Heute nur ganz kurz… Fiat 500A „Topolino“

Wenn meine Blog-Einträge bisweilen – oder besser: fast immer – entschieden zu lang ausfallen, dann bin ich mir dessen bewusst.

Doch halte ich es mit dem auf eine ungeklärte Quelle zurückgehenden Bonmot, wonach ich meist nicht genug Zeit habe, um mich kurz zu fassen. Denn letzteres erfordert entweder viel Aufwand beim Schreiben oder beim Feinschliff vor der Fertigstellung.

Immerhin folgt auf jeden freigeschalteten Blog-Eintrag eine Korrektur- und Kürzungsrunde, von deren Ergebnis diejenigen leider nichts erfahren, die den Blog abonniert haben.

Würde ich diese Überarbeitung vor den Versand verlegen, bräuchte ich insgesamt noch länger, da ich dann alles ausmerzen müsste, was ich meist am Morgen „danach“ schnell korrigiere.

Wenn ich mir nun ausnahmsweise das Motto „Heute nur ganz kurz“ zueigen gemacht habe, dann hat das einen bestimmten Anlass.

Beim spätnachmittäglichen Besuch des Supermarkts in der benachbarten Kleinstadt „Spello“ (ich weile derzeit im italienischen Umbrien), dessen Auswahl und Qualität in deutschen Landen nur in großstädtischen Feinschmeckerzentren zu finden ist, fiel mir wie praktisch jedes Mal ein Fiat 500 der 60/70er Jahre ins Auge – diesmal knallrot lackiert und in schönem Zustand.

Nach meiner Erfahrung sind diese genialen Kleinwagen im italienischen Alltag nicht mehr so oft zu finden wie noch vor 30 Jahren. Aber ihr Anblick ist durchaus nichts Ungewöhnliches. Das liegt daran, dass sie bis heute ein unschlagbares Raumangebot für ihre Größe bieten und zugleich ideal für die engen Straßen vieler Altstädte mit wenig Parkraum sind.

Ein dermaßen kompaktes Auto mit soviel Nutzwert ließe sich angesichts der ungebremst wuchernden Regularien heute nicht mehr bauen – aus demselben Grund ist der Fiat „Panda“ der 80er Jahre ein noch viel häufigerer Vertreter seiner Art – oft als 4×4-Version.

Beim Anblick des Fiat 500 kam mir der Gedanke, dass es aktuell ja noch zwei Fotos in meinem Fundus zu „verarbeiten“ gilt, welche den Großvater des klassischen Fiat 500 zeigen – den ab 1936 eingeführten Typ 500A mit dem Spitznamen „Topolino“ – also „Mäuschen“.

Woher dieser rührte, wird beim Anblick der Frontpartie unmittelbar klar:

Fiat 500A „Topolino“ (dahinter ein Tatra 75, Hinweis von Leser H. Kasimirowicz); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Spätestens jetzt wird auch klar, was ich mit „heute nur ganz kurz“ in Wahrheit meinte. Denn wie der 500er der Nachkriegszeit mit luftgekühltem Heckmotor war der Vorkriegs-Fiat (mit Frontmotor und Wasserkühlung technisch zwar anders geartet) vor allem eines: kurz.

Dass er dennoch wie ein richtiges Auto aussah – sogar mit windschnittiger Kühlerpartie, die bei Spitze 90 km/h kaum notwendig war – und dass er relativ erschwinglich war, das macht einen erfolgreichen Kleinwagen aus.

Kein Wunder, dass Fiat mit dem Topolino das mühelos gelang, woran deutsche Hersteller seit etwa 1920 vergeblich herumbastelten – ein richtiges Auto für jedermann (in der Mittelschicht).

Während in Deutschland endlos über einen Volkswagen geredet wurde, jede Menge Leute in der Theorie alles genau wussten, aber in der Praxis nicht lieferten und der „Volkswagen“ der 1930er Jahre bis in die frühe Nachkriegszeit nicht erhältlich war – baute Fiat im armen Italien einfach den „Topolino“ – und das gleich in weit über 100.000 Exemplaren bis 1948.

