Meeresbrise löste hier unangenehme Gerüche rasch auf, die damals auch noch von den vielen Pferdegespannen produziert wurden, was gern vergessen wird.

Ebenfalls nicht reproduzieren lässt sich hier das Geräusch der damaligen Motoren – im Einzelfall heute reizvoll und tolerabel, vor über 100 Jahren dagegen von wenigen wirklich leisen Konstruktionen abgesehen innerorts nur lästig.

Delage, Renault und Citroen ab Mitte der 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beste Figur gaben noch in den 1930er Jahren massenhaft versammelte Automobile eher im Stand ab.

Auf der folgenden Aufnahme von 1934 sehen wir eine Ansammlung in Stresa am Westufer des Lago Maggiore in Oberitalien:

Ansichtskarte aus Stresa (Oberitalien) von 1934; Original: Sammlung Michael Schlenger

Ich könnte noch weitere solche Auto-Massenphänomene bringen, aber einige davon sind für andere Gelegenheiten besser geeignet.

Fast zeitgleich kam es in Deutschland zu dem Massenauflauf, auf den ich heute eigentlich hinauswill.

Dabei versammelten sich – wenn ich nicht daneben liege – ausschließlich Automobile der unter dem Dach der Auto-Union zusammengefassten sächsischen Hersteller Audi, DKW, Horch und Wanderer.

Sehen Sie selbst nach, ob ich vielleicht doch ein Fremdfabrikat übersehen habe. Lassen Sie sich nicht von dem mit „Reichswehr“-Kennzeichen versehenen Horch im Vordergrund ablenken – alle übrigen Wagen scheinen zivile Nummernschilder zu tragen:

Auto Union-Sonderschau, Foto um 1934; Original: Sammlung Michael Schlenger

Die Datierung dieses aus zwei Fotos zusammenklebten Originalabzugs lässt sich recht genau vornehmen.

Die deutsche „Reichswehr“ wurde im Frühjahr 1935 in „Wehrmacht“ umbenannt, warum auch immer, und der neben dem Horch in vorderster Reihe zu sehende Audi kann erst 1933/34 entstanden sein.

Eventuell erlauben weitere hier zu sehende Autos eine noch genauere Eingrenzung. Da ich auf Reisen keinen Zugriff auf meine Literatur habe, überlasse ich diese Recherche gern den in Sachen DKW & Co versierten Lesern.

Was mich hier nachdenklich macht, ist der militärische Kontext. Man sieht im Hintergrund einige Schirmmützenträger und die Hallen könnten zu einer Kaserne gehört haben.

Gewiss, der Krieg lag noch ein paar Jahre in der Zukunft, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass schon einmal das Thema „Zivilwagen an die Front“ geprobt wurde.

Bei besonders regimetreuen Volksgenossen sollte es bald eine Frage der Ehre sein, den eigenen Wagen zur kriegsmäßigen Verwendung abzuliefern. Skeptischere Vertreter wurden mehr oder weniger subtil mit Angeboten überredet , die man nicht ablehnen sollte.

Übrigens landeten auch Fronttriebler massenhaft bei der Truppe – man denke nur an die Adler Trumpf-Wagen oder die in Frankreich geraubten Citroens des Typs „Traction Avant“.

Citroen Traction Avant, aufgenommen bei Troyes 1940; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die schwächer motorisierten DKWs finden sich im Krieg in heimatnahen Verwendungen wie der Ausbildung weiteren Kanonenfutters dienenden Kasernen oder Flugplätzen.

Von den ebenfalls frontgetriebenen Audis finden sich nur wenige Aufnahmen bei der Truppe, was aber schlicht daran liegt, dass diese edlen Wagen ohnehin nur in sehr geringen Stückzahlen gebaut wurden.

Mehr will ich für heute gar nicht erzählen, ich meine, dass ich genügend Material aufgefahren habe, anhand dessen Sie sich vertieft mit dem Reiz des Massenphänomens Automobil befassen können – bin gespannt, was ich alles übersehen habe…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Große Schnauze, viel dahinter: Fiat 1100 „Musone“

Wir alle kennen das Sprichwort „Große Schnauze, nichts dahinter“ und wir bekommen aktuell auch ein Beispiel dafür auf der politischen Bühne vorgeführt – in deutschen Landen, wohlgemerkt, falls Sie etwas anderes gedacht haben.

Ich habe nichts gegen den robusten Auftritt, wenn auf die Worte Taten folgen – ich verachte bloß diejenigen, die erst den harten Hund geben, dann aber den Schwanz einziehen.

Soviel Aktualität muss sein, dachte ich mir, als ich am Wochenende unseren 1100er Fiat von 1964 nach Jahren nur sporadischer Bewegung erst putzte und dann eine mutige Ausfahrt im Wettertal unternahm – man muss dabei auf Überraschungen eingestellt sein.

Gut 65.000 Kilometer hat usere „Bianca“ in ihrem langen Leben erst zurückgelegt und alles an ihr ist authentisch. Gebaut wurde sie einst als NSU-Fiat in Heilbronn wie schon ihre Vorfahren in den 1930er Jahren:

Fiat 1100; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Exemplar eines 1100 NSU-Fiat beispielsweise fand Käufer in Schlesien, wo es im Juli 1939 in Goschütz aufgenommen wurde.

Man mag über die Eltern dieser Kinder mutmaßen, was man will (das damals omnipräsente Hakenkreuz am Wagen habe ich wegretuschiert) – doch die Kleinen haben das Schicksal nicht verdient, das ihnen wenige Jahre in Form von Flucht bzw. Vertreibung bevorstand.

Der Fiat 1100 begegnet uns hier in der vertrauten Form mit abgerundeter Kühlerpartie, wie sie bis 1938 Standard war. Doch noch vor Beginn des 1. Weltkriegs modernisierte man in Turin das Erscheinungsbild.

Wie stark sich der Wagen bei weitgehend identischer Technik dadurch äußerlich veränderte, das lässt sich kaum besser illustrieren als durch diese Gegenüberstellung des italienischen Grafikers Aldo Bovarone:

Fiat 1100 von 1938 bzw. 1939, gestaltet von Aldo Bovarone; Associazone Italiana Cartofila; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Musone“ nannte der italienische Volksmund die neue „Visage“ des Fiat 1100 – man kann das gut mit „Schnute“ übersetzen.

Jedenfalls war die weichgezeichnete Frontpartie nach europäischer Tradition damit von gestern – durchgesetzt hatte sich der US-amerikanische Auftritt mit scharfem Profil und moderner Haubenpartie.

Passé waren damit auch die kaum ernstzunehmenden damaligen Versuche, Automobile mit stromlinienförmiger Vorderpartie zu geringerem Kraftstoffkonsum zu überreden – bei den moderaten Tempi solcher Mittelklassewagen damals war das irrelevant.

Dieser in Österreich zugelassene Fiat 1100 beispielsweise wird selten eine Geschwindigkeit erreicht haben, bei welcher der Benzinverbrauch außergewöhnliche Dimensionen annahm – zumal sich nur sehr Gutsituierte überhaupt ein vollwertiges Automobil leisten konnten:

Fiat 1100 „Musone“ ab 1939; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nun mögen Sie fragen, was denn hinter dieser charakteristischen „Schnauze“ zu finden war außer dem bereits bekannten kopfgesteuerten 1,1 Liter Vierzylindermotor mit 32 PS (den Leistungsvergleich mit dem deutschen Volkswagen von damals sparen wir uns).

Ganz einfach: Hinter dieser Schnute fand sich reichlich Platz für die Passagiere!

Das Beweisfoto konnte ich im September 2024 in Italien machen – in der umbrischen Stadt Foligno anlässlich der jährlichen historischen Radfahrveranstaltung „La Francescana„, von der ich wiederholt berichtet habe, weil dort stets Vorkriegswagen mit von der Partie sind.

Und jetzt schauen Sie sich das hier an, wenn Sie sich schon immer gefragt haben, ob die als solche bezeichneten „Selbstmördertüren“ in manchen Fällen doch ihren Sinn hatten:

Fiat 1100 „Musone“; aufgenommen 2024 in Foligno (Italien); Bildrechte: Michael Schlenger

Soviel Platz zum Einsteigen bot der Fiat 1100 „Musone“ zwischen 1939 und 1948 – das muss man erst einmal nachmachen.

Wer so großzügig liefert wie die Turiner, der darf auch eine freche große Klappe haben, meine ich…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Fährt gut auch mit zwei Rädern…Fiat 501 Tourer

So ganz wohl ist bei mir beim heutigen Titel nicht – denn eigentlich müsste ich ihn etwas anders schreiben. Aber heute profitiere ich ausnahmsweise von der sogenannten Rechtschreibreform. Sie wissen schon: „aufwändig“, „Schifffffahrt“ und andere bedeutende Schöpfungen begabter Bürokraten.

Nach deren final erfolgreichem Feldzug gegen die einheitliche Rechtschreibung – eine Errungenschaft, die den Deutschen mal wieder keiner nachmacht – hat man den Eindruck, das onehin jeeder schraipt wie ehrs für richtich held.

Später werde ich meine Verfehlung noch korrigieren – ich bin nicht nur in dieser Hinsicht „Alte Schule“. Wie sehr ich von gestern bin, das haben langjährige Leser zwar schon geahnt, aber heute bekommen Sie es nicht nur im Wort, sondern auch im Bild vorgeführt.

Machen Sie es sich bequem, denn heute gibt es nichts Neues zu lernen, es werden keine Haubenschlitze gezählt oder zum x-ten Mal erklärt, was es mit dem Windlauf bei der Datierung früher Automobile auf sich hat.

Tatsächlich befassen wir uns mit einem alten Bekannten und doch beinahe modernen Wagen, dem man jedenfalls seine inzwischen über 100 Jahre keineswegs ansieht.

Die Rede ist vom Fiat 501, der 1919 vorgestellt wurde und der erste internationale Großserienerfolg der Turiner werden sollte. Die Konstruktion des neuen 1,5 Liter-Wagens war konsequent auf kostengünstige Produktion nach US-Vorbild ausgerichtet worden.

Bis 1926 entstanden rund 70.000 Exemplare, die in alle Welt verkauft wurden. Kein anderer europäischer Hersteller erreichte in der Einsteigerklasse solche Absatzzahlen. Dabei erwies sich der Fiat 501 als enorm robust und auch für schlechtes Terrain geeignet.

Man findet ihn noch heute beispielsweise in Australien und Argentinien, aber mir ist er doch in seiner Heimat am liebsten.

Ein besonderes Schmankerl in Sachen Fiat 501 in Italien übersandte mir in digitaler Form Leser Christian Börner (unser „Beckmann“-Chronist):

Fiat 501 in Agrigent; Fotoquelle: Christian Börner (Pinneberg)

Diese Aufnahme ist ein Vertreter der Kategorie „Foto vom Foto“ – denn Herr Börner hat bei einem Besuch der sizilianischen Stadt Agrigento dieses gerahmte Originalbild festgehalten, das beim Taxibetrieb hing, dessen Dienste er seinerzeit mit seiner Frau in Anspruch nahm.

Das Foto zeigt einen Fiat 501 der Familie bei einer Ausfahrt in den 1920er Jahren in das antike „Tal der Tempel“ direkt neben der heutigen Stadt.

Im Hintergrund ist der schlank gehaltene Concordia-Tempel zu erkennen, der dank der Umwandlung in eine christliche Kirche die Zeiten glimpflich überstanden hat und zu den besterhaltenen griechischen Tempeln im strengen dorischen Stil gilt.

Wir werden so einem Tourer auf Basis des Fiat 501 heute wiederbegegnen, aber beinahe live und immerhin in Farbe.

Den Anlass dafür lieferte eine Veranstaltung im italienischen Umbrien im September 2024, an der ich wie schon im Vorjahr teilnahm. Die Rede ist von der „Francescana Ciclostorica“ – einer Ausfahrt mit historischen Zweirädern (jetzt richtig geschrieben!) in der Valle Umbra, der geschichtsträchtigen Ebene zwischen Perugia im Norden und Spoleto im Süden.

