Hatte Pech, doch fuhr’er: Ein Puch-Tourer von 1913/14

Am Ende des Arbeitstags wartet auf viele nach kurzer Exegese des Weltgeschehens in den Nachrichten bestenfalls noch seichte Unterhaltung in der Flimmerkiste.

Zumindest letzteres können Sie auch hier bekommen, zwar nicht im bewegten bunten Bild, doch in Form erbaulicher Eindrücke in Schwarz-Weiß.

Hier befassen wir uns anhand des Vorkriegsautomobils oberflächlich mit Daseinsfragen, machen uns lustig über Konterfeis von Zeitgenossen, die sich nicht mehr wehren können, geben uns der Verehrung mancher Diva hin, die sich einst kunstvoll vor dem Wagen präsentierte, nutzen die Gelegenheit zu Scherzen, entkleiden vermeintliche Auto-ritäten…

Sie sehen – ich bin heute abend nicht auf ernsthafte Betrachtungen aus. Die Hauptarbeit ist erledigt, mit dem kalauernden Titel bin ich zufrieden, der Rest ist gepflegte Routine.

Zur beschwingten inneren Verfassung trägt Georg Philipps Telemanns Trompetenkonzert in D-Dur bei, vorgetragen von der Academy of Ancient Music unter Leitung von Christopher Hogwood – allesamt Bewohner meines privaten Olymps, seit ich vor über 40 Jahren die klassische Musik und Hifi-Technik für mich entdeckt habe.

Etwas Nachhilfe in der Richtung bekam ich von meiner Mutter – die ehrwürdige Augustinerschule in Friedberg/Hessen war auch diesbezüglich ein Ausfall (ich kann mich nur an den Karl-Marx-Bart des Musiklehrers erinnern) – doch die eigentliche Entdeckungsarbeit muss man im Leben schon selbst leisten.

Niemand hat mir je nahegelegt, mich mit der Welt des Vorkriegsautomobils auseinanderzusetzen – den Zugang zu ihr habe ich selbst gefunden.

Und so bin ich ich heute bar jedes akademischen Expertentums imstande, einen solchen auf den ersten Blick beliebig wirkenden Tourer ziemlich präzise anzusprechen:

Puch Tourenwagen von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Wichtigste zuerst: In diesen Fotozeugnissen von einst begegnen wir uns selbst, denn mehr als solche Bilddokumente werden von uns über kurz oder lang nicht übrigbleiben. Das ist ein heilsamer Gedanke für alle die, welche meinen, sich für Firma, Volk und Vaterland oder sonst einen außer ihnen selbst liegenden Zweck meinen aufopfern zu müssen.

Der Einzelne ist in einer Milliardenpopulation völlig irrelevant und genau darin liegt seine persönliche Freiheit und seine Würde, nur für beides sollte er sich unbedingt einsetzen.

Freiheit und Würde – das scheint mir zumindest oberflächlich auch in diesem schönen Foto aufzuscheinen. Und das, obwohl hier einiges Pech im Spiel war.

Nicht nur war der Originalabzug in stark angegriffenem Zustand, ich konnte nur ansatzweise seine ursprüngliche Qualität wiederherstellen. Hinzu kam auch, dass der abgebildete Wagen schon zum Aufnahmezeitpunkt einige Blessuren aufwies, etwa in Form einer großen Delle am hinteren Kotflügel.

Dergleichen sieht man auf zeitgenössischen Fotos von Vorkriegsautos so oft, dass man vermuten darf: Es war den Besitzern gleichgültig, wieder etwas, von dem sich lernen lässt.

Sie sehen spätestens jetzt, was mich zu dem fragwürdigen Titel inspirierte: „Hatte Pech, doch fuhr’er – ein Puch Tourer…“

Dass wir hier tatsächlich einen Puch aus dem schönen, doch von historischem Pech verfolgten Österreich vor uns haben, das verrät vor allem das Kühleremblem, welches dem auf der folgenden Aufnahme gleicht:

Puch Tourenwagen von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese starke Aufnahme habe ich vor Jahren schon einmal vorgestellt und Sie werden den zugehörigen Blog-Eintrag sicher finden, wenn Sie mögen, denn die Marke Puch gehörte bisher zu den eher seltenen Gästen.

Ebenso sicher werden Sie bemerken, dass sich die Kühlergestaltung der beiden Puch-Wagen im oberen Teil unterscheidet.

Ich dachte zunächst, dass dies auf eine unterschiedliche Entstehungszeit hindeutet. So hätte ich den eingangs gezeigten Tourer etwas früher (ca. 1912) datiert. Doch die Einführung von Drahtspeichenrädern bei Puch fand laut Literatur erst 1913 statt, ebenso findet sich das Kühleremblem so erst 1913/14.

Mag sein, dass die schwächeren Puch-Modelle einen etwas anders gestalteten Kühler aufwiesen – dann käme hier der Typ 10/30 PS in Frage. Dazu würden auch die leichten Vorderkotflügel passen, die man an stärkeren Modellen nicht findet.

Zwei Dinge sind aber stets gefährlich: 1. sich von Bildern beeinflussen zu lassen und 2. zu glauben, was Autoritäten selbstbewusst verlauten lassen.

Die Bildevidenz in Sachen Puch-Automobilen aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg ist auch im Standardwerk „Puch Automobile 1900-1990“ von Friedrich Ehm ziemlich dünn, zudem spiegelt das Buch den Stand von vor über 35 Jahren wieder.

Denkbar ist auch, dass an Puch-Automobilen schon früher als 1913 auf Kundenwunsch Drahtspeichenräder verbaut wurden und es wäre nicht das erste Mal, dass ein später eingeführtes Kühleremblem nachträglich angebracht worden wäre.

In dem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die heute „neu“ vorgestellte Aufnahme um 1920 entstand – darauf deutet die Kleidung der Damen in dem Puch hin. Gleichzeitig verraten die Scheinwerferhalter, dass dieses Fahrzeug ursprünglich noch Gasbeleuchtung besaß und mithin vor Ende des 1. Weltkriegs entstanden war.

Was soll man angesichts so vieler Defekte und Unklarheiten am Ende dazu sagen? Nun, ganz einfach: „Trotz allem Pech fuhr’er: der Puch-Tour-er“.

In diesem Sinne nehmen wir die Dinge, wie sie sind: unvollkommen, meist nicht wirklich wichtig, aber im besten Falle dies: unterhaltsam und mitunter ein wenig lehrreich.

Mit gelassener Heiterkeit und gesundem Halbwissen lässt sich das geheimnisvolle Abenteuer des Daseins schon irgendwie bestreiten, meine ich…

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