Neues Motto: Mehr für’s Auge! Citroen Traction Avant

Die regelmäßigen Leser werden bemerkt haben, dass ich mir eine kurze Pause in meinem Blog gegönnt habe.

Das war zum einen der Arbeit geschuldet, die mich in den letzten Tagen mehr als sonst absorbiert hat – da schien mir noch mehr Bildschirmzeit zuviel. Mehr für’s Auge tun, das wird früher oder später zu einem Motto, mag man sich sonst noch jung fühlen.

Zum anderen schien mir der Augenblick gerade recht, um einen Blick auf das in den letzten 10 Jahren Bloggerei Erreichte zu werfen – sowie Pläne dafür zu machen, wie es weitergeht.

„Er hat das Titelbild geändert, wo wir uns doch so daran gewöhnt hatten.“ – Ja liebe Leser, das schmerzt den Konservativen, wenn schon so viel anderes den Bach hinuntergeht.

Doch halte ich es mit dem paradoxen Ausspruch, wonach sich alles ändern muss, damit es so bleiben kann, wie es ist. So drückt es der sizilianische Adlige Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957) in seinem Roman „Il Gattopardo“ aus – welcher 1963 mit hinreißender Besetzung verfilmt wurde.

Also habe ich mich beim neuen Titelbild des Blogs für ein Foto aus meinem Fundus entschieden, das noch besser die Bandbreite meines Anspruchs abdeckt:

Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Harmonisch nebeneinander stehen hier die exotischen, oft schwer zu identifizierenden Automobile der Zeit bis 1920, die populären Kleinwagen und Nischenfahrzeuge der Zwischenkriegszeit und die in gigantischen Stückzahlen gebauten Wagen der US-Hersteller.

Nur die in der heutigen Klassikerszene so präsenten deutschen Luxusfabrikate sucht man auf dieser Aufnahme vergeblich. Sie waren damals viel zu selten und fanden gewiss nicht den Weg ins beschauliche Blaubeuren, wo obiges Foto im April 1930 entstand.

Nachdem wir also geklärt hätten, dass im Wesentlichen alles bleibt, wie es ist, kommen wir zu dem, was sich ändert. Ich will hier aus persönlichen Motiven, aber auch weil ich meine, ein Bedürfrnis bei anderen dafür zu sehen, künftig „mehr für’s Auge tun“.

Das bedeutet zweierlei: Von den Kategorien „Fotorätsel des Monats“ am 15. und „Fund des Monats“ am Monatsletzten abgesehen, wird es hier künftig weniger ins rein sachliche Detail gehen – jedenfalls nicht, soweit allgemeine Quellen verfügbar sind.

Im Vordergrund soll vielmehr die Ästhetik stehen und damit meine ich nicht nur die formale Gestaltung eines Wagens, sondern auch seine Inszenierung und Wirkung, also seine Bedeutung als Ausdruck von Zeitgeist und Selbstverständnis der Besitzer.

Damit einher geht der weitgehende Verzicht auf Aufnahmen, die rein dokumentarische Qualitäten haben. Kandidaten wie Adler „Favorit“, Brennabor P 8/25 PS, Horch 10/50 PS, Mercedes 8/32 PS oder auch Fiat 509 und Chevrolet „International“, landen fürderhin direkt in den einschlägigen Markengalerien, sofern sie nicht „mehr für’s Auge“ bieten.

Damit wir uns recht verstehen: Auch künftig spielen hier nicht die Prachtkarossen von Meisterhand nicht erste Geige, welche einst den „happy few“ gehörten und die heutzutage überrepräsentiert sind. Auch ein brilliant in Szene gesetzter DKW mit sympathischem Personal drumrum kommt weiterhin in die Auswahl.

Fotos mäßiger Qualität, die unerbauliche Situationen mit unangenehmen Charakteren zeigen, will ich nicht mehr bringen – wobei es Ausnahmen geben kann. Ein erfreuliches Gegenbild zum Alltag soll hier gezeichnet werden – auch das ein Fazit nach 10 Jahren.

