Was halten Sie eigentlich von Unisex-Angeboten im Kleidungssektor? Nun, wie fast immer möchte man meinen: Es kommt darauf an.
Ein universeller sackartiger Sichtschutz, der keine Rückschlüsse auf das Geschlecht anhand des Körperbaus zulässt, wäre für den Ästheten ein ähnlicher Affront wie die kragen- und taschenlosen Einheitskittel im Mao-Look, welche einem als politisches Statement bisweilen noch heute begegnen.
Weit besser gefällt mir, wenn sich sportliche Damen in knappe Mechaniker-Overalls zwängen oder sich Herrenanzüge auf den Leib schneidern lassen und dazu Krawatte tragen. Warum ich das unbedingt befürworte, kann vielleicht ein Psychologe erklären.
Wenig Verständnis indessen bringe ich dafür auf, wenn Männer meinen, Geschlecht sei ohnehin beliebig und selbstverständlich könnten auch sie als Frauen auftreten, indem sie einfach einen Fummel überziehen, den sie für typisch weiblich halten und versuchen, sich den Bartschatten zu übertünchen. Das Ergebnis wirkt stets albern bis peinlich.
Wenn Sie sich jetzt fragen, wie ich ausgerechnet auf diese Thematik komme, darf ich zu meiner Entschuldigung vorbringen, dass mich ein Autofoto der Vorkriegszeit darauf gebracht hat – noch dazu eines aus der Berliner „Szene“.
„Das kann ja heiter werden„, mag jetzt mancher denken – „unser sonst so konservativ auftretender Blogwart scheint ja ziemlich abseitige Interessen zu pflegen“.
Seien Sie unbesorgt, es ist wirklich ganz harmlos, allenfalls ein klein wenig frivol, wenn man sich mit Unisex-Lösungen um 1930 befasst – etwa, was Badekleidung angeht. Denn darum geht es heute unter anderem:

Sie sehen, was ich meine?
Der Badeanzug steht ihm entschieden weniger als ihr – immerhin weiß er das und präsentiert seine weit besser geratene Hälfte auch entsprechend prominent.
Das muss man doch gutheißen, dass sich der Badeanzugträger hier so im Hintergrund hält, zumal sein weibliches Pendant ausgesprochen gute Miene zu der Situation macht.
Tatsächlich fällt es schwer, sich hier loszureißen und sich dem Auto zuzuwenden, welches auf den ersten Blick als bloße Stafffage zu dienen scheint. Doch das liegt nur daran, dass ich lediglich einen kleinen Ausschnitt davon zeige – es gibt gleich noch mehr in Sachen automobiler „Sechs-Appeal“ zu besichtigen.
Zuvor sei auf das Kühleremblem verwiesen, das auf den traditionsreichen deutschen Hersteller Brennabor aus Brandenburg an der Havel verweist.
Die Marke hatte seit Beginn des Jahrhunderts gute und schlechte Zeiten gesehen – Ende der 1920er Jahre war sie zwar wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast, aber kurz vor dem Ende (anno 1933) brachte sie noch ein zumindest optisch sehr gelungenes Fahrzeug auf den Markt – den Typ „Juwel“ mit 10/45 PS Sechszylinder.
Es gab auch eine rare Achtzylinderversion, doch dazu mehr bei Gelegenheit. Als Unisex-Model – also als Sechszylinder für alle – war der Brennabor „Juwel“ 10/45 PS leider nicht geeignet. Das lag nicht nur daran, dass Autos überhaupt für den Normalbürger im damaligen Deutschland völlig unerschwinglich waren.
Entscheidend war vielmehr, dass Brennabor wie alle deutschen Hersteller damals nicht annähernd in der Lage war, mit den US-Sechszylinderwagen zu konkurrieren.
Diese waren wirklich Unisex-Modelle für jedermann, wie der ebenfalls 1929 erschienene Chevrolet AC International illustriert. Er bot dieselbe Leistung in Verbindung mit einem drehfreudigeren und elastischeren Motor mit 3,2 Litern Hubraum zum weit niedrigeren Preis.
Möglich war dies trotz der hohen Kosten des Exports aus Übersee durch die einzigartige Produktionseffizienz des US-Herstellers. Selbst im Depressionsjahr 1929 entstanden 100.000 Exemplare des Chevrolet AC International – pro Monat, wohlgemerkt.
