Kurze Tage, grauer Himmel, Regen ohne Ende – nichts als schlechte Nachrichten im alten Europa. Was soll man da tun, um nicht in Depression zu verfallen?
Nun, als Erstes empfehle ich eine therapeutische Katzupunktur. Die geht so: Man legt sich am Sonntagnachmittag bäuchlings aufs Bett und wartet bis die Gefährtin zu einem kommt – die verführerisch Schauende mit dem Seidenpelz und den vier schlanken Beinen.
Meine heißt Ellie und weiß genau, was in solchen Fällen zu tun ist. Sie klettert auf mich und beginnt, ausgiebig auf dem Rücken herumzutreteln. Durch’s T-Shirt spürt man die Wärme ihrer Pfoten, aber auch die nur halbeingezogenen Krallen.
Das geht eine ganze Weile so – kein Nerv bleibt hier ohne punktgenaue Ansprache. Manchmal wandert Ellie dabei bis zum Nacken hoch, doch meist klettert sie nach getaner Arbeit herunter, legt sich neben mich und schläft ein.
Wer dann immer noch therapiebedürftig ist, dem ist kaum zu helfen. Im Fernsehen politisch korrekt verklemmter Quark oder Kitsch von annodazumal. Das entnehme ich Kommentaren Dritter, denn ich selbst ignoriere dieses Medium seit über 30 Jahren.
Also bleibt nur dieser Blog, der heute die Titel deutscher Heimatfilme der Nachkriegszeit persifliert. Während in Frankreich und Italien Streifen auf höchstem Niveau auch am Massenmarkt reüssierten, produzierte die deutsche Filmbranche damals kaum etwas, was internationalen Standards gerecht wurde.
„Klassentreff beim Glocknerwirt“ – das erinnert an geschmacksbefreite Produktionen, die vor Alpenkulisse spielten und das Spießerideal der heilen Welt bedienten, während andernorts Kunstfilme die wahren Befindlichkeiten einer zerrütteten Kriegsgeneration ansprachen.
Kein Wunder, dass verkannte Größen wie Romy Schneider erst in Frankreich ihr Können entfalten konnten. Nicht unerwähnt bleiben darf auch Helmut Berger, der außerhalb des deutschen Sprachraums zur Meisterschaft aufstieg.
Aber verflixt – die beiden stammten ja aus Österreich! Wer aus Deutschland hatte diese Klasse und diesen internationalen Erfolg damals? Vorschläge gern per Kommentar, denn heute geht es um so ein „Klasse(n)-Treffen“ mit Teilnehmern aus beiden Ländern.
Beim Glocknerwirt also trafen sich kurz vor dem 2. Weltkrieg diese beiden Vertreter verschiedener Klassen – aber jeweils Primus in ihrer Klasse, meine ich. Und das sah so aus:
BMW 326 und Steyr 50 „Baby“ in Heiligenblut; originale Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger
Na, wird einem hier nicht ganz warm ums Herz? Sonne satt vor einer alpinen Kulisse, die bis heute kaum verändert ist. Auch das Traditionshaus „Glocknerwirt“ gibt es noch.
Bloß die beiden Wagen, die rechts gegenüber geparkt waren, sind längst Geschichte. Dabei waren das einst ideale Vertreter ihrer Klasse – beide habe ich erst vor kurzem gewürdigt.
Vorne haben wir den BMW 326 – eine komfortable Reiselimousine mit drehfreudigem 2-Liter-Sechszylinder (50 PS) und dem typischen BMW-Gesicht mit Doppelniere, das am deutschen Markt einzigartig war.
Hier hatte ich diesen bis heute ikonischen BMW anhand mehrerer Exemplare vorgestellt – daher will ich das von 1936 bis 1941 gebaute Modell heute nicht vertieft betrachten.
Interessanter ist bei diesem Klasse(n)treffen ohnehin der Vertreter der Kleinstwagenkategorie im Hintergrund – der Steyr 50 mit Spitznamen „Baby“:
Das „Baby“ aus dem österreichischen Hause Steyr war ebenfalls vor kurzem Gegenstand einer (erstmaligen) Betrachtung (hier).
Heute sehen Sie dieses kleine Meisterwerk endlich von der Seite. Keinem deutschen Hersteller gelang in den späten 1930er Jahren ein dermaßen überzeugender und am Markt erfolgreicher Wurf in der Kleinstwagenklasse.
„Small is beautiful“ – was für Österreich als aus der Katastrophe des 1. Weltkriegs geborenes Gesamtkunstwerk gilt, lässt sich auch für den ultrakompakten und dennoch familientauglichen Steyr 50 sagen.
In der Seitenansicht wird einem klar, warum es damals Firmen gab, welche die Nachrüstung eines hinteren Seitenfensters anboten – dessen Fehlen wohl der einzige Makel dieses ansonsten hervorragenden Entwurfs war.
Auch wenn es etwas abseitig erscheint, muss ich Ihnen abschließend noch ein weiteres Dokument aus der Kategorie „Klasse(n)treffen“ zumuten. „Leider“ wieder beschränkt auf Protagonisten aus Österreich, aber herrje, der Glocknerwirt befindet sich ja auch dort und Deutsche spielen dort von jeher nur eine Nebenrolle.
Kennen Sie die unsäglichen deutschen Sissi-Filme mit der erwähnten Romy Schneider? Aber kennen Sie auch die thematisch verwandte italienische Produktion „Ludwig II.“ von 1973 mit ihr und dem erwähnten Landsmann Helmut Berger?
Das, was die beiden dort abliefern, ist eine Klasse für sich – kein deutscher Historienschinken erreichte dieses unerhört doppelbödige Niveau.
Gut gefällt mir bereits die vor Spannung knisternde Begrüßung zwischen dem Bayernkönig Ludwig und Sissis Schwester Sophie (0:22 bis 0:28). Aber auch das süffisante „Nun, Cousin…“ ab 1:29 ist großartig. Sehen und genießen Sie einfach diese dem historischen Personal entsprechend bizarre Meisterschaft…
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Der Blogwart steht womöglich bei einigen Mitlesern dieses automobilen Online-Tagebuchs im Ruf, einen elitären Musikgeschmack zu haben, mit dem er gern hausieren geht.
Das stimmt, ist aber nur die eine Seite der Medaille. Nachdem er in der Werkstatt auf der Leiter turnend seine Malerarbeiten von amerikanischem Blues der 40er und 50er Jahre begleiten ließ – nebenbei eine endlos reizvolle Variation über das Thema des “ Verlassenwerdens und Verlassenwordenseins“ – läuft nun am Abend Beethovens letzte Klaviersonate Nr. 32.
Diese steht wie die von mir geschätzten Fugen und Kantaten von Bach im Ruf, schwere Kost zu sein – auch das stimmt, aber auch das ist nur eine Seite der Medaille.
Ausgerechnet Beethovens Nr. 32 bietet in der ewig langen Arietta immer wieder Passagen, in denen man meinen könnte, dass es sich um eine versonnene Improvisation eines Jazzers mit ausgeprägter Swing-Veranlagung handelt.
Ich erzähle das deshalb, weil für mich entscheidend ist, ob ein Musikstück handwerklich gut gemacht, intelligent strukturiert und auch nach dem hundertsten Mal noch ergreifend ist. Wie alt das Ganze ist, wie vermeintlich abgehoben oder wie populär – das ist mir völlig egal.
Zum Beweis bringe ich heute etwas, das dies in vielleicht überraschender Form illustrieren soll. Dazu müssen Sie sich nach längerer Pause allerdings erst auf den fatalsten Part der deutschen Geschichte einlassen – die Zeit des 2. Weltkriegs.
Ironischerweise stammen aus dieser Zeit jede Menge Autofotos, auf denen nur wenig auf die Zeitumstände hindeutet. Ganz gleich wie die Beteiligten zu der Sache standen, mussten sie ihr Leben bewältigen, gute Miene machen – ein Entkommen gab es ja nicht mehr.
Manch einer hatte etwas mehr Glück als andere und musste nicht als Frontsoldat dienen oder ausländische Arbeitssklaven beaufsichtigen wie etwa in den Frankfurter Adlerwerken – nebenbei ein verstörendes Beispiel dafür, dass die abartige Behandlung unterworfener Menschen nicht auf die Unglücklichen in den Todeslagern im Osten beschränkt war.
Einer der in dieser Zeit einigermaßen unbeschadet durchkam, soweit ich weiß, ist dieser freundliche junge Mann, der im Krieg als Fahrer eines hohen Wehrmachtsoffiziers (Generalmajor Dippolt) fungierte:
BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Frank-Alexander Krämer)
Die Tarnblenden auf den serienmäßigen Scheinwerfern und der ergänzte „Notek“-Tarnscheinwerfer sind untrügliche Zeichen dafür, dass diese Aufnahme nach Beginn des 2. Weltkriegs entstanden sein muss.
Die Stander auf den Kotflügeln verwiesen auf die Funktion bzw. den Rang des Insassen, welcher den Wagen nutzte – im zivilen Betrieb waren sie verdeckt. Das war insbesondere dann der Fall, wenn der zuständige Fahrer „sein“ Auto privat nutzte, wie hier zu sehen.
Was der Anlass dafür war – Heimaturlaub oder eine heimatnahe Dienstfahrt, die man zu einem Besuch der Familie nutzte – das ist mir nicht bekannt. Wohl aber weiß ich, dass es sich um den Großvater von Frank-Alexander Krämer aus Landau in der Pfalz handelt.
Frank – seines Zeichens Archäologe und Mitinhaber einer Grabungsfirma – ist wie sein Großvater ein großer Autoenthusiast und seine diesbezüglichen Interessen (und Schrauberobjekte) reichen von der Vorkriegszeit bis in die 1960er Jahre.
Er hat mir neben der eingangs gezeigten Aufnahme auch das folgende schöne Foto zur Verfügung gestellt, das seine Großmutter zeigt – vermutlich am selben Tag:
BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Frank-Alexander Krämer)
Diese sympathischen Zeugnisse sollen über nichts von dem hinwegtäuschen, was in jener Zeit in deutschem Namen und leider mit erheblicher Begeisterung vieler Beteiligter geschah.
Doch diese Bilder stehen in ihrer puren Menschlichkeit für sich und wie immer genießen die darauf abgebildeten Personen den „Benefit of the Doubt“ – für sie gilt also erst einmal die Unschuldsvermutung wie für uns selbst, wären wir damals an ihrer Stelle gewesen.
„Benefit of the Doubt“ wäre zwar ein perfekter Songtitel, aber ganz so weit sind wir noch nicht. Erst einmal müssen wir klären, dass der vom Militär beschlagnahmte Wagen, den Frank-Alexander Krämers Großvater steuerte, ein BMW des Typs 326 war.
Das war der ab 1936 gebaute optimierte 6-Zylinder BMW mit nun für einen Wagen dieses Kalibers adäquaten 50 PS aus 2 Litern Hubraum und Spitze 115 km/h. Bis 1941 blieb er im Programm, doch das Exemplar wurde ausweislich der zivilen Zulassung noch vor Kriegsbeginn gefertigt.
Hier sehen wir (rechts) ein letztes Mal den von Franks Großvater gesteuerten BMW irgendwo im Niemandsland am Ende des Winters:
BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Frank-Alexander Krämer)
Franks Großvater wurde 1943 an der Ostfront verwundet, zerschossenes Knie, was ihm wohl das Leben rettete. Nach dem Krieg gründete er eine Fahrschule in Landau, der wer weiß wieviele Ortsansässige ihren Führerschein verdankten.
Doch was aus dem schönen BMW 326 Cabriolet wurde, für das er eine zeitlang verantwortlich war, das wissen wir nicht. In einem anderen Fall wissen wir allerdings sehr genau, was daraus wurde.
Und damit wären wir schon fast am Ende – des 2. Weltkriegs, als galt: „The Winner Takes it All“. Im Osten war das die Rote Armee, im Westen vor allem die US-Armee.
Zwei Angehörige der letztgenannten posieren hier mehr oder weniger lässig neben einem BMW 326, der kurz zuvor noch einem deutschen Zivilisten gehört hatte:
BMW 326 im Jahr 1945; Originalfoto: Sammlung Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf)
Dieses bemerkenswerte Foto, das kurz nach Kriegsende entstanden sein muss, hat mir mir in digitaler Kopie Leser und Oldtimer-Pionier Helmut Kasimirowicz zur Verfügung gestellt.
Die beiden herrlich unkorrekt zurechtgemachten GIs auf dieser Aufnahme hatten offenbar einen solchen BMW einkassiert, den ein unbekannter Besitzer aus Württemberg über den Krieg gerettet hatte.
Tja, am Ende gilt: „The Winner Takes it All“ – ob es einem gefällt oder nicht. Im vorliegenden Fall gefällt mir das Dokument ganz ausgezeichnet.
Dass der von den Nationalsozialisten entfachte Furor Teutonicus unter aberwitzigen Opfern letztlich auch auf deutscher Seite von den Alliierten beendet wurde, ist im Einzelfall erschütternd, war aber im Ganzen betrachtet notwendig.
Am Ende hilft nur eines: Sich mit „The Winner Takes It All“ anzufreunden. Das tun wir, indem wir nun noch ein wenig der leichten Muse frönen. Denn mit genau diesem Titel landete 1980 die schwedische Gruppe ABBA einen ihrer vielen legendären Hits.
Es mag Sie überraschen, aber ich fand es schon immer großartig, was die vier aus dem hohen Norden ablieferten – Musik, Text und Inszenierung waren immer von einer Perfektion, die bis heute ihresgleichen sucht.
Fast 5 Minuten Lyrik und persönliches Drama – das ist ein Beispiel für ein Können, das mich über alle Zeiten hinweg inspiriert…
Nachtrag vom 15.11.2025: Anni-Frid Lyngstad – für mich die Interessantere der beiden Abba-Frontfrauen – ist die Tochter eines deutschen Wehrmachtssoldaten und einer Norwegerin. Heute wird sie 80 Jahre alt. So vergeht die Zeit, doch die Magie von einst bleibt bestehen, nicht nur im Hinblick auf die automobile Welt von gestern…
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Nanu, eine Analogie aus der Welt des Fußballs im Titel – sollte der Blogwart etwa Interessen in dieser Richtung hegen? Nein, weit daneben!
Ich gönne jedem seinen Spaß an dem Sport, sofern er ihn nicht nur vom Fernsehsessel aus „praktiziert“.
Tatsächlich hatte ich einige Jahre lang selbst Freude am Bolzen – entweder beim weitgehend regellosen Kicken im Freibad oder als Torwart, der die Elfmeterversuche meines Bruders mit einigem Erfolg abzuwehren wusste.
Aber das Treiben von Millionären vor der Fernsehkamera, die für meine Begriffe schnell müde werden und echten Kampfgeist vermissen lassen – also diese Sportsimulation zur Maximierung von Werbeeinnahmen interessiert mich nicht.
Meine eigene Version von „Knapp daneben ist auch vorbei“ erlebte ich heute abend beim Absolvieren meiner Fahrradrunde durch die Wetterau.
Gerade hatte ich die Römerstraße von Friedberg zum Kastell Arnsburg verlassen und war auf einen kurvenreichen Waldweg eingebogen, an dessen Ende die Doppeltürme der Münzenburg als Belohnung warten.
Aus alter Erfahrung klug geworden, hatte ich das Tempo gedrosselt, als es in eine nicht einsehbare Rechtskurve mit üppiger Randbegrünung ging. Und prompt kam mir ein Cross-Motorrad entgegen – auf meiner Seite!
Zum Glück fuhr das Teil recht langsam – offenbar hatte ein Mittvierziger sein 80er Jahre-Gerät im Zuge der Midlife-Crisis aus dem Schuppen geholt und eierte jetzt durch die Botanik. Auf seiner Seite war eine Mulde in der Fahrbahn, durch die ich auch mit dem Rad gefahren wäre – doch der „Biker“ meinte, vor diesem Hindernis ausweichen zu müssen.
Fazit dieser Begegnung: Knapp daneben ist auch vorbei! An den Wegrand ausweichend entkam ich der Kollision. Das Ganze ging so schnell, dass ich dem Möchtegern-Crosser nicht einmal einen passenden Fluch hinterherrufen konnte.
Machen Sie sich keine Sorgen deshalb – solche Situationen habe ich schon x-mal erlebt. Doch irgendetwas davon ist bei mir hängengeblieben – das ist auch gut so, dass der Kopf Erlebtes wiederholt durchgeht und Lehren daraus zieht.
Im heutigen Fall war die Konsequenz daraus, dass ich mir endlich dieses Foto aus meiner Sammlung vornahm – denn bei diesem „Roadster“ auf Basis des BMW 3/20 PS gilt zumindest gestalterisch: „Knapp daneben ist auch vorbei„.
BMW 3/20 PS „Roadster“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Der Typ 3/20 PS aus den Anfängen der BMW-Automobilproduktion war hier schon wiederholt Gegenstand einiger Erörterungen (auch von seiten sachkundiger Leser).
Mit diesem Gerät wollte der Münchener Konzern die Tradition des bewährten Austin Seven hinter sich lassen, welche bei der 1929 übernommenen Dixi-Fabrikation in Eisenach in achtbarer Weise fortlebte.
