Fotorätsel des Monats: U.a. ein Luxusdampfer um 1930

Der Titel lässt bereits ahnen, das ich heute zu Übermut neige. Das mag damit zusammenhängen, dass ich beim nachmittäglichen Besuch des örtlichen Baumarkts doch nicht von einem rückwärts ausparkenden Elektropanzer überrollt wurde, obwohl der es „nachhaltig“ darauf abgesehen zu haben schien.

Ich weiß schon, warum ich mich nie auf Rück- und Außenspiegel verlasse, außerdem habe ich mir als Motorradfahrer angewöhnt, immer damit zu rechnen, selbst übersehen zu werden oder dass einer einem sogar wissentlich die Vorfahrt nimmt.

Von solcher Paranoia kann man auch als Fußgänger oder Radler profitieren. Ein im spielerischen Umgang mit Katzen erworbenes Reaktionsvermögen mag dem Überleben in einem ins Anarchische abgleitenden Verkehrsgeschehen ebenfalls dienlich sein.

Nachdem dieser Punkt geklärt wäre, tauche ich nun tiefer in die Vergangenheit ein. Einen kurzen Zwischenstopp lege ich beim Fotorätsel des Vormonats ein.

Das dort gezeigte Automobil hatte für einige Resonanz gesorgt, was mich darin bestärkt, diese neue Rubrik fortzuführen. Die Lösung will ich – sofern sich eine gefunden hat – stets zu Beginn des nächsten Fotorätsel bringen.

So kann ich heute mitteilen, dass sich die Vermutung bestätigt hat, dass das abgebildete Luxus-Cabriolet ein Lancia „Astura“ von Mitte der 1930er Jahre war.

Ganz genau zu sagen wusste es Michele Casiraghi, Mitglied einer Facebook-Gruppe, die auf italienische Vorkriegswagen spezialisiert ist und zu der ich ebenfalls beitrage.

Demnach handelt es sich um einen Lancia „Astura“ von 1934 mit Karosserie von Pinin Farina – bezeichnet als „Cabriolet Royal Aerodynamico“ und unter anderem an den hinteren Radverkleidungen erkennbar.

In der puristischen Eleganz der Lancias und Alfas jener Zeit deutete sich bereits die einzigartige Blüte der italienischen Karosseriebaukunst der 1950/60er Jahre an.

Was nun das Fotorätsel dieses Monats angeht, bleibe ich in Italien – eine Entscheidung, die mir stets besonders leicht fällt – doch bewegen wir uns nun einige Jahre zurück:

„Stazione Marittima“ in Genua; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese prächtige Ansicht zeigt das bis heute unverändert erhaltene Passagierterminal im Hafen von Genua – die sogenannte „Stazione Marittima“.

Konzipiert wurde der dreiflügelige Bau kurz vor dem 1. Weltkrieg. Nach Baubeginn 1916 sorgte der 1. Weltkrieg für eine langjährige Unterbrechung des Baufortschritts.

Erst 1930 erfolgte die Fertigstellung. Am historisierenden Baustil der Neorenaissance wurde festgehalten – eine brutale Zäsur in der Architektur wie in Deutschland fand in Italien kaum statt, auch der Jugendstil („Liberty“) hielt sich dort noch bis in die späten 1920er Jahre.

Was mir neben der repräsentativen und abwechslungsreichen Architektur hier besonders gefällt, ist die funktionell gesehen hochmoderne zweistöckige Straßenführung bei gleichzeitiger Wahrung dem Auge schmeichelnder eleganter Formen.

Erstaunlich, wie Moderne und Tradition zusammengehen können, wenn man will (und wenn man es kann), nicht wahr? Den meisten Architekten der Gegenwart ist dieser Weg leider verbaut, da die verabsolutierende Bauhaus-Ideologie bis heute die Köpfe beherrscht.

Ausnahmen gibt es durchaus, aber diese bestätigen lediglich die Regel, welche nach dem Krieg die Hauptursache für die Unwirtlichkeit unserer modernen Städte war.

Die Fachkundigen unter den Lesern mögen mir solche Laienurteile verzeihen – aber als gebürtiger Bad Nauheimer bin ich in Sachen Baukunst massiv vorbelastet und ich verstehe diese Lust an der monotonen Kasten- und Rasteroptik der Gegenwart nicht ansatzweise.

Aber Moment, müssen wir hier nicht wenigstens am Rande auch über Vorkriegsautomobile sprechen? Ja gewiss, das tun wir auch diesmal, auch wenn das Rätsel diesmal wohl kein allzu schweres sein dürfte, oder doch?