Am Sonntagmorgen ab neun Uhr treffen die Teilnehmer im zentral gelegenen Foligno – dem römischen Fulginium – nach und nach auf der Piazza della Repubblica im Schatten des herrlichen Doms ein.

Es ist noch eine Stunde Zeit bis zum Start auf drei verschiedenen Rundkursen, die ausgiebig dazu genutzt wird, sich gegenseitig zu bewundern und zu fotografieren:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Hier nehmen nicht nur alt und jung teil, sondern auch Vertreter aller Geschlechter – darunter viele Damen, die sich je nach Epoche, in der sie unterwegs sind, zurechtgemacht haben.

Zu den besonders beliebten Fotomotiven gehörte 2024 dieses Paar, das am Wochenende der Veranstaltung seinen Hochzeitstag hatte und diesen auf zwei Rädern – einem Tandem der 70er Jahre – feierte.

Übrigens ist die Nonne rechts auf Bild eine echte Schwester, die seit Jahr und Tag an der „Francescana“ teilnimmt, welche nach dem umbrischen Heiligen benannt ist, der in Italien immer noch größte Verehrung genießt:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Doch auch die Vorkriegsfraktion war in charmantester Weise vertreten.

Meine Favoritin – natürlich aus rein historischem Interesse – war die nachfolgend abgebildete Dame, die genau die stilistisch korrekten Pumphosen trägt, mit denen die holde Weiblichkeit vor dem 1. Weltkrieg auf das Fahrrad stieg.

So etwas haben Sie außer auf alter Werbung vermutlich noch nie gesehen, hoffe ich:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Übrigens nimmt man es – wie hier zu sehen ist – bei den Rädern nicht allzu päpstlich. Sie müssen irgendwie „Vintage“ sein, also spätestens aus den 1970/80er Jahren.

Für viele ist der persönliche Stil wichtiger, denn die Sache soll vor allem Spaß machen. Rund eintausend Teilnehmer hatten sich eingefunden, die sich nach dem Start und derm Verlassen der Stadt alsbald auf verschieden anspruchsvolle Strecken verteilten.

Die harten Knochen attackierten die heftigen Steigungen hinauf zu den umliegenden Hügelstädten wie Trevi oder Montefalco, während die touristische Fraktion den kurzen, auf die Ebene beschränkten Kurs von etwa 35 Kilometern Länge bevorzugte.

Ich hatte mich ebenfalls für die leichte Nummer entschieden, denn mein Rad hatte nur eine Übersetzung, obwohl es sein Leben einst in den 1950er Jahren als Sportrad mit 3-Gang-Kettenschaltung von „Huret“ begonnen hatte:

„Stricker“-Sportrad der 1950er Jahre; Bildrechte: Michael Schlenger

Da ich nur den alten Rahmen mit der ungewöhnlich aufwendigen Originallackierung erworben hatte, baute ich den Rest nach meinen Vorstellungen auf.

So finden sich an diesem „Special“ seltene französische Pedale der 30er Jahre, Handgriffe und Scheinwerfer der 60er sowie ein moderner Sattel, der aber zum Farbschema passte.

Dieses Gerät – in Verbindung mit passendem Outfit – machte sich vorzüglich im spätsommerlichen Licht und das meinte wohl auch der Fotograf dieser Aufnahme:

La Francescana 2024; Bildrechte: Ildebrando Cascelli

Wenn Sie sich jetzt fragen, wie es sich mit Knickerbockern, Kniestrümpfen, langem Hemd und Krawatte über 30 Kilometer im italienischen Sonnenschein fährt, kann ich nur sagen: ganz vorzüglich.

Entscheidend sind leichte, natürliche Materialien und Kleidung, die nicht zu eng anliegt. Die helle Schirmmütze tut ein übriges.

So abwegig es klingt und auch ist: Selbst die Krawatte hatte ich mit Bedacht gewählt.

Es handelte sich um ein altes Stück, dessen Dekor bei näherem Hinsehen aus Schildkröten besteht. Soviel Spaß und Hommage an den wohl heroischsten Rennfahrer aller Zeiten muss sein: Denn Tazio Nuvolaris Glücksbringer war ebenfalls eine Schildkröte!

Auf folgender Aufnahme können Sie beim Hineinzoomen davon vielleicht mehr erkennen:

La Francescana 2024; Bildrechte: Luciano Angelini

Wie Sie hier außerdem sehen, lässt sich auch im Minirock Rennrad fahren – wenn man es sich erlauben kann.

Um zum Thema Fiat 501 Tourer zurückzukommen: Der fuhr mit den Zweirädern mit, allerdings auf parallelen Routen und traf dann bei wiederholten Gelegenheiten mit uns zusammen – keine Sorge: wir begegnen ihm noch.

Zuvor muss ich Sie noch mit dieser schönen Aufnahme ablenken, auf der Sie auch den Autor sehen, aber er gehört hier definitiv nur zum nachrangigen Personal:

La Francescana 2024; Bildrechte: Daniela Fabbricini

Natürlich ist die Fortbewegung auf nur zwei Rädern eine anstrengende Angelegenheit und so ist es Brauch, dass wiederholt Pausen eingelegt werden, um sich zu stärken.

Was dabei in Italien aufgefahren wird, reicht bei kalorienbewussten Zeitgenossen für eine ganze Woche, aber wer sich bewegt, darf durchaus einen gesunden Appetit entwickeln.

Der Blick dieser sportlichen Teilnehmerin spricht in der Hinsicht Bände. Entstanden ist die Aufnahme in Bevagna, einem Ort, von dem aus ich erst kürzlich zur Andacht in Sachen Daimler & Benz eingeladen hatte (hier).

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Wie hier zu sehen ist, achte ich stets auch auf die kleinen Dinge, die unser Leben bereichern. Sie verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit.

Die folgende Aufnahme, die am selben Ort entstand, vermittelt eine Vorstellung von der lässigen Atmosphäre der Veranstaltung.

Man lässt sich von den besten Seiten der Historie inspirieren, und genießt es im übrigen, in der Moderne zu leben, die so viele Probleme von einst nicht mehr hat (dafür andere).

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Unterdessen hat sich eine sportliche Variante des Fiat 501 eingefunden, die ich Ihnen nicht vorhanden will und die für die von unserer Zeitreise überraschten Touristen in Bevagna ein großer Anziehungspunkt war.

Während die Serienausführung des Fiat 501 eine Motorleistung von 23 PS aufwies, bot man werksseitig auch eine 27 PS leistende Sportausführung an.

Lachen Sie nicht: vor 100 Jahren zählten 4 PS extra mindestens doppelt, vor allem in Verbindung mit so einer Optik:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Flott, nicht wahr? Aber sollten wir uns nicht auch der „normalen“ Ausführung des Fiat 501 widmen? Fährt die sich etwa nicht gut mit „zwei Rädern“?

Das tut sie und zwar ganz hervorragend, wie wir gleich sehen werden. Zuvor noch ein weiterer Eindruck vom historisch inspirierten Treiben der Zweiradfraktion in Bevagna.

Warum nicht den Dreitagebart mit „Rayban“-Pilotenbrille, Hosenträgern und Kniebundhosen kombinieren? Alles besser als moderner Radlerfummel, meine ich:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

So, meine Herren, jetzt ist Schluss mit lustig.

Denn „bella figura“ ist in Italien zumindest bei den Damen immer noch eine Disziplin, die absolute Könnerschaft verlangt. Auf dem Sektor sind keine Fehler erlaubt und es bedarf einiger Übung, um zur idealen Form zu finden.

Diese Radlerin – sie fuhr ebenfalls auf einem uralten Drahtesel mit – verfügt über präzise die Instinkte, derer es dazu bedarf. Zielsicher hat sie den Fiat 501 Tourer auserkoren, um sich daneben aufs Vorteilhafteste ablichten zu lassen:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

So ein Schnappschuss mit einem Telefon aus der digitalen Steinzeit, wie ich es mit mir führte, illustriert wieder einmal, dass nicht die Technik entscheidend ist, sondern die Situation und das Talent des Fotografen, diese zu erkennen und festzuhalten.

Die ganzen ikonischen Fotos der letzten hundert Jahre sind im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass einer im rechten Moment am richtigen Ort war und im idealen Zeitpunkt auf den Auslöser gedrückt (oder einen ganzen Film für einen Treffer verschossen) hat.

Warum erzähle ich das an dieser Stelle?

Weil ich mich von dem schönen Fiat 501 durch eine andere Erscheinung habe ablenken lassen, die mir bei der Gelegenheit plötzlich entgegentrat:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Man müsste ziemlich beschränkt sein, um kein Auge für die Wirkung dieser jungen Dame zu haben, die ebenfalls auf einem historischen Fahrrad gekommen war, aber hier für zumindest einen Moment mit einer Strenge daherkommt, die sprachlos macht.

Das passiert einem öfters in Italien: Die beeindruckenden Frauen, die man eben noch in der Gemäldegalerie bewundert hat, begegnen einem später irgendwo auf der Straße.

Auch dieser hier ernst wirkenden Vertreterin werden wir noch einmal begegnen, und zwar in ganz anderer Stimmung beim letzten Halt unserer Tour auf zwei und vier Rädern, nämlich am winzigen Lago Aiso:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Dort, im Schatten hohen Bäume um den See, gab es neben den alten Fiats und üppiger Verköstigung ein besonderes Verwöhnprogramm.

Ein Akkordeonspieler mit guter Stimme trug alte Volkslieder vor, die zum Tanz einluden.

Da die Herren sich auf diesem Sektor eher zurückhaltend gaben, übernahmen die Damen kurzerhand selbst die Führung.

So kommt es, dass wir hier neben Mitveranstalterin Daniela Fabbricini (rechts) zwei unserer feschen Mitradlerinnen nochmals begegnen…

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

So kann es zugehen, wenn man sich vom Stil von einst inspireren lässt und eine verwegene Note hinzufügt. Was das angeht, so pflege ich zu sagen, leben wir in der besten aller Zeiten.

Aber wir müssen auch etwas dafür tun, dass unsere Welt und unsere besten Traditionen erhalten bleiben und zu neuen Ausprägungen des Wahren, Schönen, Guten motivieren, die das Alte Europa zu dem großartigen Ort gemacht haben, der er einmal war.

Dorthin müssen wir zurück und aus den alten Quellen müssen wir neue Kraft schöpfen, um wieder zu uns selbst zu finden und unsere Identitäts-Probleme zu lösen.

Ein guter Anfang wäre, an das anzuknüpfen, was seit sich hundert Jahren bewährt hat wie ein Fiat 501: Innovationsfreude, kühles Kalkül, Anstrengungsbereitschaft, Freiheitssinn, fundiertes Selbstvertrauen und: Sinn für die schönen Seiten des Lebens…

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Studien am Passo dello Stelvio: Lancia & Co.

Studieren können Sie heute alles Mögliche – Fahrradwissenschaften beispielsweise. Nun, bei den meisten Dingen ist nicht das drin, was außen draufsteht. Echte Wissenschaften stehen für sich selbst: Mathematik, Biologie, Paläontologie oder auch Linguistik.

Man könnte auf die Idee kommen, auch Vorkriegs-Autowissenschaft zum akademischen Fach zu adeln – leider gibt es keine öffentlichen Mittel dafür.

Dennoch haben Sie bei mir die Gelegenheit, mehr oder weniger ernsthaft (meist weniger) sich das Wissen anzueignen, das niemand braucht, aber das man unbedingt haben muss. Weder sind Studiengebühren fällig, noch gibt es einen Numerus Clausus.

Sie müssen nur den Hang des Dozenten zu Abschweifungen hinnehmen. Belohnt wird Ihre Geduld im besten Fall durch Erkenntnisse, die über das öde Studium reiner Fakten hinausgehen. Oft genug ist das Studium der Automobilität von gestern zugleich ein Besuch in der Schule des Lebens.

Bleiben wir für heute in dem Bild und lassen Sie uns gemeinsam die Hochschule besuchen – sie kennt keine muffigen Hörsäle in mieser Nachkriegsarchitektur, es weht dort herrlich frische Luft seit tausenden von Jahren.

