„Special“ auf Wunsch per „Mail“! Dixi 9/40 PS

Sprache ist mein Handwerkszeug. Mit ihrer Analyse und Anwendung verdiene ich das Geld, das ich nach Abzug des Tributs an eine Bürokratie fragwürdiger Befähigung, Ausgaben für Kraftstoff, Katzenfutter und anderes Lebensnotwendiges in der Beschäftigung mit allerlei Antiquitäten versenke.

Als Sprachhandwerker konservativer Prägung beobachte ich viele Veränderungen kritisch, etwa die Folgen der Rechtschreib“reform“, betrachte aber auch manches wohlwollend, da Sprache sich naturgemäß mit der Welt verändert, in der sie gesprochen wird.

In einem Italien, in dem noch Latein gesprochen wird, würde ich nach einer Weile zwar zurechtkommen (obwohl wir in der Schule nur aus dem Lateinischen übersetzt haben), aber das Melodische, Sinnliche, Opernhafte der von Dante, Bocaccio und Petrarca im 14. Jh. geadelten Volkssprache würde mir fehlen.

Und auch im modernen Italienischen kommt keiner an Lehnwörtern wie „Podcast“ und Co. vorbei, es gibt schlicht keine praktikable Alternative und die Amis sind nun einmal Meister im Prägen von eingängigen Begriffen, speziell wenn sich damit Geld verdienen lässt.

In den Sprachen, die solche Fremdwörter in ihren Wortschatz aufnehmen, kommt es dabei mitunter zu interessanten Bedeutungsverschiebungen.

Bezeichnet „Mail“ im Englischen jede Postsendung, meint der Begriff bei der Verwendung im Deutschen nur die elektronische Nachricht – die „E-Mail“. „Schick‘ mir ’ne Mail„, meint immer die digitale Variante, es ist sogar das Verb „zumailen“ entstanden.

Im Deutschen funktioniert diese Form der Integration in die Grammatik besonders gut, im Italienischen dagegen nicht. Dort spricht man Fremdwörter dafür so aus, als ob sie schon immer zum eigenen Bestand gehörten. So wird aus „vintage“ dort „vintadsche“.

Nach dieser wie immer für Sie völlig überflüssigen, aber für mich notwendigen Einleitung, komme ich nun zur Sache.

Heute bringe ich einen „Special“ und noch dazu einen, der schon vor fast 100 Jahren per „Mail“ (damals noch als Post zu verstehen) versandt wurde.

Eine nicht der Serie entsprechende Sonderausführung eines Automobils, die per Postversand zugestellt wurde, das klingt auch für das Berlin der Vorkriegszeit mit seiner legendären Logistikkompetenz eine Nummer zu gewagt.

Und doch verhielt es sich genau so, zumindest in einem Fall. Regelmäßige Blog-Konsumenten erinnern sich bestimmt an diese Aufnahme eines Dixi-Cyklon 9/40 PS:

Dixi-Cyklon 9/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die spannende Geschichte dieses 6-Zylinderwagens, der in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre sowohl als Cyklon 9/40 PS als auch als Dixi 9/40 PS verkauft wurde, wird hier (vor allem in den Kommentaren) beleuchtet.

Ich spreche diesen bislang nur schlecht dokumentierten Wagentyp bewusst als Dixi-Cyklon an, da eine wirklich eigenständige Cyklon-Variante unwahrscheinlich ist. Nach den bisherigen Recherchen gab es nur Versionen mit Dixi- bzw. Cyklon-Kühleremblem.

Ansonsten unterschieden sich die wohl durchweg in den Eisenacher Dixi-Werken gebauten Autos nicht. Die Limousine erhielt einen Ganzstahlaufbau von Ambi-Budd (Berlin), welcher auch von Adler für seine Modelle „Favorit“ und „Standard 6“ verwendet wurde.

