Erzähl‘ nichts vom Pferd, oder doch? Audi „Dresden“

In meinem Blog gerate ich oft auf abseitige Pfade, bevor ich irgendwann doch die Kurve kriege und noch zum eigentlichen Thema komme.

Erzähl‘ bloß nichts vom Pferd“, mag mancher denken, der hier eine streng sachbezogene Auseinandersetzung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos erwartet.

Ich weiß ja: Es gibt keine Alternative hierzulande – das meine ich jetzt unpolitisch – aber ich bin hier der Chef vom Janzen und tue, was mir gefällt.

Also erlaube ich mir heute wieder eine Abschweifung und erzähle nebenbei etwas vom Pferd.

Auf den Gedanken kam ich heute, nachdem ich meine Arbeit erledigt hatte – bis kurz nach Mittag erst für den Brot- und Benzinerwerb, dann stand noch etwas Renoviererei an.

Es war gegen halb vier nachmittags, als ich beschloss, zum Supermarkt zu fahren und dabei einen Umweg zu nehmen. Der führte mich von meinem derzeitigen Aufenthalt im italienischen Umbrien auf den über tausend Meter hohen Monte Subasio.

Der Winter hatte sich dort bereits zurückgezogen, es war knapp über null Grad, doch in der Ferne sah man noch die schneebedeckten Gipfel der Appeninen:

Die Qualität dieses Fotos und der folgenden müssen Sie entschuldigen. Ich hatte meine gute Nikon nicht dabei und knipste mit einem uralten Nokia-Smartphone in der Gegend herum.

Erzähl‘ bloß nichts vom Pferd, komm‘ zur Sache“ – gewiss doch, einen Moment, ich bemühe mich ja. Also noch eine Aufnahme vom Gipfel, die Pferde lass‘ ich ausgeblendet.

Pferde? Im Winter? Auf über tausend Metern Höhe?“ Natürlich. Sie sind hier bloß außerhalb des Bildausschnitts – etwas weiter rechts wäre eine ganze Herde zu sehen:

Er erzählt uns doch tatsächlich was vom Pferd! Wo ist denn nun der im Titel in Aussicht gestellte Audi des Typs „Dresden“?

Tja, der wartet geduldig im Tal und gute 1.500 Kilometer weiter nördlich und über 90 Jahre in der Vergangenheit. Gleich ist er an der Reihe.

Doch muss ich vorher noch etwas vom Pferd erzählen.

Das begegnete mir nämlich heute nachmittag auf tausend Meter Höhe und wer sich von so etwas nicht gerne ablenken lässt, ist ein – nun ja, ergänzen Sie etwas Passendes:

Diese Erscheinung ist repräsentativ für eine Pferdegattung, die ganzjährig auf dem Monte Subasio im Freien lebt.

Zwar kümmert sich jemand um diese Herde, aber grundsätzlich finden sich die Tiere alleine zurecht – sie wechseln die Weiden selbständig und verbringen ihr ganzes Leben dort oben.

Als ich das heute sah, war die Idee für diesen Blog-Eintrag geboren, denn vom Pferd erzählen wollte ich Ihnen schon lange etwas.

Ermöglicht hat mir das Leser Matthias Schmidt aus Dresden, der mir bereits vor längerer Zeit ein Foto aus seinem phänomenalen Fundus in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat.

Darauf ist das heutige Thema in großartiger Weise festgehalten:

Hochzeitskutsche und Audi Typ T „Dresden“; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Was Matthias Schmidt bei der Zusendung dieses außerordentlichen Dokuments noch nicht wusste, ist der Umstand, dass es sich bei dem hinter der Kutsche abgebildeten Wagen nicht – wie von ihm vermutet – um einen Horch der späten 1920er Jahre handelt.

Die Gestaltung der Luftschlitze in der Motorhaube deutet vielmehr auf einen Audi von ca. 1930 hin – einen Achtzylinderwagen des Typs „Dresden“, wahrscheinlich

Der 75 PS starke Wagen war der „kleine“ Bruder des Audi „Zwickau“ mit 100 PS Motorleistung. Wie er besaß er einen Reihenachtzylinder, der anno 1927 aus der Insolvenzmasse des US-Herstellers „Rickenbacker“ erworben worden war – vielleicht nicht die allerbeste Idee…

Während vom Audi „Zwickau“ immerhin 450 Exemplare entstanden – nach US-Maßstäben lächerlich wenig – waren es im Fall des etwas kleineren Typs „Dresden“ nur 75.

Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir hier einen davon, erkennbar an den nur fünf statt sechs Gruppen Luftschlitzen in der Motorhaube:

Audi Typ T „Dresden“; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Selbst wenn ich mich irren sollte und wir doch einen Audi des „häufigeren“ Typs Zwickau vor uns haben, bleibt es dabei: diese Limousine war einst eine hochexklusive Angelegenheit.

Jetzt ist es mir doch gelungen, Ihnen nichts vom Pferd zu erzählen, wo doch auf derselben Aufnahme gleich zwei edle Exemplare mit einer ebensolchen Kutsche zu sehen sind.