Zwar bin ich selbst in der glücklichen Lage, dass sich meine persönlichen Verhältnisse immer weiter verbessert und verschönert haben. Aber mir ist auch sehr bewusst, dass für die breite Masse der Bürger in Deutschland sich seit 2015 praktisch nichts zum Positiven entwickelt hat, um es vorsichtig auszudrücken.

Deshalb wird auch weiterhin alles, was ich hier tue, für meine Leser völlig kostenlos und werbefrei sein. Der einzige Preis, den Sie zahlen müssen, ist der meiner persönlichen Sicht und Assoziationen beim Betrachten der Fotos, um die es geht.

Wie sich das im Fall des heute erstmals präsentierten Citroen „Traction Avant“ darstellt, werden Sie im Folgenden erfahren – los geht’s:

Fiat 1100 und Citroen Traction Avant in Mailand; Postkartenausschnitt, Original aus Sammlung Michael Schlenger

Bei der Aufnahme klingt gleich ein Thema an, das mir am Herzen liegt und das ich weiterhin verfolge – das Vorkriegsauto und seine Wirkung im Stadtbild.

Hier wird die streng klassischen Vorbilder der Antike folgende Fassade der im 19. Jh,. errichteten Kirche San Carlo in Mailand in willkommener Weise durch die Präsenz von zwei Automobilen der 1930er Jahre gemildert – die Szene bezieht ihr gesamtes Leben daraus.

Dergleichen dürte mit Autos der Gegenwart nur noch in selten Fällen gelingen. Die Vorkriegsgestaltung folgte dagegen noch Prinzipien, die nicht in offenem Widerspruch zur über Jahrhunderte gewachsenen Architektur standen.

Geradezu brav erscheint hier der für seine Zeit durchaus moderne Fiat 1100 links – Ende der 30er Jahre eines der besten Autos seiner Klasse und ein gern gesehener Gast in meinem Blog, zumal er auch in Deutschland gebaut wurde.

Doch wirkt er beinahe bieder gegen den wie eine sprungbereite Raubkatze geduckt danebenstehenden Citroen des 1934 eingeführten Typs „Traction Avant“.

Der aufregend klingende Namenszusatz verwies schlicht auf den Frontantrieb, der damals von etlichen europäischen Herstellern (Adler, Audi, DKW, Stoewer) als zukunftsweisend erkannt und in teils beachtlichen Stückzahlen realisiert wurde.

Die eigentliche Neuerung beim „Traction Avant“ war die Kombination mit einer selbsttragenden Karosserie und niedrigem Schwerpunkt, was dem Wagen eine einzigartige Straßenlage ermöglichte.

Je nach Motorisierung (vier bzw. sechs Zylinder) boten die Franzosen damals echte Autobahngeschwindigkeiten von 120-140 km/h, die beim selbsternannten Erfinder der Autobahn rechts Rheines rare Ausnahmen blieben. Das Potenzial des Fahrwerks unterstrich ein geplanter noch stärkerer 8-Zylindermotor, der aber nicht mehr zum Serieneinsatz kam.

Jenseits der in seiner Hubraumklasse weit überdurchschnittlichen Fahrleistungen war und ist für viele Autogourmets aber die Karosserieform des Citroen die eigentliche Sensation.

Der Gestalter – Flaminio Bertoni (übrigens auch der Designer der späteren Ente und der DS von Citroen) – war von Hause aus Bildhauer und ihm gelang eine geradezu skulpturenhafte Interpretation der klassischen Formen der 30er Jahre. Kein Wunder, dass Citroen bis Ende der 1950er Jahre daran festhielt.

Auf der folgenden Aufnahme verweisen nur die Luftschlitze in der Haube (statt Klappen) und die gerade Stoßstange auf die ansonsten unveränderte Nachkriegsversion:

Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsversion; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die phänomenalen Qualitäten des Fronttrieblers von Citroen – je nach Motorisierung als 7 CV, 11 CV oder 15 CV angeboten – sprachen sich nicht nur bei französischen Gangstern herum, die damit der Polizei mühelos entkommen konnten.