Sicher war der Übergang zu einem kopfgesteuerten Motor ein Fortschritt zu dem bisherigen Aggregat, dessen Ventile noch seitlich neben den Zylindern standen – jedenfalls wenn man den Hubraum von rund 800ccm beibehalten wollte.
Aber was um Himmels willen hatte man sich gedacht, ausgerechnet die „Roadster“-Version des um 5 PS erstarkten Wagens dermaßen bieder zu gestalten?
Ich wüsste kaum ein Automobil der 1930er Jahre, dass einen dermaßen primitiven Aufbau aufweist. Hatte man vergessen, die Tür etwas auszuschneiden, wie das roadstertypisch ist, oder war selbst die simple Anbringung einer Zierleiste als „unnötig“ erachtet worden?
Dass es anders ging, beweist die Cabrio-Ausführung des BMW 3/20 PS, von der ich bereits das eine oder andere Exemplar vorstellen konnte (etwa hier).
Besonders kurios erscheint mir, dass dieser einfallslose Kasten von den Mercedes-Karosseriewerken in Sindelfingen gestanzt worden sein soll. Ich meine, da hätte jeder begabte Karosseriebaumeister vor Ort Raffinierteres abgeliefert.
Kein Wunder, dass vom BMW 3/20 PS in den 3 Jahren seiner Produktion (1932-34) weniger als die Hälfte seines Vorgängertyps 3/15 PS abgesetzt werden konnte. Solche Zahlen erreichte man in dieser Klasse sogar bei Hanomag, wo man Autos eher nebenbei baute.
So bleibt mit Blick auf diesen „Roadster“ auf Basis des BMW 3/20 PS festzuhalten: Knapp daneben ist auch vorbei. Der erste echte BMW ist für mich erst der Typ 303 mit 6-Zylindermotor, eigenem Gesicht dank Doppelniere und gelungenem Aufbau – aber das ist eine andere Geschichte…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Heute mute ich Ihnen im Blog eine Abweichung vom üblichen Schema zu – statt Vorkriegsfotos in Schwarzweiß gibt es heute Vorkriegsautos ganz in Farbe!
Denn am letzten Sonntag habe ich die Wiederauflage der seit 2006 abgehaltenen „Classic Days“ besucht, die an einem neuen Ort stattfand.
Wer mit den Classic Days noch die schönen Jahre auf Schloss Dyck bei Düsseldorf verbindet, wurde – was das Atmosphärische betrifft – nicht enttäuscht.
Das unweit gelegene Rittergut Birkhof mit seinem Englischen Garten und dem Charme eines alten Gutshofs mit Herrenhaus bietet wieder ein absolut würdiges Ambiente für edle und eigenwillige Karossen von den Anfängen bis in die Neuzeit:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Gut zwei Stunden dauerte die Anfahrt aus der heimischen Wetterau, das Alltagsauto wurde auf dem weitläufigen Besucherparkplatz abgestellt und nach nur wenigen Minuten konnte man in eine andere Welt eintauchen – willkommen bei den Classic Days!
Entlang der Allee mit alten Bäumen, die Teil der 2,5 Kilometer langen Rundstrecke um das Rittergut ist, hatten bereits viele Gäste die begehrten Picknickplätze okkupiert und da stand auch schon das erste Vorkriegsauto!
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Ok, das war die Nachkriegsausführung des Citroen Traction Avant, aber das ist nur an kleinen Details zu erkennen – Konstruktion und Karosserie sind lupenreine Vorkriegszeit.
Die berühmte Gangster-Limousine war vielleicht das beste und zugleich eleganteste europäische Auto seiner Klasse der 1930er Jahre – ein vielversprechender Auftakt, fand ich.
Zwischen jeder Menge Wagen aller nur denkbarer Marken ging es schnurstracks und voller Vorfreude Richtung Fahrerlager, wo gerade eine Horde früher Rennsportwagen warmlief.
Auf dem Weg dorthin entdeckte ich das wohl älteste Fahrzeug vor Ort – einen Daimler „Mercedes“ von ca. 1910, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, vielleicht war es auch 1912. Hinter dem Steinschlaggitter sieht man den Mercedes-Stern – noch ohne Lorbeerkranz, denn der kam erst nach der späteren Fusion mit Benz hinzu:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Von nun an geht es halbwegs chronologisch weiter – irgendeine Struktur braucht der Mensch, an der er sich festhalten kann – gerade wenn man von Sinneseindrücken überflutet wird.
Das gilt speziell, wenn man am Morgen von heißen Abgasen umwabert wird und die Luft vibriert, während einer seinen 1914 Premier-Rennwagen aus der Box holt und mit Bärenkräften am servofreien Lenkrad wuchtet:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Hier bekommt man einen ersten Eindruck davon, was die Classic Days – neben vielen Attraktionen – so einzigartig macht. Denn hier werden die alten Eisen wirklich gefahren, und man kann das hautnah miterleben, von der Box bis auf die Strecke.
Während die Motoren warmlaufen, stehen die Besitzer gerne Rede und Antwort und man kommt direkt an die Fahrzeuge heran – das kenne ich so nur vom Goodwood Revival in England, wo eine ähnliche hochverdichtete Atmosphäre herrscht:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Hier haben wir einen als Rennsportversion zurechtgemachten „Elgin“ von 1917 – einer erst im Vorjahr gegründeten US-Automarke.
Solche auf Serienmodellen basierende Fahrzeuge dieses kurzlebigen amerikanischen Herstellers kamen unter anderem in Indianapolis zum Einsatz.
Dieses Exemplar mit Reihensechszylinder und offenem Ventiltrieb repräsentiert das recht eindrucksvoll, wenn auch mit späteren Anbauteilen wie dem wohl britischen SU-Vergaser:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Von hier aus geht es weiter in den Innenhof des Ritterguts, wo das Herrenhaus noch sehr authentisch mit den früheren Betriebsgebäuden verbunden ist.
Man sieht hier neben der repräsentativen Fassade auch die Nutzbauten und bekommt eine schöne Vorstellung davon, wie sich so ein Gut einst für den Besucher darstellte.
Wäre der Hof kopfsteingepflastert, wäre das Idyll für mich vollkommen, aber man kann nicht alles haben. Jedenfalls ergeben bei den Classic Days auf Gut Birkhof historische Achitektur und klassische Automobile ein gelungenes Gesamtkunstwerk:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Der Innenhof ist wie einst auf Schloss Dyck für die Sportwagen der Zwischenkriegszeit reserviert – und wieder sind alle Zutaten für eine echte Zeitreise vorhanden, wenn auch noch Platz für weitere Exemplare wäre.
Doch schon diesmal warteten einige Überraschungen auf den Vorkriegsenthusiasten.
Wann bekommt man neben den üblichen britischen Verdächtigen einen französischen „Rally“ in deutschen Landen zu Gesicht? Die Classic Days und langjährige Freunde in der Vorkriegsszene (Gruß an Michael Buller) machen’s möglich:.
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
„Rally, Rally…“, mögen jetzt manche denken – das sagt mir doch etwas. Stimmt, diese feine französische Marke der zweiten Reihe hatte ich bereits in den Anfängen meines Blogs vor rund 10 Jahren besprochen (hier).
So vergeht die Zeit – aber die guten Dinge, sie bleiben (wenn wir auf sie achten und etwas dafür tun).
So können wir auch anno 2025 wieder einen Rally bewundern, der im Stil den Bugattis seiner Zeit nahekam, wenn auch weniger leistungsstark war.
Ich würde trotzdem einen nehmen, denn hier man muss sich damit nicht fragen lassen: „Ist der echt oder ein Nachbau aus Argentinien?“
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Ein tolles Gerät, nicht wahr? Wir begegnen dem Rally noch ein weiteres Mal bei unserem Rundgang – und dann in Fahrt!
Erst schauen wir uns noch eine Weile im Innenhof um, es gibt da einiges zu sehen, was das Herz höherschlagen lässt, wobei sich immer wieder reizvolle Momente ergeben.
Dabei ist es gar nicht immer so wichtig, um was für ein Fahrzeug genau es sich handelt – als unverbesserlicher Ästhet ist mir oft die reine Wirkung wichtiger als das penible Vermerken von Marke, Typ, Baujahr usw. – etwa in diesem Fall:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Mitunter ist aber auch unübersehbar, womit man es zu tun hat.
Nein, ich meine ausnahmsweise nicht den schönen MG von Michael Buller links im Bild, den viele in der Szene kennen.
Vielmehr gefällt mir hier die stilvolle Begegnung der Zweibeiner am Rande, ebenfalls typisch für die Classic Days, wo auch etliche Teilnehmer selbst Darsteller in der Zeitreise sind:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Zu einem Retrotrip in die Sportszene der Zwanziger gehört natürlich auch einer der einst allgegenwärtigen Amilcars aus Frankreich – vielleicht das Cyclecar schlechthin und auch bei deutschen Enthusiasten damals sehr beliebt.
Hier haben wir (rechts) ein frühes Exemplar noch mit alter französischer Kennung auf dem Kühler, aber mit neu aufgebauter Karosserie nach eigenem Gusto – erlaubt ist, was gefällt, das war schon vor 100 Jahren nicht anders:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Daneben sind als Kontrastprogamm natürlich einige großvolumige Bentleys zu besichtigen, die auch regelmäßig zur Ausfahrt auf die Rundstrecke gehen.
Gäste aus Großbritannien sind wie immer ebenso dabei wie eingefleischte Markenfreunde aus deutschen Landen.
Sie vereint die Begeisterung für die „schnellsten Lastwagen der Welt“, ein ironisches Bonmot, das Ettore Bugatti zugeschrieben wird:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Man bekommt bei den Classic Days immer wieder einen anderen Blickwinkel auf vermeintlich Bekanntes präsentiert – die Vielfalt der Vorkriegsautos ist unermesslich und stellt die Moderne mühelos in den Schatten.
Neben den aufgeladenen PS-Monstern von Bentley, bei denen das Auspuffgrollen von schieren Kraft kündet, findet sich von derselben Marke und aus derselben Zeit auch etwas so Filigranes und kultiviert Laufendes wie dieser originale Tourenwagen:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Eine klassische Karosserie wie diese ist bei den überlebenden Bentleys seltener anzutreffen als die mit späteren Sportaufbauten versehenen Specials, so faszinierend diese oft sind.
Bei der Gelegenheit meine übliche Behauptung: „Tourer sind langweilig – außer wenn das Verdeck montiert ist“, dann sind sie im wahrsten Sinne des Wortes optisch überaus spannende Exemplare.
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Bevor es bzb gleich zu den Concours-Autos – den „Jewels in the Park“ – geht, schauen wir noch, was unterdessen aus dem Fahrerlager auf die Rundstrecke geht.
Der Kurs rund ums Rittergut und mitten hindurch erlaubt den Zuschauern viele reizvolle Blicke auf die Wagen in Bewegung – beim Start, in voller Fahrt und beim gepflegten Defilee kurz vor der Rückkehr:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Die Wirkung dieser Sportwagen in Aktion gehört zu den besonderen Reizen der Classic Days. Dabei wird dem jeweiligen Streckenverlauf angemessen gefahren – aber durchaus engagiert, das ist kein bloßes Rollen knapp über Leerlaufdrehzahl.
Wenig ist so atemberaubend, wie wenn ein mächtiger Kompressor-Mercedes der 1920er Jahre um die Kurve kommt und er für einen Moment direkt auf einen zuhält.
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Nach diesem von Staub und Benzindust geadelten Spektakel, das man den Tag über mehrfach erleben kann – auch mit Nachkriegsautos – begibt man sich zur Einkehr in den Schatten der majestätischen Baumriesen im Englischen Garten, wo zwanglos die schönsten Karossen wie Skulpturen arrangiert sind – ganz ohne Absperrungen.
Was könnte hier stimmiger sein als eine Auswahl herrschaftlicher Rolls-Royce oder Bentleys mit enorm großzügigen Limousinen- oder Cabrio-Aufbauten?
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
An diesen Zeugen einer untergegangenen Welt kann man sich kaum sattsehen.
Schlicht meisterhaft zu nennen ist die Kunst, diese riesigen Automobile mit ihrem unerreichten Platz im Innenraum so gestalten, dass man ihre Größe nicht als unangenehm wahrnimmt – im Gegenteil hat man den Eindruck, dass die Proportionen perfekt sind.
Gegen diese Giganten wirkt auf einmal sogar ein US-Vertreter der Vorkriegszeit beinahe kompakt – wobei wir es hier auch nicht mit einem Amiwagen der üblichen Verdächtigen zu tun haben. Vielmehr sehen wir hier ein technisch wie ästhetisch außergewöhnliches Fahrzeug – den frontgetriebenen Cord L-29, der von 1929-31 gebaut wurde:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Leider kam diesem spektakulären Wagen mit modernem Fahrwerk und 125 PS-Achtzylindermotor der Börsencrash und die Weltwirtschaftskrise in die Quere.
Umso eindrucksvoller, dass ein derartiges Juwel bei den Classic Days einfach so am Wegesrand unter freiem Himmel zu finden ist. Das ist auch im Stillstand ein wichtiger Unterschied zur Präsentation bei Kunstlicht in Museen mit bisweilen sich störend aufdrängender moderner Architektur.
Leider nähern wir uns nun schon dem Ende unseres Rundgangs über das Gelände der Classic Days mit der Vorkriegsbrille. Doch einen Höhepunkt kann ich noch bieten und das ist die Rotte von Specials auf Basis von American La France-Chassis.
Diese opulent motorisierten Geräte dienten in ihrem ersten Leben als Feuerwehrautos, bevor sie als ideale Basis für spektakuläre Umbauten im Stil historischer Rennwagen der Zeit vor dem 1. Weltkrieg entdeckt wurden.
Auch in Deutschland finden sich Anhänger dieser keine Furcht kennenden und fantasiebegabten Fraktion. Sie waren mit ihren Fahrzeugen auf eigener Achse aus dem Süden der Republik angereist:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael SchlengerClassic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Kurz vor Ende der Classic Days am Sonntag machte sich die Meute wieder auf den Heimweg, nicht ohne noch drei Ehrerunden auf der Hausstrecke von Rittergut Birkhof zu drehen – zur grenzenlosen Begeisterung des Publikums:
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
Damit sagen wir „adieu“ den Classic Days 2025, nicht ohne dem Team von Marcus Herfort für die großartige Veranstaltung zu danken, bei der die Vorkriegsfreunde in einer Weise auf ihre Kosten kommen wie kaum anderswo in Deutschland.
Mein Fazit ist positiv, der Termin im nächsten Jahr ist schon vermerkt – wir kommen wieder in der Hoffnung, dass noch mehr Vorkriegswagen den Weg dorthin finden und die Tradition der Classic Days auf Schloss Dyck fortschreiben!
Classic Days 2025; Bildrechte: Michael Schlenger
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Was ist nur mit dem Blogwart los? Seit wann begeistert er sich für Cabriolets? Preist er sonst nicht Wagen mit geschlossenen Aufbauten als die vollkommeren, was die Linienführung angeht?
Oder hat es ihm heute einfach nur die Motorisierung des vor 90 Jahren eingeführten BMW 319 angetan?
Sollte der gediegene 6-Zylindermotor mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen, entsprechend drehfreudiger Charakteristik und 45 PS bei nur 850 kg Gewicht nicht seiner Neigung für eine ordentliche Motorisierung entgegenkommen?
Nun, nach über 1.500 Blog-Einträgen muss man als Chef vom Janzen die Leserschaft bei Laune halten und dazu gehört immer wieder auch, nicht genau das zu liefern, was erwartet wird oder der Titel vermuten lässt.
Mit einer Sache haben Sie aber recht – der BMW 319 kommt grundsätzlich meiner Vorstellung schon nahe, was einen solide motorisierten Wagen der Mittelklasse am deutschen Markt in den 1930er Jahren betrifft.
Allerdings hätte ich mir von BMW bei einem solchen knapp 2 Liter großen Motor eine standfest machbare Leistung von an die 60 PS gewünscht. Die 45 Pferde lieferte Fiat damals ja schon mit seinem 1500er Sechszylinder in Großserie ab.
Zur Ehrenrettung von BMW sei angemerkt, dass es parallel eine Sportversion des 319 mit 3 statt 2 Vergasern gab, welche ziemlich genau die Leistung abwarf, die bei einem derartigen Aggregat damals wirklich drin war.
Ein solches Gerät konnte ich anno 2014 bei den legendären Classic Days auf Schloss Dyck dingfest machen:
BMW 319/1; Bildrechte: Michael Schlenger
Damit zog man dann auf der Autobahn an fast allen vorbei – wobei das ohnehin nicht viele waren, denn im Deutschland der 30er Jahre war ein Automobil für den Durchschnittsbürger immer noch unerreichbar. Das gigantische Aufrüstungsprogramm der damaligen Regierung fraß sämtliche sonst möglichen Wohlstandszuwächse für den Normalbürger auf.
So blieb auch der kompakte, aber einigermaßen flott motorisierte BMW 319 trotz dreijähriger Bauzeit ein Luxusobjekt für ein paar tausend gut situierte „Volksgenossen“. Immerhin findet man ihn bisweilen auf alten Fotos, und wie es scheint, wurde er gern als Cabriolet gefahren.
