Wer Luxus liebt, hat andere Sorgen: Fiat 520/521

Nicht zufällig pflegen in der Regel die, welche den gemeinen Untertan vor den verderblichen Auswirkungen eines aufwendigen Lebensstils warnen, selbst einen solchen.

Wie sonst auch könnten sie das tun, würden ihnen die Schattenseiten des materiellen Überflusses und des Jetset-Daseins nicht täglich vor Augen geführt werden?

Der Normalbürger macht sich ja keine Vorstellungen davon, dass das Leben im Luxus auch nur mit Sorgen verbunden ist – es sind bloß andere.

Dafür will ich heute um Verständnis werben anhand eines ganz eigenen Luxusproblems und eines, das sich Gutsituierten 1928 stellte, die sich einen der neuen „kleinen“ Sechszylinderwagen von Fiat kaufen wollten.

Hier haben wir ein Exemplar des Turiner 6-Zylindertyps 520, welcher mit einem kompakten Aggregat von gerade einmal 2,3 Litern Hubraum und 46 PS Leistung daherkam.

Fiat 520 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nach amerikanischen Maßstäben war das leistungsmäßig ein Wagen der Einsteigerklasse, knapp oberhalb des Million-Sellers Ford Model A angesiedelt (40 PS aus 3 Litern).

Von den Dimensionen und der Ausstattung her war der Fiat 520 aber durchaus als Konkurrent zu US-Sechszylindermodellen gedacht, auch wenn diese meist über mehr Hubraum und Leistung verfügten.

Doch wenn es um das repräsentative Erscheinungsbild und das Platzangebot ging, wussten die Italiener den Amis durchaus Paroli zu bieten und dank rationeller Großserienfertigung waren ihre Wagen nicht so teuer wie vergleichbare deutsche Manufakturautos.

So entstanden von Fiats Typ 520 von 1927-29 immerhin 21.000 Stück, von denen etliche in Deutschland landeten. Sie finden einige davon mit unterschiedlichen Aufbauten in meiner Fiat-Galerie.

Allerdings begannen in dieser Klasse schon die eingangs erwähnten Luxusprobleme. Denn es gab den kleinen Sechszylinder aus Turin auch in Verbindung mit einem deutlich längeren Chassis, was nochmals eindrucksvollere Karosserien erlaubte.

Auch dafür fanden sich in deutschen Landen Ende der 1920er Jahre hinreichend solvente Käufer, die keinem Luxusproblem aus dem Weg gingen.

Für sie hatte das „Ufficio Pubblicitá Fiat“ eigens bei der genuesischen Druckerei Barabino & Graeve einen aufwendigen Mehrfarb-Prospekt mit deutschen Texten anfertigen lassen.

Im Rahmen meiner Sammelaktivitäten – auch das ein echtes Luxusproblem – ist dieses Originalexemplar von 1928 in meinen Besitz übergegangen:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Da ich es beschränkt finde, solche Schätze für sich zu behalten – ich betrachte mich bloß als vorübergehenden Kurator solcher Dinge – will ich zumindest einige der 15 Seiten hier wiedergeben.

Damit Sie mir glauben, dass es sich tatsächlich um eine deutschsprachige Ausgabe handelt, habe ich auch diese ansonsten wenig spektakuläre Seite digitalisiert:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Hier findet neben dem 6-Zylindermotor die gegenüber dem kürzeren Typ 520 erhöhte Zahl an Sitzen ausdrücklich Erwähnung.

So fand man nach Öffnen der wesentlich verlängerten hinteren Türen ein äußerst großzügiges Passagierabteil vor, in dem sich eine zusätzliche Sitzreihe herausklappen ließ. Verzichtete man darauf, genoss man eine Beinfreiheit wie in einer Staatskarosse.

Den dazu erheblich verlängerten Radstand sah man allen ab Werk verfügbaren Aufbauten deutlich an. Beginnen wir mit dem klassischen Tourer, bei welchem der Abstand zwischen den Türen deutlich größer ausfiel als sonst:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Die ab Werk standardmäßigen Dreifarblackierungen lassen sich auf alten Schwarzweißaufnahmen leider nicht mehr erkennen – dort wirken diese Autos daher meist monochrom und sind infolge der Besonderheiten der Farbwiedergabe auf den damaligen Schwarzweiß-Filmen meist eher dunkel gehalten.

