Sind Sie bereit für die nächste kleine Eiszeit? Moment, werden Sie jetzt sagen, soll es nicht wärmer werden in unseren Gefilden? Nun, das soll es nach Ansicht von „Experten“, und ich würde es durchaus begrüßen.
So ein ganzjährig mildes Klima wie es zur Römerzeit in meiner Gegend – der hessischen Wetterau – archäobotanisch nachgewiesen ist, das hätte was.
Als notorischer Skeptiker, was Prognosen angeht, vor allem dann, wenn damit einige Leute viel Geld verdienen können, denke ich jedoch gern antizyklisch und setze mich stattdessen mit dem Szenario einer spürbaren, wenn auch vorübergehenden Abkühlung auseinander.
So erstreckt sich diese kleine Eiszeit nicht auf einen so langen Zeitraum wie die letzte, welche ihren Höhepunkt in Europa irgendwann im 19. Jh. erreichte. Wann genau sie einsetzte und was die genauen Ursachen waren, ist Gegenstand reiner Mutmaßungen – ein Grund mehr, einschlägige Vorhersagen „der Wissenschaft“ gelassen zu nehmen.
Halten wir uns also an Zeiträume, die wir realistischerweise überblicken können. Dieser Gedanke kam mir heute, und das ging so: Da die bessere Hälfte geschäftlich unterwegs ist und ich alleine die Küche kalt lasse, begab ich mich auf die Suche nach essbaren Resten.
Ein willkommener Fund in dieser Hinsicht gelang mir im Kühlfach, dort war doch tatsächlich noch eine angebrochene Packung Eis aus dem eher moderaten Sommer übriggeblieben.
So gönnte ich mir zum Nachmittagskaffee meine private kleine Eiszeit und dabei kam mir die Idee des heutigen Blogeintrags. Ich wusste, dass ich über etliche unveröffentlichte Fotos mit Vorkriegswagen verfüge, die das Thema auf vier Rädern in Eis und Schnee illustrieren.
Doch welches auswählen? Nach kurzem Überlegen hatte ich den idealen Kandidaten – oder gleich zwei, um genau zu sein:

Diese beiden gut aufgelegten Herren scheinen für die Eiszeit in der Hinsicht gut gerüstet gewesen zu sein. Lange schwere Mäntel waren anzuraten, denn Automobile besaßen zur Zeit dieser Aufnahme – etwa Mitte der 1920er Jahre – noch keine standardmäßige Heizung.
Das mag überraschen, haben wir es hier doch immerhin mit zwei recht ordentlichen Sechszylindermodellen amerikanischer Provenienz zu tun.
Doch darf man nicht vergessen, dass die damalige Automobilisten-Generation noch zu einer Zeit großgeworden war, als das Hauptfortbewegungsmittel der breiten Masse das Pferdefuhrwerk darstellte, sofern man nicht zu Fuß unterwegs war – bei Wind und Wetter.
Von daher kann man sich vorstellen, dass das Bedürfnis, draußen jederzeit Wohnzimmerwärme zu genießen, auch dann noch nicht sehr ausgeprägt war, als man an sich an das Auto als Fortbewegungsmittel gewöhnte. Heizungen als Zubehör gab es freilich.
Nun wollen Sie aber sicher erfahren, woher ich so genau über die Motorisierung und das Baujahr dieser beiden sich stark ähnelnden Tourenwagen Bescheid weiß. Nun, dazu ist wie immer ein näherer Blick auf die Kühlerpartie angezeigt:
Dass wir hier ein US-Fabrikat vor uns haben, darauf deuten neben den Doppelstoßstangen vor allem die vor der Frontscheibe platzierten Parkleuchten hin. Letzteres Detail findet sich bei europäischen Automobilen nach dem 1. Weltrkrieg eher selten.
Vor allem aber gibt das Kühleremblem Aufschluss – worauf ich allerdings nichts selbst gekommen bin – denn darauf wäre „Flint“ zu lesen, wenn man außer dem „F“ irgendetwas erkennen könnte. Mehr zum Emblem übrigens hier.