Leider trifft die 4-fenstrige offene Version überhaupt nicht meinen Geschmack. Das Heck ist verunglückt und das Verdeck war entweder eine Fehlkonstruktion oder es war hier nicht korrekt zusammengefaltet – jedenfalls weckt dieses Exemplar keine Begeisterung:
BMW 319 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Etwas besser kommt der BMW 319 weg, wenn das Verdeck aufgespannt ist, aber das merkwürdige Stummelheck mit dem angesetzten Kofferraum und unglücklich hoch angebrachten Reserverad ruiniert für mich auch hier das Bild – da kann das Fotomodell daneben noch so gute Figur machen.
BMW 319 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Immerhin kommt man hier in den Genuss der vollverchromten großen Scheinwerfer, die noch nicht der rüstungsbedingten Rohstoff-Planwirtschaft zum Opfer gefallen waren – eventuell haben wir es mit einem frühen Exemplar des Typs 319 zu tun.
Nachdem der Wahn von der Weltgeltung des kleinen, ressourcenarmen Deutschland vorbei war und das Land unter den beiden einzigen Siegern des 2. Weltkriegs – den USA und der Sowjetunion – aufgeteilt worden war, begegnete man dem BMW 319 mit etwas Glück in Form eines Überlebenden wie auf dieser Ansichtskarte aus DDR-Zeiten:
BMW 319 Cabriolet in Sitzendorf (Thüringen); Ansichtska aus Sammlung Michael Schlenger
Von der für Mensch, Wirtschaft, bauliches Erbe und Umwelt zersetzenden Wirkung staatlicher Planwirtschaft ist hier noch nichts zu sehen. Das schöne „Hotel zur Linde“ in Sitzendorf (Thüringen) steht noch in alter Pracht dar.
Sieht man von dem Zusatz „HO“ ab, der auf die nunmehrige Zugehörigkeit des einst privaten Hotels zur gesichtslosen Staatswirtschaft (Handelsorganisation) verweist, könnte man die Szene glatt als idyllisch ansehen.
Auch der heutige Hauptdarsteller BMW 319 hat hier einen durchaus ansprechenden Auftritt – weniger aufgrund der nachgerüsteten Scheinwerferblenden und Rückspiegel als infolge der Tatsache, dass seine problematische Heckpartie verdeckt ist:
BMW 319 Cabriolet in Sitzendorf (Thüringen); Ansichtska aus Sammlung Michael Schlenger
Die matt erscheinende Lackierung könnte auf ein ehemaliges Armee-Fahrzeug hindeuten, doch bezweifle ich, dass man sich mehrere Jahre nach Kriegsende noch mit der Lackierung der einstigen „Wehrmacht“ sehen lassen konnte.
Das Auto war entweder eingestaubt oder war mit einem matten neuen Lack versehen. Bei der Gelegenheit sei angemerkt, dass die drei gegeneinander versetzt angebrachten Zierleisten auf der Motorhaube das Erkennungsmerkmal des BMW 319 waren.
Mit dieser dürftigen Erkenntnis ausgestattet werden Sie sich jetzt fragen: „Wo bleibt denn nun das vollmundig angekündigte Vergnügen, in das wir uns heute stürzen dürfen?„
Keine Sorge – abgesehen vom herrlichen Sommerwetter haben viele Landsleute zwar sonst wenig Anlass zum Vergnügen – aber dieses eine gibt es kostenlos und ohne dass man sich irgendetwas daran zwanghhaft schönsehen müsste.
Also vergessen Sie alles, was Sie sonst belastet, was ich über das verunglückte Heck des BMW 319 erzählt oder sonstwie Anstößiges von mir gegeben habe. Bedenken Sie für einen Moment, was das für ein Wagen war, in welchen Zeiten das Foto entstanden sein muss und ziehen Ihre eigenen Schlüsse für’s Hier und Jetzt daraus – hinein ins Vergnügen!
BMW 319 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Beim heutigen Besuch im Bau- und Gartenmarkt mangelte es nicht an Charaktertypen – man trifft dort viele schräge Vögel und viel mehr ungesund aussehende Leute als noch vor einigen Jahren. Mehr Bewegung und weniger Essen könnte da nicht schaden.
Auch auf der Straße waren einige vierrädrige Exemplare zu besichtigen, denen es guttun würde, einmal auf’s Wesentlche reduziert zu werden, um wieder als kantiger Charakter wahrgenommen zu werden.
Auffallend fand ich diesmal aufgeblähte Erscheinungen aus der aktuellen BMW-Produktion – mit grotesk verzerrter Frontpartie. Was ist nur aus den klassischen BMW-Nieren geworden?
Schauen wir mal, was eine aktuelle KI wie GROK abliefert, wenn man ein Foto einer idealisierten BMW-Limousine der späten 1930er Jahre mit extralanger Haube und an britischen Vorbildern der Zeit inspirierter Karosserie in Auftrag gibt.
Hier das Ergebnis, welches ich kürzlich erhielt:
Natürlich kann man hier im Detail vieles beanstanden, aber eines ist klar:
Das ist nicht nur einfach ein Klon von BMWs der 30er Jahre, sondern eine attraktive Kombination aus BMW-Elementen wie der Doppelniere, der geteilten Frontscheibe und der für sportliche britische Wagen jener Zeit typischen niedrigen Dachlinie.
Was ich zum Ausdruck bringen will: Schon eine kostenlose KI liefert auf Basis existierender Bilder Entwürfe möglicher Varianten ab, die dem ikonischen Charakter der Marke BMW gerecht werden und zugleich durchaus eigenständig wirken.
Vielleicht sollte man die hochbezahlten Designer bei BMW heutzutage einfach der Billigkonkurrenz aus dem Netz aussetzen – vielleicht gibt es dann auch heute mehr wieder mehr Charakterypen – aber auf’s Wesentliche reduziert.
Gutes Styling braucht keine bemühten Effekte, es wirkt durch perfekt austarierte Proportionen und lässig wirkende Linien.
Wie bei einem Vorkriegs-BMW der späten 1930er Jahre selbst dann noch die Klarheit der Form fortwirkt, wenn man den chromglänzenden Kühlergrill weglässt, das illustriert beeindruckend die folgende Aufnahme:
BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ich habe mich mit dem BMW auf dieser Aufnahme gar nicht groß beschäftigt – aus der Situation mit in Arbeit befindlichen einfachen Ziegelbauten im Hintergrund und dem Fehlen des Kühlergrills schließe ich, dass dieses Exemplar ein stark gebrauchtes war, welches nach dem 2. Weltkrieg aufgenommen wurde.
Interessant ist die Aufnahme deshalb, weil trotz des ungewöhnlichen Durchblicks auf den sonst verborgenen eigentlichen Kühler des Wagens kein Zweifel daran besteht, dass wir es mit einem typischen BMW der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu tun haben.
Wenn ich in diesem Fall auf den Typ 326 tippe, ist das gar nicht so entscheidend wie sonst – mir geht es heute weniger um das genaue Modell als vielmehr um den Charaktertyp als solchen – diesmal reduziert im Angebot.
Wer den Eindruck hat, das ich heute ziemlich billig davonkommen zu versuche, hat völlig recht. Ich habe noch soviel großartigeres Material zu verarbeiten und vorzustellen, dass ich es mir mitunter einfach mache – aber nicht so einfach, über solche interessanten Dokumente einfach hinwegzugehen.
Wie immer gilt: Anmerkungen zu der Fotosituation und Details darin sind willkommen, auch wenn sie vom Thema wegführen. Im vorliegenden Fall scheint es Anlass dazu zu geben…
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Elektroantrieb ist eine großartige Sache – jeder kennt unzählige Anwendungen, deren Nutzen niemand in Zweifel zieht und die sich wie alle echten Innovationen von allein am Markt durchsetzen.
Wer beispielsweise einen Garten und sensible Nachbarn hat, weiß es zu schätzen, dass man heute fast alles mit leisen Elektrowerkzeugen und sogar kabellos erledigen kann – sofern man nicht zur Fraktion derer gehört, die noch selber mechanische Arbeit verrichten.
Der Stromhunger wächst bereits seit 150 Jahren unaufhörlich, was gern vergessen wird, wenn im 21. Jh. das Elektrozeitalter ausgerufen wird, als ob das etwas Neues wäre.
Wirklich neu und Unfug ist die vermehrte dezentrale Einspeisung von Zufallstrom, womit nichts zur stabilen Versorgung rund um die Uhr und nichts zur Aufrechterhaltung der elementaren Netzfrequenz von 50 Hertz beigetragen wird – im Gegenteil.
Wäre das nicht von fachfremder Seite verordnet, würde niemand auf die Idee kommen, Stromquellen mit maximaler Energiedichte, Rund-um-die Uhr-Bereitschaft und großen Turbinen für das Setzen und Halten der Netzfrequenz eine nach der anderen abzuschalten.
So kürzlich im Fall eines der modensten, effizientesten und saubersten Kohlekraftwerke der Welt (Moorburg in Hamburg) geschehen. Eine Milliardeninvestition einfach gesprengt, die Turbinen wurden nach China verkauft. Die Kohle (aus dem Boden) wird jetzt woanders verbrannt.
Zu den wertvollsten Elektrizitätsquellen gehörte schon früh die Wasserkraft, sie erfüllt auch heute noch alle Anforderungen an intelligente Stromversorgung – hohe Energiedichte, jederzeitige Verfügbarkeit, Regelbarkeit und kostengünstige, risikoarme Produktion.
Heute unternehmen wir einen Ausflug in eine Gegend, in der das Elektrozeitalter schon früh begann und bis heute anhält. Unser zuverlässiger Begleiter dabei ist ein alter Bekannter, von dem man allerdings nie genug bekommen kann:
BMW 327/328 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Vor grandioser Bergkulisse wirkt der ab 1937 gebaute, hinreißend gestaltete BMW mit seinem leistungsfähigen Sechszylinder geradezu winzig.
Allerdings trägt auch die großwirkende Dame daneben zu dem Eindruck bei. Zum Glück ist die Qualität des Fotos ausreichend, um auch nach 86 Jahren noch nah herantreten zu können.
Wie ich darauf komme, dass diese Aufnahme höchstwahrscheinlich 1939 entstanden sein dürfte, das erfahren Sie zum Schluss. Wir machen uns erst einmal an den Wagen heran, in der Hoffnung mehr erkennen zu können:
Mmh, viel gewonnen scheint noch nicht zu sein. Weder lässt sich das Nummernschild genau erkennen, noch ist zu sehen, ob die Räder Zentralverschlussmuttern aufweisen.
Wäre das der Fall, hätten wir es nämlich mit einem BMW 327/28 zu tun, welcher den noch stärkeren Sportmotor des BMW 328 besaß.
Aber wir haben Glück, denn ich habe diese Aufnahme zusammen mit einer zweiten erstanden – sehr günstig, offenbar war ich der Einzige, der das Angebot gesehen hatte.
Und dieses zweite Foto ist nun wirklich elektrisierend:
BMW 327/328 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Die BMW-Gourmets werden erfreut die Zentralverschlussräder zur Kenntnis nehmen – der einzige äußere Hinweis auf das extra starke Modell 327/28.
Dann wäre da das Nummernschild, das eine Zulassung in München verrät. Dieser Umstand wäre an sich nicht bedeutend – er ist es aber, auch darauf komme ich zurück.
Schwierigkeiten bereitete mir zunächst die Ortsangabe „San Floriano“ auf der Rückseite des Abzugs. Damit würde man nämlich im Grenzland zwischen Italien und Slowenien landen, aber die Topographie stellt sich dort anders dar, wenngleich die Berge nicht weit weg sind.
Dann fiel mein Blick auf die markanten Bauten der Zeit um 1900, die in Verbindung mit den aus dem Fels kommenden Leitungen links davon auf ein Wasserkraftwerk hindeuteten.
So suchte ich nach „San Floriano“ in Verbindung mit dem Begriff „impianto idroelettrico“, was im Italienischen für ein Kraftwerk steht, das Strom aus Wasserkraft erzeugt.
Auf diese Weise landete ich bei einem Ort namens San Fiorano im Valsaviore, einem Abschnitt des Valcamonica nördlich des Lago d’Iseo in der oberitalienischen Lombardei.
Das Tal liegt ideal für vielfältige Nutzungen von Wasserkaft zur Stromerzeugung und so wird das dort seit gut 125 Jahren praktiziert – teils durch Aufstauen des Oglio-Flusses im Tal selbst , teils durch hochgelegene Speicher beiderseits des Tals.
Dazu gibt es im Netz Dokumentationen sowohl der heutigen Anlagen, als auch der historischen mit ihrer oft spektakulären Architektur der Turbinenhäuser und anderer Zweckbauten, die man einst bewusst nicht rein funktionell gestaltete.
Im ersten Anlauf bin ich daran gescheitert, die auf dem zweiten Foto im Talgrund zu sehenden Bauten genau zu orten. Mag sein, dass sie nicht mehr existieren oder stark verändert wurden.
Jedenfalls finden sich sehr ähnliche Schmuckfassaden im historisierenden Stil an mehrere Stellen des sehr langen Tals, weshalb ich diese Aufgabe Lesern mit mehr Zeit und Glück anvertrauen möchte.
Ich möchte zum Abschluss noch einmal auf den prächtigen BMW mit den eleganten Radverkleidungen und der Zweifarblackierung zurückkommen:
Die groß erscheinende Dame daneben kam mir zwar nicht bekannt vor, aber das Auto selbst hatte ich mit genau diesem Farbschema schon einmal gesehen.
Auch in jenem Fall handelte sich um einen in München zugelassenes Exemplar und auch dieses war einst in Oberitalien abgelichtet worden – in Verona und in Mailand. Auf den entsprechenden Fotos, die ich vor gut einem Jahr hier vorgestellt hatte, war das Jahr 1939 vermerkt.
Ich halte es nach der Lage der Dinge für sehr wahrscheinlich, dass die beiden „neu“ aufgetauchten Fotos des BMW 327/28 dasselbe Auto zeigen und auf der gleichen Reise abgelichtet wurden – nun aber auf dem Heimweg.
Die weitere Route könnte über Bormio und den Stelvio-Pass weiter gen Norden geführt haben, wo auf unsere Reisenden anno 1939 ein ungewisses Schicksal wartete.
Damit verabschiede ich mich für heute – denn auch ich werde morgen früh den Heimweg aus Italien antreten. Ob ich nach rund 11-12 Stunden Fahrt dann abends noch die Energie für einen weiteren Bericht aus der automobilen Welt der Vorkriegszeit aufbringe, wird sich weisen.
Vielleicht vermag unterdessen ja jemand der bemerkenswerten Örtlichkeit, an der wir mitten im Elektrozeitalter Halt gemacht haben, noch das Eine oder Andere abzuringen…
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Wenn man sonst keine Probleme hat, macht man sich welche, aber so richtig, und sieht anschließend zu, wie man aus dem Schlamassel wieder rauskommt – deutsche Tradition.
Heute wollen wir diese Kompetenz anhand eines auf den ersten Blick unproblematisch erscheinenden Gegenstands erproben – des BMW 303 bzw. 309. von 1933 bzw. 1934.
Warum nenne ich hier zwei unterschiedliche Modelle in einem Atemzug, nämlich einen Sechszylindertyp und einen Vierzylindertyp? Tja, hier zeichnen sich schon die ersten selbstgeschaffenen Probleme ab.
Denn wenn ich es richtig sehe, lassen sich die beiden von Leistung und Charakteristik so unterschiedlichen Typen äußerlich nicht zuverlässig auseinanderhalten.
Vielleicht kann ja jemand sagen, ob dieser wohlgenährte Herr vor der Kulisse der Nürburg einst einen BMW 303 mit 30 PS aus 1,2 Litern oder einen Typ 309 mit 22 PS aus 850 ccm fuhr:
BMW 303 oder 309 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Die Stoßstange war beim Sechszylindertyp 303 serienmäßig, beim schwächeren 309 konnte sie aber als Zubehör geordert werden. Und genau das dürften prestigebedürftige Zeitgenossen gern gemacht haben.
Wer aufgepasst hat, wird an dieser Stelle beanstanden, dass ich im Titel die 4-fenstrige Cabrio-Ausführung angekündigt hattte. Keine Sorge, der werden wir uns noch widmen.
Mir ging es bloß darum, das grundsätzliche Erscheinungsbild der Frontpartie der beiden BMW-Modelle zu veranschaulichen. Tatsächlich müssen wir dem fülligen Besitzer in diesem Fall sogar dankbar sein, verdeckt er doch den ansonsten arg langweiligen Aufbau.
Für ein Automobil von 1933/34 war die geschlossene Ausführung sehr konservativ geraten, um es zurückhaltend auszudrücken. Von der Kühlerpartie abgesehen, hätte das auch ein Auto der zweiten Hälfte der 1920er Jahre sein können.
Böse Zunge könnten jetzt sagen, dass dies kaum verwunderlich sei, wurde doch die Limousine bei Daimler-Benz in Sindelfingen gefertigt, wo es von einzelnen kühnen Cabriolet-Entwürfen abgesehen eher ängstlich-bieder zuging.