Auf fast 2800 Meter Höhe ist diese Schule angesiedelt und sie trägt den klangvollen Namen „Passo dello Stelvio“. Die deutsche Bezeichnung „Stilfser Joch“ vermeide ich, sie klingt mir zu sehr nach Anstrengung und Buckelei – auch wenn es genau dessen von jeher bedarf, um dort nach oben zu gelangen:

Ostanstieg zum Passo dello Stelvio; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Ganz gleich, von welcher Seite man den Pass angeht – man befindet sich in Italien, denn dort oben verläuft die Grenze zwischen dem Valtellina in der Lombardei und Südtirol, welches seit 1920 zu Italien gehört.

Von daher darf man vermuten, dass sich auf der Passhöhe insbesondere italienische Automobile studieren lassen.

Diese Annahme brachte mich dazu, ein entsprechendes Studienprogramm vorzubereiten, wobei das Lernziel wie bei echter Wissenschaft nicht bereits feststand, sondern durch die Empirie und daran anknüpfende Überlegungen erreicht werden sollte.

Dass das Ganze auf „Lancia & Co“ hinauslaufen sollte, hatte ich nicht erwartet, doch so hat es sich ergeben. Bereits bei der Anfahrt von der Sütiroler Seite klang das Thema das erste Mal an:

Passo dello Stelvio; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Die hier zu sehende Immobilie ist für heute quasi das Hauptquartier unserer Hochschule, aber wie gesagt: wir wollen uns dem Freiluftstudium hingeben – denn nirgends lernt man so viel wie unter dem weiten blauem Himmel.

Selbiger ist im vorliegenden Fall zwar in einem Grauton gehalten, aber gleich dem Himmel zustreben sollten wir als Studienanfänger ohnehin keineswegs. Wir bleiben also auf dem Boden der Tatsachen und betrachten neugierig, was sich unserem Auge dort darbietet.

Hier kommen uns praktischerweise die ersten Studienobjekte bereits entgegen:

Passo dello Stelvio; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Gar nicht übel für den Anfang, nicht wahr? Zwar gibt uns das erste Vehikel – ein Tourer von Anfang der 1920er Jahre mit hufeisenförmigen Kühler – Rätsel auf, aber wir sind ja noch Erstsemester und müssen den Blick zunächst an einfacheren Phänomenen schulen.

Da Sie als Blogleser hoffentlich die nötige (sittliche) Reife für die Zulassung zu dergleichen Studien erlangt haben oder aus eigenen Quellen darüber verfügen, wird Ihnen schon der zweite Wagen bekannt vorkommen.

Das muss ein Lancia der frühen 20er Jahre sein!“ Die klassische Kühlerform mit dem typischen Emblem spricht jedenfalls dafür. Ich stelle hier die These in den Raum und damit zur Diskussion, dass wir es mit einem Lancia „Trikappa“ zu tun haben.

Puh, auf einmal wird es anstrengend – man muss sich Handwerkszeug aneignen, es erproben, sich ein eigenes Bild machen und im Zweifelsfall ein vom Konsens abweichendes Votum abgeben können.

DAS ist Wissenschaft – das bloße Reproduzieren der herrschenden oder vorgegebenen Sicht ist es mitnichten. Auch beim Studium in der Freiluftuni hoch auf dem Passo dello Stelvio gilt also gerade nicht: „the science is settled„, sondern das glatte Gegenteil.

Daher bin ich gespannt, zu welchen Einschätzungen und Ergebnissen Sie noch kommen werden. Bevor wir uns das nächste Studienobjekt vornehmen, ist Entspannung angesagt.

Der Weg zu dieser Hochschule war weit und beschwerlich – jetzt genießen wir für einen Moment, dass wir es hierher geschafft haben, während es im Hintergrund geschäftig zugeht:

Touristen auf dem Passo dello Stelvio; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Rasch knüpft man die ersten Kontakte – alle sind in Hochstimmung und voller Begierde, hier etwas zu lernen, was einem in den Niederungen des Alltags nicht zugänglich ist.

Die Aussicht ist in der Tat erhebend, man fühlt sich privilegiert und wagt einen ungewohnten Blick ins Weite – gut für die Augen und gut für’s Denken:

Aussicht vom Passo dello Stelvio; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Im Vordergrund versammeln sich die ersten Studienobjekte, doch sie erscheinen uns noch nicht so interessant.

Viel lockender sind die Perspektiven in der Ferne. Doch die wollen erarbeitet sein. Dabei ist es gut zu wissen, dass man mit seiner Wissbegier und seinem Streben nicht allein ist.

Also schaut man sich um, mit wem sich die Studienzeit möglichst angenehm gestalten lässt.

Bitte entschuldigen Sie die kurze Ablenkung, aber ich fühle mich gerade an ein Erlebnis in meinem Grundstudium erinnert, das mich seinerzeit vorübergehend aus der Bahn warf, nachdem es unverhofft in meinen Studienalltag getreten war:

Auf dem Passo dello Stelvio; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie sehen, wie leicht es ist, sich vom ernsthaften Studium ablenken zu lassen, das wir uns doch alle vorgenommen hatten.

Die Automobile aus der Kategorie „Lancia & Co“ führen hier vorübergehend eine bloß schattenhafte Existenz in unserer Wahrnehmung.

Doch nach kurzer Krise besinnen wir uns und finden zurück zu unserer sachorientierten Betrachtungsweise. Dabei hilft uns Novizen die geordnete Präsentation der Studieninhalte:

Passo dello Stelvio; Ansichtskarte von 1929 aus Sammlung Michael Schlenger

Man bemüht sich nun erstmals, einen klareren Blick und erste Erkenntnisse zu gewinnen. Doch das fällt schwer, die Dinge sind einfach noch zu abstrakt.

Also strengen wir uns an und nähern uns aufmerksam, vielleicht wollen sich ja dann erste Geistesblitze einstellen:

Passo dello Stelvio; Ansichtskarte von 1929 aus Sammlung Michael Schlenger

Na, was sagen Sie nun? – Wenn Sie bei dieser Gelegenheit ins Schwitzen kommen wie in einer Prüfung, die doch noch in weiter Ferne liegt, dann seien Sie beruhigt.

Ich scheitere ebenfalls an der sicheren Ansprache auch nur eines dieser Automobile.

Dergleichen Entäuschungen tragen zum Erwerb der Demut bei, die einem in allen Lebenslagen nützlich ist, denn das Scheitern auch bei besten Voraussetzungen zählt zu den Grunderfahrungen des Daseins.

Man darf nur nicht verzweifeln, sondern muss lernen, beharrlich zu bleiben und den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen, solange er noch aussichtsreich erscheint.

Und wo könnte es aussichtsreicher zugehen in Sachen Vorkriegsautos auf alten Fotos als auf dem Passo dello Stelvio? Studienmaterial zur Schärfung des Blicks findet sich zuhauf.

Also lassen wir uns nicht beirren und unternehmen einen neuen Versuch:

Passo dello Stelvio; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Auch der Erstsemester mit Basiswissen wird hier nach einem Rundumblick Zuversicht schöpfen.

Zwar ist die Versuchsanordnung fast dieselbe wie beim ersten Mal. Doch nun finden wir mit einem Mal Zugang zum Studienobjekt – die Qualität des didaktischen Material entscheidet offenbar.

Plötzlich erleben wir, wie leicht die Anwendung bislang abstrakter Fähigkeiten fällt, wenn man einmal verstanden hat, worauf es ankommt.

Hier bekommen wir mit etwas Erfahrung gleich zwei eindeutige Ergebnisse unserer Bemühungen um Wissenserwerb serviert:

Der niedrig auf der Straße liegende Wagen ganz rechts – das ist doch ebenfalls ein Lancia mit typischer Gestaltung der Kühlerpartie und des Markenemblems!

Genau, bloß ist es diesmal nicht der ab 1922 gebaute Typ „Trikappa“, sondern der sensationelle „Lambda“, der bei Erscheinen 1923 das fortschrittlichste Auto der Welt war.

Der Wagen war schon oft Gegenstand in meinem Blog, weshalb ich bei dieser Gelegenheit auf weitere Details verzichte – diese sind leicht verfügbares Basiswissen.

Auch der hochbeinige Wagen daneben ist ein alter Bekannter: Die kurze und hoch bauende Motorhaube mit den ungewöhnlich niedrigen Luftschlitzen und dem oben leicht abgerundeten Kühlergehäuse sind typisch für den Fiat 501.

Die Meriten des ersten (ab 1919) massenhaft gebauten und international erfolgreichen Fiat sind ebenfalls x-mal Gegenstand meiner Blog-„Tutorien“ gewesen.

So, nach diesen ersten Erfolgserlebnissen in Sachen „Lancia & Co.“ sind wir jetzt reif für die nächste Herausforderung – dabei entscheidet sich, ob uns das Fach wirklich liegt.

Passo dello Stelvio; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Mmh, hier schleicht sich ein gewisses Unbehagen ein. Irgendwie will es nicht so recht gelingen, sich für diese Facetten des Fachs zu erwärmen.

Merkwürdig unzugänglich kommen einem die Studiengegenstände hier vor.

Könnte es sein, dass wir uns für eine Richtung entschieden haben, die sich uns nur mit großer Anstrengung erschließt, aber keine Leidenschaft zu wecken vermag?

Geben wir der Sache noch eine Chance, zumal man es sich nicht mit der reizvollen Kommilitonin mit den dunklen Locken aus derselben Fachrichtung verderben will, die einen in letzter Zeit begleitet, auch wenn noch nichts Ernsthaftes zur Debatte stand:

Verflixt, es will sich einfach keine Begeisterung und kein spontaner Zugang zu dieser Materie einstellen. Die Sache ist zu unstrukturiert, es mangelt hier an der Klarheit und Logik, nach der es einen verlangt.

Es hilft alles nichts – man muss in einem solchen Fall eine andere Richtung einschlagen. Kein gänzlich neues Fach, das nicht, aber eine Variante, in der man sich zuhause fühlt und in der einem die Resultate bei guter Vorbereitung förmlich zufliegen.

Eine kurze Umorientierung und siehe da: Hier findet man schon leichter Anschluss, auch wenn einem nicht gleich alles auf dem Silbertablettt serviert wird:

Passo dello Stelvio; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Wie man sieht, stellt sich jetzt einiges anders dar: Unser „Studentenwohnheim“, das wir außer für etwaige Parties geflissentlich ignorieren, ist erweitert worden und die vor einem stehenden Herausforderungen zeichnen sich in denkbar großer Klarheit ab.

Nun gilt es vor allem, englischsprachige Literatur durchzuackern, aber nicht nur, denn auch einige Beiträge aus dem guten alten Europa sind zur Kenntnis zu nehmen.

Diese Mischung aus klassischer Tradition und überseeischer Moderne gefällt uns – beide Seiten haben etwas für sich und aus dem intensiven Neben- und Miteinander ergeben sich erfrischend neue Sichtweisen und Impulse.

Schauen wir auch hier näher hin, denn es gibt bei diesem Kulturaustausch ohne Berührungsängste Erstaunliches zu lernen:

Die beiden US-Großserienmodelle um 1935 im Vordergrund bzw. an dritter Stelle wären Gegenstände für solide Seminararbeiten – die betrachten wir als abgehakt.

Interessanter und für den wirklich wissbegierigen Studenten anspruchsvoll sind der kompakte Wagen ganz rechts – den überlasse ich mutigen Freiwilligen – und die kolossale Sechsfenster-Limousine im Hintergrund.

Für letztere melde ich mich als Diplom-Aspirant, denn dafür bedarf es fortgeschrittener Qualitäten, die ich nach 10 Jahren Bloggerei und mehreren tausend einschlägigen Fotos zumindest in Teilbereichen beanspruche:

Machen wir es im Fall des Wagens mit dem schrägstehenden Dreieckskühler kurz. Also präsentiere ich zwecks „Peer-Review“ meine These:

Lancia „Astura„, Serie 3 ab 1933, Tipo 233L mit extralangem Radstand.