Demgegenüber war der bis 1932 gebaute Brennabor chancenlos, wenngleich man durchaus sagen kann, dass er gute Figur wie seine hier abgelichteten Besitzer machte:
Die drei (statt zwei) Reihen horizontaler Luftschlitze in der Motorhaube waren nach meinem Eindruck (nachlesen kann man das leider nirgends) das äußere Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Vierzylindertyp „Ideal“ 7/30 PS.
Die auf anderen Fotos des Typs zu sehenden Doppelstoßstangen scheinen optional gewesen zu sein, da sie hier fehlen. Auch der Schriftzug „Juwel“ auf dem Kühler war wohl ein Extra. Sollte ich hier falsch liegen bitte ich um Korrektur von sachkundiger Seite.
Rechts am Blech unterhalb des Kühlers findet man ein stilisiertes Eichenblatt, das seinerzeit gern als Hinweis darauf angebracht wurde, dass man ein deutsches Fabrikat fuhr. Das war eine einigermaßen hilflose Erfindung der deutschen Automobilbranche, denn die Herkunft des Wagens war damals für jeden Autointeressierten unmittelbar erkennbar.
Aber herrje, gelungenes Marketing war und ist nicht gerade eine Stärke der Deutschen – sie denken zu kompliziert und vor allem zu lange, kommen sich dabei aber sehr überlegen vor.
So blieb auch der Versuch einer „Unisex“-Lösung im Fall des Brennabor Juwel 10/45 PS Lösung von wenig Erfolg gekrönt. In Sachen Sechszylinder konnnte den Amis keiner auch nur annähernd Paroli bieten.
Und das Auto für jedermann blieb – losgelöst von der Zylinderzahl – in deutschen Landen bis lange nach dem Krieg ein unerfüllter Traum. Die vielbeschworene Volksgemeinschaft hatte andere Ziele und ruinierte erst einmal sich und seine Nachbarn auf’s allergründlichste.
Immer wieder unbegreiflich, wie es dazu kommen konnte, wenn man so bezaubernde Dokumente wie dieses betrachtet…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Gut möglich, danke für den Vorschlag!
Man findet einzelne Fotos ohne die Schriftzüge – vielleicht konnte man als Käufer die Option nutzen, dass der Wagen ohne diese ausgeliefert wurden – oder man demontierte sie selbst so wie das heute bei einigen Modellen auch noch passiert. Sehr interessant die Hinweise auf die großen Vorhaben von Brennabor schon 1914. Zumindest Stückzahlen wie später bei Opel wären drin gewesen – mehr gab der deutsche Markt mit seiner international sehr geringen Kaufkraft aber nicht her. Selbst die absoluten US-Billigheimer von Ford und Chevrolet blieben in Deutschland letztlich auch nur dem gehobenen Bürgertum zugänglich.
Ich vermute der Mann trägt ein Sport/Unterhemd und eine Badehose. Die Kleidung liegt eng an und sieht durch die gebückte Haltung deswegen wie ein Damenbadeanzug aus.
Der Schriftzug Juwel war eigentlich kein Extra. Es gab neben diesem Schriftzug auch wahlweise einen eingefassten Bergkristall als Kühlerverschlussfigur. Eigentlich fehlt hier der Schriftzug 6-Zylinder. Brennabor 6-Zyl. Modelle gab es auch mit 2 Reihen horizontaler Luftschlitze.
Brennabor plante mit dem Typ M 1914 groß in die Fließbandproduktion nach Ford-Vorbild einzusteigen, dazu entstanden ab 1912 Neubauten, zudem besuchte man in Amerika entsprechende Firmen zur Recherche. Dann kam der 1.WK. Um 1925 plante man Werkserweiterungen in Brdbg. und erhielt keine Genehmigung. Ein erneuter Versuch eines kompletten Werkneubau für die Automobilfabrikation kam auch nicht zustande, da keine Genehmigung für notwendige Bahnanschlüsse erfolgten. Das Werk wollte richtig loslegen. Nur ob es zu annähernden Stückzahlen wie in Amerika, bei Fiat oder später bei Opel gekommen wäre, oder auch nur die Pleite verhindert hätte bleibt Spekulation.