Während das heute vorgestellte Foto nach dem zuvor Gesagten frühestens 1930 entstanden sein, verweist die Gestaltung der hier zu sehenden Chauffeur-Limousine auf eine frühere Entstehungszeit des Wagens.

Natürlich spricht die Wahrscheinlichkeit für einen großen Fiat – denn der Turiner Hersteller war damals der einzige Massenproduzent von Automobilen in Italien. Allerdings schließt das nicht aus, dass wir es dennoch mit einem anderen Fabrikat zu tun haben.

Mangels Alternativen möchte ich aber vorläufig an der Fiat-These festhalten und tippe hier auf eine Version des kleinen 6-Zylindertyps 520, der ab 1927 gebaut wurde. Davon gab es ausweislich des deutschen Prospekts auch eine Ausführung als klassische Chauffeur-Limousine, also mit geschlossenem Passagierabteil.

Die Frontpartie des Fiat 520 mit rund 45 PS leistendem Motor kann man auf dieser Aufnahme studieren, die ich vor längerem bereits vorgestellt habe – das Modell fand auch in deutschen Landen etliche Käufer.

Fiat 520;aufgenommen in Troppau (heute: Tschechien); Originalfoto: Sammlung Franz Langer

Da ich in diesem Fall mit wenig Alternativvorschlägen rechne – die vielen Fiat-Modelle der 1920er Jahre kennt hierzulande wohl nur Ferdinand Lanner wie seine Westentasche – habe ich mich im eingangs erwähnten Übermut für ein Rätsel eigener Art entschieden.

Da von der Stazione Marittima in Genua – wo heute riesige Kreuzfahrtkähne ankern – einst die meisten Passagierdampfer ablegten, die italienische Auswanderer in die USA brachten, sollte es auch Enthusiasten geben, die sich mit diesem Vorkriegskapitel auskennen.

Also stelle ich heute zusätzlich zur Fiat 520-Hypothese die Frage in die Runde: Was war das für ein Passagierschiff, das auf dem Foto aus Genua zu sehen ist?

Die nur zwei Schornsteine sprechen gegen einen der ganz großen Dampfer jener Zeit, aber nur für den Mittelmeerverkehr scheint mir dieser Vertreter nicht vorgesehen zu sein.

Wenn Sie nun auf diesem Sektor ebenso ahnungslos sind wie ich, aber dafür unbedingt etwas zu der Figurengruppe rechts im Bild loswerden möchten, dann nur zu. Den Gott Merkur mit merkwürdig platziertem Caduceus sehe ich dort, aber sonst?

Auch solche Details aus der Welt von gestern interessieren mich – wäre doch arg beschränkt, wenn man nur alte Autos im Kopf hätte, oder?

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

5 Gedanken zu „Fotorätsel des Monats: U.a. ein Luxusdampfer um 1930

  1. Hallo,
    nach etwas intensiverer Recherche ist zumindest das Rätsel um die Statue im Vordergrund gelöst, die zudem hilft die Datierung des Fotos bis auf zwei Jahre genau zu fixieren: 1930-1932. Warum? Fertiggestellt wurde die Stazione marittima wie bereits geschrieben 1930.
    Das Denkmal im Vordergrund erinnert an Raffaele de Ferrari. Eine bronzene Skulpturengruppe, die 1896 von Giulio Monteverde geschaffen und zum Gedenken an den genuesischen Unternehmer und Philanthropen Luigi Raffaele De Ferrari, Herzog von Galliera (1803–1876), errichtet wurde, der lt ital. Wikipedia dem Hafen von Genua 1875 20 Millionen Lire gespendet hatte, die für verschiedene Verbesserungen des Bauwerks verwendet werden sollten.[1]
    Ursprünglich befand sich das Denkmal für den genuesischen Unternehmer und Philanthropen Luigi Raffaele De Ferrari, Herzog von Galliera (1803–1876), auf der Piazza del Principe, vor der Stazioni Marittime. Im Jahr 1932 wurde es verlegt und ein Stück weiter, in die Gärten, die von der späteren Via Fanti d’Italia flankiert wurden, neu aufgestellt. 1989 wurde es jedoch entfernt, um den Bau der Station Principe der U-Bahn von Genua zu ermöglichen.
    Mit 1932 haben wir also das spätest mögliche Datum für diese Aufnahme.
    KD

  2. Hallo,
    NDL-Schiffe sind häufiger in Genua im Liniendienst gewesen, wie Frithjof richtig schrieb, auch die Größe und Form könnte das Schiff auf den ersten Blick zu einem Kandidaten dieser Reederei machen. Ähnliche Schiffe fuhren aber auch unter der Reederei Italia – Società di Navigazione.
    Schöne Grüße,
    KD

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