Diese spektakuläre Reiselimousine war mit ihrem gut 80 PS leistenden V8-Motor zur komfortablen und schnellen Überwindung großer Distanzen geeignet. Solche Wagen fuhren reiche Unternehmer aus Oberitalien, die mehr als nur eine Begleiterin nebst Gepäck hatten.

Damit ging es entweder über die Autostrada dei Laghi – die erste Autobahn der Welt – von Mailand an die oberitalienischen Seen oder (wie hier der Fall) auf große Tour durch die Alpen.

Eine ungefähre Vorstellung von der stilistischen Klasse dieser Wagen vermittelt folgender Bildausschnitt, welcher eine ähnliche (allerdings kürzere) noch existierende Limousine auf Basis des Lancia „Astura“ mit weitgehend übereinstimmender Frontpartie zeigt:

Lancia „Astura“ Limousine von ca. 1934; Netzfund ohne Quellenangabe

Ich kann hier durchaus falsch liegen und bin aufgeschlossen für das bessere Argument, wie es gute Praxis in echter Wissenschaft ist (korrigiere: sein sollte).

Damit wäre ich am Ende meines heutigen Studienreise auf den Passo dello Stelvio.

Wer immer noch nicht müde ist und unterwegs besonders gut aufgepasst hat, mag sich jetzt mit diesem merkwürdigen Gefährt auseinandersetzen, welches uns heute als Randerscheinung des Hochschulbetriebs begegnet ist:

Ich als italienerprobter Reiseleiter und selbstbewusster Blog-Wart habe eine klare Vorstellung davon, um was es sich hier handelt.

Was aber sagen Sie, liebe Absolventen der Hochschule des Daseins und des akribischen Selbststudiums zu diesem Kandidaten, welcher sich einst ebenfalls auf dem Passo dello Stelvio zur Outdoor-Party unter dem Motto „Lancia & Co“ einfand?

Nachtrag: Leser Michael Müller macht zurecht darauf aufmerksam, dass es einst auch ein legendäres Bergrennen am Stelvio gab, damals noch auf Schotterpisten.

„Wiederentdeckt“ wurde die grandiose Strecke im Rahmen einer Folge der britischen Heizer-Serie „Top Gear“, leider ohne Vorkriegsautos, aber dies eine Mal ist das egal…:

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Wer Luxus liebt, hat andere Sorgen: Fiat 520/521

Nicht zufällig pflegen in der Regel die, welche den gemeinen Untertan vor den verderblichen Auswirkungen eines aufwendigen Lebensstils warnen, selbst einen solchen.

Wie sonst auch könnten sie das tun, würden ihnen die Schattenseiten des materiellen Überflusses und des Jetset-Daseins nicht täglich vor Augen geführt werden?

Der Normalbürger macht sich ja keine Vorstellungen davon, dass das Leben im Luxus auch nur mit Sorgen verbunden ist – es sind bloß andere.

Dafür will ich heute um Verständnis werben anhand eines ganz eigenen Luxusproblems und eines, das sich Gutsituierten 1928 stellte, die sich einen der neuen „kleinen“ Sechszylinderwagen von Fiat kaufen wollten.

Hier haben wir ein Exemplar des Turiner 6-Zylindertyps 520, welcher mit einem kompakten Aggregat von gerade einmal 2,3 Litern Hubraum und 46 PS Leistung daherkam.

Fiat 520 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nach amerikanischen Maßstäben war das leistungsmäßig ein Wagen der Einsteigerklasse, knapp oberhalb des Million-Sellers Ford Model A angesiedelt (40 PS aus 3 Litern).

Von den Dimensionen und der Ausstattung her war der Fiat 520 aber durchaus als Konkurrent zu US-Sechszylindermodellen gedacht, auch wenn diese meist über mehr Hubraum und Leistung verfügten.

Doch wenn es um das repräsentative Erscheinungsbild und das Platzangebot ging, wussten die Italiener den Amis durchaus Paroli zu bieten und dank rationeller Großserienfertigung waren ihre Wagen nicht so teuer wie vergleichbare deutsche Manufakturautos.

So entstanden von Fiats Typ 520 von 1927-29 immerhin 21.000 Stück, von denen etliche in Deutschland landeten. Sie finden einige davon mit unterschiedlichen Aufbauten in meiner Fiat-Galerie.

Allerdings begannen in dieser Klasse schon die eingangs erwähnten Luxusprobleme. Denn es gab den kleinen Sechszylinder aus Turin auch in Verbindung mit einem deutlich längeren Chassis, was nochmals eindrucksvollere Karosserien erlaubte.

Auch dafür fanden sich in deutschen Landen Ende der 1920er Jahre hinreichend solvente Käufer, die keinem Luxusproblem aus dem Weg gingen.

Für sie hatte das „Ufficio Pubblicitá Fiat“ eigens bei der genuesischen Druckerei Barabino & Graeve einen aufwendigen Mehrfarb-Prospekt mit deutschen Texten anfertigen lassen.

Im Rahmen meiner Sammelaktivitäten – auch das ein echtes Luxusproblem – ist dieses Originalexemplar von 1928 in meinen Besitz übergegangen:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Da ich es beschränkt finde, solche Schätze für sich zu behalten – ich betrachte mich bloß als vorübergehenden Kurator solcher Dinge – will ich zumindest einige der 15 Seiten hier wiedergeben.

Damit Sie mir glauben, dass es sich tatsächlich um eine deutschsprachige Ausgabe handelt, habe ich auch diese ansonsten wenig spektakuläre Seite digitalisiert:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Hier findet neben dem 6-Zylindermotor die gegenüber dem kürzeren Typ 520 erhöhte Zahl an Sitzen ausdrücklich Erwähnung.

So fand man nach Öffnen der wesentlich verlängerten hinteren Türen ein äußerst großzügiges Passagierabteil vor, in dem sich eine zusätzliche Sitzreihe herausklappen ließ. Verzichtete man darauf, genoss man eine Beinfreiheit wie in einer Staatskarosse.

Den dazu erheblich verlängerten Radstand sah man allen ab Werk verfügbaren Aufbauten deutlich an. Beginnen wir mit dem klassischen Tourer, bei welchem der Abstand zwischen den Türen deutlich größer ausfiel als sonst:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Die ab Werk standardmäßigen Dreifarblackierungen lassen sich auf alten Schwarzweißaufnahmen leider nicht mehr erkennen – dort wirken diese Autos daher meist monochrom und sind infolge der Besonderheiten der Farbwiedergabe auf den damaligen Schwarzweiß-Filmen meist eher dunkel gehalten.

Besonders gut gefällt mir die folgende Ausführung als Chauffeur-Limousine – hier ebenso zutreffend als Coupé bezeichnet, da das Passagierabteil separiert war:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Um das Luxusproblem der Wahl zwischen den werksseitig verfügbaren Aufbauten vollständig zu veranschaulichen, darf natürlich die Limousine nicht fehlen – auch sie mit einer ansprechenden Dreifarblackierung versehen, welche die Struktur der Karosserie betont und ihr die Massigkeit nimmt:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Allen drei Ausführungen gemeinsam sind die Scheibenräder, die im Prospekt auch erwähnt werden, und zwar so, als seien sie die einzig verfügbaren. „Die Räder sind aus gestanztem Stahlblech“ heißt es lapidar.

Als einziges aufpreispflichtiges Extra werden die Doppelstoßstangen erwähnt – alles übrige (auch die Stoßdämpfer) war serienmäßig vorhanden.

An dieser Stelle ergibt sich nun ein zusätzliches Luxusproblem. Denn was soll man von einem Foto halten, das auf den ersten Blick einen solchen Fiat mit extralangem Radstand zeigt, der aber nur herkömmliche Stahlspeichenräder besitzt? Oder waren die auch „gestanzt“?

Fiat 521 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das muss ohnehin ein anderes Modell sein, mögen Sie sagen, denn die Schwellerpartie ist hier noch viel höher und die Seitenlinie weicht etwas ab.

Richtig beobachtet, aber das hilft Ihnen nicht viel, denn es findet sich in meinem Fundus eine weitere Fiat-Limousine mit ebensolchem Aufbau, welche auf dem Kühler klar als „521“ markiert ist.

Dieses Exemplar mit Stoßstange aus dem Zubehörhandel habe ich schon vor Jahren hier vorgestellt – einige Leser erinnern sich vielleicht an die großgewachsene junge Dame daneben:

Fiat 521 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In solche Nöte gerät man nur, wenn sich den Gefahren des Luxus aussetzt – ich kann nur davor warnen, man bekommt schlaflose Nächte davon!

Zu meiner eigenen Beruhigung habe ich aber jüngst ein Foto erworben, das doch die im Prospekt des Fiat 521 erwähnten Scheibenräder besitzt und auch von den Dimensionen passen sollte:

Fiat 521 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zugelassen war das Auto in Berlin – Ende der 1920er Jahre der Ort in Deutschland mit der höchsten Quote an Importautos : rund ein Drittel des Bestands sollen es gewesen sein.

Der weit überwiegende Teil davon entfiel auf US-Fabrikate. Nach meiner Wahrnehmung standen Autos von Fiat danach bereits an zweiter Stelle, mit weitem Abstand dürften französische und österreichische Wagen vertreten gewesen sein.

Übrigens hielt die den meisten heute unbekannte Sechsyzlinderära bei Fiat bis 1949 an. Dann endete die Produktion des sensationellen Typs 1500, von der mir ebenfalls ein deutschsprachiger Prospekt in prächtigem Mehrfarbdruck von anno 1940(!) vorliegt.

Dessen Präsentation stellt mich unterdessen vor ein neuerliches Luxusproblem, dem ich mich erst mit einigem Abstand wieder aussetzen kann.

Denn auch die vermeintlichen Niederungen der Vorkriegsautomobilität wollen zwischenzeitlich gewürdigt sein und bergen bisweilen Sorgen ganz eigener Art…

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Begegnungen im Zeittunnel: Fiat 505 Tourer

Gerne bezeichne ich meine Ausflüge in die Welt des Vorkriegsautomobils als Zeitreise. Oft sind für mich entsprechende historische Abbildungen ein Anlass, den Zumutungen des Hier und Jetzt zu entgehen, oft aber auch Konfrontation mit den Zumutungen von damals.

Von diesen Zeitreisen kehre ich zurück mit der einen Erkenntnis, dass wir in der besten aller Zeiten leben, weil wir über das Beste von einst mühelos und ohne die Lebensrisiken von einst verfügen könnten, wenn wir denn wollten.

Paradoxerweise geht damit die andere Erkenntnis einher, dass wir in erbärmlichen Zeiten leben, weil wir so wenig aus der Vergangenheit lernen oder zumindest an Stilsicherheit nachleben.

Eine zum Verlieben schöne Reklame wie die für das Mercedes-Cabriolet 380 in meinem letzten Blogeintrag werden Sie in unseren Tagen vergebens suchen. Schlimmstenfalls wird klassische Schönheit verspottet wie jüngst im Spot einer einst britischen Sportwagenmarke.

Heute lasse ich Sie an einer etwas anderen Zeitreise teilhaben, auch wenn Sie dabei wieder auf Ihre Kosten in Sachen Vorkriegsautofotos kommen, sofern Sie die Einleitung überstehen.

Begleiten Sie mich auf einer echten Reise durch den Zeittunnel und erleben Sie die Begegnungen mit, die ich dabei machte.

An diesem Wochenende stand meine letzte Italienreise für dieses Jahr auf dem Programm. Wie immer ging es in die uralte Kulturregion „Valle Umbra“ – die Region zwischen Perugia und Spoleto, wo sich seit 2.500 Jahren in Sachen Kulturlandschaft wenig geändert hat.

Und wie fast immer handelt es sich dabei um keine Urlaubsreise, denn ich habe meist einen Haufen Arbeit dabei, so auch dieses Mal. Aber Arbeit belastet mich nicht, jedenfalls nicht in der Weise, wie mich andere Dinge bedrücken.

