Auf den Hund gekommen: Mathis EMY4 8CV

Für den Ausgang von Kriegen, für politische Fehlentscheidungen und Wendepunkte der Geschichte gilt gleichermaßen: Nachher ist man immer schlauer.

Letztlich kamen die Dinge, wie sie kamen. Oft waren Entwicklungen und Kräfte am Werk, denen man nichts entgegenzusetzen hatte, selbst wenn man sie erkannte.

Das gilt auch für die Automobilhistorie. Wieviele Marken sind in der Zwischenkriegszeit untergegangen – es müssen hunderte gewesen sein!

Die haben aber nicht gemeinsam beschlossen unterzugehen. Was sich vollzog, war ein gnadenloser Ausleseprozess, in dem selbst Hersteller unter die Räder kamen, die die Notwendigkeit industrieller Fertigung begriffen hatten.

Fließbandproduktion war kein Garant dafür, sich am Markt durchsetzen zu können. Diese Erfahrung musste einst auch Brennabor machen. Auf diese selten beleuchtete Marke gehen wir hier demnächst öfters ein.

Heute befassen wir uns mit dem Wagen eines französischen Herstellers, der ebenfalls in den 1930er Jahren seine besten Zeiten hinter sich hatte – Mathis:

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Mathis EMY4 8 CV, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der angegriffene Zustand des Abzugs steht sinnbildlich für den abschüssigen Pfad, auf dem sich Mathis seit Ende der 1920er Jahre befand.

Man darf das äußere Erscheinungsbild dieses Wagens wohl als misslungen bezeichnen. Französische Autos der 1930er Jahre waren ja meist hochelegant oder zumindest auf reizvolle Weise eigenwillig.

Wer nun dieses Fahrzeug noch nie gesehen hat, ist in guter Gesellschaft. Es handelt sich um einen Mathis EMY4 8 CV, wie er 1932/33 gebaut wurde.

Der Verfasser hat den Wagen mit seiner bemerkenswert hässlichen Karosserie nur zufällig identifizieren können, nämlich beim Durchblättern von Nick Georganos Werk „The Complete Encyclopedia of Motorcars“ aus den 1960er Jahren.

Die verunglückte Gestaltung der Frontpartie steht in denkbar großem Kontrast zur zeitgemäßen Technik unter dem Blech:

Hinter den grotesk überdimensionierten Luftschlitzen – dem zuverlässigsten Merkmal des Typs –  muss man sich einen konventionellen Vierzylinder vorstellen, der aus 1,4 Liter Hubraum standfeste 30 PS schöpfte.

Von der Spitzenleistung vergleichbare deutsche Wagen von Hanomag, Opel, Mercedes und Wanderer benötigten dafür durchweg größere Hubräume.

Mathis wollte mit dem EMY4 ein volkstümliches Auto mit ordentlicher Leistung und mit attraktiver Ausstattung anbieten. So waren immerhin zwei der vier Gänge synchronisiert, ließen sich also ohne Zwischenkuppeln und -gas schalten.

Spätere Versionen erhielten außerdem eine Einzelradaufhängung vorne und eine ansprechende Karosserie. Dennoch endete bereits 1935 die Produktion – die Konkurrenz von Peugeot und Renault war mittlerweile zu stark.

Mathis versuchte, den Absatz seiner Wagen durch Einbau des legendären Ford V8-Motors anzukurbeln, hatte aber die Geschäftstüchtigkeit der Amerikaner unterschätzt, die bloß ihre eigenen Modelle in den Markt drücken wollten.

Im 2. Weltkrieg endete die Autoproduktion bei Mathis in Straßburg für immer.

Unser Foto ist vermutlich kurz nach dem Krieg entstanden. Der Mathis sieht schon recht mitgenommen aus und hat seine verchromten Radkappen eingebüßt.

Der mit dem Wagen gealterte Besitzer konnte sich dennoch glücklich schätzen – und das nicht nur wegen seines anhänglichen Vierbeiners:

In der frühen Nachkriegszeit einen eigenen PKW zu besitzen, war ein Glücksfall. Die Planwirtschaft der von sozialistischen Ideen besessenen Technokraten in Paris verhinderte einen raschen Anstieg der Autoproduktion.

Die staatliche Zuteilung wichtiger Ressourcen wie Stahl sorgte dafür, dass selbst Marken mit intakten Produktionsanlagen ohne Draht zu Politbonzen keine Überlebenschance hatten. Der Traditionshersteller Licorne ist ein Beispiel dafür.

Möglicherweise hätten Hersteller der zweiten Reihe in Frankreich zu einem Wirtschaftswunder wie in Deutschland beitragen können, woran bekanntlich etwa Borgward einigen Anteil hatte. Das gehört aber nicht mehr in diesen Blog…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

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