Weinkenner wissen es: Eine Spätlese gelingt nicht immer, aber man muss sie stets teuer bezahlen, so will es das Gesetz der (bisweilen künstlichen) Verknappung.
Das Phänomen der Spätlese scheint ein vornehmlich deutsches zu sein – bei den von mir bevorzugten Gewächsen aus dem Land südlich der Alpen kennt man das jedenfalls nicht.
Dort herrscht das Gesetz des Überflusses, weshalb ausgezeichnete Rotweine dort stets günstig zu bekommen sind – je weiter südlich, desto opulenter.
Dieses Bild passt formidabel zu dem Gewächs aus deutschen Landen, welches ich ich heute vorführen darf. Es kommt in vielerlei Hinsicht einer Spätlese gleich – nicht zuletzt will ich damit meinen Lesern im Nachgang zum eher konventionellen „Fund des Monats“ noch etwas Erlesenes nachreichen für den Fall, dass es Tränen der Enttäuschung gab.
Doch eigentlich verantwortlich für diese Spätlese – welche meisterhaft ausgefallen ist, das darf ich schon jetzt sagen – ist jemand anderes. So hat wieder einmal Leser und Kenner Matthias Schmidt aus Dresden einen spektakulären Jahrgang aufgetan.
Diesem sind wir zwar schon einmal begegnet, aber es handelt sich wirklich um einen raren Vertreter seiner Art.
Fünfeinhalb Jahre ist es her, dass ich hier dank der Großzügigkeit eines anderen Lesers – Raoul Rainer – dieses Prachtexemplar aus dem Leipziger Hause „Dux“ zeigen konnte:

Ich hatte den großzügigen Tourenwagen seinerzeit als Sechszylindertyp R 17/60 PS identifiziert. Sein Konterfei hat es in die 2019er Neuausgabe des Klassikers „Deutsche Autos 1920-45“ von Werner Oswald geschafft – nebenbei ein hübscher Erfolg meines Blog-Projekts.
Wenn erst mehrere Jahre später wieder ein Foto genau dieses zwischen 1923 und 1927 gebauten Modells auftaucht, dann ist das ein Indiz für die Rarität dieser „Spätlese“ – denn nach meiner Erfahrung finden sich Dokumente anderer zeitgenössischer Autos dieser Kategorie aus deutschen Landen viel öfter.
Tatsächlich muss dieser letzte Dux-Typ in sehr geringen Stückzahlen auf den Markt gekommen sein. Mit seinem starken 4,4 Liter-Sechszylindermotor war er zwar ein prächtiges Automobil, aber auch zielsicher am deutschen Markt vorbeientwickelt.
Wer in Deutschland Mitte der 1920er Jahre überhaupt einen Wagen in diesen abgehobenen Sphären erwerben konnte, der bevorzugte einen Daimler „Mercedes“. Das war nicht nur eine Frage des Prestige, sondern wohl auch eine der Präsenz der Marke in der Fläche.
Daimler war damals an vielen wichtigen Standorten in Mitteleuropa vertreten und man konnte im seltenen Fall eines plötzlich auftretenden Ersatzteilbedarfs auf Reisen davon ausgehen, dass sich das Problem lokal binnen einiger Tage lösen ließ.
Wer dagegen mit einem „Dux“ an der französischen Riviera oder im italienischen Piemont liegenblieb, der dürfte es weit schwerer gehabt haben, sachkundige Hilfe zu erhalten.
Wenn man noch dazu sagenhafte 22.000 Reichsmark auf den Tisch blättern musste, um den Wagen einer im Spätherbst ihres Daseins befindlichen Marke zu erwerben, dann kann man sich vorstellen, dass nur Enthusiasten mit Liebe zum lokalen „Terroir“ zugriffen.
Auch wenn man selbst kein Fan solcher teuren Spätlesen ist, kommt man nicht umhin, sich über das Auftauchen einer entsprechend raren Flaschenpost in Sachen „Dux“ zu freuen:
Seien wir ehrlich: An so einem Prachtstück gibt es nur dieses auszusetzen: Dass wir das Kennzeichen nicht vollständig sehen und auch sonst nichts über den Besitzer wissen, dessen Chauffeur hier für das Privatalbum posiert.
Von den Scheinwerfern abgesehen gleicht dieser Dux des Typs R 17/60 PS fast vollständig dem eingangs gezeigten Exemplar. Allerdings ist hier die spezielle Gestaltung des Kühlergehäuses weit besser zu studieren.
Das Modell lässt sich übrigens deshalb so genau benennen, weil der Hersteller nach 1924 kein anderes mehr fertigte.
1927 endete die eigenständige Existenz der Dux-Werke und Presto übernahm die Fabrik, kurz danach NAG aus Berlin. Der Sechszylinder war somit definitiv die Spätlese der Firma, sehr selten, sehr teuer – aber im Fall dieses Fotos auch von exquisiter Qualität…
Da freut sich das Herz des Kenners besonderer Gewächse und wenn noch jemand weitere erlesene Jahrgänge dieser oft übersehenen Leipziger Lage beizusteuern hat, will ich sie hier gern einer wohlwollenden, aber auch angemessen kritischen „Verkostung“ unterziehen…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.