So kommt es, dass dieser BMW 303 als Limousine auch vor einem historischen Gebäude kaum sonderlich modern wirkt:
BMW 303 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Bemerkenswert an dieser Aufnahme ist nicht nur die phänomenale Wirkung des großzügigen Bauernhauses aus dem beschaulichen Groß-Grönau in Schleswig-Holstein – es dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit noch existieren.
Interessant ist auch das Aufnahmedatum: Mai 1942. Hier hatte jemand mitten im 2. Weltkrieg das Bedürfnis verspürt, den mit Tarnscheinwerfern versehenen Wagen vor einer Kulisse zu dokumentieren, die sonst nichts von den Umständen ahnen lässt.
Vielleicht war es das letzte Foto, bevor der Wagen für das Militär eingezogen wurde. Vielleicht aber auch die letzte Fahrt, bevor der Besitzer selbst an die Front musste – etwa als Arzt.
Wir wissen nichts darüber, nur eines ist klar: Die gigantische Katastrophe, die von deutscher Seite damals aus freien Stücken und – in vielen Fällen – mit großer Hingabe angerichtet wurde, war drei Jahre später vorbei, im Mai 1945 nämlich.
Gut ein Jahr später – am 23. September 1946 – war jedoch jemand schon wieder in der Lage, mit seinem Vorkriegs-BMW einen Ausflug zu unternehmen – da musste einer schon viel Glück gehabt oder eher: sich in brillianter Weise aus dem Schlamassel nach oben gearbeitet haben:
BMW 303 oder 309 4-Fenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Diese Aufnahme kündet zugleich von den kolossalen Problemen, die ich mir mit dem ziellosen Einsammeln solcher Fotorelikte bisweilen selber mache.
Man muss schon einigermaßen bekloppt sein, um sich die Mühe zu machen, so ein Dokument zu enträtseln. Alternativ bzw. ergänzend hilft es, wenn man schon vieles in der Hinsicht gesehen hat und grundsätzlich bei Problemen aller Art zu besonderer Form aufläuft.
Vielleicht erinnern Sie sich an diese Aufnahme eines nahezu identischen 4-Fenster-Cabriolets, das ebenfalls kurz nach dem 2. Weltkrieg aufgenommen wurde.
BMW 303 oder 309 4-Fenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ich hatte den Wagen seinerzeit als BMW 315 angesprochen, also den stärkeren Nachfolger des 303, aber aus dieser Perspektive konnte es ebenso ein früheres Modell sein – das Serien-Cabrio wurde von 1933 bis 1936 meines Wissens nicht verändert.
Sehen Sie die Ähnlichkeit der Linienführung am hinteren Verdeckausschnitt? Wichtig ist auch der leicht gerundete Verlauf des hinteren Türabschlusses.
Übrigens wurde diese 4-fenstrige Cabrio-Karosserie von Reutter in Stuttgart entworfen und anfänglich auch dort für BMW gebaut.
Jedoch genügten die Kapazitäten dort nicht, sodass man bald von dem aufwendigen Transport der Chassis von Eisenach nach Stuttgart und zurück absah und die Aufbauten nach Reutter-Vorbild schlicht selbst baute.
Damit sind wir nun tatsächlich an dem Ort angelangt, auf den ich mich mit dem Titel „Glückliche Heimkehr“ bezog.
Denn nach all den Katastrophen der 1930er und 40er Jahre gelangte dieser BMW 303 bzw. 309 mit halbwegs intakter Cabrio-Karosserie an einen besonderen Ort zurück, der für uns Deutsche einer der wichtigsten Orientierungspunkte und dauerhafte Inspiration sein sollte.
Die Rede ist zwar nicht vom Geburtsort des BMW und des historisch bedeutendsten und begnadetsten deutschen Komponisten – Johann Sebastian Bach – denn das wäre Eisenach in Thüringen.
Doch für alle die, die im historischen Mitteldeutschland eine ganz besondere Konzentration schöpferischer Geister über Jahrhunderte sehen, repräsentiert auch das sächsische Leipzig eine ebensolche Heimkehr zu den Ursprüngen:
BMW 303 oder 309 4-Fenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Vor dem Bach-Denkmal an der Thomas-Kirche in Leipzig, wo der Meister einst wirkte, wurde 1958 dieser BMW fotografiert. Wenn ich mich nicht irre, trug er ein Nachkriegskennzeichen aus dem sächsischen Reichenbach.
Bemerkenswert sind die beiden Volkswagen und der Heckflosser, die mit dem BMW abgelichtet wurden. Doch der von der Zeit gezeichnete BMW mit wohl von einem DKW geborgten Stoßstangen war für den unbekannten Fotografen eindeutig das großartigste Motiv.
Ich kann das gut nachvollziehen – so wie neben der Kunst von Bach alles Gegenwärtige in musikalischer Hinsicht verblasst. Man hat uns in der Schule – in meinem Fall der ehrwürdigen Augustinerschule in Friedberg/Hessen – exakt nichts davon mit auf den Weg gegeben.
Ich musste mir diese Schöpfungen, die zum Besten zählen, was deutscher Geist für die Menschheit zustandegebracht hat, selbst erschließen. Auch im Elternhaus fand keinerlei Erziehung in der Richtung statt.
Die Deutschen sind im 21. Jh. immer noch ein mit sich selbst zutiefst im Unreinen befindliches Volk. Das ist der Schlamassel, aus dem wir herausmüssen, indem wir uns des Besten in uns vergewissern und zugleich fatalen Neigungen eine Abfuhr erteilen:
Perfektionismus im Banalen, belehrendes Gehabe, lustvolle Hierarchiegläubigkeit, verbiesterte Humorfeindlichkeit und: die Geringschätzung von Schönheit und Überfluss.
Die Kunst Bachs kann bei diesem Heilungsprozess helfen, meine ich. Wie das geht, zeigt uns das Ensemble „Netherlands Bach Society“ anhand der weltlichsten Komposition des Meisters aus Eisenach bzw. Leipzig überhaupt – der „Kaffeekantate“ (BWV 211).
Hier tritt uns Bach bei aller Genialität als Menschenfreund und augenzwinkernder Beobachter gegenüber – und das auf zeitlose Weise, wie uns diese Musiker mit Freude vorspielen:
Wem die Eingangsarie des Herrn „Schlendrian“ zu anstrengend ist, obwohl es darin um zeitlose Probleme von Vätern mit ihren Kindern geht, mag zu 5:00 Min. springen. Dort kommt alsbald die Tochter zu Wort, die ausgiebig ihre Kaffee-Leidenschaft schildert.
Und wenn Sie bis zum Schluss durchhalten, werden Sie erfahren, wie alt die Redewendung „Die Katze lässt das Mausen nicht“ ist (ab 23::30 min).
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Heute brauche ich keine umständliche Einleitung und komme gleich zur Sache: Fühlen Sie sich vom Christkind großzügig bedacht oder ließ Weihnachten zu wünschen übrig?
Gab es Streit in der Familie? Wollte das vegane Schnitzel nicht zu Klößen und Rotkohl passen? Waren die verwöhnten Kinder undankbar und wollten Sie belehren? Oder, was schlimmer wäre: Waren Sie unfreiwillig allein?
Ich werde seit Jahr und Tag von alledem verschont, freue mich aber auch für jeden, der harmonisch nach alter Tradition Weihnachten als Familienfest feiert. Es soll ein jeder nach seiner Fasson selig werden – nichts ist schlechter, als im falschem Leben festzustecken.
Für all‘ die, deren Erwartungen enttäuscht wurden, werde ich unterdessen gerne seelsorgerisch tätig. Schauen Sie, nie war alles vollkommen, aber oft genug in der Geschichte war manches vollkommen, selbst unter den schwierigsten Umständen.
Davon sollten wir das uns Beste in Gegenwart und Alltag gönnen, wann immer das geht, auch wenn es sich in den großen Dingen nicht zum Besseren wendet hierzulande.
Das Bild, das ich heute präsentiere, bringt das in Perfektion zum Ausdruck. Man weiß, wann es entstand und man möchte nicht tauschen mit den Menschen, die darauf abgebildet sind.
Und dennoch gibt es da einige Dinge zu sehen, die zeitlos und einfach zauberhaft sind:
BMW 327 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Muss ich über diesen Wagen viele Worte verlieren? Selbst wer nicht vertraut ist mit deutschen Vorkriegsautos, dem ist dieses Exemplar auf merkwürdige Weise bekannt.
Für manche ist dieses 327er Cabriolet, das ab 1937 gebaut wurde, die Quintessenz eines BMW – man erkennt ihn sofort und ist hingerissen.
Für einen Moment steht die Zeit still, denn hier ist das Beste aus der Vorkriegswelt und der sich ankündigenden Moderne vereint.
Kühler und Scheinwerfer sind keine eigenständigen Bauteile mehr, man kann ihnen förmlich dabei zusehen, wie sie mit dem Wagenkörper verschmelzen. Doch die Kotflügel sind gerade noch als solche erkennbar, kraftvoll geformt wie wohltrainierte Muskeln.
Die Trittbretter sind nur noch angedeutet, funktionslos geworden, die niedrige Frontscheibe fügt sich ebenso dem Diktat des Luftstroms wie die ganze Vorderpartie. Wie der kurz nach dem Krieg als Improvisation entstandene sensationelle Jaguar XK 120 sah der BMW 327 schon im Stand wie ein sprungbereites Raubtier aus.
Nicht zufällig schmückt genau dieser Wagen den Deckel des lange ersehnten, über 400 Seiten starken BMW-Standardwerks von Nyncke/Simons/Zeichner (BMW 1929 bis 1945, Verlag Geramond, 1. Auflage 2022).
Es gehört zu den vielen Verdiensten dieses Werks, endlich den Männern Ehrerbietung zu zollen, welche in den späten 1930er Jahren das Gesicht von BMW geprägt haben.
Das Buch macht Schluss mit der Geringschätzung der Leistung der Gestalter deutscher Vorkriegswagen, die für den Erfolg mindestens so entscheidend waren wie die Techniker.
Für die aus jeder Richtung vollkommene Linie des BMW 327 war Wilhelm Kaiser verantwortlich. Geboren 1908 und gelernter Karosseriebauer, kam er 1936 zu BMW nach Eisenach. Sein Name ist für immer mit den sensationellen Typen 327/328 verbunden.
Ab 1941 verliert sich seine Spur – man weiß schlicht nicht, was aus ihm geworden ist. Dieses Verschwinden aus der Geschichte ist typisch für unzählige seiner Zeitgenossen – so wohl auch für die beiden hier:
BMW 327 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Außer dass dieses Paar aus Bremen stammte, wissen wir nur, dass es auf der rechten Rheinseite gegenüber von Bingen haltgemacht hatte, als diese Aufnahme entstand.
Der Titel „Bremer Braut bei Bingen“ ist spontan dieser Tatsache entsprungen. Zwar ist auf der Rückseite des Originalabzugs nichts vermerkt, doch mir kam die Landschaft im Hintergrund bekannt vor.
Es ist ein Vierteljahrhundert her, dass ich für eine Weile in Wiesbaden wohnte und bei schönem Wetter abends nach der Arbeit Ausflüge mit dem Motorrad in den Rheingau unternahm. Doch die bei gemütlicher Fahrt mit gerade einmal 40 PS aus einzylindrigen 500ccm gewonnenen Eindrücke genügten, um sich ins Langzeitgedächtnis einzubrennen.
Der Aufnahmeort war in der Nähe der Burgruine Ehrenfels gegenüber der Stelle, an der die Nahe in den Rhein mündet. Auf der anderen Seite des Flusses erkennt man am Horizont die Silhouette der Rochus-Kapelle.
Wenn man von hier weiter dem Fluss folgte, war man binnen kürzester Zeit in einer der bis heute großartigsten deutschen Landschaften – dem Mittelrheintal.
Dorthin wird auch der Fahrer des BMW 327 mit seiner Bremer Braut weitergefahren sein – dieser Rheinabschnitt präsentiert sich in unseren Tagen (hoffentlich) noch so wie einst.
Ich war schon lange nicht mehr dort, doch heute bin ich für eine Weile zurückgekehrt, habe mich an den warmen Sommerwind im Gesicht erinnert und an die Landstraße, die bei weniger Verkehr zum genüsslichen Kurvenräubern einlädt.
Was mag aus dem BMW 327 geworden sein, der auf unserem Foto das Abzeichen des staatlichen NSKK auf dem Kühlergrill trug – der auf das Kraftfahrwesen spezialisierten Unterorganisation der NSDAP?
Und was mag aus dem hier so zufrieden erscheinenden Paar geworden sein? War er überzeugter Nationalsozialist oder wies die NSKK-Zugehörigkeit auf eine oberflächliche Anpassung hin, um weiteren Bücklingen gegenüber dem Regime zu entgehen?
Nichts davon wissen wir und alles ist möglich. Auch, dass wir hier das letzte Zeugnis der beiden sehen. Vielleicht verschwanden sie in den Kriegswirren wie Wilhem Kaiser, dem wir das ikonische Design des BMW 327 verdanken.
Wir sehen: alles Persönliche hat eine ungewisse Zukunft, aber die Schöpfungen der Vergangenheit bleiben uns im besten Fall als beglückende Begleiter auf dem weiteren Weg. Der BMW 327 wird uns dabei wiederbegegnen, das kann ich schon jetzt versprechen…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Auf der Liste der dümmsten Bücher aller Zeiten rangiert für mich eines weit oben – „Das Ende der Geschichte„, veröffentlicht 1992 von einem US-Professor namens Francis Fukuyama.
Unter dem Eindruck des Untergangs der Sowjetunion und der Auflösung des Ostblocks mit Einparteienherrschaft und Planwirtschaft gelangte der Autor zu der These, dass nun der Weg frei sei zum globalen und finalen Siegeszug von Demokratie und liberalen Gesellschaften.
In Anlehnung an einen anderen von zuviel Schreibtischaufenthalt geschädigten Autoren – einen arbeitsscheuen Schnorrer namens Karl Marx – meinte Fukuyama, dass die menschliche Gesellschaft gesetzmäßig einem Endzustand zustrebe, der nun absehbar sein.
Diese Behauptung verdient nicht einmal die Bezeichnung als These – denn einer solchen liegen empirische Beobachtungen zugrunde, die damit vereinbar sind. Dabei hätte Fukuyama sich nur an sein erstes Studienfach erinnern müssen, klassische Altertumswissenschaften.
Sofern er nicht die einschlägigen Vorlesungen geschwänzt hat, hätte er sich erinnern müssen, dass es schon in der griechischen Antike demokratische Experimente gab, die selbst das moderne Schweizer Modell mühelos in den Schatten stellten.
Die Denker Griechenlands kannten bereits alle bis heute praktizierten Staatsformen und hatten deren Vor- und Nachteile erörtert. Auch das Konzept der Checks & Balances zur Begrenzung von Macht hatte man vorgedacht.
In Athen war man auf dieser Basis so weit gegangen, dass das Volk unliebsame Politiker via Scherbengericht aus dem Verkehr ziehen konnte – nach Ansicht mancher eine charmante Idee.
Man hatte auch berücksichtigt, dass es dem Entstehen ein Eigenleben entwickelnder Strukturen wie Parteien und politischer Seilschaften vorzubauen galt. Dazu vergab man zeitweilig öffentliche Ämter an unbescholtene Bürger, die per Los bestimmt wurden.
Doch selbst die ausgefuchsten Demokratien im antiken Griechenland, von denen es so viele Spielarten gab wie heute, wichen früher oder später autoritäreren Staatsformen.
In unseren Tagen wird das angebliche „Ende der Geschichte“ durch bemerkenswert stabile Autokratien wie in China in Frage gestellt. Gleichzeitig wirft die Entstehung einer von niemandem im Volk so bestellten Technokratenherrschaft in der Europäischen Union Fragen nach der Nachhaltigkeit demokratischer Strukturen auf.
Da dies arg ernüchternd klingt, will ich nun zum eigentlichen Thema kommen und mich der These vom „Ende der Geschichte“ anhand eines anderen Anschauungsobjekts widmen.
Die Rede ist vom BMW 326 – einem 1936 eingeführten Sechszylindermodell, das ich schon einmal anhand einiger Fotos besprochen hatte – einige Leser erinnern sich vielleicht an diese Aufnahme der Ausführung als Limousine:
BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Mit diesem geräumigen und gutaussehenden Modell war BMW nach wenigen Jahren endgültig in der gehobenen Mittelklasse angekommen.
Trotz der äußeren Ähnlichkeit fehlten dem 326 aber die sportlichen Attribute des legendären BMW 327 bzw. 328, der ab 1937 mit seinem 80 PS-Motor international Furore machte.
Der BMW 326 war eher als Konkurrent zum Fiat 1500 zu betrachten, der allerdings dieselben Fahrleistungen aus einem deutlich kompakteren und ebenfalls kopfgesteuerten Sechszylinder schöpfte. Wie der Fiat war der BMW als komfortabler Reisewagen ausgelegt.
