Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum hier bisweilen Blog-Einträge täglich erscheinen und dann einige Tage gar keine?
Die Antwort ist einfach: Die meisten davon entstehen binnen weniger Stunden, doch einige wenige brauchen ein ganzes Leben lang und manche zumindest ein paar hundert Kilometer.
Heute ist eine Mischung aus den beiden letzten an der Reihe. Dabei komme ich mehr noch als sonst auf Abwegen zum Thema – besser: zum Foto, welches das Thema illustriert.
Von oben gut bedacht – das klingt doch irgendwie auch ein bisserl nach „von himmlischen Mächten beschützt“, nicht wahr? Ja, das könnte ich fast meinen.
Denn seit ich mein Dasein selbst bestimme, ist mir alles geglückt, auch wenn’s das eine oder andere Mal knapp war. Lassen wir den üblichen Liebeskummer, an dessen Verarbeitung man weiterwächst.
Heute habe ich alles, was einen glücklichen Menschen ausmacht: keine materiellen Sorgen, einen fordernden, aber erfüllenden Beruf, private Verhältnisse, wie ich sie mir nicht schöner vorstellen könnte, robuste Gesundheit und: eine zweite Heimat im italienischen Umbrien.
Nun könnte ich aus alledem schließen, dass es irgendjemand außerhalb meiner Lebenssphäre besonders gut mit mir meint. Ach was! Mein Dasein ist Ergebnis von: ein Drittel Erziehung, ein Drittel Eigenleistung und ein weiteres Drittel pures Glück.
Letzteres schreibe ich gern ironisch der Göttin Fortuna zu, weil ich die pragmatischen antiken Personifizierungen der Mächte mag, die in unser Leben hineinwirken. Doch bei aller Eitelkeit fehlt mir das Selbstbewusstsein zu dem Glauben, dass ausgerechnet mein unmaßgebliches Dasein von irgendwoher wohlwollend „gut bedacht“ wird.
Wenn irgendwer „wie durch ein Wunder“ entgegen alle Wahrscheinlichkeit mit dem Leben davongekommen ist, höre ich meine Mutter spotten, dass die anderen leider Pech hatten, weil der Schutzengel gerade nicht aufgepasst hat. Sie glaubte nicht an höhere (Schutz)Mächte.
Gestern war aber so ein Moment, in dem ich dachte: hier kommt alles zusammen, hier ist alles wie von oben gut bedacht.
Ich war mit dem Auto am Morgen unterwegs in Italien Richtung Bologna. Gerade befand ich auf der Höhe von Cremona, als die Sonne die Nebel aus der Po-Ebene vertrieb. Und just in dem Moment wurde im Radio auf meinem Standardsender „RAI Musica Tutta Italiana” eine Sondersendung zu “La Tigra di Cremona“ angekündigt.
Damit ist die legendäre Sängerin Mina gemeint, die in den 1960er und 70er Jahren in Italien Furore machte, bis sie von der Bildfläche verschwand. Sie hatte diese enorm voluminöse, verrucht klingende Stimme, wie sie der naive deutsche Schlagerzirkus nie hervorbrachte.
Da gab es nun eine halbe Stunde einige ihrer Lieder (nur nicht dieses, das man „sehen“ muss…). Doch das Glück war damit noch nicht vollkommen und nun nähern wir uns dem Thema. Denn mit einem Mal merkte ich, wie üblich mit dem Strom der Einheimischen schwimmend, wie sich der Verkehr verlangsamte.
Der Grund war der: Auf der rechten Spur fuhr mit gut 100 km/h eine Reihe Cabrios mit flach auslaufender Dach- und Hecklinie. Beim Näherkommen erkannte ich, dass es sich um eine Ausfahrt von gut einem Dutzend italienischer Mercedes des Typs 190 SL handelte.
Alle hatten das Verdeck geschlossen, was dem Wagen (wie den meisten Cabrios aus meiner Sicht) ausgezeichnet steht. Ich hatte ganz vergessen, wie filigran und elegant gezeichnet dieser klassische Mercedes war, der aufregendere Motoren verdient hätte.
Aber letztlich war hier alles gut bedacht worden, niemand erwartete von diesem schicken Auto Sportwagenleistungen. Und auch von oben gut bedacht waren die Insassen, dank mit der Wagenfarbe kontrastierendem Verdeck. Darunter durchweg Paare, wobei „er“ am Steuer saß.
