Ende Oktober, unübersehbar Herbst in deutschen Landen – vielleicht nicht nur in Sachen Wetter. Vermisst eigentlich jemand die panischen Meldungen aus dem August, die uns ständig herrliches Hochsommerwetter als gefährliche „Hitze“ vermiesen wollten?
Vermutlich missfällt auch den Klimabewegten inzwischen der Nebel, die kühle Luft und der Mangel an Sonnenlicht – und die allgemeine Lage, die nirgends aufwärts zeigt.
IIn einer Hinsicht kann ich heute aber immerhin – hoffe ich – für etwas aufgehellte Stimmung sorgen. Denn während die Landsleute im Norden unter allgemeiner Tristesse leiden, darf ich für eine Woche im italienischen Umbrien fast spätsommerliche Verhältnisse genießen und daran möchte ich meine Leser gern teilhaben lassen.
Damit wir uns recht verstehen: Wenn ich mich mehrfach pro Jahr in meinem Domizil südlich der Alpen aufhalte, mache ich dort mitnichten nur Urlaub. Als Freiberufler arbeite ich eigentlich immer – wochenlang bezahltes Nichtstun kenne ich nicht.
Natürlich nutze ich den Vorteil freier Zeiteinteilung – und mache davon besonders Gebrauch, wenn ich in Italien bin und die Sonne lacht. So war das auch heute.
Am frühen Nachmittag waren die dringlichsten Aufträge abgearbeitet und ich schwang mich auf’s Rad. Zunächst ging es sechs Kilometer talwärts durch ausgedehnte Olivenhaine in den Nachbarort Spello.
Hier haben wir im Gegenlicht das über 2000 Jahre alte Städtchen, das wie hingegossen auf einem Felssporn über der Ebene liegt:

Wohin das Auge schaut, ist hier alles herrlich grün – als wäre es ein prachtvoller Frühsommertag. Da es hier ergiebigen Regen gegeben hatte und der Sommer eher mäßig gewesen war, gab es weit und breit keinen dürren Grashalm.
Während die Talebene – die Valle Umbra, die von Perugia im Norden bis Spoleto im Süden reicht – in leichtem Dunst lag, lachte oberhalb die Sonne. Bei 20 Grad kam es mir vor, „als wär‘ noch Sommer“.
Beglückt trat ich den Rückweg an, auf dem 300 Höhenmeter zu absolvieren sind – diesmal nach oben. Mit meinem gut 40 Jahre alten Stahlrahmen-Rad der britischen Marke Raleigh fiel mir die Strecke trotz Gangschaltung nicht ganz leicht. Die Geländereifen taten ein übriges und so nutzte ich die eine oder andere Gelegenheit, um innezuhalten:
Sieht eher aus wie Ende Mai/Anfang Juni, oder? Nur in den schattigen Abschnitten war die Luft empfindlich kühl und verriet, dass auch hier der Herbst auf der Lauer liegt.
Doch ansonsten kam mir alles so vor, „als wär‘ noch Sommer“.
Am Wegesrand standen bisweilen stolz und still die edlen Zypressen, die man in Deutschland merkwürdigerweise kaum anpflanzt, obwohl sie winterhart sind, keine Pflege verlangen und uralt werden:
Während ich so vor mich hinpedalierte, begann die stetige Steigung allmählich anstrengend zu werden. Doch lockte mich die baldige Aussicht auf den Anblick des Ziels.
Dieses zeigte sich nach einer Weile zum ersten Mal – wenn auch noch in einer Entfernung, die dem Radler noch keine baldige Entspannung verheißt.
Ein Grund mehr, anzuhalten und die Aussicht zu genießen, welche sich auch dem x-ten Mal nicht abnutzt:
Das rund tausend Jahre alte Bergdorf, ursprünglich eine Festung auf einem Sporn oberhalb des Chiona-Tals, durch welches seit unausdenklichen Zeiten Hirten ihr Vieh in den nächstgelegene Talbecken trieben, zählt zu den schönsten seiner Art in Italien.
Nach den dort nur oberflächlichen Schäden des Erdbebens 1997 wurde der gesamte Ort denkmalgerecht saniert und präsentiert sich seither in größter Harmonie. Wer dort wohnt – wenn auch viele nur zeitweilig – will alles genau so, wie es seit Jahrhunderten ist.
Bevor ich nun zum eigentlichen Gegenstand des heutigen Blog-Eintrags komme, hier noch ein letzter Blick auf das Ziel, nun auch mit meinem wackeren Radl:
„Als wär‘ noch Sommer“ – so lautete das Motto und bisher meine ich, dem aus aktueller Perspektive gerecht worden zu sein.
Doch wie schaffe ich nun den Übergang zu einem Vorkriegsautomobil, welches genau das illustriert, noch dazu zwangsläufig in Schwarzweiß?
Nun, das gelingt im vorliegenden Fall nur, indem ich Ihnen nahelege, die zuvor gezeigten Bilder schnell wieder zu vergessen. Denn diesmal müssen wir uns mit kahlen Bäumen und Herbstlaub anfreunden.
Dass es jedoch in einem solchen eher mitteleuropäisch anmutenden Spätherbst Tage geben kann, an dem sich alles so vollkommen heiter fügt, „als wär‘ noch Sommer“, das beweist diese herrliche Aufnahme, die Leser Jörg Pielmann beigesteuert hat:
Na, wie finden Sie das? Wäre dieses an sich zweisitzige Cabriolet – hier mit drei Grazien – nicht ein Kandidat für eine Ausfahrt an einem Tag Ende Oktober, an dem zwar alle Blätter unten sind, aber ein Hauch von Sommer die Stimmung hebt?
Noch dazu haben wir hier einen gutmotorisierten Sechszylinder-Wagen der US-Marke Essex zur Verfügung, einer speziell für den europäischen Markt geschaffenen Schwester der bekannteren Marke Hudson.
Die markanten Sechseck-Nabenkappen sind ein erster Hinweis, die Gestaltung der Kühlerfigur liefert dann endgültige Gewissheit, was den Hersteller angeht. Die zwei Reihen Luftschlitze in der Motorhaube verraten schließlich das Modelljahr: 1929
Den serienmäßigen Werksaufbau mit im Heck liegender ausklappbarer Notsitzbank bezeichnete man in den Staaten als „Rumbleseat Roadster“ – das Automobil-Vokabular in den USA weicht deutlich von dem des früheren britischen Kolonialherren ab.
Mangels bezahlbarer heimischer Alternativen waren die Essex-Wagen der späten 1920er Jahre auch bei deutschen Käufern gefragt. Man findet sie oft auf zeitgenössischen Fotos, aber überlebt haben wohl keine in deutschen Landen. Oder doch?
Die Beschäftigung mit dergleichen unnützen Fragen anhand solcher Dokumente hat eine herzerwärmende Qualität, finde ich. Tun wir also einfach so, „als wär‘ noch Sommer“…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Das würde gut zu einem Überlebenden passen, der ursprünglich in Deutschland ausgeliefert worden war. Die Marke Essex war spätestens ab 1925 hierzulande präsent und blieb es mindestens bis 1930.
Einem Essex bin ich vor 30 Jahren in Zwickau begegnet, das könnte der unter „Sonderlauf Veteranen“ Nr. 5-11 genannte Hudson Motor Corp. ESSEX 1927 gewesen sein :
https://daveriley.weebly.com/uploads/4/8/4/5/4845046/sachsenring_1981.pdf