Der Wagen fand auch bei einer anderen unerwünschten Klientel großen Zuspruch, dem deutschen Militär, das im Sommer 1940 Frankreich angriff und weitgehend besetzte.

Die trotz großer Klappe an chronischer Knappheit leidende Wehrmacht kassierte alle Exemplare dieses Typs, derer sie habhaft werden konnte.

Die bisweilen angeführte Abneigung der deutschen Truppen gegenüber Frontantriebsautos muss sich auf Schreibtischtäter im schon damals ineffizienten Beschaffungswesen beschränkt haben – an der Front wusste man es nämlich besser:

Citroen „Traction Avant“, Beutwagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir einen frisch erbeuteten Citroen, aufgenommen 1940 zwischen Troyes und Nancy, so ist umseitig überliefert. Die Uniformjacke eines deutschen Soldaten – wohl mit Ek2 und Infanterie-Sturmabzeichen – sagt alles über die neuen Besitzverhältnisse.

Der Lack ist noch der zivile, doch trägt der Wagen schon die seit 1939 obligatorischen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfer. Mit offenbar wenig haltbarer Farbe hat jemand „WH“ (für „Wehrmacht Heer“) auf den Kotflügel gemalt.

Wenig vorschriftsmäßig das Ganze, aber auch deshalb interessant und würdig, gezeigt zu werden.

Gemäß meinem neuen Motto „Mehr für’s Auge“ nicht mehr eigens präsentieren, sondern gleich in die Markengalerie verschieben würde ich dagegen künftig beliebige Aufnahmen ähnlicher Situationen wie diese:

Citroen „Traction Avant“, Beutewagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie werden mir beipflichten, dass man darauf gut verzichten kann – nicht wegen des unerfreulichen Kontexts, sondern schlicht weil das Foto ästhetisch nichts hergibt.

Anders sieht das beim nächsten Beispiel aus – auch wenn wir uns hier immer noch im selben Umfeld bewegen.

Mich erinnert die Aufnahme an den scherzhaften Spruch eines amerikanischen Mitglieds meiner internationalen Facebook-Gruppe zum Thema Vorkriegsautos auf alten Fotos: „The Germans should have won the war – they had the cooler cars and smarter uniforms„.

Die Amis haben gut lachen, die dürfen das als eine der Siegermächte des 2. Weltkriegs sagen und wissen gut zu trennen zwischen den verwerflichen Aktivitäten der Wehrmacht einerseits und ihrer für viele historisch Interessierte bis heute faszinierenden Ausrüstung:

Citroen „Traction Avant“, Beutewagen der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Im vorliegenden Fall haben diese Herren, die ich bei der deutschen Luftwaffe verorten würde, nur ihre schneidigen Uniformen mitgebracht, auf die man auf deutscher Seite so auffallenden Wert legte.

Den schicken Wagen dagegen hatten sie französischen Zivilisten abgenommen, welche ihre Autos in aller Regel nie wieder sahen, obwohl einige dieser Citroens noch bei der Kapitulation der Wehrmacht vor 80 Jahren zum deutschen Fuhrpark gehörten.

Mir ist bewusst, dass solche Aufnahmen bei meinen Lesern nicht nur Freunde finden, aber sie illustrieren nun einmal einen wichtigen Teil der Geschichte des Citroen „Traction Avant“.

Aus derselben Zeit kann ich bei der Gelegenheit ein Aufnahme zeigen, die auf jeden Fall in die Kategorie „Mehr für’s Auge“ passt, auch wenn das Foto im Oktober 1940 als Feldpostkarte aus Paris nach Deutschland gesandt wurde:

Citroen „Traction Avant“ Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So betörend dieses Postkartenmotiv auch ist, sollten wir immerhin kurz erwähnen, dass es sich bei dem nur in Teilen sichtbaren Auto ebenfalls um einen Citroen „Traction Avant“ handelt – hier eine der eher seltenen Ausführungen als zweisitziges Cabriolet.