Ich genoss diese völlig unwahrscheinliche Zeitreise zurück in die frühen 60er begleitet von den zeitlich perfekt passenden Klängen von Mina und fuhr beglückt an der Kolonne vorbei. Ganz vorne gab es noch einmal eine Überraschung: Denn hier saß „sie“ am riesigen Lenkrad, der Kopf eingerahmt von prächtigen roten Locken – Fortuna hatte es wirklich gut gemeint…
Dieses beflügelnde Erlebnis klang noch lange in mir nach. Ich war allein im Wagen und hatte noch über vier Stunden bis ans Ziel zu fahren. Während ich das Gesehene und das dabei Empfundene Revue passieren ließ, ergab sich das Thema wie von selbst und auch dieser Text entstand entgegen meiner Gewohnheit in weiten Teilen bereits in meinem Kopf.
Mir kam bald auch ein passendes Foto in den Sinn, das mich schon lange Zeit bewegt, weil auf ihm Glück und Elend auf unauflösbare Weise nebeneinander festgehalten sind – obwohl doch scheinbar alles „von oben gut bedacht“ scheint:

Hier haben wir den wohl schönsten deutschen Kleinwagen der späten 1930er Jahre – das im Horch-Werk aufwendig gebaute Luxus-Cabriolet auf Basis des Zweitakt-Fronttrieblers F7.
Die schiere Qualität und die Eleganz von Form und Farbgebung standen zwar in Kontrast mit der moderaten Leistung – soweit ich weiß, waren diese teuren und raren Modelle mit Standardmotoren ausgestattet. Doch vielleicht war ja das gerade das Geheimnis – Sonderwege waren und sind offenbar eine Spezialität der Deutschen.
Und nun schauen Sie, was von diesem Gefährt übriggeblieben ist – ein schwer gezeichneter Gebrauchtwagen in einer städtischen Trümmerumgebung kurz nach dem 2. Weltkrieg.
Die Frauen im Hintergrund hatten damals anderes im Kopf als Autos, teils schauen sie nach vorn, teils drehen sie halbherzig den Kopf in Richtung Kamera.
Der kriegsversehrte DKW muss aber jemanden am Herzen gelegen haben, der sich noch Benzin und Öl leisten konnte. Denn wenn ich mich nicht irre, wurde der Wagen „neu bedacht“. Jedenfalls sieht das Verdeck neu aus, allerdings fehlt die seitliche Sturmstange.
Wir haben es hier mit der viersitzigen Ausführung zu tun, die neben dem Zweisitzer verfügbar war, den wir hier sehen:
Ich bin nicht ganz sicher, ob es sich hier ebenfalls um eine frühe Nachkriegsaufnahme handelt – doch in jedem Fall scheint hier noch alles gut bedacht zu sein, jedenfalls was das DKW-Verdeck angeht. So ein Front-Luxus Cabrio hatte schon etwas, oder?
Aber werfen Sie noch einmal einen Blick auf den Fahrer auf dem ersten Foto mit dem DKW als „neu bedachtes“ 4-Sitzer-Cabriolet. Sieht so ein glücklicher Mensch aus?
Zwar hatte er das rein materielle Privileg, sich einen kriegsversehrten Wagen leisten und sogar in ein neues Verdeck investieren zu können.
Doch mit den Frauen im Hintergrund und den meisten Landsleuten teilte er das Unglück in einem zerstörten, verarmten und besetzten Land zu leben, das durch industriellen Massenmord an eigenen Bürgern und denen in eroberter Staaten das gepflegte Selbstbild als herausragende Kulturnation quasi selbst ausgelöscht hatte.
Und das alles zusammen mit den katastrophalen Folgen auch für die Deutschen selbst soll „von oben gut bedacht“ gewesen sein? Nein, es reichte nach 1945 allenfalls für ein neues Verdeck – und jeder war auf sich selbst zurückgeworfen, was gut bedacht sein wollte….
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Das nehme ich genauso wahr. In „meiner“ Branche wird nur noch von „Q4“ für das vierte Quartal und „in zwanzig-vierundzwanzig“ für „im Jahr zweitausendvierundzwanzig“ fabuliert. Der billigen Aufgabe des Eigenen kann man aber in seinem Wirkungskreis durchaus entgegenarbeiten…
Ja, Herr Schlenger, man muss sich ab und an etwas trainieren, auch semantisch, sonst hält man es nicht mehr aus in diesem Dummdeutsch- Land, das sich zunehmend in aus dem Amerikanischen (rück-) übersetzten Trivialsprech gefällt!
