Mein letztes Lebenszeichen in diesem Blog ist ein paar Tage her – es stammte noch aus meinem Urlaubsdomizil im italienischen Umbrien. Übrigens habe ich im letzten Eintrag einige Fotos von dort ergänzt, welche die Einleitung anschaulicher machen.
Längst bin ich wieder im anderen Zuhause, wie ich gern sage. Die Rückfahrt gestaltete sich – sagen wir: interessant.
In Italien lief es – trotz Hochsaison – wie eigentlich immer recht glatt. Eine knappe Stunde Verzögerung ergab sich insgesamt bis zur Schweizer Grenze. Das ist in Ordnung am Wochenende vor „Ferragosto“ – der Zeit im August, in der das ganze Land in Urlaub fährt und man sich außer für Familie, Geselligkeit und tiefen Teint für sonst nichts interessiert.
Ich hatte mich um acht Uhr morgens auf den Weg gemacht und mich vom 600 Meter hoch gelegenen Collepino hinunter ins Tal begeben, wo die Superstrada der alten Trasse der römischen Via Flaminia Richtung Norden folgt.
Hier ein Eindruck von dem bereits thematisierten intensiven umbrischen Grün, welches ich dort zurückließ – vermutlich würde mir sonst keiner glauben, dass diese Aufnahme im Hochsommer anlässlich einer Radtour bei für mich angenehmen 35 Grad entstanden ist:

Rechts zieht sich der gewaltige Hang des Monte Subasio bis über 1000 Meter nach oben. Die endlosen Wälder laden den Wanderer, Radler oder auch Autofahrer zum Erkunden ein.
Römische Aquädukte, uralte Wege mit Viehtränken, verfallene Klöster, mittelalterliche Felsennester und viel pure Natur erwarten einen dort. Doch immer wieder wird man daran erinnert, dass man nicht allein ist.
Öfters raschelt es im Gras und Gebüsch, mit Schlangen, Skorpionen ist zu rechnen, auch Wildschweinen und ganz selten in entlegenen Lagen bisweilen Bären oder Wölfen.
Doch meint man in der Mittagshitze, noch die Anwesenheit anderer Lebewesen zu spüren, derer man nie ansichtig wird. In der Antike wollte es der italische Volksglaube, dass in den Wäldern auch geheimnisvolle Wesen wie die Faune hausen, denen man alle möglichen Eigenschaften andichtete.
Einer von diesen Schelmen mag sich nachts in meinen Wagen geschlichen haben, der am Ortsrand außerhalb der Festungsmauern stand – mit Blick über die bewaldete Hügel der Umgebung. Ich hatte dort nachts schon die Wildschweine in unmittelbarer Nähe gehört – wer weiß, was noch für Gelichter unterwegs war…
Ich bin jedenfalls sicher, dass ich einen Passagier ohne Papiere an Bord gehabt haben muss. Vielleicht war er bloß unternehmungslustig, vielleicht hatte er aber auch gehört, dass die Leute nördlich der Alpen grenzenlos großzügig sind und alle aushalten, die nicht arbeiten wollen.
Für einen Faun als Personifikation des stets zu fragwürdigen Späßen aufgelegten Nichtstuers mag das verlockend geklungen haben. Wie es scheint, fühlte er sich immerhin verpflichtet, unterwegs für meine Unterhaltung zu sorgen.
Leider hat er meine Leidenschaft für’s Autofahren so verstanden, dass ich möglichst lange unterwegs sein möchte. So dachte sich mein blinder Passagier zusätzlich zur tagsüber unvermeidlichen Wartezeit am Gotthardpass und den Engstellen auf der A5 hinter Basel mit zwei Spuren und notorischen Langsamfahrern (oft aus dem „grünen“ Freiburg, wie böse Zungen behaupten) kurz vor dem Ziel noch etwas Besonderes aus.
Nur eine Viertelstunde vor der kalkulierten Ankunft – ich war gerade mit 180 km/h auf der A5 nördlich von Frankfurt unterwegs – tauchten aus dem Nichts Tempolimits auf: 120, 100, 80 und plötzlich sah ich vor mir einen sich über alle vier Spuren erstreckenden Stau bis zum Horizont.
Zwar hatte es zuvor einen Baustellenhinweis gegeben, aber weder einen Stau- noch einen Umleitungshinweis. Das Verkehrsleitsystem an diesem Abschnitt der A5 habe ich seit Jahren in Verdacht, dass es von jemanden erdacht wurde, der Spaß daran hat, die Automobilisten zu gängeln, indem die Probleme herbeigeführt werden, mit denen man sich dann abplagen kann.