Nun könnte wenig so gut zum Thema Eiszeit passen wie der Name dieser nördlich von Detroit gelegenen US-Industriestadt – der von unseren eiszeitlichen Vorfahren für Werkzeugzwecke verwendete Feuerstein heißt im Englischen „flintstone“.
Aber das ist natürlich nur ein willkommener Zufall. Denn die 1923 vom Auto-Tausendsassa William Durant ins Leben gerufene Marke Flint war schlicht nach dem Ort des neuen Werks von Durant in der gleichnamigen Stadt benannt.
Das war so einfallsreich wie die Namensgebung der deutschen Gaggenau-Wagen, allerdings braucht ein gutes Produkt keinen zugkräftigen Namen – man denke nur an Autoklassiker wie 2CV, Cinquecento, E-Type und 911er, die sogar ohne Firmenbezeichnung Kultstatus erlangten.
Auf die komplizierte Vorgeschichte der Flint-Wagen will ich nicht näher eingehen, sie ist in etwa so verwickelt wie die Karriere ihres Schöpfers William Durant. Dieser hatte den Prototypen – aber nicht dessen zu Chrysler gegangene Entwickler-Crew – zusammen mit der Fabrik von Willys erworben und überarbeiten lassen.
Das Ergebnis war ein mit über 60 PS großzügig motorisierter und doch preigünstiger Mittelklassewagen, der 1923 präsentiert wurde. Er bekam im Jahr darauf einen kleinen Bruder mit 49 PS zur Seite gestellt, auch dieser war ein Sechszylinder.
1926 gab es dann ein 40 leistendes Einsteigermodell, ebenfalls mit 6 Zylindern. Doch der Versuch der Expansion in mehrere Marktsegmente scheiterte an der jeweils wesentlich stärkeren Konkurrenz.
So entstanden bis Produktionsende 1927 nur etwa 40.000 Flint-Automobile – unterhalb der Oberklasse viel zu wenig, um im hochentwickelten und von schärfstem Wettbewerb geprägten US-Markt konkurrenzfähig zu sein.
Umso erfreulicher ist es, dass mein Foto gleich zwei dieser Fahrzeuge zeigt, das rechte war eventuell ein etwas kleineres Modell:
Hier ist die Identität als „Flint“ nur anhand des rechteckigen Schilds in der Mitte der Stoßstange erschließbar, welches das Markenemblem auf dem Kühler spiegelte.
Die Eiszeit scheint hier bereits so weit fortgeschritten, dass der Wagen bereits teilweise mit dem gefrorenen Nass überzogen ist – doch an der Eignung des Flint für diese Verhältnisse muss man nicht zweifeln. Das Foto selbst ist der schönste Beweis dafür.
Natürlich fuhr man mit diesen Wagen ganzjährig und dabei dürften sich die schmalen Reifen in brauchbarer Traktion niedergeschlagen haben, denn diese bieten bekanntlich eine höhere Reibung pro Aufstandsfläche als breite Walzen, die nach meiner Erfahrung bei Glätte selbst mit Winterprofil schlüpfrig sein können.
Einen etwaigen Mangel an Profil glich man gegebenfalls durch Schneeketten an den HInterrädern aus, alles übrige musste der Fahrer durch über etliche Winter akkumulierte Kompetenz ausgleichen.
Und da wären wir wieder beim Szenario einer kleinen Eiszeit. Denn wenn uns wieder einmal ein „richtiger“ Winter blüht, mit Eis und Schnee über Wochen, dann wird das für manchen schon bei Trockenheit überforderten Zeitgenossen im Automobil zur Katastrophe.
Ich höre schon die Panikmeldungen im Radio: „Vermeiden Sie alle unnötigen Fahrten, gehen Sie nicht in den Wald, warten Sie die offiziellen Anweisungen ab“ usw.
Wer einen robusten Vorkriegskassiker sein eigen nennt, nutzt dann die leeren Straßen und zelebriert genüsslich seine ganz private Eiszeit, wie vor wenigen Jahren dieser Leser meines Blogs im Opel Super 6…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog
Schätze ebenfalls, dass die Kennzeichen einfach völlig verdreckt sind.