Großartig, Herr Weigold, was Sie hier ergänzend und korrigierend beizusteuern wissen (habe aktuell keinen Zugriff auf eine DKW-Literatur). Ihr scharfes Auge und Ihre fundierte Sachkenntnis schätze ich ebenso wie ihre flotte Feder!
Während unser Blog- Wart wiedermal Europa auf Siebenmeilen- Stiefeln durchmisst (wenn das mal keine Fußabdrücke hinterlässt!) schauen wir uns die beiden hier gegenübergestellten schönen DKW Front Luxus- Kabriolets vom Typ F7 einmal genauer an:
Auf der ersten Aufnahme sind die Seitenfenster nach hinten stark gerundet und korrespondieren mit dem stark abgeflacht auslaufenden Verdeck, was ergänzt vom abgerundeten Heck und den plötzlich nicht mehr nötigen Sturmstangen für die „Aussenverspannung“ des Verdeckgestells eine äußerst elegante Linie ergibt.
Im geräumigen Fond gibt es Platz für eine Not- oder Kindersitzbank – oder viel Gepäck! Dafür ist mangels einer der Kalkulation zum Opfer gefallenen Heckklappe der hinter dem Federtunnel gelegene eigentliche Kofferraum
so gut wie unzugänglich….
Die bisher zur Verdeckstabilisierung nötigen Sturmstangen wurden erstmals
bei einer DKW- Karosse durch die von Gläser übernommene „Innenverspannung“ ersetzt.
Nach Liefer- und Qualitätsproblemen mit den bisherigen (kleineren) Karosserie- Lieferanten bekam mit dem 37/38er F7- Modell die Karosseriefabrik Baur in Stuttgart den Auftrag für die Front Luxus 4- Viersitzer- Karossen und die wesentlich seltneren 2- Sitzer, wie ihn das erste Bild zeigt. Diese Karossen
wurden dann unverändert für den neuen F 8 weiter verwendet.
Aber – was zeigt dann das zweite Foto mit dem etwas steil aufragenden Verdeck- Aufbau und den falsch herum montierten Sturmstangen?
Da ist sie ja auch noch, die Kofferklappe im Heck, wahlweise auch mit Notsitz (oder Freisitz?)!
Wir haben hier einen der wenigen F7- Front Luxus 2- Sitzer der ersten Serie, die karossiert wurden von der Karosseriefabrik Paul Wachsmuth in Chemnitz, die aber In finanziellen Nöten steckte und dann auch pleite ging. Diese Karosserie orientierte sich noch deutlich an dem von Horch entworfenen (und mehrheitlich auch gebauten) Urtyp der Front Luxus
2- Sitzer auf dem (erstmals ausreichend stabilen) Zentralkastenrahmen vom Typ F5. Soweit ichs jetzt noch auswendig weiß wurde ein gewisser Teil der F5 Luxus- Karossen auch bei Hornig in Meerane gefertigt, ebenso auch die Mehrzahl der F5- Roadster.
Diese – und nur diese – wurden nach offizieller AU- Geschichtsschreibung mit beim Prüflauf „ausgesuchten“ Motoren, d.h. in der (damals noch wegen der Ungenauigkeiten bein Gruß der Zyl.- Blöcke) erheblichen Leistungsstreuung Spitzenwerte erziehenden Motoren bestückt.
Bereits die 4- Sitzer Luxuskarossen auf F5- Rahmen waren jedoch nach Stuttgart vergeben worden.
HORCH konnte ja viel aber nun wirklich nicht alles selbst bauen, zumal Kapazitäten ab Mitte der Dreißiger Jahre für die stark zunehmenden Stückzahlen der feinen eigenen Karossen gebraucht wurden….
Ja die DKW-Holzkarossen, welche die Arme nicht wollte, haben das morsche Holz zusammengerafft und eisern durchgehalten. die keinen Zweitakter wurden mit jedem brennbaren Mist gefüttert, auch das haben die Autos überlebt. Nach dem Kreige, als die IFA-Fertigung in die Gänge kam, wurden auch die alten DKW mit IFA-Teilen wieder aufgepäppelt, weshalb man heutzutage fast nur noch „vermischtes“ findet, immer einen Spezialisten zum Kauf mitnemen !!