Das Ende der Geschichte? BMW 326 Limousine

Auf der Liste der dümmsten Bücher aller Zeiten rangiert für mich eines weit oben – „Das Ende der Geschichte„, veröffentlicht 1992 von einem US-Professor namens Francis Fukuyama.

Unter dem Eindruck des Untergangs der Sowjetunion und der Auflösung des Ostblocks mit Einparteienherrschaft und Planwirtschaft gelangte der Autor zu der These, dass nun der Weg frei sei zum globalen und finalen Siegeszug von Demokratie und liberalen Gesellschaften.

In Anlehnung an einen anderen von zuviel Schreibtischaufenthalt geschädigten Autoren – einen arbeitsscheuen Schnorrer namens Karl Marx – meinte Fukuyama, dass die menschliche Gesellschaft gesetzmäßig einem Endzustand zustrebe, der nun absehbar sein.

Diese Behauptung verdient nicht einmal die Bezeichnung als These – denn einer solchen liegen empirische Beobachtungen zugrunde, die damit vereinbar sind. Dabei hätte Fukuyama sich nur an sein erstes Studienfach erinnern müssen, klassische Altertumswissenschaften.

Sofern er nicht die einschlägigen Vorlesungen geschwänzt hat, hätte er sich erinnern müssen, dass es schon in der griechischen Antike demokratische Experimente gab, die selbst das moderne Schweizer Modell mühelos in den Schatten stellten.

Die Denker Griechenlands kannten bereits alle bis heute praktizierten Staatsformen und hatten deren Vor- und Nachteile erörtert. Auch das Konzept der Checks & Balances zur Begrenzung von Macht hatte man vorgedacht.

In Athen war man auf dieser Basis so weit gegangen, dass das Volk unliebsame Politiker via Scherbengericht aus dem Verkehr ziehen konnte – nach Ansicht mancher eine charmante Idee.

Man hatte auch berücksichtigt, dass es dem Entstehen ein Eigenleben entwickelnder Strukturen wie Parteien und politischer Seilschaften vorzubauen galt. Dazu vergab man zeitweilig öffentliche Ämter an unbescholtene Bürger, die per Los bestimmt wurden.

Doch selbst die ausgefuchsten Demokratien im antiken Griechenland, von denen es so viele Spielarten gab wie heute, wichen früher oder später autoritäreren Staatsformen.

In unseren Tagen wird das angebliche „Ende der Geschichte“ durch bemerkenswert stabile Autokratien wie in China in Frage gestellt. Gleichzeitig wirft die Entstehung einer von niemandem im Volk so bestellten Technokratenherrschaft in der Europäischen Union Fragen nach der Nachhaltigkeit demokratischer Strukturen auf.

Da dies arg ernüchternd klingt, will ich nun zum eigentlichen Thema kommen und mich der These vom „Ende der Geschichte“ anhand eines anderen Anschauungsobjekts widmen.

Die Rede ist vom BMW 326 – einem 1936 eingeführten Sechszylindermodell, das ich schon einmal anhand einiger Fotos besprochen hatte – einige Leser erinnern sich vielleicht an diese Aufnahme der Ausführung als Limousine:

BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit diesem geräumigen und gutaussehenden Modell war BMW nach wenigen Jahren endgültig in der gehobenen Mittelklasse angekommen.

Trotz der äußeren Ähnlichkeit fehlten dem 326 aber die sportlichen Attribute des legendären BMW 327 bzw. 328, der ab 1937 mit seinem 80 PS-Motor international Furore machte.

Der BMW 326 war eher als Konkurrent zum Fiat 1500 zu betrachten, der allerdings dieselben Fahrleistungen aus einem deutlich kompakteren und ebenfalls kopfgesteuerten Sechszylinder schöpfte. Wie der Fiat war der BMW als komfortabler Reisewagen ausgelegt.

Hier haben wir ein Exemplar mit der markanten Doppelstoßstange und der geteilten Frontscheibe mit Zulassung im südhessischen Heppenheim:

BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Worüber mag die junge Frau wohl sinniert haben, die neben dem BMW aufgenommen wurde – vielleicht darüber, wie „die Geschichte“ wohl weitergeht?

Wie es nun weitergeht, diese Frage konnte allerdings auch ganz konkret auf das Auto bezogene Züge annehmen – nämlich dann, wenn ein BMW 326 streikte, was eigentlich nicht geschehen sollte, zumal es sich um ein beinahe neues Automobil handelte.

Doch im Fall dieses im Raum Berlin zugelassenen Exemplars bereitet irgendetwas unter der Motorhaube dem Fahrer erkennbar Kopfzerbrechen:

BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Vermutlich war dieser Moment noch nicht das Ende der Geschichte – denn bei den damaligen Autos ließen sich Probleme meist schnell lokalisieren und beheben.

Wie die Geschichte für die meisten BMWs des Typs 326 kurze Zeit später weiterging, das ist indessen klar. Denn sofern die Besitzer keine unabweisbaren Gründe vorweisen konnten, mussten sie ihre Wagen ab Kriegsbeginn 1939 an das Militär abliefern.

Für die Illustration des weiteren Fortgangs hätte ich gern auf ein Foto zurückgegriffen, welches wiederum eine Limousine des BMW 326 zeigt. Dummerweise finden sich in meinem Bestand nur Aufnahmen von Cabriolet-Ausführungen, welche beim Militär zum Einsatz kamen.

