Wer und wo ist hier ein Star? Renault „Vivastella“ von 1934

Die Faszination der Sterne ist ungebrochen – auch in der Hinsicht sind wir noch ganz die Abkömmlinge der jungsteinzeitlichen Siedler, die viele tausend Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung sesshaft wurden und für deren Dasein als Ackerbauern die Betrachtung des Sternenhimmels elementar für das „Timing“ ihrer Aktivitäten war.

Etwas später – in der Bronzezeit – begann die Handelschiffahrt über die offene See. Auch zum Navigieren fernab der Küsten war der Blick zum Firmament überlebenswichtig. Dergleichen Alltagskompetenzen verloren für die meisten Menschen an Bedeutung – doch die Sterne wissen immer noch zu begeistern.

Was den einen ihr Horoskop ist, ist den anderen der Kult um Sterne, die zwar nur für begrenzte Zeit auf Erden wandeln, aber es dennoch geschafft haben, überirdische Wirkung bei ihren Anhängern zu entfalten.

Neben Superstars für die Ewigkeit wie Maria Callas oder Elvis Presley, Catherine Deneuve oder Steve McQueen, Tazio Nuvolari oder Stirling Moss gab und gibt es stets auch vorübergehende glänzende Erscheinungen, die zwar bald wieder in Vergessenheit geraten, aber bei einem Wiedersehen doch noch zu funkeln wissen.

Mitunter begegnet man auf alten Fotos verdächtigen Zeitgenossen in der Hinsicht und stellt sich die Frage: Verbirgt sich hier vielleicht ein Star von einst, den wir bloß nicht mehr kennen?

So ein Beispiel ist mir in Form dieser Aufnahme vor einiger Zeit „zugelaufen“:

Renault „Vivastella“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Arrangement erscheint mir ein wenig zu inszeniert, um einfach nur zufällig aufgenommen worden zu sein.

Man meint hier gleich drei voneinander unabhängige filmreife Szenen zu sehen:

Zwei Geschäftsleute ins Gespräch vertieft – daneben eine selbstbewusste junge Dame, die sich mit einem Mann ertappt fühlt, als habe man gerade ein Abkommen geschlossen, über das man besser Stillschweigen bewahrt – zuletzt eine weitere Frau, die mit triumphierendem Blick und perfekter Pose ins Bild schreitet.

Das bilde ich mir vermutlich alles nur ein, aber irgendwie muss ich ja den üblichen Umweg hin zum eigentlichen Thema hinbekommen. Und dabei handelt es sich um den eigentlichen Star der Situation – im wortwörtlichen Sinn, wenngleich er seinen Status zu verbergen sucht.

Sie ahnen es, es geht um die glänzende Limousine mit geöffneter Fahrertür, auf die hier kurz der Blick fällt, als der Fotograf im einzig richtigen Moment den Auslöser betätigte.

Das Ganze ist derartig auf den Punkt gebracht, dass man sich das gerne näher anschaut:

Spätestens jetzt werden Sie den Markenschriftzug „Renault“ auf der Stoßstange bemerken.

Aber glauben Sie bloß nicht, dass die Identifikation des genauen Typs dadurch wesentlich erleichtert wird. Zu dem Zeitpunkt, als dieses Auto gebaut wurde – in der ersten Hälfte der 1930er Jahre – bot Renault eine kaum zu überschauende Modellvielfalt mit fast jährlich wechselnden Details und phantasievollen Bezeichnungen, die nur bedingt weiterhelfen.

Noch relativ einfach findet man sich bei den drei Vierzylindertypen zurecht, deren Namen immerhin einen Hinweis auf die Motorisierung enthielten: „Monaquatre“, „Primaquatre“ und „Vivaquatre“. Sie unterschieden sich hauptsächlich im Hubraum und Radstand.

Die Frontpartien der Vierzylindermodelle entsprach allerdings weitgehend derjenigen der nächsten Kategorie mit Sechszylindermotoren: „Monastella“, „Primastella“ und „Vivastella“. Erschwerend kommt hinzu, dass der Monastella (8 CV) hubraum- und größenmäßig zwischen den 4-Zylindertypen Monaquatre (7CV) und Primaquatre (10 CV) angesiedelt war.

Außerdem besaßen Primastella und Vivastella dieselbe Motorisierung, unterschieden sich aber im Aufbau. Diese Aussagen beziehen sich nebenbei nur auf die Zeit ab 1932.

Wenn Sie jetzt denken, dass der Namensbestandteil „stella“ auf die sechs Zylinder verweisen könnte – quasi in Analogie zu „quatre“ bei den Vierzylindertypen, so irren Sie.

Das auf das lateinische Wort für „Stern“ bezogene Partikel findet sich nämlich auch bei den Spitzenmodellen von Renault wieder: den Achtzylindertypen „Nervastella“ und „Reinastella“.

Neben den für einfach gestrickte germanische Gemüter heillos verwirrenden gallischen Modellbezeichnungen ist vielleicht der Umstand am bemerkenswertesten, dass Renault damals auch in der Achtzylinderklasse mit Hubräumen von 4 bis 7 Litern aktiv war.

Für diese teils atemberaubend, teils „eigenwillig“ gestalteten Premium-Fahrzeuge der Marke interessiert sich in deutschen Landen kein Mensch mehr, während man sich mühelos für die massenhaft neu fabrizierten Specials der englischen Marke „Bentley“ begeistert, für die in den meisten Fällen eine originale Limousine oder ein Coupé zerstört wurde.

So ist mir bei Veranstaltungen in Deutschland noch nie ein solches französisches Designobjekt aus dem Hause Renault begegnet, obwohl diese nun wahrlich exklusiv sind.

Zurück zu unserem mutmaßlichen Star. Dummerweise tauchen nach meinen Recherchen erst ab 1935 durchgängig die erwähnten Modellbezeichnungen auf den dann meist mittig nach unten geschwungenen Vorderstoßstangen auf.

Einen Hinweis finden wir beim genauen Hinsehen dann aber doch: Die beiderseitig angebrachten Ersatzräder mit der verchromten Abdeckung finden sich definitiv nicht an den Vierzylindertypen, auch nicht am kleinen Sechszylindermodell „Monastella“.

Mir scheint dieses Ausstattungsdetail dem sechszylindrigen „Vivastella“ vorbehalten gewesen zu sein, außerdem gab es das bei den nochmals größeren Achtzylindern. Deren Motorhauben waren allerdings länger und verfügten über mehr seitliche Luftklappen.

Somit bleibt als wahrscheinlichster Star-Anwärter der „Vivastella“ von 1934. Übrigens waren die Stella-Modelle von Renault an einem erhaben ausgeführten sechszackigen Stern oben auf dem Kühler zu erkennen.

Leider ist das auf der digitalisierten Version meines Fotos nicht zu erkennen, während der Stern auf dem Originalabzug zumindest zu erahnen ist. Wenigstens den Teil der Story „müssen“ Sie mir also glauben, alles Übrige steht wie immer zur Diskussion.

Wie so ein Star aus dem Hause Renault anno 1934 daherkommen konnte, davon vermittelt folgendes Video einen Eindruck. Bitte bedenken Sie dabei, dass es sich hierbei um einen Achtzylinder des Typs „Nervastella“ handelt und der Aufbau ein anderer ist.

Aber immerhin bekommen Sie dabei den in Aussicht gestellten Star zu sehen…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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