Man erkennt diese vor allem an dem großen Abstand zwischen der seitlichen Zierleiste und der Fensterlinie. Das findet sich so auf allen mir bisher vorliegenden Aufnahmen, die einen Dixi-Cyklon 9/40 PS als Limousine zeigen – nur die Kühlerembleme variieren.

Doch das Bild änderte sich kürzlich, denn ein gewisser P. Wilke (wohnhaft in der Willibald-Alexis-Str. 9 in Berlin-Kreuzberg) schrieb einst auf einer Ansichtskarte „Hier schicke ich Ihnen Ihr Auto“ und gab auf der Rückseite das Konterfei desselben wieder.

Dixi-Cyklon 9/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Für mich besteht kein Zweifel daran, dass auch dieser per „Mail“ versandte Wagen ein Dixi-Cyklon 9/40 PS war, nun mit „Dixi“-Emblem (siehe hier).

Der Limousinenaufbau weicht deutlich von dem ab, der üblicherweise von Ambi-Budd für dieses Fahrzeug geliefert wurde. Die oben erwähnte seitliche Zierleiste ist verschwunden und jetzt ist auch die Hintertür vorne „angeschlagen“.

Genügt das bereits, um hier von einem serienfernen „Special“ zu sprechen? Ich vermute, dass der Besitzer dieses Dixi-Cyklon 9/40 PS schlicht eine andere Karosseriebaufirma mit dem Aufbau dieses wohl nur selten gebauten Wagens beauftragte.

Aber welche? Dieses Geheimnis hat der einstige Besitzer aus Berlin-Reinickendorf wohl mit ins Grab genommen, dem einst P. Wilke sein Auto „zumailte“ – aber lesen Sie die Story einfach selbst…

Original-Ansichtskarte: Sammlung Michael Schlenger

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Alter Tourer, neue Perspektive: Dixi Typ R 5/14 PS

Für uns Bewohner des „pale blue dot“ – lokal genannt Erde, im Universum wegen Irrelevanz vermutlich namenlos – gibt es nur weniges, wo sich die Dinge nicht durch Einnnehmen einer neuen Perspektive anders darstellen.

Mir fallen als Beispiele nach reiflicher Überlegung bloß in sich geschlossene logische Systeme wie Mathematik und – mit Abstrichen – Physik und Informatik ein.

Alle übrigen Phänomene, mit denen wir es real zu tun haben, können sich immer wieder anders darstellen, wenn ein unabhängiger Kopf eine neue Perspektive darauf wirft.

Nahezu immer ist unser „Wissen“ nur vordergründig und vorläufig – und so besteht wissenschaftlicher Fortschritt genau darin, bisherige Modelle der von uns wahrgenommenen Wirklichkeit zu kritisch zu prüfen, ggf. über den Haufen zu werfen oder weiterzuentwickeln.

Wenn also das nächste Mal jemand erzählt „the science is settled“ oder „follow the science“ dann lächeln Sie und tun am besten das Gegenteil von dem, was man damit verlangt.

Wenig bis nichts ist auf Dauer „sicher“ und man „muss“ überhaupt nichts im Leben außer seinen Mitmenschen möglichst wenig in objektiver Hinsicht zur Last fallen, Steuern an irgendeine Obrigkeit zahlen und schließlich sterben.

Nachdem wir das geklärt hätten, möchte ich zum angenehmen Teil überleiten und ein Beispiel dafür bringen, wie eine neue Perspektive Erstaunliches zu vermitteln vermag.

Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen daran, wie wir hier dem Wagen auf dem folgenden Foto seine wahre Identität entlockt hatten, obwohl er auf den ersten Blick etwas anderes zu sein schien:

Dixi Typ R 5/14 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Trotz auffallender Ähnlichkeit mit dem Typ G1 6/18 PS, der Anfang der 1920er Jahre unter der Marke Dixi in Eisenach gebaut wurde, bestätigten sich meine Zweifel.

Die trommelförmigen Gasscheinwerfer und der kurze Radstand verwiesen bei sonst nahezu identischer Gestaltung auf das nur 1919/20 gebaute Übergangsmodell R 5/14 PS – hier speziell in der späteren Gestaltung.

