Nanu, wird der Blog-Wart nach 10 Jahren Kommentierung von Vorkriegsautos auf alten Fotos doch noch milde und kann dem 1925 eingeführten Minimal-Automobil von Hanomag – im Volksmund unter anderem als „Kommissbrot“ bekannt – etwas abgewinnen?
Ja und nein, lautet die differenzierte Antwort. Oder auch: Es kommt darauf an.
Was das Gefährt selbst angeht, bleibe ich hart: Wer im angeblichen Mutterland des Automobils anno 1925 noch mit einem 10 PS-Einzylinder-Vehikel ohne elektrischen Anlasser und mit Platz für ein kinderloses Paar aufwartete, hatte zwar eine Marktlücke für frühe „Hippies“ erkannt und besetzte diese auch recht erfolgreich bis 1928.
Nur: Ein ernsthafter Beitrag zur Demokratisierung des Automobils war das nicht. Wie man das machte, hatten nach dem 1. Weltkrieg bereits Ford mit dem Model T, Citroen mit dem 5CV, Fiat mit dem 501 und Austin mit dem Seven gezeigt.
Während diese vollwertigen Automobile zu hunderttausenden die Straßen Europas (bzw. zu Millionen in den USA) bevölkerten, beschritt der Maschinenbauer Hanomag aus Hannover mit dem 2/10 PS-Typ einen typischen deutschen Sonderweg in die Sackgasse -hier durchaus reizvoll illustriert:

Damit wir uns recht verstehen:
Ich will den Freunden der überlebenden Exemplare ihr Hobby nicht madig machen und natürlich schaue ich mir so ein Gerät gerne an, wenn man mal eins zu Gesicht bekommt. Schön auch, dass sich Enthusiasten um den Erhalt dieser Schöpfungen kümmern.
Aber: Man sollte die Kirche im Dorf lassen und dieser skurrilen Kreation nichts andichten, was einfach nicht zutrifft. Weder war es seiner Zeit voraus, noch hatte es das Pech auf ein unverständiges Publikum zu treffen, das seine Genialität bloß nicht erkannte.
Automobile wurden und werden – bei aller Liebe – zuallererst für den Markt gemacht. Was beim Käufer nicht verfängt und der allgemeinen Entwicklung keine neue Richtung gibt, ist schlicht eine Fehlkonstruktion.
Das gilt erst recht, wenn die Marktverhältnisse dergestalt sind, dass es nur eine dünne Schicht solventer Käufer für vollwertige Autos gibt und ansonsten 95 % arme Schlucker, für die schon ein simples Motorrad ein Luxus ist, wofür man lange ansparen muss.
So war es im Deutschland der 1920er Jahre aufgrund der Kriegsfolgen und der desolaten Einkommensverhältnnisse der breiten Masse schlicht zu früh, überhaupt irgendein richtiges Auto für jedermann in Betracht zu ziehen.
Jetzt kommt das große ABER, das bereits im Titel anklang.
In seltenen Fällen wie dem folgenden muss man sich fügen und den „rasenden Kohlenkasten“ aus Hannover doch mögen – das liegt dann aber nicht am Auto selbst:
Die beiden Damen, die hier auf dem Hanomag herumturnen, veranschaulichen nicht nur dessen spielzeughafte Dimensionen, sondern sind es auch, was mich zum Erwerb des Fotos veranlasste.
Normalerweise ist mir das „Kommmissbrot“ keine 5 EUR wert, nachdem es hinreichend in meiner Hanomag-Galerie dokumentiert ist. Doch im vorliegenden Fall gab das Kennzeichen den Ausschlag.
Denn die Abkürzung Sib. steht für den rumänischen Namen von Hermannstadt in der hauptsächlich deutschsprachigen Region Siebenbürgen, welche ab 1918 ohne sachlichen Grund und vor allem ohne Befragung der Bevölkerung Rumänien zugeschlagen wurde.
Die dort seit etwa 800 Jahren ansässigen Bürger deutscher Sprache mussten nun auch auch das rumänische Idiom erlernen. Das kam zum Hochdeutschen und dem Sächsischen hinzu, das dort seit dem Mittelalter gesprochen wird.
Mit Sachsen hat dieser Dialekt nichts zu tun. Vielmehr ist das in Siebenbürgen gesprochene Sächsisch verwandt mit deutschen Dialekten aus dem Moselraum.
Wie so vieles habe auch das nicht auf dem westdeutschen Augustiner-Gymnasium zu Friedberg/Hessen gelernt (dafür aber jede Menge tiefrote Propaganda in Sachen Marxismus-Leninismus, Kuba, Nicaragua usw.).
Mein Bezug zum Idiom der Siebenbürger Sachsen ist meine bessere Hälfte. Ihre Eltern stammen aus der Ecke, ohne selbst der deutschen Mehrheit angehört zu haben – sie sind Vertreter der gemischten Ethnien, wie sie zu KuK-Zeiten in der Region allgegenwärtig waren.
So spricht und/oder versteht man in der Familie mehr oder weniger gut Ungarisch, Rumänisch, Deutsch und Sächsisch. Mir ist vor allem das Sächsische lieb, mit dem sich die bessere Hälfte mit der Mutter unterhält, obwohl beide dem Volksstamm gar nicht angehören.
Einen bis ins späte Mittelalter zurückreichenden Dialekt zu hören (und nach einer Weile zu verstehen), das hat etwas von einer Zeitreise. Das muss man doch mögen, wenn man nicht völlig der Moderne hörig ist.
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.