In der Überschrift der heutigen Betrachtung verbirgt sich ein tieferer Sinn, speziell für die Freunde der Marke Adler aus Frankfurt am Main. Aber keine Sorge – tiefsinnig wird es heute deshalb jedoch nicht.
Im Gegenteil bleiben wir schön oberflächlich – und wer hätte schon etwas gegen schöne Oberfläche, speziell wenn die inneren Werte gesichert rechtschaffen sind. Dass sich unter dem äußeren Erscheinungsbild eines Adler „Standard 6“ stets ehrliche Qualität verbarg, das war bei diesem Hersteller nämlich so selbstverständlich, dass nicht viel dazu zu sagen ist.
Das galt auch für das vierzylindrige Schwestermodell „Favorit“, das ein Jahr nach dem 1927 eingeführten „Standard 6“ debütierte. Bei Gelegenheit will ich wieder einige Fotos dieses Modells zeigen, das meist als Limousine mit Ganzstahlaufbau von Ambi-Budd gefahren wurde.
Diesmal beschränke ich mich aber aus einem speziellen Grund auf das 2-Fenster Cabrio, von dem wir gleich eine frühe Reklame sehen. Vielleicht nie wieder hat ein deutsches Auto so perfekt amerikanisch ausgesehen wir hier:

Die frühen Exemplare des Favorit hatten mit dem stärkeren Standard 6 die in zwei Gruppen angeordneten horizontalen Haubenschlitze ebenso gemeinsam wie das ins Kühlernetz hineinragende dreieckige „Adler“-Emblem.
Äußerlich waren die beiden Modelle aber an der unterschiedlichen Zahl der Radbolzen zu unterscheiden. Das änderte sich im Zuge der Modellpflege ab 1930.
So wanderte das Adler-Emblem nach oben, die markanten horizontalen Luftschlitze in der Motorhaube wichen traditionellen senkrechten und die Zahl der Radbolzen wurde auf fünf vereinheitlicht.
Genau diese Details lassen sich bei diesem Zweifenster-Cabriolet studieren, das auf einem Foto aus der Sammlung von Thomas Ulrich (Berlin) festgehalten ist:
Ob das nun ein „Favorit“ oder Standard 6 war – das lässt sich nicht genau sagen.
Man kann allerdings annehmen, dass Besitzer, die sich statt der Großserienkarosserie einen traditionellen Manufakturbau in Holz-Blech-Ausführung gönnten, eher zum besser motorisierten Sechszylinder mit 50 PS griffen.
Das ist aber für die heutige Betrachtung einerlei, denn was ich Ihnen heute präsentiere, bleibt auch dann (m)ein Favorit, wenn es sich um einen Standard 6 handelte.
Diese „Logik“ geht folgendermaßen: Das obige Zweifenster-Cabrio hat sich schon ein ganzes Stück von den US-Vorbildern wegbewegt, die sich noch in der eingangs gezeigten frühen Cabrio-Reklame widerspiegeln.
Während man sich mit der geschwungenen „Bauchlinie“ etwas traute, verließ die Gestalter bei der Frontscheibe wieder der Mut – sie stellt sich wie eh und je störrisch dem Wind entgegen.
Dass auf Adler-Basis zur selben Zeit entschieden elegantere Cabrios entstanden, das belegt folgende Aufnahme, wenngleich hier eine vierfenstrige Ausführung zu sehen ist.
Hier ist die Windschutzscheibe niedriger und schräggestellt, was sich im hinteren Haubenabschluss fortsetzt. Dadurch entsteht der Eindruck einer längeren Frontpartie, hier glaubt man gern, dass sich ein Sechszylinder darunter verbirgt, obwohl das nicht garantiert ist.
Diese Frage ist – wie gesagt – auch zweitrangig, denn heute geht es um den Beweis, dass ein solches Adler-Cabriolet ab 1930 auch dann (m)ein Favorit sein kann, wenn es sich eigentlich um einen Standard 6 handelt.
Das nötige Anschauungsmaterial finden wir auf dieser prächtigen Szene, die ich irgendwo in Nordhessen, eventuell auch Thüringen verorten worden – das Fachwerk kommt mir jedenfalls sehr vertraut vor:
Bevor wir uns den Adler näher ansehen, möchte ich den Blick auf die Schönheit dieser Fachwerkidylle lenken.
Offenbar ist die Aufnahme am Ortsrand auf einer Brücke über einen Bach entstanden, der sich rechts fortsetzt. Links sehen wir freilaufende Hühner – Sprossenfenster und Fensterläden vervollkommen den Anblick eines solchen dörflichen Anwesens.
Während man in England sicher sein darf, dass es in einem solchen Dorf heute noch genauso aussieht – und das nicht etwa weil die Leute arm wären – ist hier im Hessischen nach dem Krieg viel Originalsubstanz der Dummheit der Besitzer zum Opfer gefallen.
Jede Nachkriegsgeneration hat eine neue Lage an „modernen“ Materialien verbaut – erst Eternitplatten, dann Fliesen und zuletzt hat man die Holzkonstruktionen verputzt oder gar unter Dämmstoffen verborgen – was über kurz das Raumklima und über lang das Holz ruiniert.
Ich weiß, wovon ich rede, ich wohne selbst in so einem Haus und sehe jedes Jahr das Zerstörungswerk in der Nachbarschaft voranschreiten.
Genug davon, nehmen wir nun das 2-Fenster-Cabriolet von Adler in den Blick, das hier so trefflich festgehalten ist:
Die prächtige Kühlerfigur lässt keinen Zweifel an der Marke aufkommen. Erstaunlich jedoch, wie vollkommen anders dieser Adler nun wirkt.
Hier stimmt mit einem Male alles: Das Auto vereint die besten Elemente der beiden zuvor gezeigten Ausführungen, wirkt aber besser ausbalanciert – weil es sich um eine Zweifensterversion handelt, welcher die voluminöse Heckpartie der vierfenstrigen Ausführung fehlt.
Hier kommt auch das Zusammenspiel der vielen geschwungenen Linien zur Geltung, die dem Karosseriekörper Spannung und eine gewisse Leichtigkeit verleihen. Mit dem 2-Fenster-Cabrio auf der Reklame von 1928/29 hat dieser Wagen nichts mehr gemein – außer der Zahl von fünf Radbolzen. Wir sehen hier eine eigene Linie im deutschen Karosseriebau entstehen, die ihre Vervollkommnung in den nächsten Jahren erfuhr.
Jetzt wissen Sie, was ich mit (m)einem Favorit meinte, der vielleicht ein „Standard 6“ war – aber in diesem Fall so offenkundig perfekter Oberflächlichkeit sind mir die inneren Werte ausnahmsweise vollkommen schnuppe…
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Besten Dank – das bezieht sich aber auf den Adler mit Weinsberg-Karosserie auf dem Foto von Thomas Ulrich. Leider ist bei „meinem“ (weiter unten) das Kennzeichen nicht lesbar…
Moin Herr Schlenger,
Ihr Favorit war wirklich einer. Laut Dietzlers Auto-Adressbuch für Berlin gehörte der Wagen einem Ed. Lohse aus Neukölln und war ein 35-PS-Adler.