Ich war allein unterwegs, die bessere Hälfte musste nochmals daheimbleiben, um die Betreuung ihrer Eltern einzuweisen, die für einige Wochen aus Breslau (seit 1945 in Polen) angereist kam und in der frisch renovierten Dachwohnung im gleichen Haus residieren wird.

Auf dem langen Autobahnabschnitt von Mailand über Bologna nach Cesena goss es ohne Unterlass. Die Fahrbahn ist jedoch so ausgeführt, dass das Wasser nirgends steht, weshalb einem das peinliche Schild „80 bei Nässe“ wie auf der deutschen A5 ab Basel erspart bleibt.

Man kann also getrost mit 130 Sachen weiterfahren, sofern der Verkehr nicht zu dicht wird. Allerdings geschahen merkwürdige Dinge, je länger ich unterwegs war. Mir war zusehends so, als sei ich in einem Zeittunnel unterwegs.

Der Himmel war grau, links und rechts war alles grau, die Straße war grau und die silberne Motorhaube vor mir ebenfalls. Es gibt schon bei gutem Wetter auf dieser Strecke wenig zu sehen, bei schlechtem Wetter reduziert sich das auf „nichts“ – mit Ausnahme der Scheibenwischer und der roten Rücklichter vor einem.

Nichts wies mehr auf Raum und Zeit hin. Als ich an der Ausfahrt „Cremona“ vorbeifuhr, war ich mit einem Mal wieder Mitte der 1990er Jahre unterwegs – auch damals in strömendem Regen, allerdings mit meinem 1200er Käfer auf dem Weg in die Marken (die östlich an Umbrien angrenzende, hierzulande noch weniger bekannte Region.

Seinerzeit fuhr ich in Cremona ab, suchte mir eine Bleibe für die Nacht – aus meiner Lektüre von Hermann Hesses Italiengeschichten und -gedichten wusste ich, wie schön die Altstadt ist.

Dafür war diesmal keine Zeit und so ging es weiter durch den grauen Tunnel, begleitet von undefinierten roten Lichtern vor mir.

Doch zwei dieser Lichter auf der rechten Spur erweckten meine Aufmerksamkeit. Sie befanden sich ungewöhnlich niedrig und recht weit auseinander. Zunächst dachte ich an einen alten Mercedes, doch dann trat das kantige Heck eines Ford „Granada“ aus dem Grau hervor. Der Wagen trug ein uraltes italienisches Kennzeichen, das auf „Varese“ verwies.

So einen Wagen hatte ich ewig nicht gesehen und auch wenn die in Europa hergestellten Ford-Wagen damals längst unzeitgemäß waren – man denke an die Blattfeder-Hinterachse des Pseudosportlers „Capri“ (den ich dennoch mag) – so freute sich das junggebliebene Herz.

Die gute alte Tante BRD war damals trotz Kalten Kriegs in Topform – man hielt die Sowjets auf Abstand, kaufte dennoch ihr günstiges Gas und vor allem: man sprach trotz aller ideologischen Gegnerschaft miteinander auf Augenhöhe – der Entspannungspolitik sei Dank.

Für einen weiteren Schritt zurück auf meinem Weg durch den Zeittunnel sorgte dann mein bevorzugter Radiosender in Italien: RAI Musica Tutta Italiana – ganz in Landessprache, ohne Belehrungsanspruch und komplett werbefrei.

Diesmal wurden anlässlich des über 70-jährigen Jubiläums des Musikfestivals in San Remo einige Werke aus den 1950/60erer Jahren präsentiert, als man in Italien einen eigenen Stil pflegte. Die Traditionalisten sangen wie in den 30ern, die „Modernen“ sangen technisch zwar anders und freier, aber noch kaum beeinflusst von Rock und Pop.

Und immer ging es mit schönen Worten und Bildern um „amore“ – das ist auch bei den aktuellsten Werken so, mögen sie noch sehr von internationalen Musiktendenzen beeinflusst sein. Nirgends sonst höre ich „aktuelle“ Musik außer in Italien, wobei auch die Stimmen eine Rolle spielen – speziell die weiblichen, die eine ganz eigene Magie haben.

Wenn Sie nun denken, „Zur Sache, Schätzchen“, dann liegen Sie vom Timing richtig. Denn alles unterwegs Erlebte mündete in die Idee, dass ich diese Reise im Blog fortsetzen muss.

Jetzt geht es in einem Rutsch durch den Zeittunnel zurück in die 1920er Jahre. Plötzlich schält sich aus dem Nebel und dem Grau der Vergangenheit diese Erscheinung hervor:

Fiat 505 Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme fasziniert mich schon eine ganze Weile – heute sind Zeitpunkt und Stimmung gerade recht, um sie zu veröffentlichen.

Vor gut 100 Jahren entstand irgendwo im damaligen Osten Deutschlands – so meine Vermutung – diese Aufnahme, die auf dem Land drei Generationen einer betuchten Familie zeigt, welche es sich auf drei Sitzreihen bequem machen konnte.

Das setzte in einem der typischen Tourenwagen der damaligen Zeit einen beträchtlichen Radstand voraus, während die Dimension der Motorhaube durchaus zu einem etwas kompakteren Tourer mit nur zwei Sitzreihen passen würde.

Die Gestaltung der Frontpartie mit oben abgerundeter Haube und auffallend niedrigen schmalen, doch zahlreichen Luftschlitzen ist typisch für die Fiat-Großserienwagen, die ab 1919 entstanden und weltweit in Stückzahlen verkauft wurden, wie das sonst kein Hersteller auf dem europäischen Kontinent zustandebrachte.

Neben dem kompakten 501 (1,5 Liter, 23 PS) war es dessen stärkerer und deutlich größerer Bruder 505 (2,3 Liter, 33 PS), der auf vielen Fotos aus deutschen Landen zu sehen ist. Die Anwendung industrieller Massenproduktion machte diese Fiats nahezu konkurrenzlos.

Zu erkennen sind sie aus der Frontperspektive an dem leicht hufeisenförmigen Kühler:

Fiat 505 Tourenwagen mit deutscher Zulassung; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses in Deutschland zugelassen Exemplar des Typ Fiat 505 wurde nachträglich mit größeren Scheinwerfern ausgestattet, als es der Serienausführung entsprach.

Mehr Schein als Sein – ein zeitloses Thema. Vielleicht wollte der Besitzer den Anschein des prinzpiell gleich gestalteten, aber nochmals wesentlich größeren Sechsyzlindertyps Fiat 510 erwecken, den ich hier schon einmal anhand eines deutschen Exemplars vorgestellt habe.

Wie gesagt: diese Fiat verkauften sich in Deutschland mangels Konkurrenz hervorragend, und der Erfolg der Turiner Marke blieb bis Ende der 1930er Jahre ungebrochen.

Interessant wäre es zu erfahren, ob Fiat – eine Marke, die vor dem 1. Weltkrieg sogar in den USA Autos baute – mit ihrer streng rationalen, auf den Weltmarkt ausgerichteten Entwicklungs- und Produktionsphilosopie damals mehr Wagen außerhalb Italiens absetzte als am Binnenmarkt, wo die breite Masse noch ärmer war in Deutschland.

Ich könnte mir das vorstellen, wenngleich sich in meiner Fiat-Galerie immer wieder auch Exemplare mit italienischer Zulassung finden. Hier ein bislang noch nicht gezeigtes Foto, das in Italien entstand und einen Tourer des Typs 501 oder des Typs 505 zeigen könnte:

Fiat 501 oder 505 Tourenwagen in Italien; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme mit den dürren Buben daneben, die mit aufs Foto wollten – eventuell waren sie Nachbarn oder Kameraden des größeren der Drei – lege ich Ihnen deshalb ans Herz , weil man sich hier den charakteristischen Kühler aller Fiats der frühen 1920er Jahre einprägen kann.

Auch die Form des hier nur schemenhaft erkennbare Markenemblems ist bei der Identifizierung früher Fiats immer wieder hilfreich.

Liebe Leser, nun haben Sie für heute genug erduldet und vielleicht das eine oder andere mitgenommen, das Ihnen die Einordnung vergleichbarer Wagen erleichtert. Das dürfte sich auf alte Fotos beschränken, denn die einst in deutschen Landen sehr präsenten Fiats der 1920er Jahre sind auf heutigen „Oldtimer“veranstaltungen Mangelware.

Erinnern Sie sich an mein eingangs verwendetes Bild des „Zeittunnels“? Ich habe den Begriff nicht nur wegen meiner Erlebnisse im Regen auf der italienischen Autobahn gewählt.

Es gibt auch ein Foto dazu, das zu denen zählt, die lange darauf warten, einen würdigen Rahmen zu erhalten.

Andere würden das fortwerfen, ich hingegen mag so etwas, weil es viel von den Empfindungen transportiert, die man bei der Beschäftigung mit den Automobilen und ihren Besitzern von einst hat, auch wenn sich ihre materielle Existenz längst im Nebel der Zeit verflüchtigt hat.

Wie die hier erörterten Schatten leben sie noch einmal am Zeittunnel auf, merkwürdig schemenhaft. Es liegt nach allem Gesagten an Ihnen, sich einen Reim darauf zu machen…

Fiat 501 oder 505 Tourenwagen mit deutscher Zulassung; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Altes Messing – neuer Glanz: Hansa trifft Fiat

Mitunter staune ich selbst, auf welchen Wegen ich vom Alltag – oder meiner Wahrnehmung desselben – zum neusten Thema meines Blogs gelange. Aber das ist das Wesen eines Blogs – kurz für „Weblog“, also: Online-Tagebuch.

Man verarbeitet darin für Dritte nachvollziehbar, was einen beschäftigt, belustigt oder auch besorgt – verbunden mit einem Thema, das nicht nur für einen selbst von Interesse ist. So sollte es jedenfalls sein.

Diesmal ist der Anlass zu diesen Zeilen (und dem präsentierten Bildmaterial) ein durchaus privater, aber zugleich einer, der vielen vertraut sein dürfte.

Die Eltern der besseren Hälfte – beide in den fortgeschrittenen 80ern – bewohnen bisher eine Erdgeschosswohnung in einem Haus des späten Jugendstils, sogar mit eigenem Garten. Aber die Zeiten scheinen vorbei, in denen sie ihren Alltag vollständig selbst bewältigen können – eine permanente Betreuung ist vonnöten.

Glücklicherweise wurde im selben Haus kürzlich die Dachgeschosswohnung frei, die wir kurzerhand angemietet haben und für eine Ganztagsbetreuerin herrichten. Ich muss nicht betonen, dass dies sehr viel Geld und Zeit kostet, aber für die bestmögliche Lösung in der Situation gilt es, eigene Belange hintanzustellen.

Nun mag man sich unter einer Dachgeschosswohnung alles Mögliche vorstellen. Doch im vorliegenden Fall handelt es sich um eine großzügige Variante, zwar mit Schrägen, doch mit über 5 Meter lichter Höhe im Wohnzimmer, Terrasse und Blick über die Dächer von Bad Nauheim hinauf auf den Johannisberg – einen Ausläufer des Taunus, welcher irgendwann im Blog noch eine Rolle spielen wird.

Zu den Arbeiten in der Wohnung gehört neben etwas Streicherei vor allem die Aufarbeitung von Details aus den 1980er Jahren. Die Besitzer des Hauses waren damals großzügig, so wurden Massivholztüren mit Messingklinken und -beschlägen verbaut.

Nach über 40 Jahren präsentierten sich diese freilich wenig ansehlich, um es vorsichtig zu sagen – auch wackelte alles bedrohlich. Als Freund hochwertigen Materials in diversen Lebenslagen beschloss ich, die Teile auszubauen und aufzuarbeiten.

Nach ausgiebigem Aufenthalt im Ultraschallbad und anschließender Behandlung mit Polierwatte und -paste sowie Montage neuer Buchsen ist alles wie verwandelt. Erstaunlich, was solche Detailarbeit zum Gesamteindruck einer alten Wohnung beiträgt – ebenso wie Reinigung aller Schalter und Armaturen bzw. Erneuerung, wo nötig.