Man fragt sich, was sich davon eigentlich durchgesetzt hat. Mir scheint es, dass zumindest bei Hochzeitskutschen die kräftigen Vierbeiner immer noch das Rennen machen würden. So ein Auftrittt macht einfach mehr her und mit zwei PS kommmt man auch ans Ziel, wie man sieht.

Letztlich ist es so: Wenn man die Leute in Ruhe lässt, setzt sich je nach Anwendungsbereich das durch, was besser geeignet ist. Das muss nicht zwangsläufig immer das Moderne sein.

Es gibt immer einen Ort, an dem auch das Pferd noch seine Daseinsberechtigung hat, sei es als Sportkamerad, als Lebensgefährte auf dem Land oder schlicht, weil es das Gras kurzhält.

Jetzt habe ich Ihnen doch etwas vom Pferd erzählt. Aber das war halb so schlimm, oder?

Nach meiner einschlägigen Begegnung auf dem Gipfel des Monte Subasio ging es in Serpentinen wieder hinunter vorbei am um diese Zeit verwaisten „Eremo delle Carceri“ – wohin sich Franz von Assisi vor 800 Jahren zum Gebet zurückzog:

Nur ein einsamer Radler, der schwer atmend auf den Spuren des (h)eiligen Franz den Berg hinauf pedalierte (er ist links oben noch zu sehen) begegnete mir in der Bergeinsamkeit.

Vom gleichen Ort aus in die andere Richtung gesehen, erblickt man zwischen zwei prächtigen Zypressen die Burg oberhalb von Assisi – einst als Außenposten des räuberischen Kirchenstaats den Bürgern der Stadt verhasst – heute eine romantische Ruine.

Der moderne Wagen rechts im Bild stört, ich weiß, doch es war die einzige Stelle, an der ich parken konnte, ohne auf der Straße zu stehen:

Von hier war es nicht mehr weit bis hinunter nach Assisi, wo ich wieder gen Süden abbog und durch die Hügel oberhalb der Valle Umbra heimwärts kreuzte – denn eigentlich wollte ich ja nur noch einige Einkäufe tätigen…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

3 Gedanken zu „Erzähl‘ nichts vom Pferd, oder doch? Audi „Dresden“

  1. Da hab‘ ich aber Glück gehabt mit „Dresden“, Herr Weigold! Die Rickenbacker-Story hatte ich seinerzeit schon einmal gebracht – danke für die Erinnerung daran!

  2. Heute möchte ich mich wiedermal am „Heiteren Auto- Raten“ beteiligen und das Ergebnis der Auffrischung des Fachwissens des langjährig mit der Historie der Auto Union ( und deren Vorläufern) Befassten hier einbringen :
    Die Ansprache des auf dem heute gezeigten Foto als Audi- Limousine Typ T „Dresden“ ist:
    RICHTIG ! !
    Da unser Rätsel- Meister seine Fachliteratur nicht zu jedem seiner Aufenthalte mit in den (ehem.Kirchenstaat) nehmen kann, ergänze ich seine Einschätzung um die Vorgeschichte dieses Gastspiels von „Amerikaner Motoren“ auf dem deutschen Markt.
    Der ‚alte Rasmussen“, der ja wie wir wissen, ab 1920 in wenigen Jahren einen kleinen Privat – Konzern zusammengekauft hatte und bereits 1927 als größter Motorrad- Hersteller der Welt galt, unternahm in diesem Jahr seine erste Studienreise über den großen Teich , kaufte bei Herrn Ford einen schönen LINCOLN Tourenwagen und kehrte aus den Staaten mit dem Vertrag über Rechte und Produktionsanlagen für den Rickenbacker- Motor nach Sachsen zurück.
    Rickenbacker war das bekannteste US- Flieger- Ass im WK I, konnte aber wohl besser fliegen als wirtschaften und ging in Kokurs.
    Rasmussen wollte wohl diesen
    Motor im damals von hochpreisigen Prestigewagen überschwemmten Markt als Billigheimer anbieten, fand aber keine Abnehmer. Es wurde auch Varianten als Schiffs- und Stationärmotor angeboten.
    Als er dann 1928 Mehrheits- Eigner bei Audi war, wurde mit diesem Motor (4371ccm, 80 PS)
    der Typ S „Zwickau“ kreiert, da das Flaggschiff Typ R „Imperator“ nahezu unverkäuflich war.
    Durch Aufbohren auf 5130ccm des Achtzylinders zum Typ SS und Verkürzung auf 6 Zyl. bei gleichen Zyl- Maßen wurde der Typ T „Dresden“ druntergeschoben, den wir hier vor der Friedhofsmauer geparkt sehen.
    Also: Typ T „Dresden“ 6 Zylinder, 75 PS, Typ SS „Zwickau“ 8 Zylinder, 100 PS, wobei die Namensgebung wohl als Spitze gegen die Landeshauptstadt gedacht war!

    dieses Einsatzes von

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