Besonders gut gefällt mir die folgende Ausführung als Chauffeur-Limousine – hier ebenso zutreffend als Coupé bezeichnet, da das Passagierabteil separiert war:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Um das Luxusproblem der Wahl zwischen den werksseitig verfügbaren Aufbauten vollständig zu veranschaulichen, darf natürlich die Limousine nicht fehlen – auch sie mit einer ansprechenden Dreifarblackierung versehen, welche die Struktur der Karosserie betont und ihr die Massigkeit nimmt:

Fiat 521, deutschsprachiger Prospekt von 1928; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Allen drei Ausführungen gemeinsam sind die Scheibenräder, die im Prospekt auch erwähnt werden, und zwar so, als seien sie die einzig verfügbaren. „Die Räder sind aus gestanztem Stahlblech“ heißt es lapidar.

Als einziges aufpreispflichtiges Extra werden die Doppelstoßstangen erwähnt – alles übrige (auch die Stoßdämpfer) war serienmäßig vorhanden.

An dieser Stelle ergibt sich nun ein zusätzliches Luxusproblem. Denn was soll man von einem Foto halten, das auf den ersten Blick einen solchen Fiat mit extralangem Radstand zeigt, der aber nur herkömmliche Stahlspeichenräder besitzt? Oder waren die auch „gestanzt“?

Fiat 521 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das muss ohnehin ein anderes Modell sein, mögen Sie sagen, denn die Schwellerpartie ist hier noch viel höher und die Seitenlinie weicht etwas ab.

Richtig beobachtet, aber das hilft Ihnen nicht viel, denn es findet sich in meinem Fundus eine weitere Fiat-Limousine mit ebensolchem Aufbau, welche auf dem Kühler klar als „521“ markiert ist.

Dieses Exemplar mit Stoßstange aus dem Zubehörhandel habe ich schon vor Jahren hier vorgestellt – einige Leser erinnern sich vielleicht an die großgewachsene junge Dame daneben:

Fiat 521 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In solche Nöte gerät man nur, wenn sich den Gefahren des Luxus aussetzt – ich kann nur davor warnen, man bekommt schlaflose Nächte davon!

Zu meiner eigenen Beruhigung habe ich aber jüngst ein Foto erworben, das doch die im Prospekt des Fiat 521 erwähnten Scheibenräder besitzt und auch von den Dimensionen passen sollte:

Fiat 521 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zugelassen war das Auto in Berlin – Ende der 1920er Jahre der Ort in Deutschland mit der höchsten Quote an Importautos : rund ein Drittel des Bestands sollen es gewesen sein.

Der weit überwiegende Teil davon entfiel auf US-Fabrikate. Nach meiner Wahrnehmung standen Autos von Fiat danach bereits an zweiter Stelle, mit weitem Abstand dürften französische und österreichische Wagen vertreten gewesen sein.

Übrigens hielt die den meisten heute unbekannte Sechsyzlinderära bei Fiat bis 1949 an. Dann endete die Produktion des sensationellen Typs 1500, von der mir ebenfalls ein deutschsprachiger Prospekt in prächtigem Mehrfarbdruck von anno 1940(!) vorliegt.

Dessen Präsentation stellt mich unterdessen vor ein neuerliches Luxusproblem, dem ich mich erst mit einigem Abstand wieder aussetzen kann.

Denn auch die vermeintlichen Niederungen der Vorkriegsautomobilität wollen zwischenzeitlich gewürdigt sein und bergen bisweilen Sorgen ganz eigener Art…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Gedanke zu „Wer Luxus liebt, hat andere Sorgen: Fiat 520/521

  1. Das sind auch wieder schöne Fahrzeuge, die leider weitgehend von der Bildfläche verschwunden sind.
    Stahlspeichenräder wurden tatsächlich aus Stahlbleche gestanzt und an den Nahtstellen zusammengeschweißt. Sie waren aber wesentlich teurer, als die einfachen Scheibenräder.

Kommentar verfassenAntwort abbrechen