Vom grünspanigen alten Messing zum frischen neuen Glanz – ein Thema, zu welchem ich zufällig das passende Foto in meinem Fundus fand. Muss kurz überlegen, ob ich es gleich in Gänze zeige oder erst am Ende.

Ich glaube, ich gehe schrittweise vor – ganz wie bei meiner geschilderten Fleißarbeit in Sachen „vom alten Messing zum neuen Glanz“.

Den Anfang macht dieser sichtlich angejahrte Wagen der deutschen Marke Hansa:

Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Auto wirkt wie sein stolzer Fahrer bereits wie ein Veteran – was vor allem an der archaischen Front mit Messing-„Schnabelkühler“ liegt. Ich glaube, man muss nicht eigens erklären, was damit im Unterschied zu einem Flachkühler oder Spitzkühler gemeint ist.

Solche Kühler finden sich an deutschen Wagen ab etwa 1913. Das galt auch für die Marke Hansa, welche damals vor allem die Typen C 8/20 PS und D 10/30 PS in beachtlichen Stückzahlen herstellte.

Etliche Exemplare finden sich in meiner Hansa-Fotogalerie. Dass Hansa nach dem 1. Weltkrieg an dieser Kühlerform festhielt, ist typisch für die traditionelle Gestaltung, welche fast alle deutschen Hersteller bis Mitte der 1920er Jahre bevorzugten.

Hier ein solcher früher Nachkriegs-Hansa, welcher weitgehend dem eingangs gezeigten Exemplar entspricht:

Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Immerhin hatte man bei Hansa den 2,1 Liter-Vorkriegsmotor einer Leistungskur unterzogen – statt 20 PS waren nun schon 26 PS verfügbar – in der unteren Mittelklasse im damaligen Deutschland durchaus achtbar.

Doch so sehr ich diese Wagen aus deutscher Produktion ob ihrer Persönlichkeit schätze, so sehr ist zu konstatieren, dass sie in gestalterischer Hinsicht veraltet waren.

Das wurde spätestens anno 1925 deutlich – nur ein Jahr nach Ende der Produktion des Hansa Typ C 8/26 PS. Vorbei war die Zeit dunkel angelaufenen Messings und angejahrter, speckiger Optik.

Mit einem Mal präsentieren sich die Dinge auf glänzende Weise neu:

Fiat Tourenwagen ab 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Unterschied ist bemerkenswert: Optisch treten der flache Kühler mit klassischem oberen Abschluss nach Vorbild antiker Tempelgiebel und die großen Scheinwerfer hervor, die wie der Kühler vernickelt sind und damit dauerhafteren Glanz versprechen.

Ins Auge fallen außerdem die Doppelstoßstange und die großen Trommelbremsen an den Vorderrädern – letztere spätestens 1925 Standard im Automobilbau, nachdem man zuvor eine Kombination aus Hinterradbremse und wenig effektiver Getriebebremse verbaut hatte.

Der Wagen wirkt nicht nur wesentlich moderner, er erscheint auch ein ganzes Stück größer als der zuvor gezeigte Hansa Typ P 8/26 PS. Ich bin sicher, dass es sich um einen Wagen aus dem Hause Fiat um 1925 handelt, möchte mich aber nicht genau festlegen.

Die seit 1919 gebauten Typen 501 bzw. 505, welche noch 1925 einen solchen Kühler und Vorderradbremsen erhielten, würde ich aufgrund der Länge der Motorhaube ausschließen.

In Frage kommen – nicht zuletzt aufgrund der Gestaltung der Haubenschlitze – aus meiner Sicht eher die daneben verfügbaren 6-Zylindertypen, von deren Existenz die meisten Vorkriegsautofreunde hierzulande kaum etwas wissen.

Von der Klasse des Turiner Angebots der gesamten Vorkriegszeit machen sich viele keine Vorstellung – außer dem niedlichen „Topolino“ der späten 1930er Jahre ist den meisten überhaupt kein Fiat-Modell jener Zeit geläufig.

Das Bild zu ändern ist eine der vielen Motivationen meines Blogs. Also schauen wir einmal, was das für ein Fiat gewesen sein könnte, wenn es kein 501 oder 505 war.

Kandidat 1 ist der Fiat 510 – ein schon seit 1919 verfügbarer kleiner Sechszylinder mit gut 45 PS Leistung. Direkter Konkurrent war hierzulande der gleichstarke Vierzylinder-Mercedes „Knight“, der seine Laufruhe aus dem ventillosen Konzept bezog.

Kandidat 2 – und mein Favorit – ist der Fiat 519. Der wurde ab 1922 gebaut und stellte mit seinem fast 80 PS leistenden 6-Zylinder alles in den Schatten, was in deutschen Landen serienmäßig aufgeboten wurde.

Auch die hydraulischen Vierradbremsen waren bei Produktionsende 1924 ziemlich einzigartig bei Herstellern auf dem europäischen Kontinent.

Das Erscheinungsbild der späten Fiats dieses Spitzentyps entspricht aus meiner Sicht weitgehend dem des Wagens auf dem zweiten oben gezeigten Foto. Natürlich mag ich mich irren und sachkundigere Leser mögen mich korrigieren – die Fiats um Mitte der 1920er Jahre sind auf alten Fotos nicht einfach auseinanderzuhalten.

Dessen ungeachtet möchte ich zum Abschluss die heute vorgestellten Autos nochmals direkt gegenüberstellen. Diese Arbeit hat mir anno 1925 ein unbekannter Fotograf abgenommen:

Hansa Typ P 8/26 PS und Fiat-Tourer von 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie nun den Klassenunterschied? Und sehen Sie nun, was mich zum Titel meines heutigen Blog-Eintrags „Altes Messing – neuer Glanz“ bewogen hat?

Mir gefällt dieses Nebeneinander von Alt und (relativ) Jung sehr gut – wie im richtigen Leben. Das Alte weicht unweigerlich dem Neuen, doch letzteres wäre undenkbar ohne die Vorleistung der Vorgeneration.

Daher ist es eine vornehme Pflicht, dem Alten seine Reverenz zu erweisen und sich bestmöglich um die Altvorderen zu kümmern, ohne die eigenen Belangen aus dem Auge zu verlieren. Denn irgendwo müssen die Mittel und Kräfte herkommen, die wir dazu einsetzen.

Noch eines: Ich weiß, dass die eingangs beschriebene Reinigung alter Messingtürgarnituren nur begrenzte Zeit vorhält. Aber die Vergänglichkeit aller Anstrengungen um glänzende Ergebnisse ist kein Grund, die Dinge verkommen zu lassen, die wir ererbt haben…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Heute nur ganz kurz… Fiat 500A „Topolino“

Wenn meine Blog-Einträge bisweilen – oder besser: fast immer – entschieden zu lang ausfallen, dann bin ich mir dessen bewusst.

Doch halte ich es mit dem auf eine ungeklärte Quelle zurückgehenden Bonmot, wonach ich meist nicht genug Zeit habe, um mich kurz zu fassen. Denn letzteres erfordert entweder viel Aufwand beim Schreiben oder beim Feinschliff vor der Fertigstellung.

Immerhin folgt auf jeden freigeschalteten Blog-Eintrag eine Korrektur- und Kürzungsrunde, von deren Ergebnis diejenigen leider nichts erfahren, die den Blog abonniert haben.

Würde ich diese Überarbeitung vor den Versand verlegen, bräuchte ich insgesamt noch länger, da ich dann alles ausmerzen müsste, was ich meist am Morgen „danach“ schnell korrigiere.

Wenn ich mir nun ausnahmsweise das Motto „Heute nur ganz kurz“ zueigen gemacht habe, dann hat das einen bestimmten Anlass.

Beim spätnachmittäglichen Besuch des Supermarkts in der benachbarten Kleinstadt „Spello“ (ich weile derzeit im italienischen Umbrien), dessen Auswahl und Qualität in deutschen Landen nur in großstädtischen Feinschmeckerzentren zu finden ist, fiel mir wie praktisch jedes Mal ein Fiat 500 der 60/70er Jahre ins Auge – diesmal knallrot lackiert und in schönem Zustand.

Nach meiner Erfahrung sind diese genialen Kleinwagen im italienischen Alltag nicht mehr so oft zu finden wie noch vor 30 Jahren. Aber ihr Anblick ist durchaus nichts Ungewöhnliches. Das liegt daran, dass sie bis heute ein unschlagbares Raumangebot für ihre Größe bieten und zugleich ideal für die engen Straßen vieler Altstädte mit wenig Parkraum sind.

Ein dermaßen kompaktes Auto mit soviel Nutzwert ließe sich angesichts der ungebremst wuchernden Regularien heute nicht mehr bauen – aus demselben Grund ist der Fiat „Panda“ der 80er Jahre ein noch viel häufigerer Vertreter seiner Art – oft als 4×4-Version.

Beim Anblick des Fiat 500 kam mir der Gedanke, dass es aktuell ja noch zwei Fotos in meinem Fundus zu „verarbeiten“ gilt, welche den Großvater des klassischen Fiat 500 zeigen – den ab 1936 eingeführten Typ 500A mit dem Spitznamen „Topolino“ – also „Mäuschen“.

Woher dieser rührte, wird beim Anblick der Frontpartie unmittelbar klar:

Fiat 500A „Topolino“ (dahinter ein Tatra 75, Hinweis von Leser H. Kasimirowicz); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Spätestens jetzt wird auch klar, was ich mit „heute nur ganz kurz“ in Wahrheit meinte. Denn wie der 500er der Nachkriegszeit mit luftgekühltem Heckmotor war der Vorkriegs-Fiat (mit Frontmotor und Wasserkühlung technisch zwar anders geartet) vor allem eines: kurz.

Dass er dennoch wie ein richtiges Auto aussah – sogar mit windschnittiger Kühlerpartie, die bei Spitze 90 km/h kaum notwendig war – und dass er relativ erschwinglich war, das macht einen erfolgreichen Kleinwagen aus.

Kein Wunder, dass Fiat mit dem Topolino das mühelos gelang, woran deutsche Hersteller seit etwa 1920 vergeblich herumbastelten – ein richtiges Auto für jedermann (in der Mittelschicht).

Während in Deutschland endlos über einen Volkswagen geredet wurde, jede Menge Leute in der Theorie alles genau wussten, aber in der Praxis nicht lieferten und der „Volkswagen“ der 1930er Jahre bis in die frühe Nachkriegszeit nicht erhältlich war – baute Fiat im armen Italien einfach den „Topolino“ – und das gleich in weit über 100.000 Exemplaren bis 1948.

Wie war das noch einmal mit der einzigartigen deutschen Automobiltradition? Wenn ich etwas in den vergangenen fast 10 Jahren Bloggerei über Vorkriegsautos gelernt habe, dann dies:

Von wenigen Sternstunden abgesehen, war die Automobilindustrie in Deutschland von 1900 bis etwa 1930 in Sachen Technik, Gestaltung und Stückzahlen bestenfalls Mittelmaß.

Definiert man die wesentliche Innovation des Automobils damit, dass es möglichst vielen Menschen ein individuelles Reisen an beliebige Orte erlaubt – dann haben deutsche Hersteller vor dem Krieg kaum etwas dazu beigetragen.

Was dagegen Fiat bereits ab 1919 mit dem Großserientyp 501 anstellte, was Austin in England mit dem „Seven“ und Citroen in Frankreich mit dem „5CV“ ab Anfang der 20er tat – das waren „die“ Impulse in Richtung Volksmotorisierung in Europa.

Wäre das Potenzial des Volkswagenwerks nach dem 2. Weltkrieg nicht von den britischen Besatzern erkannt worden, wäre die Nachkriegsmotorisierung Deutschlands vermutlich ebenfalls von Fiat nebenher mit erledigt worden.

Wie es der Zufall will, haben wir hier sogar noch einen Vorkriegs-Topolino, der ausweislich des Nummernschilds im Nachkriegs-Osnabrück der späten 1950er oder frühen 60er Jahre treue Dienste leistete:

Fiat 500 A „Topolino“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer so einen Wagen – der in beachtlichen Zahlen auch als NSU-Fiat in Heilbronn gefertigt wurde – über den Krieg gerettet hatte, hatte damit bei aller Bescheidenheit immer noch das bessere Gefährt als diejenigen, die auf die vielen, oft absurden deutschen Kleinstautos der Wiederaufbauzeit zurückgreifen mussten, weil der „Käfer“ von VW viel zu teuer war.