Eine Aufnahme immerhin zeigt eine solche Version in geschlossenem Zustand, und zur Dokumentation soll dieses Exemplar genügen, mit dem sich ein Gefreiter der Luftwaffe hat ablichten lassen:

BMW 326 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man kann hier gut erkennen, was den eingezogene Zivilwagen bei der Truppe blühte. Der hochglänzende Lack wich einer matteren Ausführung und die Chromteile bekamen meist ebenfalls eine Farbschicht verpasst, die aber im Einsatz bald wieder abblätterte.

So sorgt hier die hintere Radkappe fast schon wieder für eine glänzende Erscheinung, auch wenn der Wagen ansonsten bereits einige Spuren der Nutzung erkennen lässt. Welches Ende die Geschichte für viele beim deutschen Militär eingesetzten Zivil-PKW nahm, muss man nicht eigens ausführen.

Dank der für BMW-Verhältnisse recht hohen Stückzahlen des 326 (knapp 16.000) blieben bei Kriegsende aber noch etliche Exemplare übrig.

Außerdem hatten manche private Nutzer wie zum Beispiel Ärzte ihre Wagen über den Krieg retten können. So war die bedingungslose Kapitulation im Mai 1945 – die „Stunde Null“ oder auch „Der Zusammenbruch“ wider Erwarten doch nicht das Ende der Geschichte.

Das galt sowohl für Deutschland – trotz der riesigen Gebietsverluste, zerbombten Städte und dauerhaften Besetzung – als auch für die wackeren BMWs des Typs 326.

Dokumentieren möchte ich dies anhand einer weiteren Limousine. welche irgendwo Ende der 1940er oder Anfang der 1950er Jahre fotografiert wurde:

BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Doppelstoßstangen sind irgendwann verlorengegangen, ebenso die Radkappen. Daher vermute ich, dass es sich um ein zuvor vom Militär genutztes Fahrzeug handelte, das bei Kriegsende herrenlos war und irgendwann neue Papiere und Besitzer erhielt.

Was im Mai 1945 in weiten Teilen Deutschlands wie das Ende der Geschichte erschienen haben mag, stellte sich ab Gründung der Bundesrepublik und dank der konsequenten marktwirtschaftlichen Reformen, die Deutschland den entscheidenden Startvorteil gegenüber den Nachbarn gaben, letztlich als erfolgreicher Neuanfang heraus.

Heute stehen wir,. so scheint es, an einem erneuten Wendepunkt der Geschichte: Von den einstigen Erfolgsfaktoren der Bundesrepublik ist fast nichts mehr übrig und die Krisensymptome sind allerorten unübersehbar.

Nur eines ist gewiss: „Das Ende der Geschichte“ gibt es nicht. Immer entsteht wieder etwas Neues, das möglicherweise wenig gemein hat mit dem Bisherigen.

Über welche Zeiträume und wie sich das auswirkt, ist ungewiss. Die Geschichte lehrt uns, dass Phasen des Niedergangs lange anhalten können. In manchen Fällen steht am Ende die Bedeutungslosigkeit wie etwa in Griechenland, wo einst alles seinen Anfang nahm…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog

4 Gedanken zu „Das Ende der Geschichte? BMW 326 Limousine

  1. Großartig, dass diese Zahlen noch vorhanden sind. Offenbar wurde das Cabriolet weit öfter fotografiert, a als es seinem Anteil an der Produktion entsprach. Kann es sein, dass die Limousinen vor allem in den Export gingen – eventuell nach Skandinavien?

  2. Ohne schulmeisterlich zu sein, aber anhand von Zahlen, die für den Typ BMW 326 tatsächlich vorhanden sind, wurde doch mehr Limousinen gebaut als alle Kabriolett zussammen.
    offiziellen Fertigungszahlen für BMW 326 in Eisenach von 1936 – 1940:
    Limousinen: 10.052 = 63,6 %
    Kabriolett 2 türig: 4.046 = 25,5 %
    Kabriolett 4 türig: 1.092 = 6,9 %
    zzgl:
    Fahrgestelle: 641 = 4,0 %

    Leider sind bei uns nur die Zahlen für BMW so detailliert nachzuvollziehen.

  3. Ein interessanter Befund, Herr Doht! Habe noch einmal meinen Fundus durchgesehen – Wehrmachts-PKW dieses Typs ebenfalls durchweg offen. Da es sich das deutsche Militär zu keinem Zeitpunkt des Kriegs leisten konnte, wählerisch zu sein, und alles nahm, was man kriegen konnte, schätze ich, dass schlicht der weit überwiegende Teil der BMW 326 offene Aufbauten hatte und dass Cabriolets bei der Truppe besonders gern fotografiert wurden, zumindest so lange man noch Zeit (und Filmmaterial) für solche Ablenkungen hatte…

  4. Lieber Herr Schlenger, erst durch diesen Beitrag ist mir bewusst geworden, dass weder ich privat, noch wir im Museumsarchiv ein Foto einer militärisch genutzten 326er Limousine aus dem 2.Weltkrieg haben. Offensichtlich war die Wehrmacht vorrangig an offenen Wagen interessiert. Das erklärt vielleicht auch, dass es heute noch weit mehr BMW 326 Limousinen gibt als von der Kabriolettvariante, auch wenn an den großen 326 Limousinen heute kaum noch jemand Interesse hat, weil sich eine Restauration hinsichtlich finanziellen Aufwand des Marktwertes leider nicht mehr lohnt. Schade, denn der 326er war der meistproduzierte BMW aus Eisenach.
    Übrigens, das 2. Foto mit der sitzenden Dame ist eindeutig auf der Wartburgauffahrt in Eisenach aufgenommen.

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