Der letzte seiner Art? Adler „Primus“ von 1932

Wir leben wieder in Zeiten, in denen Altes Neuem weicht. Die Karten werden auf vielen Ebenen neu gemischt – unangreifbar scheinende Champions werden binnen kurzem abgehängt oder nehmen sich in Selbstgenügsamkeit aus dem Rennen.

Liebgewonnene Denkschemata und Freund/Feind-Bestimmungen werden durch neue Gegebenheiten und Frontlinien abgelöst. Wer in den Kategorien und Methoden von gestern verhaftet bleibt, mag sich noch eine Weile über Wasser halten, wird aber früher oder später dynamischeren und vitaleren Kräften weichen.

Das ist der Gang der Geschichte – in unseren Gefilden nur durch die Erstarrung im Kalten Krieg eine Weile aufgehalten.

Doch spätestens mit der IT-Revolution ab 2000 zeigt sich zunehmend: Wer bisher der Klassenprimus war, mag sich in der rauen Wirklichkeit des Wettbewerbs bald abgehängt sehen, wenn er die Zeichen der Zeit nicht erkennt oder schlicht abgewirtschaftet hat.

Solche Phasen geben Anlass zur Melancholie – man lässt Gewohnheiten ungern gehen – doch zugleich eröffnen sich mit einem Mal Räume, die großen Reiz entwickeln können, wenn man im Kopf beweglich bleibt und sich selbst neu zu erfinden weiß.

Die Kutscher mussten nach 1900 über kurz oder lang das Chauffeurs-Handwerk erlernen. Kaum waren angestellte Fahrer etabliert, wurden sie ab 1920 selbst Opfer des Fortschritts – wer auf Zack war, wurde dann Fahrlehrer, eröffnete eine Werkstatt oder ein Autohaus.

Eine der wenigen deutschen Automarken, die alle Umbrüche ab der Jahrhundertwende mitmachten und sich bis zum 2. Weltkrieg unter dem Druck des Markts immer wieder erfolgreich neu zu orientieren zu verstanden, war „Adler“ aus Frankfurt am Main.

Anfang der 1930er Jahre sah sich der Traditionshersteller ebenso wie seine Kunden einem rapiden Wandel in der Welt des Automobils gegenüber. Gleich mehrere Tendenzen zeichneten sich ab, ohne dass sicher war, welche davon den Weg in die Zukunft wies:

Der neue Frontantrieb forderte den Status quo ebenso heraus wie die Idee, Karosserien windschnittiger und zugleich geräumiger zu gestalten. Straßenlage und Fahrkomfort gewannen immer mehr an Bedeutung, und das Einsteigerauto sollte endlich familien- und reisetauglich tauglich werden, wie das in den USA längst der Fall war.

Interessant zu sehen ist, dass etliche Hersteller auf diese neue Gemengelage dadurch reagierten, dass sie Tradition und Moderne gleichermaßen Raum gaben und damit einer gespaltenen Kundschaft gerecht zu werden suchten.

Im Fall von Adler konnte das noch anno 1932, als man bereits das moderne Frontantriebsmodell „Trumpf“ anbot, so vollkommen konservativ aussehen wie hier:

Adler „Primus“ von 1932; Originalfoto: Michael Schlenger

Das könnte doch glatt ein Adler „Favorit“ sein – entwickelt Ende der 1920er Jahre – und bis in die frühen 30er mit etwas modernisierten Formen weitergebaut.

Nur die kompakte Bauweise als zweitürige Limousine, die einfache Stoßstange und das neugestaltete Adler-Emblem auf dem Kühler verraten, dass wir es mit einem 1932 neu eingeführten kleineren Modell zu tun haben – dem „Primus“ mit 1,5 Liter-Vierzylinder.

Wieso Adler ausgerechnet dieses traditionelle Gefährt mit Heckantrieb und 20er Jahre-Optik als „Klassenbesten“ anpries, erscheint schwer verständlich. Vielleicht dachte man, dass es nicht schaden kann, ein so konservatives Angebot dem Namen nach aufzuwerten.

Tatsächlich ging das Kalkül auf und bis 1936 blieb der Primus im Programm. Allerdings wurde der identisch motorisierte Adler „Trumpf“ mit Frontantrieb weit öfter verkauft, obwohl er nicht über die Hydraulikbremsen des „Primus“ verfügte. Womöglich wollte Adler damit dem Hecktriebler etwas Rückenwind geben.

Während das Spekulation bleiben muss und auch egal ist, wenn man Vorkriegswagen aus vorwiegend ästhetischer Sicht betrachtet, ist eine Sache es wert, festgehalten zu werden.

Der Adler Primus wurde nämlich nur im Jahr seines Erscheinens, also 1932, mit dem klassischen Flachkühler angeboten, der perfekt zu der konservativen Erscheinung passt.

Adler „Primus“ von 1932; Originalfoto: Michael Schlenger

In dieser Ausführung war der Primus zwar dem Namen nach der „Erste“, aber von der Form her der letzte seiner Art. Adler sollte ab 1933 keinen Wagen in dieser klassischen Optik mehr bauen.

Das mag in Verbindung mit den gegenüber dem Fronttriebler „Trumpf“ weit geringeren Stückzahlen dazu beigetragen haben, dass der „Primus“ von 1932 kaum noch bekannt ist.

Dabei war der Wagen genau in dieser Form noch einmal perfekter Ausdruck des Stils der 1920er Jahre, den amerikanische Gestalter perfektioniert hatten. Hier wird nämlich im Kleinformat ein letztes Mal die klassische Frontpartie des Cadillac von 1928 zitiert:

Adler „Primus“ von 1932, Nachkriegsaufnahme; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dem repräsentativen Eindruck keinen Abbruch tut weder die mitgenommmene Stoßstange noch der aus dem 2. Weltkrieg übriggebliebene „Notek“-Tarnscheinwerfer auf dem Kotflügel.

