Neubeginn nach dem Krieg: Dixi Typ G1 6/18 PS

Gestern noch standen auf diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautos die Härten im Mittelpunkt, denen Mensch und Maschine im 1. Weltkrieg ausgesetzt waren – am Beispiel eines eindrucksvollen Audi E-Typ 22/55 PS.

Auf dem Originalfoto, das wir heute besprechen wollen, ist längst Friede eingekehrt. Es zeigt ein Nachkriegsmodell der Eisenacher Marke Dixi, von dem es nur wenige Aufnahmen gibt – und erst recht kaum in derartiger Qualität:

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Dixi 6/18 PS (Typ G); Originalfoto aus Nachlass der Familie Faensen-Löwe, Aachen

Bevor wir uns mit dem Auto befassen, sei angemerkt, dass der Reiz dieser Aufnahme nicht zuletzt darin besteht, dass wir einige der Insassen „kennen“. Der Einsender des Fotos, der ungenannt bleiben möchte, konnte einiges zur Besatzung sagen.

Bei der Gelegenheit auch gleich die Ankündigung weiterer Aufnahmen mit zumindest teilweise denselben Personen in ausgesprochen reizvollen Situationen. Es lohnt sich also für Freunde von Vorkriegsautos „auf Empfang“ zu bleiben.

Jetzt aber hinein ins Vergnügen, starten wir mit einer Untersuchung der Frontpartie des sechssitzigen Tourenwagen:

Vier wesentliche Merkmale erlauben uns zusammengenommen die genaue Ansprache von Marke und Typ:

  • vier schrägstehende Luftschlitze in der hinteren Haubenhälfte,
  • moderater Spitzkühler mit schnabelartig geformtem Oberteil,
  • ein nicht ganz leicht zu erkennendes Emblem auf der Kühlermaske
  • und Holz/Stahlspeichenräder.

Dass die simple Ausführung der Räder den Schlüssel zur Identifikation liefern wird, darf als Kuriosum verbucht werden.

Die vier schrägstehenden Luftschlitze sind für den Kenner ein Hinweis auf einen Dixi der Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Die Wagen von Konkurrent Apollo wiesen schon vorher dasselbe Detail auf, dort waren es aber fünf solcher Schlitze.

Kommen wir zu dem Emblem auf dem Kühlergehäuse:

Auch wenn es hier schwer nachvollziehbar erscheint, ist es das Markenzeichen von Dixi in weiß auf schwarzem Grund.

Es bestand damals aus dem mittig angebrachten und waagerechten Schriftzug „DIXI“, bei dem ein Strich des „x“ weit nach unten gezogen war. Darüber befand sich ein Kentaur, ein Mischwesen aus Stier und Mensch mit löwenartiger Mähne.

So weit so eindeutig. Regelmäßige Leser dieses Blogs erinnern sich vielleicht an das eine oder andere Foto von Dixi-Wagen mit denselben Merkmalen.

Dabei handelte sich meist um das Modell 6/24 PS (Typ G2), das von 1923-28 gebaut wurde. Den verfügbaren Fotos nach zu urteilen, scheint es recht verbreitet gewesen zu sein, auch wenn dem Verfasser keine Stückzahlen bekannt sind.

Aber: Der Dixi 6/24 PS (Typ G2) besaß der Literatur und den historischen Aufnahmen zufolge standardmäßig Drahtspeichenräder, die bei deutschen Herstellern meist nur als Extra erhältlich waren.

Unser Foto zeigt aber wie gesagt einen ganz ähnlichen Dixi mit konventionellen Holz- bzw. Stahlspeichenrädern. Dies legt nahe, dass wir den Vorgängertyp 6/18 PS (Typ G1) vor uns haben, die erste Neukonstruktion von Dixi nach dem Krieg.

Der ab 1921 gebaute Dixi 6/18 PS war in der serienmäßigen Ausführung ab Werk mit solchen Rädern ausgestattet, nur Sportversionen wie der leistungsgesteigerte Typ G5 (6/30 oder 6/36 PS) besaßen Drahtspeichenräder.

Somit dürfen wir den Tourenwagen als Dixi 6/18 PS mit 1,6 Liter-Vierzylinder ansprechen. Die offene Version auf unserem Foto wog nur 900 kg, sodass der Wagen für die damaligen Straßenverhältnisse ausreichend motorisiert war.

Dass die Fahrzeugwerke Eisenach für die Sportversionen bei gleichem Hubraum die doppelte Leistung ohne Einbußen an Zuverlässigkeit herausquetschten, spricht für die Solidität der Konstruktion und die sorgfältige Verarbeitung.

Für die in Manufaktur gebauten Dixi-Wagen waren solvente Kunden bereit, einen deftigen Preis zu zahlen – womit wir bei den Insassen „unseres“ Wagens wären:

Die Passagiere auf der Rückbank sind Geschwister – Leni und Peter-Josef Faensen aus Aachen. Wenn es eines Beweises bedürfte, wie sehr sich Geschwister (und Geschlechter) ihrem Wesen nach unterscheiden, dann fände er sich hier.

Leni Faensen schaut den Fotografen wohlgesonnen und charmant lächelnd an, während der Bruder ernst und distanziert wirkt.

Die „Prinz-Heinrich-Mütze“ weist ihn aber als jemanden aus, dessen Leidenschaften sich ebenso an vierrädrigen Gefährten entzündeten, wie das beim Bruder des ehemaligen Kaisers Wilhelm II. der Fall war.

Vielleicht war Peter-Josef Faensen an diesem Tag mit dem Kopf woanders – zum Zeitpunkt der Aufnahme war er in seinen frühen 20ern und hatte eine Karriere als Unternehmer in der Metallbranche vor sich.

Leider wissen wir nichts Genaues über die übrigen Insassen des Dixi 6/18 PS:

Die Dame im Hintergrund könnte die Mutter der Geschwister Faensen sein.

Am Lenkrad sitzt der Chauffeur, der mit Vatermörderkragen die Standards der Vorkriegszeit aufrechterhält. Vermutlich hat er wie Peter-Josef Faensen im Krieg gedient. Er wirkt wie jemand, der viel gesehen hat.

Das Mädchen auf dem Beifahrersitz dürfte zur Familie gehört haben, vielleicht hatten die Geschwister Faensen noch ein Schwesterchen, Ähnlichkeit ist vorhanden.

Ansonsten registrieren wir noch die außenliegende Handbremse – der Schalthebel scheint beim Dixi 6/18 PS (Typ G1) bereits in den Innenraum gewandert zu sein.

Dann haben wir da zwei Ersatzreifen, von denen einer stark abgefahren ist, während der zweite ein anderes Profil besitzt als die Reifen an den Vorderrädern.

Heute wäre das alles undenkbar – aber so sahen nun einmal die Tatsachen vor über 90 Jahren aus. Ob man sich dereinst mit demselben Staunen und derselben Zuneigung der sogenannten Moderne nähern wird, – wer weiß…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

 

 

 

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