Kann es sein, dass die Kennzeichen so verdreckt sind, dass man nichts mehr lesen kann? Beide Wagen sind von vorne sehr verspritzt. Und die Kennzeichen sind ja nur gemalt, nicht geprägt. So muss das Foto nicht auf der Überführungsfahrt entstanden sein.
Interessante Beobachtungen, danke!
Èigentlich hatte ich hier heute nichts beizutragen, aber heute Nacht die Erleuchtung über die Funktion der merkwürdigen fernbedienten Morsescheinwerfer des rechten Wagens:
Offensichtlich handelt es sich um eine vorsintflutliche (oder steinzeitliche?) Vorrichtung zur Abblendung der Scheinwerfer, im ganz geschlossenen Zustand wie hier bildeten die Blechlamellen einen wirkungsvollen Steinschlagschutz!
Sollte die aufgenommene Szene
In Deutschland „spielen“ müsste es sich um die Überführungsfahrt zweier Neuwagen vor der regulären
Zulassung handeln, denn hierzulande gehörten die Nummerntafeln zum Lieferumfang. Das Pol. Kennzeichen wurde nach Zuteilung vom örtlichen autorisierten Schildermaler aufgetragen und polizeilich abgestempelt.
Die genauen maßlichen Vorschriften mußte ich für den Auftrag lernen, alle Vorkriegs- Exponate des neuen Museum Mobile bei Audi in Ingolstadt zu naturgetreu zu erstellen ….
Das ist ja großartig, danke! Dann lag ich ja mit meiner Eiszeit-Referenz richtig. Auf das Flint-Emblem auf Deiner Website verlinke ich natürlich gern. Mein Foto wurde wahrscheinlich in Deutschland aufgenommen, sodass die beiden Wagen wohl über den genannten Importeur ins Land kamen…
Hallo Michael,
das FLINT Automobil wurde nicht nur in der Stadt Flint gebaut, was den namen zwangslos erklärt. Die Firma nahm auch ausdrücklich Bezug auf den „Flintstone“ in dem das Kühleremblem links und rechts in der ersten Serie, also von 1923 bis 1925 einen grob behauenen Flintstein zeigt. In der nächsten Serie ab 1926 wurde dieser Flintstein zu einem spitzen Dreieck, wohl weil die Bezugnahme auf eine Steinzeittechnik als nicht mehr werbewirksam eingeschätzt wurde. Die Evolution des FLINT Emblems zeige ich auf meiner Webseite: http://www.radiatoremblems.com
Übrigens hat FLINT auch nach Deutschland über die Importeure Bouvy & Bussmann in Hamburg exportiert wie ein mir vorliegendes Prospekt belegt.
Und nicht nur FLINT in den USA und GAGGENAU in Deutschland haben als Markennamen die Herkunftsstadt gewählt, sonder zB auch Der Dessauer in Deutschland, Nesselsdorfer in Mähren, Steyr in Österreich und Bern(a) in der Schweiz.
Mit den besten Grüßen aus Bärlin
Claus
Der Opel wurde tatsächlich im Schnee ausgefahren, wenn auch mit der gebotenen Vorsicht. Bei trockenem Neuschnee sieht das dann so aus, bei nassem Schnee und nach längerer Fahrt stellt sich natürlich die beschriebene Sauerei ein.
Den Opel hat man wohl grade für ein Foto aus der Garage rausgeschoben – im SCHNEE gefahren ist der ganz sicher nicht. Ein Opel mit „wohl konservierter Patina“, d.h. ein Blender.
Ich habe mich früher auch mit dem Mercedes 170 in Winter rausgetraut – keine Heizung, dafür offene Fenster. Die Ecke hintere Tür – hinterer Kotflügel hat es immer erbarmungslos zugesaut, daß die Damen beim Ein- und Aussteigen die Röcke raffen mussten.
Nein, ein auf schneebedeckten Straßen gefahrenes Auto sieht anders aus.