Klassischer Typ mit Charme: Brennabor Z 6/25 PS

Am Begriff der Klassik kommt man bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos nicht vorbei – dabei ist er gar nicht so einfach zu fassen. Seine Wurzeln findet er in der europäischen Tradition in der Abgrenzung der Skulptur der griechischen Klassik.

Dieses ästhetische Phänomen konzentrierte sich auf das 5. Jh. vor Christus und ist von einem als ideal empfundenen Gleichgewicht aus Stilisierung und Realismus geprägt. Da die Klassik zwischen der noch zur Abstraktion neigenden Archaik und des extrem naturnahen Hellenismus liegt, kann man sie auch als goldene Mitte verstehen.

Von allem nicht zuviel und nicht zu wenig – nicht zu abweisend, nicht zu gefällig – man möchte nichts wegnehmen und nichts hinzufügen – alles ist genau auf den Punkt, sodass man sagen möchte: Genau so soll es sein.

Wir haben im Deutschen noch einen anderen Begriff dafür: mustergültig. Dieses Urteil fällt man bei einer klassischen Villa wie bei einer klassischen Gartenanlage, bei einer klassischen Schönheit wie bei einem klassischen Automobil.

Man weiß, ob etwas das Attribut klassisch verdient, wenn man es sieht, so schwer es im Einzelfall fällt zu sagen, was genau diese Wirkung ausmacht. Zugleich wohnt dem Klassischen eine gewisse Kühle inne, die einen auf respektvollem Abstand hält.

Die Skupturen der griechischen Klassik sind atemberaubende Schöpfungen, die einem Ehrfurcht vor dieser Kunst einflößen, doch man würde sie bei aller Menschennähe nicht als charmant bezeichnen. Die antiken Bronzefiguren von Riace sind ein „klassisches“ Beispiel.

Bei Vorkriegsautos begegnet man dem Phänomen ebenfalls immer wieder. Spezielle Formen, die sich in einem bestimmten Idealtypus manifestiert haben, werden als klassisch ansgesprochen – etwa die in den USA entstandene Gestaltungslogik der späten 1920er Jahre.

Die angesehene deutsche Traditionsmarke Brennabor brachte nach dem merkwürdig unfertig wirkenden Typ R 6/25 PS anno 1928 einen technisch praktisch identischen Nachfolger heraus, der aber optisch an internationale Standards anknüpfte:

Brennabor Typ Z 6/25 PS, Bauzeit: 1928-29; aus: Die Motorfahrzeuge, von P. Wolfram, 1928

Die strengen klassischen Formen dieses Modells wurden hier mit einem Zierelement etwas aufgelockert – der funktionslosen „Sturmstange“ am hinteren Dachaufbau. Damit bekam die Limousine die Anmutung eines Cabriolets oder zumindest einer Cabrio-Limousine.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass der Brennabor Z 6/25 PS mit seiner klassischen Erscheinung durchaus mehr Leben vertragen kann als auf dieser arg sachlichen Aufnnahme.

Nicht ist leichter als das – es bedarf nur des menschlichen Elements und einer anderen Perspektive – schon beginnt die Klassik ihre Strenge zu verlieren:

Brennabor Typ Z 6/25 PS, Baujahr: 1928/29; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Langjährige Leser meines Blogs erinnern sich vielleicht an diese ungewöhnliche Aufnahme, auf der das Automobil wie ein nach langer Abwesenheit heimgekommenes Familienmitglied inszeniert ist.

Solche Situationen sind es, die historische Automobile von einer rein technischen Erscheinung zum Bestandteil des Daseins der Menschen werden lassen, die dem Wagen einst vielleicht ihre materielle Existenz oder die vergnüglichen Seiten des Lebens verdankten.

Ein Beispiel für den letztgenannten Fall ist die folgende Aufnahme – ebenfalls ein alter Bekannter, u.a. wenn Sie die 2019er Neuausgabe von Werner Oswalds Klassiker „Deutsche Autos 1920-45“ besitzen.

Brennabor Typ Z 6/25 PS, Baujahr: 1928/29; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sind übrigens glücklich vereint zu sehen die beiden „klassischen“ Typen, welche Brennabor in einer Reklame für das Model Z 6/25 PS ansprach – den „Herrenfahrer“ und die „Dame von Welt“.

Ihnen wird mit den üblichen Übertreibungen – merke: Werbung ist keine wissenschaftlich exakte Wiedergabe der Wirklichkeit – der Brennabor des 1928/29 leistungsmäßig nicht mehr auf der Höhe der Zeit befindliche, aber immerhin klassisch gestaltete Typ Z 6/25 PS empfohlen:

Reklame für den Brennabor Typ Z 6/25 PS, 1928/29; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Ein „Meisterwerk moderner Automobiltechnik“ war der Brennabor Z 6/25 PS gewiss nicht. Aber wer in der Hinsicht nicht anspruchsvoll war und mit Spitzentempo 70 leben konnte, fand hier einen echten Klassiker vom Erscheinungsbild.

Dass man für das gleiche Geld in Deutschland einen Chevrolet mit 30 PS und modernem kopfgesteuertem Motor bekam oder für rund 200 Mark mehr ein Ford Model A mit 40 PS – das unterstreicht, in welchem Wettbewerbsumfeld sich Brennabor damals mit diesem optisch ansprechenden Wagen bewegte.

Ob man in nur zwei Jahren wirklich 10.000 Exemplare davon absetzte – dieselbe auffallend glatte Zahl wird auch für die Brennabor A-Typen und das Modell „Ideal“ angegeben – daran seien leise Zweifel geäußert.

Denn Fotos des Typs Z 6/25 PS tauchen nach meiner langjährigen Erfahrung nur selten auf, was sich von anderen Wagen dieser Klasse von Ende der 1920er Jahre nicht sagen lässt.

Aber das soll heute keine Rolle spielen, denn mir ist nach längerer Pause wieder ein Fund in der Hinsicht gelungen. Er vereint auf schöne Weise klassische Erscheinung mit dem nötigen Charme, der für mich zu einem guten Autofoto gehört:

Brennabor Typ Z 6/25 PS, Baujahr: 1928/29; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die junge Dame mit der hellen Bluse und der Krawatte am Steuer passt auch zum Typ „Frau von Welt“, von dem die Brennabor-Reklame fabulierte.

Sie weiß, dass man in der Arbeitswelt nicht mit eng geschnittenen Kleidern, kurzen Röcken oder bunten Tüchern brilliert, sondern mit dem klassisch-strengen Auftritt, der nicht vom Gesicht ablenkt. Nur darauf an kommt es im Job, im Büro oder auf internationalem Parkett.

Leider wird dieser strenge und für mich auf eigene Weise aufregende Stil hierzulande nicht mehr verstanden. Deutschen Damen, die in der Öffentlichkeit stehen, geht – mit wenigen Ausnahmen – das Bewusstsein für das angemessene professionelle Erscheinungsbild ab, das in den USA, Frankreich oder Italien noch gängig ist.

So finde zumindest ich am Ende auf dieser Aufnahme Klassike und Charme ideal vereint – nebenbei eine Erinnerung daran, dass auch heute ein historisches Automobil verdient, von angemessen gewandeten Zeitgenossen begleitet zu werden.

Gelegenheit zum Üben gibt es Anfang August 2025 bei der Neuauflage der Classic Days auf dem Gelände des Ritterguts Birkhof unweit des von vielen vermissten Schloss Dyck in der Nähe von Düsseldorf. Ich bin auf jeden Fall vor Ort und werde berichten…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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