Im vorliegenden Fall hatte ich zusätzlich meinen blinden Passagier im Verdacht, an der Sache nicht unschuldig zu sein. So wurde hier eine der am stärksten befahrenen Autobahnen Deutschlands zur Hauptreisezeit in viel zu kurzer Zeit von vier Spuren auf eine verengt, um dort auf makelloser Grundlage irgendwelche Fahrbahnarbeiten durchzuführen.
Seien wir heute gutwillig und geben die Schuld an diesem Nonsens meinem papierlosen Trittbrettfahrer – einem aus Mittelitalien eingeschleppten Faun mit Neigung zu Scherzen. Tatsächlich fand ich bei meiner Heimkehr diesen papierlosen Beleg für meine Vermutung vor:
Sammlerkollege Matthias Schmidt aus Dresden hatte mir kürzlich dieses digitale „Fahndungsfoto“ zugesandt, das auf einen herrenlosen Faun hinwies, welcher frei in der Gegend umherstrolchte und nicht einmal versuchte, seine Identität zu verschleiern.
Schauen Sie mal auf dem Wimpel vorne neben dem Kühler – da hat er frech seine Signatur hinterlassen.
Wir sind bei soviel Ehrlichkeit diesem Faun gegenüber gleich schon viel gütiger gestimmt, denn alleine die Kühlerpartie hätte es uns sonst schwerer gemacht, seine Personalien aufzunehmen, wenn auch nicht unmöglich (siehe hier).
Treue Leser, die meine umständlichen Herleitungen stoisch ertragen oder schlicht überspringen, wissen natürlich, dass ich schon einige Tourer der deutschen Marke „Faun“ vorgestellt habe, die weit besser für ihre großartigen Nutzfahrzeuge bekannt war.
Ich habe dabei aus den Kommentaren wirklicher Kenner einiges lernen können, was sich so in der ohnehin kaum vorhanden Literatur über die PKWs von Faun nicht findet.
Demnach könnte dieser Tourer entweder ein Faun des Modells 6/24 PS mit bereits verbauten Vorderradbremsen sein, wie es ihn ab 1925 gab. Oder es war ein Exemplar des leistungsgesteigerten Nachfolgers 6/30 PS, der ab 1926 erhältlich war.
Äußerlich unterschieden sich die kurzzeitig parallel angebotenen Modelle wohl kaum. Auch antriebsseitig hatte sich nicht viel getan. Der an sich bereits formidable Motor des 6/24 PS mit obenliegender Nockenwelle (!) war aufgebohrt worden, sodass der Hubraum von 1,4 auf 1,6 Liter stieg, ohne dass die Besteuerung sich änderte.
Tja, mag man sich fragen, war das nicht ein tolles Rezept für einen echten Sportwagen zum Kurvenräubern auf der Landstraße und zur flotten Fortbewegung auf längeren Reisen? Die Daten sind ernüchternd. Soviel Aufwand für Spitzentempo 80 oder etwas mehr…
Das Gleiche bekam man beim Adler 6/25 PS und der war ein gutes Stück billiger. Erst recht der in Deutschland gefertigte Citroen B14 mit Spezifikation 6/25 PS zeigte, was damals in der Leistungsklasse für weit weniger Geld möglich war.
Aus meiner Sicht haben wir es wieder mit einem Beispiel für unzureichende Marktanalyse und verfehlte Modellpolitik wie bei fast allen deutschen Nischenherstellern zu tun.
Hinzu kam, dass der Faun auch äußerlich in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre heillos veraltet daherkam – die geteilte Frontscheibe war zwar nach dem 1. Weltkrieg eine Weile groß in Mode wie der Spitzkühler, aber nach 1925 verschwand beides.
Gerade die Gestaltung der Scheibe lässt mich vermuten, dass wir es mit einem frühen Exemplar des Faun K3 6/30 PS oder sogar mit einer späten (Vierradbrems-)-Ausführung des Faun K2 6/24 PS zu tun haben.
Von daher mag man diesen Faun ohne eindeutige Papiere als weiteren Treppenwitz der Automobilgeschichte betrachten. Doch das Interesse an der historischen Dimension und die Freude an dem schönen Foto stimmen uns letztlich milde.
Was wäre die Welt ohne solche heroischen Versuche, der reinen Vernunft zu entkommen? Vielleicht gab es in deutschen Landen einige zuviele davon, aber was soll man machen?
So ein Faun im klassischen Sinn tut, was ihm spontan in den Sinn kommt, egal wie verrückt es ist – insofern passte sogar der Name auf diese Versuche, das automobile Geschehen auf deutschen Straßen aufzumischen, auch wenn am Ende der Stillstand steht…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.