Hier haben wir ein Exemplar mit der markanten Doppelstoßstange und der geteilten Frontscheibe mit Zulassung im südhessischen Heppenheim:
BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Worüber mag die junge Frau wohl sinniert haben, die neben dem BMW aufgenommen wurde – vielleicht darüber, wie „die Geschichte“ wohl weitergeht?
Wie es nun weitergeht, diese Frage konnte allerdings auch ganz konkret auf das Auto bezogene Züge annehmen – nämlich dann, wenn ein BMW 326 streikte, was eigentlich nicht geschehen sollte, zumal es sich um ein beinahe neues Automobil handelte.
Doch im Fall dieses im Raum Berlin zugelassenen Exemplars bereitet irgendetwas unter der Motorhaube dem Fahrer erkennbar Kopfzerbrechen:
BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks
Vermutlich war dieser Moment noch nicht das Ende der Geschichte – denn bei den damaligen Autos ließen sich Probleme meist schnell lokalisieren und beheben.
Wie die Geschichte für die meisten BMWs des Typs 326 kurze Zeit später weiterging, das ist indessen klar. Denn sofern die Besitzer keine unabweisbaren Gründe vorweisen konnten, mussten sie ihre Wagen ab Kriegsbeginn 1939 an das Militär abliefern.
Für die Illustration des weiteren Fortgangs hätte ich gern auf ein Foto zurückgegriffen, welches wiederum eine Limousine des BMW 326 zeigt. Dummerweise finden sich in meinem Bestand nur Aufnahmen von Cabriolet-Ausführungen, welche beim Militär zum Einsatz kamen.
Eine Aufnahme immerhin zeigt eine solche Version in geschlossenem Zustand, und zur Dokumentation soll dieses Exemplar genügen, mit dem sich ein Gefreiter der Luftwaffe hat ablichten lassen:
BMW 326 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Man kann hier gut erkennen, was den eingezogene Zivilwagen bei der Truppe blühte. Der hochglänzende Lack wich einer matteren Ausführung und die Chromteile bekamen meist ebenfalls eine Farbschicht verpasst, die aber im Einsatz bald wieder abblätterte.
So sorgt hier die hintere Radkappe fast schon wieder für eine glänzende Erscheinung, auch wenn der Wagen ansonsten bereits einige Spuren der Nutzung erkennen lässt. Welches Ende die Geschichte für viele beim deutschen Militär eingesetzten Zivil-PKW nahm, muss man nicht eigens ausführen.
Dank der für BMW-Verhältnisse recht hohen Stückzahlen des 326 (knapp 16.000) blieben bei Kriegsende aber noch etliche Exemplare übrig.
Außerdem hatten manche private Nutzer wie zum Beispiel Ärzte ihre Wagen über den Krieg retten können. So war die bedingungslose Kapitulation im Mai 1945 – die „Stunde Null“ oder auch „Der Zusammenbruch“ wider Erwarten doch nicht das Ende der Geschichte.
Das galt sowohl für Deutschland – trotz der riesigen Gebietsverluste, zerbombten Städte und dauerhaften Besetzung – als auch für die wackeren BMWs des Typs 326.
Dokumentieren möchte ich dies anhand einer weiteren Limousine. welche irgendwo Ende der 1940er oder Anfang der 1950er Jahre fotografiert wurde:
BMW 326 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Die Doppelstoßstangen sind irgendwann verlorengegangen, ebenso die Radkappen. Daher vermute ich, dass es sich um ein zuvor vom Militär genutztes Fahrzeug handelte, das bei Kriegsende herrenlos war und irgendwann neue Papiere und Besitzer erhielt.
Was im Mai 1945 in weiten Teilen Deutschlands wie das Ende der Geschichte erschienen haben mag, stellte sich ab Gründung der Bundesrepublik und dank der konsequenten marktwirtschaftlichen Reformen, die Deutschland den entscheidenden Startvorteil gegenüber den Nachbarn gaben, letztlich als erfolgreicher Neuanfang heraus.
Heute stehen wir,. so scheint es, an einem erneuten Wendepunkt der Geschichte: Von den einstigen Erfolgsfaktoren der Bundesrepublik ist fast nichts mehr übrig und die Krisensymptome sind allerorten unübersehbar.
Nur eines ist gewiss: „Das Ende der Geschichte“ gibt es nicht. Immer entsteht wieder etwas Neues, das möglicherweise wenig gemein hat mit dem Bisherigen.
Über welche Zeiträume und wie sich das auswirkt, ist ungewiss. Die Geschichte lehrt uns, dass Phasen des Niedergangs lange anhalten können. In manchen Fällen steht am Ende die Bedeutungslosigkeit wie etwa in Griechenland, wo einst alles seinen Anfang nahm…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog
Mit dem sensationell gezeichneten BMW 327 von anno 1937 geht für viele Liebhaber klassischer Formen die kurze Vorkriegszeit der so berühmten Automarke zuende.
Zwar kam 1939 noch der Typ 335 heraus, der ähnliche Linien aufwies, aber er war eher eine Variation über ein Thema, welches bereits seine Vollendung gefunden hatte.
Wir waren dem aus jeder Perspektive wirklich perfekt gezeichneten BMW 327 zuletzt in Form dieses Exemplars mit Zulassung im schlesischen Breslau begegnet, welches während des 2. Weltkriegs auf der damals verwaisten Autobahn aufgenommen worden war:
BMW 327 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ich hatte seinerzeit ungewöhnlich viel Geld für das Foto ausgegeben, wohl mehr als 20 EUR. Ich wollte es aber unbedingt haben, denn so etwas findet sich nicht alle Tage.
Dergleichen finanziellen Exzessen für ein Stück belichteten Papiers steht freilich gegenüber, dass ich für das Gros meiner Aufnahmen durchschnittlich nur rund einen 5er zahle. Über’s Jahr kommt auch so ein hübscher Betrag zusammen – neben den Kosten des Blogbetriebs.
Dass Sie dieses Material hier ohne Limit kostenlos genießen können, hat allerdings einen Preis: Sie müssen sich oft durch abwegige und langatmige Einleitungen durcharbeiten, bevor es zur Sache geht.
Ein Blog ist nun einmal kein Sachbuch oder eine sonstwie ernsthafte Abhandlung – es ist ein persönliches Tagebuch, in dem Dritte online mitlesen können (daher die Bezeichnung: web-log, kurz: blog).
Heute haben Sie allerdings Glück, sofern Ihnen nicht der Sinn nach komplizierten und subjektiven Präludien steht. Denn diesmal will ich gleich zum Punkt kommen – nicht zuletzt, weil der BMW 327 keiner dilettantischen Hinleitung bedarf.
Dieser Wagen war ein Kunstwerk auf Rädern und das lässt man am besten ohne viele Worte wirken. Nur auf eines sei hingewiesen: Das Auto, welches ich nun zeige, kennen manche von Ihnen bereits.
Ich hatte es vor bald drei Jahren anhand eines zauberhaften Frühlingsfotos präsentiert, welches in Verona vor dem berühmten römischen Amphitheater entstanden war:
BMW 327/28 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Damals hatten wir nur die Besitzerin des herrlichen, in München zugelassenen Wagens kennengelernt, während ihr Ehemann hinter der Kamera stand.
Ich hatte seinerzeit die Gelegenheit dazu genutzt, über die Qualitäten der Klassik zu fabulieren. Beschwerden diesbezüglich sind mir keine bekannt, ich scheine also nicht völlig danebengelegen zu haben.
Nun hat mir der Zufall – eine der bemerkenswerten Kräfte, die unser Leben prägen – mit ein paar Jahren Abstand ein zweites Bild desselben Wagens beschert.
Allerdings werde ich dieses Mal weniger Anlass haben, auf dem Thema Klassik herumzureiten, denn der BMW ist nun in einer Umgebung zu sehen, die das völlige Gegenteil repräsentiert.
Immerhin befinden wir uns noch in Italien, doch die Szenerie liefert nun ein Gebäude, das für den eher weniger landestypischen Stil der Gotik steht – der Mailänder Dom – und welches dennoch den angrenzenden Bau der Neo-Renaissance in den Schatten stellt:
BMW 327/28 in Mailand; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Man möchte nicht glauben, dass dieses wohlkomponierte Foto wirklich billigst zu haben war. Ich konnte mein Glück kaum fassen, zumal diesmal „sie“ auf den Auslöser drückte und wir nun auch wissen, wie „er“ aussah.
Im hellen, da staubunempfindlichen Reisemantel fuhr man einst im offenen Automobil, sofern die Temperaturen noch kein sommerliches Niveau erreicht hatten.
Ich weiß es natürlich nicht genau, aber ich stelle mir vor, dass dieses Foto nach der Aufnahme in Verona entstanden war, als unser Münchener BMW-Paar wieder auf dem Heimweg war.
Tatsächlich sieht „er“ schon wieder geschäftsmäßig aus, so als ob die im Norden wartenden Aufgaben ihre Schatten vorauswarfen:
Vermutlich ging hier der gemeinsame Urlaub in Italien zuende – von Mailand gelangte man mit dem hervorragend motorisierten BMW mühelos noch am gleichen Tag „heim ins Reich“.
Wenn Sie jetzt schlucken, dann kann ich Ihnen das nicht ersparen. Denn an der für die Völker Europas so fatalen Zeitgeschichte jener Tage kommen wir nicht vorbei.
Wie schon die Aufnahme in Verona so ist auch diese aus Mailand auf 1939 datiert. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Bilder die Dokumente des letzten Urlaubs für lange Zeit waren, welchen unser Paar genießen durfte.
Damals ging so ziemlich alles dem Ende zu – nicht nur die grandiose Geschichte der BMW-Vorkriegswagen. Ob und wie die beiden offenbar hervorragend situierten Besitzer den Krieg überstanden, wissen wir nicht.
Denkbar, dass sie den BMW behalten durften, weil er geschäftlich benötigt wurde. Ebenso möglich ist es, dass er für das Militär beschlagnahmt wurde und sie ihn nie wiedersahen.
Vielleicht waren diese Fotos alles, was dem Besitzerpaar von dem Wagen und vielleicht sogar von ihrer gesamten luxuriösen Vorkriegsexistenz blieb. 75 Jahre später erfreuen sie jedenfalls noch immer das Herz, wecken Sehnsucht, stimmen aber auch nachdenklich.
Jeder Urlaub im Leben (auch im übertragenen Sinne) geht einmal zuende – man darf sich bereits glücklich schätzen, wenn es nicht der letzte war.
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Das erste „echte“ Automobil aus dem Hause BMW hatte eigentlich alles mit auf den Weg bekommen, um es zum reinen Vergnügen für seine Käufer zu machen.
Beim ab 1931 gebauten Typ 3-20 PS der Marke handelte es sich nämlich nicht mehr um einen Wiedergänger des in die Jahre gekommenen Austin Seven, wie ihn BMW im Zuge der Übernahme der in Eisenach beheimateten Marke „Dixi“ im Jahr 1928 geerbt hatte.
Die mit einer britischen Lizenz gefertigten Dixi-Wagen des Typs DA1 3/15 PS wurden unter BMW-Aufsicht zwar noch eine Weile weitergebaut und in einigen Details weiterentwickelt.
Doch die von Anfang der 1920er Jahre stammende Konstruktion war bei allen Qualitäten nicht mehr zeitgemäß – da half auch das Propeller-Emblem von BMW nicht, welches den DA2 3/15 PS von 1929 zierte:
BMW DA2 3/15 PS; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch
Man sieht es dem Herrn neben seinem Wagen an – das Auto war nicht immer das reine Vergnügen.
BMW behielt beim Nachfolgetyp 3/20 PS nur die Steuer-PS bei, blieb also ungefähr in derselben Hubraumklasse (knapp 800 cm).
Der Motor selbst war eine Neukonstruktion, der über eine der Effizienz und Drehfreude dienende moderne Ventilanordnung (im Zylinderkopf hängend) verfügte, außerdem endlich über eine nicht länger nur nach dem Zufallsprinzip arbeitende Motorschmierung.
Um es vorwegzunehmen: Dieses kleine, aber feine Aggregat war das reine Vergnügen und sollte eine Tradition drehfreudiger und hoch belastbarer BMW-Motoren begründen.
Erfreulich war zudem, dass man beim neuen Typ 3/20 PS den Insassen weit mehr Platz spendiert hatte. Vorerst vorbei war nun auch in Deutschland die Zeit der Kleinstwagen, die eigentlich nur für zwei Personen geeignet waren. Nach dem Krieg fing man wieder dort an…
Hier haben wir die Limousine, welche den Wagen schon fast erwachsen wirken lässt:
BMW 3-20 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Kein reines Vergügen war allerdings die ungelenke und einfallslose Gestaltung der für das Marken“gesicht“ so wichtigen Frontpartie.
Ich hatte daher in einem früheren Porträt des Modells (hier) geschrieben, dass BMW seinerzeit in dieser Hinsicht noch auf der „Suche nach sich selbst“ war.
Dieses Urteil kann ich auch heute nicht revidieren, doch bieten sich nun einige Gründe mehr, den Wagen mit reinem Vergnügen in Verbindung zu bringen.
Den fabelhaften Motor hatte ich bereits erwähnt und ich kann nur empfehlen, diesbezüglich das zeitgenössische Votum des für seine furchtlosen und süffig geschriebenen Kritiken bekannten Motorjournalisten Josef Ganz zu lesen.
Den O-Ton findet man im kürzlich erschienen Buch „BMW – 1929 bis 1945“, das Altmeister Rainer Simons sowie Hagen Nyncke und Walter Zeichner verdanken ist.
Das fast 400 Seiten starke Werk hat seinen (wohlverdienten) Preis und ist das ideale Weihnachtsgeschenk für alle Freunde von BMW, aber auch deutscher Vorkriegsautos ganz allgemein. Was die Autoren in Wort und Bild dort ausbreiten, das ist das reine Vergnügen.
Was man bei der Lektüre ganz nebenbei erfährt, ist meines Erachtens so nirgends zu lesen. Beispielsweise erfährt man zum Typ 3-20 PS, dass dieser in der Cabriolet-Version Ledersitze besaß und verchromte Zierelemente an der Tür besaß.
Da sieht man den Wagen auf einem Foto wie diesem plötzlich mit ganz anderen Augen:
BMW 3-20 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Denn jetzt fällt einem auf, dass die markante Leiste entlang der Tür nachträglich überlackiert worden sein muss. Dass dort Teile der Verchromung sichtbar sind, war mir bislang völlig entgangen.
Vielleicht war man bei der Neulackierung nach dem Krieg hier einfach großzügig verfahren, zumal dieses Element schwierig abzukleben sein dürfte.
Nebenbei war es dieses Detail, das mir überhaupt erst die Identifikation des Wagens als BMW des Typs 3-20 PS erlaubte. Schon von daher bin ich für die Akribie der Macher des neuen BMW-Buchs dankbar.
Sie sehen, auch der merkwürdig gesichtslos erscheinende BMW 3-20 PS beginnt allmählich Charakter zu entfalten.
Am ehesten tut er das aber immer noch, wenn man sich ihm aus der Perspektive seiner einstigen Besitzer nähert wie auf dieser Aufnahme:
Am Mittelrhein (bei Kamp-Bornhofen); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Keine Sorge, liebe Leser, wir haben uns nicht verlaufen – der BMW befindet sich ganz in unserer Nähe. R(h)eines Vergnügen findet sich aber hier auch so.
Denn wir gehen gerade mit unserem Hund „Nero“ Gassi entlang der westlichen Rheinuferstraße etwas südlich der alten Römerstadt Boppard. Woher ich das weiß (einschließlich des Namens des Vierbeiners)?
Gemach, wir genießen noch ein wenig die Abendstimmung mit den langen Schatten, die von Westen ins Flusstal hineinragen. R(h)eines Vergnügen ist das, auch wenn dieser Abschnitt hier nicht sonderlich spektakulär erscheint.
Doch Nero hat jezt genug Auslauf gehabt – zudem wird es an den Stellen, welche die Abendsonne nicht mehr erreicht, bereits empfindlich kühl. Also machen wir kehrt und gehen zurück zum Wagen.
Noch einmal drehen wir uns um und werden Zeuge, wie die tiefstehende Sonne das gegenüberliegende Ufer in eine hochdramatische Szenerie verwandelt.
Während die Täler bereits vom Dunkel erfüllt werden, erstrahlt der kleine Ort am Ufer in märchenhafter Pracht:
Am Mittelrhein (bei Kamp-Bornhofen); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
R(h)eines Vergnügen ist das, isn’t it? Für romantische Ansichten wie diese reisten einst vermögende Engländer in Scharen in das sonst weniger geliebte Deutschland.
Neben wilder Landschaft waren zur Ruine gewordene Burgen unverzichtbares Element in solchen Veduten, die sich erst als Stiche, später als Fotografien bestens verkauften.
Kein reines Vergnügen war es mir übrigens herauszufinden, wo diese Aufnahme entstand. Da ich einst einige Jahre in Wiesbaden gewohnt habe, bin ich dank abendlicher Touren rheinabwärts etwas mit der Gegend vertraut und mir kam die Szenerie sehr bekannt vor.