Wie war das noch einmal mit der einzigartigen deutschen Automobiltradition? Wenn ich etwas in den vergangenen fast 10 Jahren Bloggerei über Vorkriegsautos gelernt habe, dann dies:

Von wenigen Sternstunden abgesehen, war die Automobilindustrie in Deutschland von 1900 bis etwa 1930 in Sachen Technik, Gestaltung und Stückzahlen bestenfalls Mittelmaß.

Definiert man die wesentliche Innovation des Automobils damit, dass es möglichst vielen Menschen ein individuelles Reisen an beliebige Orte erlaubt – dann haben deutsche Hersteller vor dem Krieg kaum etwas dazu beigetragen.

Was dagegen Fiat bereits ab 1919 mit dem Großserientyp 501 anstellte, was Austin in England mit dem „Seven“ und Citroen in Frankreich mit dem „5CV“ ab Anfang der 20er tat – das waren „die“ Impulse in Richtung Volksmotorisierung in Europa.

Wäre das Potenzial des Volkswagenwerks nach dem 2. Weltkrieg nicht von den britischen Besatzern erkannt worden, wäre die Nachkriegsmotorisierung Deutschlands vermutlich ebenfalls von Fiat nebenher mit erledigt worden.

Wie es der Zufall will, haben wir hier sogar noch einen Vorkriegs-Topolino, der ausweislich des Nummernschilds im Nachkriegs-Osnabrück der späten 1950er oder frühen 60er Jahre treue Dienste leistete:

Fiat 500 A „Topolino“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer so einen Wagen – der in beachtlichen Zahlen auch als NSU-Fiat in Heilbronn gefertigt wurde – über den Krieg gerettet hatte, hatte damit bei aller Bescheidenheit immer noch das bessere Gefährt als diejenigen, die auf die vielen, oft absurden deutschen Kleinstautos der Wiederaufbauzeit zurückgreifen mussten, weil der „Käfer“ von VW viel zu teuer war.

Zusammen mit den hervorragend gestalteten und geräumigeren, aber leider nicht so dauerhaften Zweitakt-DKWs gehörten die Vorkriegs-Topolinos zum besten, was man in der Kleinwagenklasse kurz nach dem 2. Weltkrieg fahren konnte – wenn man das Geld hatte.

Nur eines konnte man auf so einem „kurzgefassten“ Fiat nicht wirklich überzeugend tun – lasziv posieren wie eine Diva auf der langen Haube eines Sechs- oder Achtzylinders.

Wenn es diese junge Dame dennoch versucht, mag das ein wenig von dem Lebensgefühl vermitteln, was der Besitz eines solchen Autos einst vermittelte:

Fiat 500 A „Topolino“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das war es heute „nur ganz kurz“ zu einem Automobil, dessen Rang man trotz seines verniedlichenden Spitznamens nicht groß genug einschätzen kann.

Wenn Sie jetzt trotz aller relativer Kürze doch noch Lust auf mehr in Sachen Fiat „Topolino“ haben, dann werden Sie entweder auf Ferdinand Lanners fabelhaften Fiat-Seiten fündig oder auch in meinem Blog, zum Beispiel bei diesem Bilderreigen.

Doch ich muss Sie warnen: In beiden Fällen wird das Vergnügen eines nicht: kurz!

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

3 Gedanken zu „Heute nur ganz kurz… Fiat 500A „Topolino“

  1. Der Topolini – ein ganz süßes kleines Autochen, dessen Motor man unter der Haube kaum findet und dessen einziges Problem im Alter die Thermosyphon-Kühlung ist und im Gegensatz dazu einen geradezu riesigen Innenraum.
    Clevere rüsteten ein „Sonnendach“ nach, so daß man lange offen und ohne Hitzschlag fahren konnte. Diese 500ccm-Dinger sind flink, 80 sind kein Problem, und fast mit dem ewigen Leben gesegnet. Wer immer bloss herumschlich mußte sich mit dem Gedanken des „Entrussens“ vertraut machen, wofür es spezielle Teile-Kits gab.

  2. Hallo Michael,
    „mit dem auf eine ungeklärte Quelle zurückgehenden Bonmot, wonach ich meist nicht genug Zeit habe, um mich kurz zu fassen“
    Das schrieb Bismarck an seine Frau während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71, wenn ich richtig informiert bin.
    Gruß,
    KD

Kommentar verfassenAntwort abbrechen