Zusammen mit den hervorragend gestalteten und geräumigeren, aber leider nicht so dauerhaften Zweitakt-DKWs gehörten die Vorkriegs-Topolinos zum besten, was man in der Kleinwagenklasse kurz nach dem 2. Weltkrieg fahren konnte – wenn man das Geld hatte.

Nur eines konnte man auf so einem „kurzgefassten“ Fiat nicht wirklich überzeugend tun – lasziv posieren wie eine Diva auf der langen Haube eines Sechs- oder Achtzylinders.

Wenn es diese junge Dame dennoch versucht, mag das ein wenig von dem Lebensgefühl vermitteln, was der Besitz eines solchen Autos einst vermittelte:

Fiat 500 A „Topolino“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das war es heute „nur ganz kurz“ zu einem Automobil, dessen Rang man trotz seines verniedlichenden Spitznamens nicht groß genug einschätzen kann.

Wenn Sie jetzt trotz aller relativer Kürze doch noch Lust auf mehr in Sachen Fiat „Topolino“ haben, dann werden Sie entweder auf Ferdinand Lanners fabelhaften Fiat-Seiten fündig oder auch in meinem Blog, zum Beispiel bei diesem Bilderreigen.

Doch ich muss Sie warnen: In beiden Fällen wird das Vergnügen eines nicht: kurz!

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Ein 6-Zylinder für „kleine Leute“: Fiat 520 Tourer

Die Welt ist ungerecht – das gilt von jeher für die Ungleichverteilung gewisser äußerer Merkmale. Aber es gibt auch Abhilfe, wie wir heute sehen werden.

Von der Natur weniger großzügig mit optischen Reizen bedachte Damen haben früh Wege ersonnen, dies entweder kosmetisch oder mit purem Charme zu übertünchen.

Schwerer hatten es von jeher die Herren speziell dann, wenn sie etwas klein geraten waren. Schmale Schultern und Bauchansatz ließen sich ja bis in gewisser Hinsicht kompensieren – mit breiten Schulterstücke bei Uniformen hoher Militärs und zweireihigen Jacketts etwa.

Aber der kleiner Mann – der muss sich irgendwie mit seinem wenig imposanten Erscheinungsbild arrangieren. Dafür stehen ihm verschiedene Möglichkeiten offen:

Er kann durch schiere Leistung begeistern, als Beispiel fällt mir Tazio Nuvolari ein, einer der größten Rennfahrer überhaupt – und das mit ganzen 1,60 m!

Der kleine Mann kann sein Geltungsbedürfnis aber auch in der Politik ausleben, wie das seit Napoleon auffällig oft der Fall ist – manch‘ einem fallen auch aktuelle Beispiele ein, bei denen ein ungesundes Streben nach Größe eher schädliche Folgen zeitigt.

Als dritte Möglichkeit bleibt die, sich durch Erwerb von Statussymbolen quasi selbst als Heros über die schnöde Masse zu erheben. Das Automobil bot vom ersten Tag an beste Voraussetzungen für dergleichen Ablenkungsmanöver und mein Eindruck ist der, dass einige Frauen immer noch darauf hereinfallen – gut so für den kleinen Mann!

Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln und sagen, dass die im Titel erwähnte Marke Fiat doch für diese therapiebedürftigen Fälle nichts im Angebot hatte, sondern nur für ökonomisch wirklich „kleine Leute“, dann kann ich Ihnen nur bedingt recht geben.

Die Turiner Marke bot nicht nur vor dem 1. Weltkrieg Luxuswagen an, die international hoch angesehen waren, sie baute auch nach Einführung des für europäische Verhältnisse revolutionären Kleinwagentyps 501 anno 1919 weiterhin auch große und starke Modelle.

Spektakulär war der ab 1922 gebaute Fiat 519 mit fast 80 PS leistendem 6-Zylindermotor und hydraulischen (!) Vierradbremsen. Ein Foto dieser Rarität konnte ich vor Jahren dingfest machen:

Fiat 519 Chauffeur-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nachfolger des sensationellen Fiat 519 wurde ab 1927 der nicht ganz so grandiose, aber immer noch beeindruckende Typ 525. Mit knapp 70 PS aus 3,7 Litern Hubraum bot er nach wie vor souveräne Leistung als kraftvoller Reisewagen im vielerorts bergigen Italien.

Doch dachte man bei Fiat auch an den Repräsentationsbedarf des „kleinen Manns“ in der gehobenen Mittelklasse.

So wusste man, dass ein 6-Zylinder für manchen beruflich erfolgreichen Käufer ein wichtiger Erfolgsausweis war – nur einigermaßen bezahlbar sollte er sein und weniger gigantisch daherkommen wie das Spitzenmodell, das eher in den Vorstandsetagen der schon damals hochentwickelten Industrie Norditaliens zuhause war.

So bot man parallel auf etwas kürzerem Chassis und mit „kleinem“ Sechszylinder den Typ 520 an, welcher 45 PS aus 2,3 Litern schöpfte. Das klingt nicht mehr so beeindruckend, doch um bei den Zeitgenossen groß herauszukommen, genügte das Erscheinungsbild.

Ein hübsches Beispiel dafür haben wir, wo gleich mehrere sich als Dandy gebende junge Herren neben einem solchen Fiat posieren:

Fiat 520 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Interessant ist hier, dass als Aufnahmeort Czarnikow angegeben ist, das in der ehemaligen Provinz Posen lag. Fiat war auch mit diesen gehobenen Modellen international auffallend präsent und gehörte neben den US-Herstellern zu den damals erfolgreichsten Exporteuren.

Aufgrund der Aufnahmesituation fällt hier kaum auf, dass es sich eigentlich um eine offene Version als Tourenwagen handelt. Mit geschlossenem Verdeck wirkte der Fiat beinahe so imposant wie in der Limousinenausführung.

Diese gab es natürlich auch – hier ein 6-Fenster-Exemplar mit deutscher Zulassung:

Fiat 520 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Fiats mit kompaktem 6-Zylindermotor erfreuten sich demnach auch in Deutschland einiger Beliebtheit bei den „kleinen Leuten“, denen ein großes Aggregat schlicht zu teuer war. Dass sie kein deutsches Fabrikat wählten, lag schlicht an der mangelnden Verfügbarkeit seitens der in dieser Klasse noch rein in Manufaktur arbeitenden heimischen Hersteller.

Dagegen war Fiat durch frühzeitige Übernahme US-amerikanischer Produktionsmethoden imstande, auch die größeren Typen in industriellem Maßstab – d.h. in hohen Stückzahlen und zum konkurrezfähigen Preis – zu fertigen.

So hatten die Turiner am deutschen Markt der Zwischenkriegszeit leichtes Spiel – ihre Wagen gehörten in allen Größenklassen zum Straßenbild, was sich bei heutigen Klassikerveranstaltungen hierzulande nicht annähernd widerspiegelt.

Da ist es nur konsequent, wenn das für heute letzte Foto eines Fiat 520 – dieses habe ich noch nicht bereits an anderer Stelle präsentiert – wieder einen in Deutschland zugelassenen Wagen zeigt.

Und dass der wirklich etwas für kleine Leute war, davon können Sie sich nun zum Abschluss selbst überzeugen:

Fiat 520 Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog

Die guten Seiten der DDR: Ein Fiat-NSU 1000

Um es gleich zu sagen: Das politische System der DDR war für Freiheitsliebende das zweitschlimmste, was es je auf deutschem Boden gegeben hat.

Millionen von Menschen jahrzehntelang einzusperren, sie um ein selbstbestimmtes Leben und die Früchte ihrer eigenen Arbeit – oft auch um ererbtes Eigentum – zu bringen, lässt sich nicht irgendwie schönreden, so sehr die DDR-Insassen versuchten, das Beste daraus zu machen und dabei oft Erstaunliches zuwegebrachten.

Dennoch gab es viele gute Seiten der DDR. Die bislang für mich beste war die sehr frühzeitige Organisation der Vorkriegsautoszene in Mittel- und Ostdeutschland.

Diese war ursprünglich aus der Not geboren, denn natürlich gelang es der DDR-Planwirtschaft nicht, in ausreichender Zahl zeitgemäße Automobile fertigen zu lassen.

Ohne Wettbewerb, Privateigentum und freie Preisbildung kann keine Wirtschaft die Bedürfnisse der Konsumenten stillen. Die wie in allen sozialistischen Regimen bildungs- und intelligenzmäßig beschränkten Machthaber meinten freilich, wenn man es nur oft genug versucht, wird es schon gelingen (nebenbei ein zeitloses Thema).

Also hielten die DDR-Bürger mit einer bewundernswerten Improvisationsfähigkeit die vielen Vorkriegsautos am Laufen, welche nach der Kapitulation noch vorhanden waren. Die Kompetenz dafür war im Osten unseres Landes zum Glück vorhanden, denn das Herz der deutschen Autoindustrie schlug einst in Thüringen und Sachsen.

Dabei gelang es oft, sogar ausländische Fabrikate (hauptsächlich amerikanische) weiter in Betrieb zu halten, was eine bemerkenswerte Leistung ist, wenn man bedenkt, dass fehlende Teile in Eigenleistung nachgefertigt werden mussten.

Hinzu kam, dass die Qualitätsstandards der meisten Vorkriegswagen weit über dem Niveau der Gefährte lagen, welche unter den Bedingungen der sozialistischen Mangelwirtschaft entstanden. Hier war private Kompetenz und Initiative gefragt – und es gab sie!

Neben hochkarätigen Prestigewagen wurden so vor allem Brot-und-Butter-Modelle am Laufen gehalten, die wenig Kraftstoff benötigten, aber zugleich eine souveräne und stilvolle Fortbewegung ermöglichten – was DDR-Gewächse definitiv nicht boten.

Ein hübsches Beispiel dafür findet sich auf diesem Foto der 60er Jahre:

NSU-Fiat 1000 mit DDR-Kennzeichen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Trotz einiger Veränderungen wie den nachgerüsteten Blinkern und dem Außenspiegel lässt sich diese hübsche Zweitürer-Limousine leicht als Fiat 1000 identifizieren, wie er auch im alten NSU-Werk in Heilbronn ab 1934 gebaut wurde.

Die deutschen Ausführungen dieses mit einem drehfreudigen Vierzylinder mit 24 PS motorisierten Fiats sind leicht an den Luftklappen in der Motorhaube zu erkennen. Diese sind auch auf meinem Foto zu erahnen.

Außerdem gibt es hier etwas zu sehen, was mich zum Titel meines heutigen Blog-Eintrags motivierte – ein DDR-Kennzeichen in der typischen Ausführung mit einer Gruppe aus zwei Buchstaben, gefolgt von zwei Gruppen zu je zwei Ziffern.

Im Unterschied zu den Nummernschildern in der Bundesrepublik (nach der Ära der Besatzungskennzeichen) erlauben diese Kennungen keine direkte Ableitung des Zulassungsorts aus den am Anfang stehenden Buchstaben.

Doch gab es neben der erfreulichen Seite der DDR, welcher wir eine im Westen unvorstellbare Zahl an überlebenden Vorkriegswagen verdanken, weitere 89 Seiten, die ich zu schätzen weiß.

Das verdanke ich Leser Reinhard Barthel, der mich dieser Tage mit einer Sendung der besonderen Art erfreute. Er schickte mir einen Nachdruck des „Schlüsselverzeichnis der polizeilichen Kennzeichen für zugelassene Fahrzeuge“, welches vom DDR-Innenministerium zuletzt im Mai 1990 herausgegeben wurde.

Dabei handelt es sich nicht nur um eine der letzten Amtshandlungen der DDR-Bürokratie, sondern zugleich um ein enorm hilfreiches analoges Dokument, das binnen kürzester Zeit die Zuordnung von Nummernschildern zum einstigen Zulassungsbezirk erlaubt.