Doch wollte mir der Name des Orts beziehungsweise der beiden Burgen partout nicht mehr einfallen. So brauchte es einige Recherchen, um wieder darauf zu kommen, dass wir hier die beiden „feindlichen Brüder“ oberhalb von Kamp-Bornhofen sehen.
Nachdem wir das geklärt haben, bleibt eigentlich nur noch eines, um abschließend sagen zu können: R(h)eines Vergnügen!
Wir sind nämlich mit Nero am Wagen angelangt und bevor es weitergeht, wird ein letztes Foto geschossen, das schwindende Licht reicht gerade noch dafür:
BMW 3-20 PS Cabriolet am Mittelrhein (bei Kamp-Bornhofen); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Drei Passagiere – der stolze Nero eingeschlossen – haben es sich bereits im BMW gemütlich gemacht. Auch wenn es von nun an kühler werden dürfte, bleibt das Verdeck unten, schließlich will man noch etwas sehen, bis es Nacht wird.
R(h)eines Vergnügen wie dieses bekam und bekommt man schließlich nicht alle Tage zu sehen. Und jetzt wissen wir auch, dass der Glanz auf der Zierleiste entlang der Tür nicht vom im Abendlicht erstrahlenden Lack stammt, sondern Chrom zu verdanken ist.
Die unvollendet wirkende Kühlerpartie kann man zwar auch hier nicht schönreden, aber sie verdeckt gnädig das Dunkel, das sich dort bereits breitmacht und bald auch den ganzen Wagen und seine Passagiere verschlucken wird, als sei das Ganze nur ein Spuk gewesen…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Zwar besitze ich selbst das eine oder andere Vorkriegsgefährt mit zwei und vier Rädern, doch über Erfahrung mit BMWs jener Zeit verfüge ich bislang noch nicht.
Meine BMW-Erlebnisse beschränken sich auf den gebrauchten Sechszylinder-Wagen, den ein Studienkollege Anfang der 1990er Jahre fuhr.
Von der betörenden Laufkultur und Kraftentfaltung dieser Motoren wissen inzwischen viele Zeitgenossen nichts mehr, welche mit hubraumarmen, aufgeladenen Drei- und Vierzylindern sozialisiert wurden. Aber was man nicht kennt, vermisst man auch nicht.
Was die Sechszylinder-Modelle von BMW aus den 1930er Jahren angeht, bin ich auf die Einschätzungen in der Literatur angewiesen. In dem Zusammenhang sei auf ein 2022 neu erschienenes Buch verwiesen, das neben mir liegt, während ich diese Zeilen schreibe:
Dabei handelt es sich um das Werk, welches den lange ersehnten Anschluss an „Entwicklungsgeschichte der BMW-Automobile von 1918-32“ von R. Simons und W. Zeichner darstellt.
Wer beim aufgerufenen Preis zunächst schluckt, wird auf über 400 Seiten reich entlohnt: Die enorme Bilderfülle, die drucktechnische Qualität und die Gestaltung suchen ebenso ihresgleichen wie der gefällige und zugleich von überragender Sachkunde zeugende Text.
Einen verdeckten Mangel konnte ich nach erster Durchsicht an diesem Schwergewicht der neueren Literatur zu deutschen Vorkriegswagen beim besten Willen nicht entdecken.
Im Gegenteil legen die Verfasser die Latte sehr hoch für alle, die seit langem eine Monografie zu deutschen Vorkriegsmarken abliefern könnten, aber entweder nicht fertigwerden oder gehemmt von „German Angst“ erst gar nicht anfangen.
So muss ich mich heute – was einen verdeckten Mangel in Sachen Vorkriegs-BMW angeht – auf das folgende Foto beschränken, welches ich dieser Tage frisch erworben habe:
BMW 315 Vierfenster-Cabriolet: Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die auf sechs Felder verteilten und mit einer waagerechten Zierleiste akzentuierten Luftschlitze in der Motorhaube finden sich nur an frühen Exemplaren des 1934 eingeführten BMW 315.
Dieser besaß einen gegenüber dem Vorgängermodel 303 aufgebohrten (1,5 Liter) und auf 34 PS erstarkten Sechszylinder mit kopfgesteuerten Ventilen, dem eine außergewöhnliche Drehfreude zugeschrieben wird.
In Verbindung mit dem Wagengewicht von etwas mehr als 800 kg war damit eine achtbare Beschleunigung möglich, das Spitzentempo betrug 100 km/h.
Die BMW-Freunde mögen es mir verzeihen, aber so fürchterlich spritzig erscheint das in der Papierform letztlich nicht. Der Sechszylinder-Fiat 1500 leistete ab 1935 bei identischem Hubraum satte 45 PS und war für eine Höchstgeschwindigkeit von 115 km/h gut.
Aber bleiben wir beim BMW 315, dessen Hersteller anno 1934 in Sachen PKW-Bau noch in die Lehre ging, während Fiat jahrzehntelange Erfahrung vorweisen konnte.
Formal betrachtet lässt sich an der Frontpartie des BMW nur wenig aussetzen:
Die Doppelniere am Kühler steht dem Wagen ebenso gut wie die vollverchromten tropenförmigen Scheinwerfer.
Etwas grob und fremd wirken dagegen die Luftschlitze. Die Idee, sie in Anlehnung an die Zylinderzahl auf sechs Gruppen zu verteilen, ist nicht schlecht. Doch erscheinen diese wie aufgesetzt und ihre Neigung entspricht nicht der dynamischen Ausrichtung anderer Elemente wie der Türvorderkante und der Frontscheibe.
Später wurden die Luftschlitze am BMW 315 horizontal ausgerichtet, was stimmiger wirkte.
Wirklich beanstanden muss man an dem Exemplar indessen einen ganz anderen Mangel, welcher im übertragene Sinne „verdeckt“ war. Er betraf nämlich die schlampige Handhabung des niedergelegten Verdecks:
Während die Damen sich um die Aufmerksamkeit des Fotografen bemühen, entgeht dem Beobachter nicht, dass beim Niederlegen des Verdecks etwas schiefgelaufen sein muss.
Ich weiß nicht, wie man es hinbekommt, das Verdeck so liederlich herabhängen zu lassen und gleichzeitig das Gestänge so hochaufgetürmt zu lassen, dass man nach hinten nichts sieht.
Könnte das ein „verdeckter“ Mangel gewesen sein, dass man beim Öffnen des Verdecks des BMW 315 unbeabsichtigt ein solches Ergebnis zustandebringen konnte?
Jedenfalls erscheint es nach dem Eindruck, den dieses Foto hinterlässt, keine gute Idee, die dem BMW 315 zugeschriebene sportliche Note im offenen Zustand zu erproben…
Vielleicht hat ja ein sachkundiger Leser eine Idee, wie sich im Fall eines solchen „Verdeck“ten Mangels an einem BMW 315 hätte Abhilfe schaffen lassen…
Nachtrag: Rainer Simons (Co-Autor des oben erwähnten BMW-Buchs) liefert mir noch folgenden Hinweis:
Alle Limousinen, Cabriolmousinen und Rolldach-Limousinen der BMW-ypen 303, 309, 315 und 319 wurden bei Daimler Benz in Sindelfingen karossiert, alle zwei- und viersitzigen „Werks-Cabriolets“ dagegen anfänglich bei Reutter, später aus Kapazitätsgründen in Eisenach mit Zulieferung einzelner Komponenten von Reutter. Einzige Ausnahme von dieser Trennung waren die Tourenwagen, die zwar in Sindelfingen gefertigt wurden, aber stilistisch mit vorne angeschlagenen Türen dem ursprünglichen Reutter Entwurf folgten.
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Bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautomobilen speziell deutscher Provenienz stößt man früher oder später auf das schwer begreifbare Nebeneinander einer an Sinnlichkeit kaum überbietbaren Karosseriegestaltung in den 1930er Jahren und dem Einsatz solcher Fahrzeuge in der lebensfeindlichsten Betätigung schlechthin – im Krieg.
Heute möchte ich ein Originalfoto vorstellen, dass diesen unauflösbaren Widerspruch zwischen der Feier der Schönheit und dem Regiment des Todes ohne Worte verkörpert.
An dieser Aufnahme waren naheliegenderweise auch einige andere Enthusiasten interessiert, was einen beherzten finanziellen Einsatz erforderte. Dabei war das Fahrzeug als solches gar nicht so selten – knapp 1.400 Exemplare davon wurden gebaut.
Die Rede ist vom BMW 327, welcher ab 1937 als offener bzw. geschlossener Zweisitzer gefertigt wurde und einen kopfgesteuerten Sechszylindermotor besaß, dessen 55 PS ein Spitzentempo von 125 km/h ermöglichten.
Damit war der Wagen für den Einsatz auf den Reichsautobahnen geradezu ideal geeignet. Nur sehr wenige Konkurrenten aus deutscher Produktion konnten da mithalten.
So erscheint es konsequent, ein Exemplar in der Ausführung als Cabriolet einsam auf der Autobahn abgelichtet zu finden:
BMW 327 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wenn es einen BMW gibt, der für mich diese Automarke in Vollkommenheit verkörpert, dann ist es der Typ 327.
Man darf davon ausgehen, dass diese aus jedem Blickwinkel perfekt gestaltete Skulptur auf vier Rädern im Urteil des Publikums noch heute alle Konkurrenten aus dem gleichen Hause in den Schatten stellen würde – selbst den Typ 507, der zwar ebenfalls sensationell aussah, aber formal gesehen keine deutsche Karosseriebautradition verkörpert.
Der BMW 327 dagegen repräsentierte eine zur Vollkommenheit gebrachte Linie, die sich bis auf den Typ 303 von 1933 zurückführen lässt. Wohl nie zuvor und nie wieder danach hat ein Serienhersteller binnen so kurzer Zeit eine so steile Lernkurve absolviert.
Man fragt sich, ob der Höhepunkt des gestalterischen Könnens – nicht nur in Deutschland – nur zufällig einem zivilisatorischen Absturz ohnegleichen vorausging, der sich übrigens bereits mit dem Wetterleuchten des Spanischen Bürgerkriegs ab 1936 ankündigte.
Jedenfalls fand die grandiose Automobil-Entwicklung spätestens dann ihr Ende, als mit der fast zeitgleichen Invasion Polens durch das Deutsche Reich und die Sowjetunion im September 1939 der Zweite Weltkrieg begann.
Der BMW 327 auf dem heute präsentierten Foto wurde allerdings in einer deutlich fortgeschritteneren Phase des Kriegs abgelichtet – zu einer Zeit, als die rücksichtslose Kriegführung Deutschlands und seiner Verbündeten im Osten seine Entsprechung im gnadenlosen angloamerikanischen Bombenkrieg gegen Zivilisten im Westen fand.
Von dem ausdrücklich auf Vernichtung der städtischen Bevölkerung angelegten „area bombing“ ausgenommen blieben bis kurz vor Kriegsende nur die weit östlich gelegenen Gebiete, insbesondere Nieder- und Oberschlesien.
Der Grund dafür war die mangelnde Reichweite der alliierten Bomberverbände. Erst im späteren Kriegsverlauf – etwa ab Sommer 1944 – begannen dann Angriffe auch auf die bis dato völlig verschonten schlesischen Siedlungs- und Industriegebiete.
Aus dieser Zeit dürfte diese Aufnahme stammen, wie zwei Details verraten:
Da wäre zunächst das Kennzeichen zu nennen, das auf eine Zulassung in der schlesischen Metropole Breslau verweist.
Diese besaß übrigens – wie das naheliegende Liegnitz (die Heimatstadt meiner Mutter) – einen Autobahnanschluss, was dafür spricht, dass das Foto im Raum Breslau entstand.
Entscheidend ist aber das Abzeichen unterhalb des „Notek“-Tarnscheinwerfers am Kotflügel in Fahrtrichtung links. Darauf ist eine stilisierte Fliegerbombe zu sehen – ein Abzeichen, das dem Wagenbesitzer Vorrangrechte in von Luftangriffen betroffenen Gebieten einräumte (Quelle).
Demnach dürfte es sich um den Wagen einer kriegswichtigen Privatperson gehandelt haben, die ab Sommer 1944 in Schlesien in unbekannter Mission unterwegs war. Vielleicht handelte es sich um jemand, der zu Reorganisation wichtiger von Luftangriffen betroffenen Industrien benötigt wurde.
Wie dem auch sei – als dieses Dokument entstand, hatte man es wohl nicht eilig. So hielt man in der fortgeschrittenen Phase des Kriegs einen friedlichen Moment auf der leergefegten Reichsautobahn fest. Noch einmal triumphiert hier die reine Schönheit.
Es ist bloß ein Stück belichtetes Papier, doch was darauf an Zeitgeschichte festgehalten ist, ist schwer in Worte zu fassen. Wie immer interessieren mich die Gedanken meiner Leser dazu.
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„Erkenne Dich selbst“, so stand einst auf dem antiken Apollon-Tempel im griechischen Delphi. So zeitlos die Forderung auch ist, so weit weg geht es heute von der Welt der alten Griechen. Nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in ästhetischer.
Denn es fällt zumindest mir äußerst schwer, den Gegenstand dieses Blog-Eintrags in irgendeiner Weise mit klassischer Schönheit in Verbindung zu bringen. Das liegt daran, dass einst jemand noch auf der Suche nach sich selbst war.
Dieser „jemand“ war eine frischgebackene Autofirma namens BMW. Nach der Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach im Jahr 1929 baute man noch eine Weile den ausgereiften und bewährten Dixi 3/15 PS weiter, einen Lizenznachbau des Austin Seven.
Der war gegen Ende der 1920er Jahre nicht mehr taufrisch, hatte aber auf jeden Fall eines: Charakter und ein eigenes Gesicht – wie dieses überlebende Exemplar belegt:
Dixi 3/15 PS von 1928; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Nach der Übernahme der Dixi-Produktion bastelte BMW eine Weile am Originalentwurf, ohne diesen jedoch wesentlich hinter sich zu lassen, um es vorsichtig auszudrücken.
Einige Einfälle der BMW-Mannen scheinen auch veritable Fehlkonstruktionen gewesen zu sein, so liest man es in der Literatur. Es sollte bis 1932 dauern, bis BMW etwas zustandebrachte, was zumindest wie etwas Neues aussah.
Das gilt jedenfalls, wenn man sich die Limousinenausführung von der Seite betrachtet, mit welcher der neukonstruierte BMW 3/20 PS seinerzeit erschien:
BMW 3/20 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Besondere Mühe hatte man sich mit dem Motor gemacht, der nun 20 PS aus 800ccm herausquetschte, was für Spitze 80 km/h ausreichte. Damit konkurrierte man beispielsweise mit dem ebenfalls 1932 erschienenen Fiat 508 (20 PS aus 950ccm).
Im Unterschied zu diesem hatte man jedoch eines vergessen und das mag dazu beigetragen haben, weshalb Fiat von seinem Einstiegsmodell über 40.000 Stück binnen zwei Jahren absetzen konnte, BMW dagegen nur gut 7.000 Exemplare.
Der BMW 3/20 PS besaß nämlich praktisch kein „Gesicht“, sondern nur eine leer wirkende Kühlermaske:
BMW 3/20 PS Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Als ich dieses Foto fand, dachte ich zunächst, dass der eigentliche Kühlergrill hinter einem nachträglich montierten Steinschlagschutz verborgen war oder Schaden genommen hatte, weshalb man mit einem banalen Metallgitter improvisiert hatte.
Erst später ging mir auf, dass BMW hier noch auf der Suche nach sich selbst als Automarke war, weshalb man sich noch für keinen markentypischen Kühler entscheiden konnte.
Dabei hatte man in anderen Details durchaus ein glückliches Händchen, wenn es darum ging, den Eindruck eines erwachsenen Autos zu erwecken. Hier haben wir beispielsweise ein Cabriolet auf Basis des BMW 3/20 PS, das durchaus repräsentativ wirkt:
BMW 3/20 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bei dieser Aufnahme aus der frühen Nachkriegszeit hatte allerdings auch jemand ein gutes Auge für die richtige Perspektive und den passenden Bildausschnitt.
Es gab übrigens noch eine weitere Karosserieversion neben Limousine, Cabriolimousine und Cabriolet – einen Tourenwagen!
Man glaubt es kaum, dass der automobile Neuling BMW diese Anfang der 1930er Jahre kaum noch nachgefragte Ausführung anbieten zu müssen meinte.
Wer auch immer für die Gestaltung der Tourenversion verantwortlich war, kann von der Sinnhaftigkeit seines Tuns jedenfalls nicht sehr überzeugt gewesen sein – ich wüsste keinen Tourer, der so unharmonisch wirkt wie dieser:
BMW 3/20 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Zum einen haben wir hier abermals die leer wirkende Kühlerfläche, die förmlich darauf wartet, irgendwie strukturiert zu werden oder zumindest einen schön geschwungenen Schriftzug zu erhalten.
Viel ungeschickter ließ sich die Frontpartie eines Vorkriegswagens kaum gestalten. Man vergleiche den BMW einmal mit einem deutschen Konkurrenten – dem ebenfalls von 1932-34 gebauten DKW F2.