Daß die Motorhaube hier ungeschützt betreten wurde, sieht man an den Reflexionen auf dem glänzenden Lack, etwa dem sich spiegelnden Lenkrad unter seinem Fuß, wobei die Kleidung hinten über dem Verdeck liegt. Was ich zu einer weiteren namentlich mit B beginnenden Firma ansprach, traf auch 30 Jahre eher auf Brennabor zu : Produktpalette, Chancen und letztlich das Finanzielle, wobei Brennabor im profitableren Zweiradmarkt bestand und die Zeit der Depression überstand.
Interessant wären Vergleiche mit anderen Marken jener Zeit. 15 Jahre sind für die schnellen Modellwechsel damals sehr viel.
Immerhin gab Brennabor in dieser Zeit bis zu 15 Jahren eine Ersatzteilgarantie. Man ging wohl von einer Nutzungsdauer von 10 – 15 Jahren aus.
Sind das da hinten nicht Kleidungsstücke, die über die Karosse gelegt wurden ? Sieht so aus.
Bevor ich zu Brennabor komme, greife ich mal Ihre einleitenden Worte zur Kleidung auf, zumal ich auch im Buch von Antje Mönning einige interessante Gedanken dazu fand. Denn während Männerkleidung praktisch, zweckmäßig und weitgehend komfortabel ist, sofern Mann nicht in praller Sonne im dunklen Anzug samt Krawatte womöglich noch in angestrengter Haltung überstehen soll. Frauen haben da einerseits mehr Freiheit, wählen aber zum Teil auch Kleidung, deren Chic über jegliche Figurbetonung hinausgehend unübersehbar erotische Wirkung entfalten soll. Wie Männer in durchsichtigem Fummel wirken, haben Sie schon beschrieben, aber was hat selbiger Fummel in Schule und Beruf verloren, nur weil sich ein weiblicher Körper darin befindet ? Kommen wir also zu einer unzweifelhafteren Schönheit in Form des Juwels aus Brandenburg : Ob Juwel, Ideal oder Z – mir gefallen diese Autos sehr, und auch wenn es keine gesicherten Stückzahlen gibt, belegen auch Ihre hier gezeigten Bilder, daß die Marke Brennabor doch eine deutliche Marktpräsenz hatte. Den Vorgänger des Juwel, also AK bzw. ASK mit dem „6 Cylinder“ hatten Sie uns auch schon präsentiert, und das vom RDA 1928 vorgestellte Eichenblatt-Signet findet sich somit auch hier. Als „Six“ erkennbar auf seine Zylinderzahl verweisend war auch der Citroën C6 gut vertreten dank seines Kölner Produktionsstandorts, dessen Aufgabe dann unter Michelin-Ägide erfolgte. Ebenfalls mit 6 Zylindern wartete aber auch der Opel 8/40 auf, was ihn wohl zum Marktführer auf dem Heimatboden machte. Aber wie Sie schrieben, eine bedeutungslose Summe, verglichen mit den amerikanischen Herstellern, zu denen dann auch Opel gehörte. Zeitlich 3 Jahrzehnte später, aber ich springe mal zu einer „Ford Werrabella“ in Form des so zukunftsweisenden 12m P4 mit Frontantrieb sowie einer fortgesetzten Bremer Lkw-Produktion vom „Lloyd Courier“ bis zum „Borgward Transit“ …
Guter Hinweis – generell scheint man die Autos damals einfach als Gebrauchsgegenstände betrachtet zu haben. Dellen und Kratzer findet man auf alten Fotos allenthalben, weshalb man es heute auch bei der authentischen Restaurierung nicht übertreiben sollte. Es waren damals im Alltag keine Neuwagen unterwegs und nach fünf bis zehn Jahren war fortschrittsbedingt ohnehin oft tein Neukauf fällig. Erst die Autos unserer Tage sind locker für 25 Jahre gut, ohne dass man ein Defizit bemerkt.
Erstaunlich ist für mich, was man der Motorhaube auf diesem Bild zumutet. Ich würde mich niemals getrauen, mich auf meine Vorkriegs-Motorhaube zu stellen. Dies ist einerseits der Wertschätzung, aber auch der Annahme geschuldet, dass dies nicht ohne bleibende Verformungen möglich ist !? Ist hinter der Windschutzscheibe jemand zu erkennen, der sich wegduckt? Um nicht auf das Bild zu geraten – oder vor Erschrecken hinsichtlich möglicher Folgen für die Motorhaube? Wir werden es nicht mehr erfahren.