Dieser „Primus“ hatte die Umbrüche jener Zeit einigermaßen intakt überstanden, und auch wenn er inzwischen völlig von gestern war, löste er für seine Besitzer immer noch das zentrale Versprechen des Automobils ein: Herrscher über Zeit und Raum zu sein.

Ich würde diese Aufnahme grob auf „späte 40er Jahre“ datieren, tue mich aber schwer mit dem Nummernschild. Offensichtlich handelt es sich nicht um eines der damals in Deutschland üblichen Besatzungskennzeichen, aber was ist es dann?

Dass jemand im einst von deutschen Truppen besetzten Ausland nach dem Krieg noch die an unselige Zeiten erinnernde Tarnlaterne beibehalten hätte, fällt mir schwer vorzustellen.

Könnte das ein Kennzeichen aus der Zeit der Neuordnung des Nummernschildwesens ab 1948 sein? Für Hinweise bin ich dankbar – dann bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Mich beschäftigt und begeistert unterdessen mehr die zweite Aufnahme desselben Wagens:

Adler „Primus“ von 1932, Nachkriegsaufnahme; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So wie der Adler mit Heckantrieb, 20er Jahre-Look und Tarnscheinwerfer formal wirklich von gestern war, wirkt auch der Herr mit Hund ganz links wie einer der letzten seiner Art.

Das bezieht sich auf sein Erscheinungsbild mit klassischer Knickerbocker-Hose und langen Strümpfen – nebenbei ein Outfit, das ich als Retro-Radler und radikaler Gegner kurzer Hosen bei Männern mit bleichem Gebein nur zur Nachahmung empfehlen kann.

Dieses Thema werde ich übrigens demnächst hier vertiefen, anhand eines Potpourris an Bildern aus dem Süden, bei dem es nebenbei auch um Vorkriegsautos geht.

Was den Adler „Primus“ betrifft, hoffe ich doch sehr, dass wir auf diesen frühen Nachkriegsfotos nicht wirklich den letzten seiner Art sehen. Einige sollte es noch geben.

So gelungen die Fronttriebler von Adler auch waren, würde ich vor die Wahl gestellt, doch dem rareren „Primus“ die Rolle als meinem „Favorit“ einräumen.

Denn so ein wirklich klassischer Vorkriegswagen ist doch die reine Freude, auch wenn es mal etwas zu basteln gibt, nicht wahr?

Adler „Primus“ von 1932, Nachkriegsaufnahme; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

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8 Gedanken zu „Der letzte seiner Art? Adler „Primus“ von 1932

  1. Danke – immer schön zu hören, dass sich auch jemand dieser „einfachen“ Modelle annimmt, die für ihre einstigen Besitzer einen phänomenalen Wert hatten.

  2. Ich komme nochmal auf den Adler-Primus zu sprechen. Auf den Fotos sind tatsächlich nicht ganz die letzten seiner Art zu sehen, ein paar existieren aktuell auch in fahrbereitem Zustand.
    In der Werkstatt meines Karosseriebauers stand neben meinem Projekt auch eine zerlegte Primus-Limousine, deren Instandsetzung aber unterbrochen wurde. Ich kann nur hoffe, dass die eine Fortsetzung findet, auch wenn das bei einem solchen Wagen wohl nie wirtschaftlich zu bewerkstelligen sein wird. Es wäre schade drum, nachdem der Wagen über 90 Jahre überstanden hat.
    Joachim Schmidt

  3. „Ich würde diese Aufnahme grob auf „späte 40er Jahre“ datieren, tue mich aber schwer mit dem Nummernschild. Offensichtlich handelt es sich nicht um eines der damals in Deutschland üblichen Besatzungskennzeichen, aber was ist es dann?“

    Hallo Herr Schlenger,
    ich habe bezüglich des Kennzeichens mal etwas recherchiert und kann dazu behilflich sein.
    „TV“ steht für „Tirol-Vorarlberg“, gültig ab 01. 04. 1939 mit schwarzer Schrift auf weißem Grund.

    An vor jenem Datum zugelassenen Fahrzeugen (weiß auf schwarz) musste der Umtausch bis zum 31.03.1940 vollzogen sein. Das (Noch-)Führen der Staats-Kennung ‚A‘ war ab 10.04.1938 strafbar. Kennungs# 17214 könnte Großraum ‚Reutte‘ gewesen sein.

    Die Rückführung der Kennzeichen ‚weiße Schrift auf schwarzem Grund‘ erfolgte endgültig 1947, verbunden mit der Trennung T-irol & V-orarlberg. Das sichtbare Blatt auf der Frontscheibe ist ein Zulassungs – & Steuer-(bezahlt-)Nachweis. Damals so absolut üblich.

    Mit Grüßen,
    M. Grunwald

  4. Der Adler PRIMUS OH 49-89 ist kein in der DDr zugelassenes Fahrzeug -das Kennzeichen weist eindeutig auf ein Fahrzeug in der CSR/CSSR hin…
    Matthias Schmidt

  5. Moin , TV auf dem Kennzeichen steht für „Tirol-Vorarlberg“ , die laufende Nummer wurde für den Landkreis Reutte vergeben . Gültig waren diese Kennzeichen ab dem 1.4.1939 . Reutte liegt an der deutschen Grenze quasi gegenüber Garmisch-Partenkirchen .

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