Der besaß nicht nur ein modernes Frontantriebskonzept, wenngleich in Verbindung mit einem Zweizylinder-Zweitakter, sondern hatte auch ein „Gesicht“ mit hohem Wiedererkennungswert und sorgfältiger Durchgestaltung:
DKW F2 von 1934; Originalfoto aus Sammlung Jorczyk
Wer böswillig ist, könnte glatt vermuten, dass DKW der später für BMW so typischen Doppelniere am Kühler hier schon näher war als die Bajuwaren, die sich in Eisenach mit der für sie neuen Welt des Automobilbaus erst anfreunden mussten.
Vor allem aber fiel der Tourenwagenaufbau des BMW 3/20 PS vollkommen einfallslos und geradezu plump aus. Seitenansichten dieser speziellen Ausführung in der Literatur erinnern sogar an rein funktionale Linien wie bei militärischen Kübelwagen.
Doch schon aus dieser Perspektive missfällt das Fehlen jedweder die Längsachse betonender Gestaltungselemente:
Die riesig wirkende, beinahe quadratische Tür verhindert zuverlässig, dass das Auge entlang der Wagenflanke entlanggeführt wird. Außerdem hätte der Oberkante der Karosserie irgendeine Art von Profil gutgetan.
So wirkt das ganze Fahrzeug merkwürdig unfertig und uninspiriert – ganz offensichtlich war BMW hier noch auf der Suche nach sich selbst. Dass man am Ende seine Identität auch in gestalterischer Hinsicht fand, ist natürlich bekannt.
Ein hinreißendes Beispiel dafür will ich gelegentlich vorstellen…
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Der Begriff der Klassik ist vielschichtig – je nach dem, auf welche Sphäre er sich bezieht, hat er unterschiedliche Facetten.
Mal ist es das Klare, Schnörkellose, den Exzess Vermeidende – mal das Bleibende, Grundsätzliche, der Mode Entrückte – mal das Kluge, Weise, überzeitlich Wahre.
Ein jeder verbindet etwas mit klassischer Baukunst, klassischer Musik oder Dichtung, klassischer Eleganz und klassischer Schönheit. Selbst wenn man es vielleicht nicht sonderlich schätzt, weiß man: Das Klassische ist etwas Edles, dem Alltag Enthobenes.
Heute habe ich Gelegenheit, das Thema des Klassischen durch die Zeiten zu verfolgen – anhand eines BMWs. Das mag abwegig klingen, wenn man die teils monströsen Hervorbringungen der Marke in jüngster Zeit betrachtet.
Doch geht es heute um „den“ klassischen BMW schlechthin, für mich das ikonischste Produkt der Marke mit dem Propelleremblem auf vier Rädern:
BMW 327 in Verona; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier wirkt er fast verloren – der ab 1937 gebaute BMW 327 in der Cabrioversion – aufgenommen im Jahr 1939 vor der römischen Arena in Verona – einer Stadt voller Relikte der klassischen Antike, die zugleich voller modernen Lebens ist.
Ein Paar aus München war einst mit dem feinen BMW über die Alpen gekommen und genoss in Verona den Frühling 1939, ohne zu wissen, dass es der letzte vor Beginn des Zweiten Weltkriegs sein würde.
Die überhaupt nicht teutonisch schwerfälligen Linien des Wagens fanden auch einheimische Bewunderer wie diesen Flaneur – der mit perfekt sitzendem leichten Anzug selbst eine klassische Erscheinung war:
Diese Eleganz erreichte man bei BMW nur noch einmal – mit dem legendären 507 der 1950er Jahre, der es mit den Kreationen italienischer Blechcouturiers aufnehmen konnte.
Doch dazwischen lag der Zweite Weltkrieg und ein Kulturbruch, von dem sich Europa nie wieder ganz erholt hat. Fünf Jahre, nachdem dieser BMW Verona seinen Besuch abgestattet hatte, hinterließen andere deutsche „Gäste“ in der Stadt ihre Spuren.
Auf dem Rückzug vor den unaufhaltsam nach Norden vorrückenden Truppen der Alliierten verließen deutsche Wehrmachtseinheiten im April 1945 Verona und sprengten bei der Gelegenheit die Mittelbögen der im Kern römischen „Ponte Pietra“ über die Etsch:
Ponte Pietra in Verona im Jahr 2013, Bildrechte: Michael Schlenger
Die Brücke wurde in den 1950er Jahren in der ursprünglichen Form wieder aufgebaut, wobei das Baumaterial erkennen lässt, welche Teile antik sind und welche rekonstruiert.
Das Fortleben der klassischen Schönheit dieser Steinbrücke ist der erste Beleg für den „Triumph der Klassik“, welcher der Titel meines heutigen Blog-Eintrag ist.
Wer sich mit antiken Brücken beschäftigt, weiß dass diese auch nach 2.000 Jahren oft noch modernem Verkehr gewachsen sind – ganz nach dem Motto des römischen Baumeisters Vitruv, wonach ein Bauwerk solide, funktionell und schön gestaltet sein muss.
Die Moderne beschränkt sich meist auf’s Funktionelle mit dem Ergebnis, dass Brücken der Neuzeit nur selten erbaulich sind und noch seltener dauerhaft. Das gilt speziell für den Pfusch bei öffentlichen Bauten der 1970er Jahre, der massenhaft Abrisse nach sich zieht.
Doch bis man so weit heruntergekommen war, dauerte es einige Zeit. Erst musste man das Land nach dem Krieg wiederaufbauen, bevor man es nach radikalem Bruch mit allen Traditionen – auch den positiven – erneut zugrunderichten konnte.
Noch in den frühen Nachkriegsjahren waren die alten Standards lebendig – so war es in einer gewöhnlichen Autowerkstatt möglich, einem in die Jahre gekommenen und etwas mitgenommenen BMW ein zweites Leben einzuhauchen – technisch wie blechseitig:
BMW 327/28 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier erstrahlt ein BMW in derselben Cabrioversion wie der einst in Verona aufgenommene Wagen des Typs 327 in neuem Glanz.
Das Kennzeichen aus der britischen Besatzungszone Niedersachsen verweist auf die späten 1940er bzw. frühen 1950er Jahre. Etwas Besseres als dieses Fahrzeug war am deutschen Markt neu praktisch nicht zu bekommen.
Mit nachgerüsteten Blinkern statt der bisherigen Winker ausgestattet war dieser BMW 327/28 mit seinem sportlichen Sechszylindermotor mit 80 PS immer noch konkurrenzfähig – und natürlich wunderschön. Vom sonst optisch identischen BMW 327 mit 55 PS unterscheiden ihn die zusätzlichen Luftschlitze in der Oberseite der Motorhaube.
Überspringen wir die nächsten zwanzig Jahre des Wirtschaftswunders, dann begegnen wir einem weiteren Überlebenden dieses wohl klassischsten BMW in den 1970er Jahren:
BMW 327 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Man sieht hier nun Vertreter der Nachkriegsgeneration in merkwürdigen Posen um dieses klassische Fahrzeug herumstreunen, als ahnten sie, dass es etwas Besonderes ist – doch scheinen sie damit nichts Rechtes anzufangen wissen.
Der BMW trägt dieses Defilée moderner Zeitgenossen mit der stoischen Ruhe des klassischen Philosophen, der weiß, dass man seine Lehren einst wieder schätzen wird.
Wer wie manche Geschichtsphilosophen davon überzeugt ist, dass sich das Weltgeschehen in Zyklen vollzieht, in denen es nicht immer nur vorwärtsgeht, sondern bisweilen auch retour, den überrascht nicht die Renaissance dieser klassischen Wagen in der Gegenwart.
Ein besonders schönes Beispiel für den Triumph der Klassik über den Zeitgeist habe ich vor einigen Jahren anhand eines anderen BMW dieses Typs dokumentieren dürfen. Anlass dazu gab folgende Aufnahme eines 327 in Coupé-Ausführung aus dem 2. Weltkrieg:
BMW 327 Coupé; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger (heute im Besitz von Felix Bühler)
Die Geschichte dieses sehr speziellen BMW ist hier nachzulesen – sie ist vielleicht bislang mein bester Beleg für den „Triumph der Klassik“ in automobiler Hinsicht.
Losgelöst von der Sphäre des klassischen Automobils glaube ich, dass gewisse Werte, Errungenschaften und Schöpfungen dem ewigen Anbranden des Zeitgeistes widerstehen und selbst Phasen überdauern können, in denen es wenig Anlass zur Zuversicht gibt.
In mancher Hinsicht mag eine Renaissance des Klassischen indessen länger auf sich warten lassen, als das bei Vorkriegswagen der Fall ist…
Heute fand im Thüringer Landtag erneut die Wahl des Ministerpräsidenten statt – diesmal fiel das Ergebnis so aus, wie von Berlin erwartet. Nostalgische Erinnerungen an den Demokratischen Zentralismus wurden wach.
Beruhigt kann sich der Bürger wieder ins Private zurückziehen. Die Beschäftigung mit Vorkriegsautos eignet sich dazu hervorragend, so zerstreut man störende Gedanken.
Regional betrachtet bleibe ich in meinem heutigen Blogeintrag in Deutschlands Osten – zumindest nehme ich das an. Anknüpfen will ich dabei an diese Aufnahme eines BMW 326 Cabriolets, die ich vor einiger Zeit hier vorgestellt habe:
BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses viertürige Cabriolet auf Basis des BMW 326 – gebaut ab 1936 – wurde einst bei Jena abgelichtet. Auch das Kennzeichen verweist auf Thüringen, stelle ich gerade mit Bestürzung fest – so wird das nichts mit der Flucht vor dem Tagesgeschehen.
Offenes Verdeck geht um diese Jahreszeit auch nicht, viel zu leichtsinnig, zumal die Partei des Thüringer Ministerpräsidenten es auf Reiche abgesehen hat – ist ja zum Schießen! Außerdem wird hier ein traditionelles Frauenbild beschworen. Unverzeihlich.
Also ein neuer Versuch, diesmal muss das Ergebnis stimmen. Gewünscht wird ein BMW 326 Cabriolet mit vier Türen und geschlossenem Verdeck, ohne Hinweis auf regionale Zugehörigkeit, gern vor romantischer Kulisse, damit es auch ein schönes Bild gibt.
Anweisungverstanden, lässt sich arrangieren. Im vorliegenden Fall liegt das Arrangement zwar schon eine Weile zurück, aber man darf auch hier sagen: geliefert wie bestellt.
BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diesmal gibt es keinen Grund zur Beanstandung. Spätestens auf den dritten Blick bestätigt sich: Das ist das gewünschte viertürige BMW 326 Cabriolet, die einfacheMehrheit der Details spricht dafür – das muss an dieser Stelle genügen.
Das geschlossene Verdeck macht sich äußerlich viel besser als ein offenes – man muss nicht immer gleich alles preisgeben, das müssen auch Anhänger einer liberalen Auffassung zugeben. Was die Insassen vorhaben, ist zu diesem Zeitpunkt schwer zu erkennen. Der Fahrer scheint ein entferntes Ziel ins Visier genommen zu haben.
Immerhin wirkt die Geste der geöffneten Tür vertrauenerweckend, überhaupt mutet die ganze Situation bieder und freundlich an. Die Szenerie mit Burg im Hintergrund und einsamer Autobahn könnte kaum schöner sein, ganz nach deutschem Geschmack.
Viel mehr lässt sich diesem alten Stück kaum abgewinnen – man hat so etwas schließlich schon oft genug gesehen, auch wenn es eine Weile länger her sein mag.
Hübsch inszeniert wurde das Ganze aber – das muss man zugeben. Die friedlich anmutende Landschaft im Hintergrund gibt eine perfekte Kulisse ab. „Foto Hergl, Kirchberg in Sachsen“ so lautet der Stempel auf der Rückseite des Abzugs.
Kann man aus der Angabe auf den wahren Ort schließen und darauf, wohin die Reise ging? Ich habe meine Zweifel. Diese hübsche Inszenierung kann überall in deutschen Landen entstanden sein. Wer weiß, wohin die nächste Ausfahrt führt…
Weiß es jemand genau? Das hätte Charme, denn dann könnte man in dem Foto einfach ein historisches Reisefoto sehen, nicht eine Parabel auf eine Begebenheit der Gegenwart.
Heute kommen wieder die Freunde der ganz frühen BMW-Automobile auf ihre Kosten. Doch es lohnt sich auch für sonstige Liebhaber historischer Mobilität bis zum Schluss dranzubleiben – denn dort lockt ein Buchtipp der besonderen Art.
BMW-Kenner werden mit der Typbezeichnung DA2 3/15 PS nicht unbedingt als erstes die pure Reiselust verbinden.
Vielmehr werden die meisten daran denken, dass der automobile Erstling mit BMW-Propelleremblem fast noch ein – nach Lizenz von Austin – gebauter braver Dixi war. Die verschuldeten Eisenacher Dixi-Werke hatte BMW 1928 übernommen.
So kam es, dass die ersten von BMW verkauften Autos im Volksmund Dixis blieben, auch wenn die Münchener Zentrale die Bezeichnung vermied.
Hier zum Vergleich ein originaler Dixi aus der Zeit vor der BMW-Übernahme:
Dixi Typ DA1 3/15 PS; Bildrechte: Michael Schlenger
Nachdem BMW den Dixi DA1 3/15 PS noch kurze Zeit unverändert weitergefertigt hatte, bot man ab 1929 einen vor allem äußerlich leicht überarbeiteten Typ DA2 an.
Das markanteste Merkmal waren sicher die horizontalen Luftschlitze in der Haube. Doch auch an anderer Stelle hatte sich einiges getan. So war das Trittbrettzugunsten eines breiteren Innenraums weggefallen.
Für die Limousine ließ BMW einen etwas moderner wirkenden Ganzstahlaufbau vom Ambi-Budd-Presswerk in Berlin fertigen, den wir hier sehen:
BMW Typ DA2 3/15 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Verbreiteter – weil billiger – blieben jedoch die offenen Versionen, von denen schon zu Dixi-Zeiten verschiedene angeboten wurden.
Neben einer Tourenwagenausführung, von der mir bislang leider noch keine vor die Flinte gekommen ist, leistete sich BMW nun den Luxus von drei Cabriolet-Aufbauten.
Die großzügigste – mit drei bis vier Sitzen – ist hier zu sehen:
BMW Typ DA2 3/15 PS, 3/4-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese hübsche Foto erzählt von einem zweifellos angenehmen Wochenendausflug, doch von regelrechter Reiselust ist hier wenig zu verspüren.
Dasselbe gilt für die nächste Aufnahme, die das zweisitzige Cabriolet des BMW DA2 3/15 PS zeigt – aufgenommen auf der Kaiserstraße im hessischen Friedberg, wo ich einst zur Schule gegangen bin:
BMA Typ DA2 3/15 PS- 2-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Besitz von Trude Bucher
Im feschen Dress neben dem BMW posieren, stand hier im Vordergrund. Auch dieser Wagen wurde nur lokal ausgefahren, möchte man angesichts des Formats meinen.
Nun, wir werden sehen, wie anders die Wahrnehmung der Besitzer dieser Autos war, die dadurch eine fast unbegrenzte Erweiterung ihres Horizonts erfuhren – im wahrsten Sinne des Wortes!
Eine erste Annäherung stellt folgende Aufnahme dar; auch sie habe ich wie alle bisher gezeigten schon einmal besprochen.
BMW Typ DA2 5/13 PS; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch
Hier befinden wir uns auf einsamer Landstraße und der BMW – wiederum eine offene Version – scheint Anlass für einen unfreiwilligen Halt gegeben zu haben:
Immerhin verweist das Berliner Kennzeichen nun auf die Möglichkeit, dass sich jemand mit dem 15 PS-Wagen durchaus weiter von der „Zivilisation“ entfernt hat.
Warum auch nicht? Schließlich gehörte der BMW DA2 5/13 PS dank der bis ins Jahr 1922 zurückreichenden Austin Seven-Gene zu den ausgereiftesten Autos seiner Klasse. Und die unerschrockenen Briten gingen damit traditionell ja auch auf Reisen.
Weshalb also nicht auf große Tour gehen mit so einem Wagen und dabei noch gute Figur machen? Das mögen sich schließlich die Besitzer eines besonders hübschen BMW DA2 3/15 PS gedacht haben, den die nächste Aufnahme zeigt:
BMW Typ DA2 3/15 PS, 2-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch das ist „nur“ ein BMW DA2 3/15 PS in der Ausführung als zweisitziges Cabriolet.
Doch hier wird nicht nur Reiselust spürbar, sondern beinahe ein Hauch von Luxus. Neben der adretten Dame, die vielleicht von Vorfreude erfüllt vor sich hinzuträumen scheint, hinterlässt der feine Hutkoffer einen fast mondänen Eindruck.
Dazu passend sind hier als Extra große Chromradkappen auf den Radnaben montiert, die genau die Größe der Bremstrommeln haben und diese so kaschieren.
Abgesehen davon, dass dies ein mit sehr viel Liebe festgehaltener Moment ist, der an Ausdruck manches Werksfoto in den Schatten stellt, wird spätestens hier deutlich:
Die Besitzer eines BMW DA2 5/13 PS waren keine armen Schlucker, tatsächlich wies sie im damaligen Deutschland schon der Besitz selbst des kleinsten Automobils als privilegiert aus.