Ich war von dieser Geste so angetan – vielen Dank an Herrn Barthel an dieser Stelle – dass ich die Gelegenheit dazu nutzte, das Verzeichnis am Beispiel des NSU-Fiat 1000 zu erproben.

Nur wenige Sekunden und ich fand die benötigte Information auf Seite 21: Demnach war der Nummernkreis DP-02-66 bis DP 47-85 dem Bezirk Potsdam zugeordnet – großartig!

Sie sehen nun, was ich – augenzwinkernd- mit den vielen guten Seiten der DDR als Staat meine. Doch die beste bleibt für mich als Wessie immer noch die eingangs erwähnte: die vorbildliche Vorkriegsautoszene, die bis heute unübersehbar fortwirkt.

Ihr verdanken wir das Fortleben so vieler schöner Wagen und sei es nur in Form von Fotos, die den zweiten Frühling von Vorkriegsautomobien nach dem 2. Weltkrieg dokumentieren.

Diese Fahrzeuge waren nicht nur Notlösungen, sie wurden als kostbare Schätze in einer Zeit betrachtet, in der sich die aktuelle Produktion auf traurigem Niveau befand.

Das zweite Foto unseres NSU-Fiat 1000 aus Potsdam in ungestörter Kulturlandschaft mag dies illustrieren – man hatte offenbar schon früh ein Bewusstsein für die besonderen ästhetischen Qualitäten wirklich alter Autos…

NSU-Fiat 1000 mit DDR-Kennzeichen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Die größte Pfeife in Luzern: Cottin & Desgouttes

Zurück aus Italien gilt es, in allerlei Routinen zurückzufinden.

Dazu zählen neben dem Mähen des wild gewucherten Rasens die regelmäßige Betätigung des Blinkers und die grobe Einhaltung der Tempolimits (heute stark erleichtert durch einen Mercedes, der mit unter 60 km/h auf der Landstraße vor mir herzockelte).

Es ruft zudem die Pflicht, im Blog wieder in den alten Trott zurückzufinden, denn es gibt ungeduldige Leser (m/w/d), zu deren Tagesablauf es gehört nachzuschauen, was es Neues aus der Welt der Vorkriegsfotos auf alten Autos (oder so ähnlich) gibt.

Tatsächlich habe ich gleich zwei hübsche Sachen aus dem Süden mitgenommen bzw. unterwegs aufgelesen.

Die eine davon hat merkwürdigerweise nicht nur mit Italien, sondern auch mit Belgien zu tun. Irgendwo dazwischen liegt bekanntlich die Schweiz und dort steht zur zusätzlichen Komplikation ein Auto aus Frankreich – sowie die größte aller Pfeifen.

Wie das alles zusammengeht, weiß ich im Moment selbst noch nicht, aber es wird schon gelingen – also halten Sie durch!

Beginnen wir in Italien – immer eine gute Standortwahl:

Fiat 509 Tourenwagen am Gardasee; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Als ich diese schöne Aufnahme aus den 1920er Jahren aufstöberte, sagte mir mein Bauchgefühl gleich, dass diese an einem der oberitalienischen Seen entstanden sein muss. Nur an welchem, das konnte ich zunächst nicht sagen.

Es gibt freilich einen darunter, den ich nur vom Hörensagen und aus Goethes Italienischer Reise kenne – Deutschlands südlichsten See, auch bekannt auch als Lago di Garda.

Er liegt nicht auf meiner bevorzugten Einfallsroute nach Süden, welche statt über den Brenner über den Gotthardpass führt (dorthin begeben wir uns übrigens demnächst).

Jedenfalls bestätigte sich meine Vermutung, dass sich die markant auf einem Kap liegende Burganlage dort befindet – wo genau, habe ich vergessen, aber ein Leser wird es wissen:

Warum die majestätischen Zypressen, die sich in Italien allerorten finden, in deutschen Landen nur geringer Beliebtheit erfreuen, verstehe ich nicht.

Sie sind frostfest, völlig anspruchslos, bedürfen keinerlei Pflege und wachsen einfach ihr ganzes langes Leben immer weiter gen Himmel – zwei davon zieren seit längerem meinen eigenen Garten und sie legen um rund 20 Zentimeter pro Jahr zu.

Wenn kein teutonischer Tannenfetischist sie eines Tages fällt, werden sie noch in 200 Jahren in edler Einfalt und stiller Größe gen Himmel ragen und damit selbst meinen Blog überdauern.

Der Tourenwagen vor dieser dramatischen Kulisse ist schnell als Fiat 509 identifiziert.

Das Turiner Meisterstück – ein in Massenproduktion nach US-Vorbild gefertigter Kleinwagen mit drehfreudigem 1-Liter Motor mit obenliegender Nockenwelle – war zum Zeitpunkt der Einführung anno 1925 konkurrenzlos und wurde auch in Deutschland gern gekauft.

Wo das am Gardasee abgelichtete Exemplar zugelassen war, lässt sich wohl nicht mehr feststellen:

Ja, ist ja alles schön, aber nichts Neues – das Modell hatten wir im Blog schon öfters.

War im Titel nicht etwas französisch Klingendes angekündigt, wenn auch etwas respektlos als „die größte Pfeife“?

Gewiss, aber wie im richtigen Leben wäre es langweilig, wenn man immer gleich zur Sache käme. So muss ich noch einige Zwischenstationen absolvieren, bevor wir ans Ziel gelangen.

Die erste führt uns nach Belgien, wo es eine bemerkenswerte Comic-Tradition gibt (übrigens mit einer ausgeprägten Seitenlinie in Sachen Automobile).

Vermutlich hat die desaströse Anwesenheit deutschen Militärs gleich zweimal im 20. Jh. den Belgiern das starke Bedürfnis eingeprägt, sich dem Schicksal mit gnadenlosem Humor zu stellen. Ein sympathischer Zug, dem wir Meisterwerke wie die Figur „Gaston“ verdanken.

Dieser liebenswerte Chaot bringt zwar in seinem Bürodasein nichts Konstruktives zuwege, aber er fährt einen Fiat 509 und das zeugte Mitte der 1950er Jahre, als der Comic entstand, von echtem Charakter.

Wie der Autor von „Gaston“ darauf gekommen war, der immerhin 40 Jahre lang seine Kunstfigur durch die Absurditäten des Daseins begleitete, weiß ich nicht. Er wird wohl selbst einen Bezug dazu gehabt haben – vielleicht weiß auch dazu ein Leser mehr.

Mit dem Fiat 509 von Gaston und dem vom Gardasee verlassen wir nun freilich den Süden. Auf dem Heimweg liegt – jedenfalls für mich – die Schweiz. Dort wurde in etwa zur gleichen Zeit das im Titel angekündigte französische Gefährt aufgenommen.

Tja, wie kriegt man nun die Kurve von Fiat-Enthusiast Gaston aus Belgien zu einem Franzosen in der Eidgenossenschaft – und das noch dazu auf dem Rückweg aus Italien?

Ganz einfach, man muss nur einen kleinen Sprung zu Gastons „alter ego“ machen – einer ebenfalls belgischen Parodie auf den sympathischen Loser. Allein das kündet schon von Humor, eine Karikatur zu karikieren.

Ich weiß wenig darüber, außer dass diese Figur statt „Gaston“ nun „Baston“ hieß und von etlichen namhaften Vertretern der Comic-Kunst in die skurrilsten Rollen hineinpersifliert wurde wie etwa Rocker, Firmenpatriarch, Weiberheld usw.

Das weiß ich aber alles nur zufällig, denn von diesem Genre habe ich wenig Ahnung. Ich bin darauf gestoßen, weil das erwähnte Machwerk den hübschen deutschen Titel „Baston, die größte Pfeife aller Zeiten“ trägt.

Mit den größten Pfeifen kenne ich mich wiederum recht gut aus – aber nicht weil ich Raucher wäre oder mir Mitglieder der selbsternannten Priesterkaste in Brüssel nahestünden. Nein, mich faszinieren schlicht große Orgeln und deren einzigartige physische Überwältigungsmacht.

Statt eines Riesenorchesters braucht es im besten Fall nur eine Person an den Manualen und Pedalen, um über ein Instrumentarium zu gebieten, das in die tausende gehen kann.

Nicht zufällig gibt es nur kaum befriedigende Aufnahmen von Orgelmusik. Selbst die teuersten Hifi-Anlagen scheitern an der physikalischen Herausforderung, das den gewaltigen Basspfeifen entsprechende Luftvolumen hinreichend hörbar in Bewegung zu setzen. Die Frequenz als solche ist dabei nicht das Problem, sondern die erforderliche Energie.

Wem das zu abstrakt ist, dem kann geholfen werden, und zwar anhand der größten Pfeife aller Zeiten. Die ist nun nicht mehr eine kuriose Kunstfigur aus Belgien namens Baston.

Um ihr zu begegnen und sie zu erleben, muss man sich vielmehr an einen Ort in der Schweiz begeben, wo einst dieser Tourer parkierte:

Cottin & Desgouttes in Luzern; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Aha, da haben wir endlich den angekündigten Cottin & Desgouttes! Sicher werden Sie jetzt das eine oder andere über ihn erfahren wollen.

Nun, da muss ich Sie enttäuschen und kann nur auf das Porträt eines anderen Wagen dieses Herstellers verweisen, das in meinem Blog hier zu finden ist. Sehr ergiebig ist das aber nicht.

Ist das vielleicht der Grund für das abschätzige Urteil „die größte Pfeife“ nach dem Motto: Über den Wagen lässt sich nichts irgendwie Interessantes sagen?

Nein, das gewiss nicht. Ich habe bloß nicht die geringste Ahnung, was diese Marke der zweiten Reihe (und hunderte andere aus Frankreich) angeht.

Also muss ich auf das Orgelthema zurückkommen und zuvor kurz auf historische Architektur:

Cottin & Desgouttes in Luzern; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Cottin & Desgouttes war nämlich vor einer Kirche abgestellt, die mittelalterliche Türme mit einem Renaissance-Portal und einen barocken Giebel darüber vereint.

Umwerfend ist das Ergebnis zwar nicht, aber immerhin sehen wir hier rund 500 Jahre stilistischer Entwicklung in einem einzigen Bauwerk, das dennoch harmonisch wirkt.

Vielleicht sollte man „moderne“ Architekten erst einmal die Standards der Vergangenheit beherrschen lassen, bevor sich sich an etwas Eigenes wagen – sonst kommen weiterhin immer nur diese banalen Schuhkartons in Beton mit Glas heraus wie seit 100 Jahren.

Das eigentlich Interessante befindet sich ohnehin in der Kirche selbst, die manche unter Ihnen bereits als die Hofkirche im schweizerischen Luzern erkannt haben. Diese weiß nicht nur durch ihre kühnen Turmhauben zu beeindrucken, welche ihresgleichen suchen:

Cottin & Desgouttes in Luzern; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Drinnen befindet sich die in Teilen noch originale Orgel aus dem 17. Jahrhundert, welche trotz Umbauten über die Zeit mit einer Sensation aufwarten kann: Der größten Orgelpfeife der Welt.

Dieses am Ende des 30-jährigen Kriegs (1648) entstandene Monstrum misst über 10 Meter an Höhe. Wer mag, kann einmal recherchieren, welche Bassfrequenz damit erzeugt wird und welches kolossale Luftvolumen darin in Schwingung versetzt wird.

Das Erlebnis des Originals entzieht sich jedenfalls der technischen Reproduktion mit heutigen Mitteln. Da gibt es nichts zu „digitalisieren“ und auch die KI wird Ihnen sagen: „Nö, zwecklos.“

Genauso verhält es sich mit Automobilen aus längst vergangenen Zeiten – das Original ist nicht zu ersetzen und ist es einmal verloren, kann man es nicht mehr herstellen, nur sich ihm rein oberflächlich annähern.

Bloß auf alten Fotos können die verschwundenen Zeugen der Vergangenheit noch ein bisweilen spannendes Schattendasein in Schwarz-Weiß weiterführen…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.