Lediglich die Gestaltung der Luftklappe in der Motorhaube brachte mich auf die Spur dieses raren Exemplars.

Mit dem nächsten Foto verlassen wir die unselige Kriegszeit, bewegen uns aber noch in einem Umfeld, in dem im weitgehend kriegsverheerten Europa Mangel an so ziemlich allem herrschte – und das sieht man dieser Szene deutlich an:

Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer mein neues Motto „Mehr für’s Auge“ bereits verinnerlicht hat, mag hier die Augenbraue heben – was sollte hier schon besonders sehenswert sein?

Nun nach streng ästhetischen Maßstäben wenig, auch wenn vielleicht die Damen den schlanken großgewachsenen Herrn nicht unsympathisch finden könnten.

Aber für’s Auge gib es auch an dem mitgenommmenden Citroen einiges zu sehen – oder auch nicht zu sehen, denn manches fehlt (wie das große Markensignet auf dem Kühler und die vordere Radkappe) oder wurde verändert (wie die Stoßstange).

Vor allem aber brauche ich hier jemandes scharfes Auge, was das Nummernschild betrifft: Erkennt jemand, wo dieses Exemplar einst zugelassen war?

Kurioserweise präsentiert sich ein weiteres Exemplar kurz nach dem Krieg wesentlich besser, obwohl es dem Nummernschild nach zu urteilen in Berlin beheimatet war:

Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen scheint den Krieg trotz kleinerer Modifikationen etwas besser überstanden zu haben, auch der Hintergrund sieht intakt aus – wobei es 100 Meter weiter schon wieder ganz anders aussehen konnte.

Da der Citroen „Traction Avant“ auch im Kölner Werk produziert worden war, könnte es sich hier um ein überlebendes Exemplar aus deutschem Besitz gehandelt haben – offenbar von jemandem, dessen Tätigkeit es erforderte, dass er den Wagen nicht auf Nimmerwiedersehen ans Militär abliefern musste.

Die junge Dame neben dem Auto, dessen schlichte und doch spannungsreiche seitliche Linien hier gut zu studieren sind, trägt ein Kostüm, wie es typisch für die späten 40er Jahre ist. Viele Unterschiede gab es da noch nicht zur Vorkriegszeit.

Dass eine gut gekleidete und gekonnt posierende Dame immer noch die perfekte Ergänzung eines schönen Automobils darstellt, mag nach den bedauernswerten Maßstäben einiger heutiger Zeitgenossen zwar eine unangemessene Feststellung sein.

Ich weiß aber im Unterschied zu den fixen Ideen irgendwelcher trübseligen Theoretiker mit unwerfendem Belegmaterial für meine Behauptung aufzuwarten.

Das schlagendste Argument ist und bleibt der Bildbeweis – jedenfalls sofern man noch auf analoge Originale wie dieses zugreifen kann:

Citroen „Traction Avant“, Nachkriegsfoto; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie werden nach hinreichender Würdigung der erschrocken in die Zukunft schauenden Dame im Leopardenjäckchen sicher auch bemerkt haben, dass wir hier wieder eine Nachkriegsversion des Traction von Citroen vor uns haben.

Das Zusammenspiel der schönen Erscheinung auf vier Rädern und auf zwei Beinen wird hier noch so perfekt illustriert wie vor dem Krieg – so als wäre nichts gewesen.

Solche Erkenntnisse sind es vor allem, auf ich mit dem neuen Motto „Mehr für’s Auge“ verstärkt abziele.

Wem bei dem Ansatz die Technik und der Zahlensalat zu kurz kommen, dem kann ich kurzfristig nicht helfen – das bleibt jetzt nämlich aus auto-therapeutischen Gründen die nächsten zehn Jahre so. Vielleicht haben wir dann wieder bessere Zeiten…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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