Im vorliegenden Fall scheinen wir es zudem mit Zeitgenossen zu tun haben, die besonderen Sinn für schöne Nebensächlichkeiten besitzen, oder? Nein, denn so machte man sich einst selbstverständlich zurecht, wenn es auf Reisen ging.
Wohin mag es das Paar einst getrieben haben, nachdem diese Aufnahme gemacht war? Das wissen wir leider nicht. Doch im Fall anderer reiselustiger Landsleute mit BMW DA2 3/15 PS lässt sich das recht genau sagen:
Auf den ersten Blick lässt dieses Foto sehr zu wünschen übrig, auch wenn sich Freunde des BMW „Dixi“ sicher über jede „neue“ Aufnahme freuen.
Leser und Dixi-Enthusiast René Förschner weist übrigens mit Recht darauf hin, dass wir auch einen Typ DA4 vor uns haben könnten. Er besaß eine neuentwickelte Vorderachse, die im Unterschied zum DA2 den hier erkennbaren leichten Sturz der Räder bewirkte.
Keine Sorge, es kommt noch deutlich besser, auch wenn der BMW dann nur mehr eine Randerscheinung sein wird.
Kurios ist, dass im Moment der Aufnahme ein junger Mann auf dem Fahrrad durch’s Bild und zwischen den Besitzern des Wagens hindurch fährt. Er scheint die Situation gar nicht bemerkt zu haben, kommt nun aber ebenfalls zu spätem Ruhm…
Dem Kennzeichen nach zu urteilen, waren hier Automobilisten aus dem Raum München unterwegs. Doch woher wissen wir, dass sie nicht bloß einen Ausflug ins Umland unternahmen, sondern sich der puren Lust am Reisen im eigenen Automobil hingegeben hatten?
Die Antwort liefert das eigentliche Foto, aus dem obiger Ausschnitt stammt:
BMW Typ DA2 3/15 PS Cabriolet an der Axenstrasse (Schweiz); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bei wievielen Betrachtern mag dieses gekonnt aufgebaute Bild spontan die richtigen Assoziationen auslösen?
Ich selbst rätselte jedenfalls eine ganze Weile vergebens, bis mir ein Sammlerfreund – Raoul Rainer aus Stuttgart– den Hinweis gab, dass das Foto einst an der Axenstrasse in der Schweiz entstand.
Dabei handelt es sich um einen entlang der Ostseite des Urnersees führenden wichtigen Abschnitt der zum Gotthardpass führenden Fernverbindung.
An einer der Galerien der 1865 fertiggestellten Axenstrasse hatte von 1911 bis 1939 der Fotograf Michael Aschwanden sein Freiluftatelier.
In diesem Zeitraum fertigte er dort tausende Aufnahmen von Reisenden aller Schichten an – Ortsansässige zu Fuß und auf dem Rad, Ausflügler auf dem Motorrad oder im Bus und nicht zuletzt: Urlauber im Automobil!
Viele Aufnahmen entstanden, ohne dass die Porträtierten dafür zur Kasse gebeten wurden. Ansonsten verdiente Aschwanden sein Geld mit Touristenfotos wie obigem.
Ort und Bildaufbau sprechen dafür, dass mein Foto den Abzug eines solchen von Aschwanden für Durchreisende erstellten Originals darstellt. Eine Situation wie diese ist absolut typisch für sein Schaffen:
Wer nun auch ohne BMW DA2 3/15 PS Lust auf eine Zeitreise bekommen hat, kann die anhand eines Buches stillen, das im deutschen Sprachraum unter den Bildbänden zur Mobilität der Vorkriegszeit wohl einzigartig ist.
So wurde 2003 ein großformatiger Fotoband mit über 250 Seiten publiziert, der rund 300 der über 7.000 Aufnahmen aus dem Werk von Michael Aschwanden zeigt:
Unterwegs auf der Axenstrasse 1911-1939, Fotografien von Michael Aschwanden, hrsg. von Melk Imboden, Benteli Verlag Bern, 2003 (antiquarisch z.B. bei http://www.zvab.com)
Was einen beim Blättern durch dieses Werk so begeistert, sind nicht nur die zahllosen automobilen Schätze – darunter etliche absolute Raritäten.
Es sind vielmehr die Menschen, die einst auf dieser Route per pedes oder mit fahrbarem Untersatz unterwegs waren, und von deren Dasein Aschwanden einen winzigen Moment festgehalten hat.
Die Gesichter, in die wir schauen, sind oft von einem Ernst und einer Würde, die einen tief berühren. Man sieht gerade den Passanten an, dass ihr Leben nicht einfach war, aber sie wirken dennoch selbstbewusst und völlig in sich ruhend.
Dann wiederum gibt es Bilder, die vor Heiterkeit und Eleganz sprühen – meist sind dann eine schöne Frau und ein Herrenfahrer mit sportlichem Automobil im Spiel. Sie genießen es, einfach mit dem eigenen Tempo unterwegs zu sein – Reiselust pur.
In diese Kategorie scheinen einst auch unsere Münchener BMW-Fahrer gehört zu haben, die entlang der Axenstrasse nach Norden fuhren – vielleicht vom Gotthard kommend, der sich auf dem Foto hinter den wolkenverhangenen Bergen verbirgt…
Auch wenn ich den Freunden feiner BMW-Vorkriegswagen in meinem Blog bislang wenig Neues bieten konnte (Ausnahme hier), möchte ich heute zu einem der Wagen mit der markanten Doppelniere an der Front zurückkommen, obwohl nicht mehr als solider Standard zu sehen ist, jedenfalls im Hinblick auf das abgebildete Auto…
Doch hat es seinen ganz eigenen Reiz, den fraglichen Wagen – einen BMW 326 – aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel zu betrachten, nämlich anhand der Frage, ob es so etwas wie „männliche“ und „weibliche“ Blechkleider gibt.
Mir ist bewusst, dass ich mich dabei auf dünnes Eis begebe – weniger aufgrund des mittlerweile neu erfundenen „dritten“ Geschlechts – als schlicht deshalb, weil solche ästhetischen Urteile subjektiv sein müssen.
Aber herrje, nicht umsonst habe ich für meine Besprechungen von Vorkriegswagen das Blog-Format gewählt – also das eines Tagebuches, in dem Leser online mitlesen können. Da darf es ruhig subjektiv zugehen und davon mache ich heute Gebrauch.
Beginnen wir zur Erinnerung mit dem letzten Foto eines BMW 326, das ich hier präsentiert habe:
BMW 326 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier kommt der von 1936-41 in knapp 7.000 Exemplaren gefertigte Wagen mit seinem 50 PS starken Zweiliter-Sechszylinder ausgesprochen maskulin daher.
Das liegt an der massiven Ausführung des Limousinenaufbaus, der auf mich robust und abweisend wirkt wie ein Ritterhelm mit heruntergelassenem Visier.
Die beiden Herren daneben scheinen sich in seiner Gesellschaft durchaus wohl zu fühlen – hier sind drei männliche Charaktertypen unter sich, könnte man meinen.
Wie vollkommen anders – leicht und elegant – wirkt dagegen das viertürige Cabriolet:
BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Man glaubt es kaum, dass wir auch hier „nur“ einen BMW 326 vor uns haben – nebenbei mit über 7.000 Reichsmark in der offenen Version ein exklusives Vergnügen.
Doch die markanten Doppelstoßstangen sprechen eine eindeutige Sprache: Sie gab es ab Werk nur beim 326 und ich finde, dass sie ihm ausgezeichnet stehen.
Dass der Wagen hier so filigran wirkt, liegt wohl zum Großteil an der raffinierten Zweifarblackierung, bei der die helle Partie den Wagenkörper optisch leicht erscheinen lässt, während Schutzbleche und Haube dunkel abgesetzt sind.
Während solche Effekte bei modernen Wagen aufgrund der heute oft chaotischen Linienführung kaum mehr möglich sind (der Opel Adam ist eine gelungene Ausnahme), profitiert fast jeder Wagen der 1930er Jahre von einer Zweifarblackierung.
Kein Wunder, dass das BMW 326 Cabriolet im vorliegenden Fall der bevorzugte Wagen von gleich vier Damen war. Dabei könnte es sich bei den im Auto stehenden Grazien um die Töchter der streng dreinschauenden Person an der Beifahrertür handeln.
So oder so passen alle vier „Fotomodelle“ ganz wunderbar zu der eleganten Erscheinung dieses BMW 326 Cabriolets:
Wie man sich denken kann, waren jedoch vor rund achtzig Jahren die Herren der Schöpfung nicht fern – schon gar nicht, wenn es um Wagen von erlesener Qualität wie 6-Zylinder-BMWs ging.
Tatsächlich halten sie sich nur dezent im Hintergrund und wie es der Zufall will, bringen auch sie dabei eine – wie es scheint – dem Naturell entsprechende Präferenz zum Ausdruck.
Denn gleich hinter dem so verführerisch nach heiteren Sommertagen ausschauenden Cabriolet findet sich eine Limousine desselben Typs, die deutlich herber und ernsthafter daherkommt:
Immerhin scheinen die beiden Herren sich bei der Wahl ihrer Kleidung eher an ihren Begleiterinnen orientiert zu haben, als an dem dunkel dräuenden Wagen neben ihnen.
Wann genau diese Situation festgehalten wurde, wissen wir nicht. Aber der Ort lässt sich angeben, denn auf der Rückseite ist von alter Hand vermerkt „Jena, an den Kernbergen“.
Ein ortskundiger Leser kann vielleicht den genauen Aufnahmeort benennen und sagen, ob sich die Ansicht seither groß verändert hat:
BMW 326 Linousine und Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auf jeden Fall war es nicht lange nach dieser Aufnahme vorbei mit solcher Idylle.
Denn der Großteil der zivilen BMW 326 wurde ab 1939 von den Behörden für den Kriegseinsatz eingezogen – da machte man keinen Unterschied, ob die Karosserie nun eher „männlich“ oder „weiblich“ vom Charakter war.
Genommen wurde, was man kriegen konnte und so wundert es einen nicht, dass sich auch die so filigran und freundlich wirkenden Cabriolets im Dienst des Militärs wiederfanden, nunmehr ohne Chrom und Zweifarblack:
Dieses Exemplar landete bei der Luftwaffe und wurde irgendwann während des Kriegs bei einer Instandsetzungseinheit in Ahrweiler abgelichtet.
Doch das ist ein anderes Kapitel, das ich bei Gelegenheit anhand weiterer Aufnahmen des BMW 326 beleuchten will…
Das Foto, das ich heute vorstelle, mag auf das Auge des (auch von meinem Blog) verwöhnten Vorkriegsauto-Liebhabers unspektakulär wirken. Ein schönes Auto, gewiss – doch hat man so etwas gefühlt nicht schon hundertfach gesehen?
Wie so oft hilft es sehr, den einstigen Kontext zu rekonstruieren, in dem das Modell, um das es geht, im Jahr 1936 das Licht der Welt erblickte.
Damals war es gerade einmal vier Jahre her, dass BMW ein weitgehend selbstentwickeltes Auto vorstellte – den Typ 3/20 PS. Gegenüber dem noch auf dem Austin Seven basierenden Dixi 3/15 PS (später BMW 3/15 PS) bot der Wagen außer mehr Platz fast nur Nachteile – ein großer Wurf war das nicht gerade.
Hier haben wir ein in der frühen Nachkriegszeit entstandenes Foto dieses Typs:
BMW 3/20 PS, Zulassungsbezirk Frankfurt-Höchst; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Mehr zu dem abgebildeten Wagen findet sich in einem älteren Blog-Eintrag (hier).
Schon deutlich überzeugender waren die ab 1933 entwickelten neuen Sechszylindermodelle 303, 315 und 319 mit 1,2 und 1,5 bzw. 1,9 Litern Hubraum.
Sie waren nicht nur in technischer Hinsicht attraktiv – dank im Zylinderkopf hängenden Ventilen und zwei Vergasern waren sie besonders agil – sondern boten mit der Doppelniere erstmals auch eine eigenständige Optik, die bis heute fortwirkt.
Die folgende, ebenfalls aus der frühen Nachkriegszeit stammende Aufnahme zeigt einen solchen frühen 3er BMW mit Sechszylinder – entweder einen Typ 315 oder 319:
BMW 315 oder 319 Limousine, Zulassung: Bayern; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Doch so ansprechend und fortschrittlich diese Wagen daherkamen, wirkten sie auf einen Schlag überholt, als BMW ab 1936 eine neue Baureihe von Sechszylindern vorstellte.
Sie boten nicht nur spürbar mehr Leistung, sondern zugleich ein Erscheinungsbild, das sie auf Anhieb in die Liga der modernsten Wagenin Europa katapultierte.
Äußere Kennzeichen waren die strömungsgünstig gerundeten Formen von Front- und Heckpartie, die geteilte Windschutzscheibe sowie die nach innen geneigten Seitenfenster.
In Europa hatte Peugeot 1935 mit dem grandiosen Typ 402 das Vorbild geliefert:
Peugeot 402; Reproduktion eines originalen Werksfoto; Bildrechte: Peugeot SA
Mit diesem Entwurf hatten die Franzosen geschafft, woran Chrysler mit dem Modell „Airflow“ spektakulär gescheitert war – die Symbiose aus funktioneller Stromlinie und die Sinne ansprechender Ästhetik.
Man präge sich die Linienführung dieses Aufbaus ab der Frontscheibe ein und blende die Kühlerpartie aus, die so nur bei Peugeot zu finden war.
Anschließend werfe man einen Blick auf den BMW auf der folgenden Aufnahme und versuche auch hier, die Frontpartie zu ignorieren:
BMW 326 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die Ähnlichkeit des Aufbaus ab (und einschließlich) der Windschutzscheibe ist unverkennbar. Das bedeutet nicht, dass BMW hier bei Peugeot „abgeschaut“ habe – diese Linien lagen vielmehr förmlich in der Luft, nachdem Chryslers „Airflow“ den Anstoß gegeben hatte.
Die Frontpartie war vollkommen eigenständig gezeichnet und ähnlich schwelgende Formen sollten legendäre Modelle wie BMWs 327 und 328 schmücken.
Das mag auch erklären, weshalb einem der Wagen auf dem oben vorgestellten Foto so vertraut vorzukommen scheint. Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein heute weniger bekanntes Modell – den BMW 326.
Dieser besaß den überarbeiteten Motor des BMW 319 mit nunmehr 50 PS aus 1,9 Litern Hubraum, außerdem hydraulischen Vierradbremsen statt Seilzugbremsen.
Zu erkennen ist der BMW 326 in der bis 1938 gebauten Version an den zwei Paaren Doppelstoßstangen am Vorderwagen (und am Heck):
Interessant sind hier nebenbei die ungelochten Scheibenräder, wie sie auch an einer BMW 326 Limousine in Werner Oswalds Standardwerk „Alle BMW Automobile 1928-78“ (2. Auflage 1979) auf Seite 51 zu sehen sind.
Dagegen schreibt Halwart Schrader in „BMW Automobile“ (Bleicher Verlag, 1. Auflage 1978) auf S. 156: „In der Serie hatten alle BMW 336 (gemeint ist: „326“) stets Lochfelgen“.
Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass man auch bei den Altmeistern unter den deutschen Automobilhistorikern nicht alles für bare Münze nehmen muss.
Dasselbe gilt natürlich für diesen Blog, der ebenfalls nicht frei von Fehlern oder Irrtümern ist. Das Online-Format ermöglicht aberlaufende Korrekturen und Ergänzungen – nicht zuletzt dank aufmerksamen und kenntnisreichen Lesern.
Zurück zum BMW 326: Die heute vorgestellte Aufnahme zeigt ihn als viertürige Limousine mit Karosserie von Ambi-Budd – nebenbei die preisgünstigste Variante.
Aus heutiger Sicht ist das damals als hoch empfundene Gewicht von 1,1 Tonnen eher das Kampfgewicht eines Kleinwagens. Mit Spitze 115 km/h gehörte der BMW 326 auf der Autobahn durchaus zur Oberliga.
Keine 7.000 Exemplare entstanden bis 1941 von diesem Wagen, der eine bedeutende Zäsur in der Geschichte der BMW-Automobile markiert. Nur wenige davon dürften überlebt haben.
Ein Großteil ging als Kommandeurswagen im 2. Weltkrieg verloren. Hier haben wir eine Aufnahme, die einen BMW 326 als Cabriolet im Dienst der Wehrmacht zeigt:
BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Entstanden ist diese Aufnahme im August 1941, also wenige Wochen nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, irgendwo an der schier endlosen Landstraße zwischen Minsk (Weißrussland) und Smolensk (Russland).
Was aus den beiden nicht mehr ganz jungen Wehrpflichtigen wurde, wissen wir nicht. Im besten Fall gehörten sie einer Versorgungseinheit an, die im Hinterland der Front operierte. Der BMW jedenfalls dürfte früher oder später irgendwo im Osten liegengeblieben sein.
Vielleicht hat er aber dort auch nach dem Krieg als Behelfsfahrzeug in der Landwirtschaft überlebt, wurde später wiederentdeckt und steht heute in Neuzustand in irgendeiner klimatisierten Garage, als wäre nichts gewesen…