Nachdem ich noch im letzten Blog-Eintrag einen coolen Typen präsentieren durfte, haben wir es heute mit Zeitgenossen zu tun, die ich als das genaue Gegenteil empfinde.
Diese speziellen Typen, derer wir gleich ansichtig werden, hatten an sich allen Grund, sich beim Fototermin entspannt und von ihrer besten Seite zu zeigen. Leider gelingt das keinem der fünf Herren, die einst in Idar-Oberstein vor einer speziellen Version des Ford-Typs „Rheinland“ abgelichtet wurden.
Das in der Kölner Ford-Werken von 1934-36 gebaute Modell entsprach dem in den USA seltenen Ford Model 4/40 – in den Staaten fuhren damals nur arme Schlucker mit einem Vierzylinder herum. Sechs bis acht Zylinder waren Standard, auch bei Brot- und Butter-Herstellern wie Chevrolet und Ford.
Im Deutschland der 1930er Jahren waren die Verhältnisse völlig andere. Der Durchschnittsverdiener konnte sich im besten Fall ein leichtes Motorrad leisten, Autos waren einer dünnen Schicht von Gutverdienern vorbehalten.
Der deutsche Steuerzahler wurde für Prestigeprojekte wie weitgehend autofreie Autobahnen und vor allem die Hochrüstung des Militärs gemolken, denn viele inzwischen alte doch unbelehrbare Herren hatten noch eine Rechnung mit der halben Welt offen.
Einige dieser speziellen Typen sind auf dieser Aufnahme zu besichtigen, die in Idar-Oberstein entstand:

Der spezielle Typ im Hintergrund ist schnell abgehakt – es handelt sich um die eher seltene Ausführung des Ford „Rheinland“ als sechsfenstrige Pullman-Limousine.
Vollbesetzt war der Wagen mit diesem schweren Aufbau einigermaßen untermotorisiert, aber das war egal – denn wirklich autobahntaugliche Wagen waren im damaligen Deutschland noch die Ausnahme – schön für die wenigen, für die ein Dauertempo von deutlich über 100 km/h kein Problem war, sie hatten freie Fahrt in den Süden.
Diese Herren dürften ohnehin andere Interessen gehabt haben – behaupte ich. Keinem davon hätte ich auch nur ein Fahrrad abkaufen wollen – ich empfinde sie alle als sehr unangenehm.
Das gilt sowohl für diejenigen, welche auf die Verlegenheitsgeste der hinter dem Rücken verschränkten Arme angewiesen zu sein scheinen, als auch für den vulgär mit breitbeiniger Positur und Hand in der Hosentasche posierenden, etwas jüngeren Typen.
Normalerweise haben bei mir Zeitgenossen auf Fotos aus dem nationalsozialistischen Deutschland einen gewissen Kredit, wenn ich sonst nichts über sie weiß. Doch diesen speziellen Typen, wohl alles Teilnehmer des 1. Weltkriegs – traue ich alles zu.
Irgendwo müssen sie ja gewesen sein, all die Schreibtischtäter in Beamtenstuben, Schulen und Universitäten, Kirchen und Konzernen, welche noch eine Rechnung aus dem 1. Weltkrieg offen hatten und zu deren Begleichung sie die junge Generation (oft die eigenen Kinder) ins Feuer schickte – je länger das Ganze dauerte, desto rücksichtloser.
Sie müssen meine Wertung natürlich nicht teilen, vielleicht sehen Sie ja hier nur lauter sympathische ältere Herren vor einem Ford Rheinland auf Betriebsausflug nach Idar-Oberstein. Mir behagen diese speziellen Typen indessen überhaupt nicht.
Irgendwer muss die Generation junger Männer abgerichtet haben, die meist von der Schulbank weg in die Kaserne und dann ins Feld geschickt wurden, um gegen Nachbarvölker zu kämpfen, deren junge Männer ihnen gar nichts getan hatten.
Um dieses Paradox kommt man bei der Betrachtung solcher Fotos selten herum. Sehen Sie mir den Ausflug in die Sphäre der Privat-Psychologie und -Physiognomie nach – es kommen auch wieder andere Fotos, bei deren Besprechung es unbeschwerter zugeht…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.