Dieses Ergebnis, das ich gemeinsam mit einigen Kennern unter den Lesern meines Blogs gewann, ist ein schönes Beispiel für den Wert des Selberdenkens unabhängig davon, was irgendwo bereits geschrieben steht oder von einer Koryphäe behauptet wird.

Das gilt natürlich genauso für alles, was ich hier leichterhand mit gepflegtem Halbwissen zu später Stunde herunterschreibe. Wenn ich etwas übersehen oder etwa falsch interpretiert habe, dann ist es gut, wenn mich jemand korrigiert, der mehr Informationen hat – oder schlicht über eine andere Perspektive verfügt, die mir bislang verbaut war.

Wie sehr das Einnehmen einer ungewohnten Perspektiv einen neuen Blick auf die Dinge ermöglicht, das zeigt folgendes Foto. welches ich abermals Leser Matthias Schmidt (Dresden) verdanke:

Dixi Typ R 5/14 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

So etwas bekommt man – unabhängig vom abgebildeten Wagen – selten bis nie zu sehen.

Die Heckansicht eines Vorkriegsautomobils um 1920 darf man getrost zu den Raritäten zählen – doch in meinem Blog findet so etwas selbstverständlich Platz. Vermutlich schätzen meine Leser auch solche ungewohnten Perspektiven auf das Thema.

Das muss nicht heißen, dass Sie alles genau so sehen wie ich das tue – dieses Bedürfnis, immer und überall Konsens zu erzielen, ist für mich eine Beleidigung der Vernunft. Sie können hier immer ganz andere Sichtweisen vertreten – nur meine müssen Sie als legitim hinnehmen, das ist meine einzige Spielregel.

Jetzt aber zu dem Tourer mit typischem Aufbau aus der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg. Wie soll man hier überhaupt auch nur den Hersteller herausfinden?

Ganz einfach, indem man sich nicht vom Gesamtbild irritieren lässt, genau hinschaut und nach etwaigen Anhaltspunkten im Detail sucht. Diese findet man bei Automobilen jener Zeit praktisch nur an der Kühlerpartie, so auch hier:

Zugegeben: Man muss die Kühlerfigur der Marke Dixi schon einmal gesehen haben, um hier einen Kentauren mit nach hinten wehender Mähne zu sehen.

Diese schöne Figur gehört zu den vielleicht phantasievollsten, die je den Kühler eines deutschen Automobils serienmäßig schmückte – aber auch das ist eine Frage der Perspektive, sicher fällt einem Leser noch etwas Extravaganteres ein.

Nachdem der Kentaur uns auf Dixi gebracht hat, könnten wir uns von den vier schrägstehenden Luftschlitzen in der Motorhaube wieder einmal dazu verleiten lassen, hier einen der recht verbreiteten Typen G1 6/18 PS oder G2 6/24 PS zu sehen.

Doch abermals sind es die Karbidscheinwerfer – hier sogar mit dem dazu erforderlichen Gasentwickler auf dem Trittbrett zu sehen – die uns nachdenklch machen. Das muss doch ein früher Dixi Typ R 5/14 PS sein, wie er kurz nach dem 1. Weltkrieg gebaut wurde.

Denn die äußerlich so ähnlichen, stärkeren G-Typen besaßen durchweg elektrische Scheinwerfer. Also haben mir hier wieder ein Exemplar dieses wenig dokumentierten Typs vor uns – und das im wahrsten Sinne des Worts, denn wir stehen ja hinter ihm.

Die außergewöhnliche Perspektive erlaubt uns dabei noch einen interessanten Blick auf zwei ganz andere „Typen“ im Zusammenhang mit diesem Dixi:

Hier haben wir nämlich zum einen den Fahrer des Dixi – ein angestellter Chauffeur – mit typischer Schirmmütze und vielleicht Dixi-Emblem darauf. Er ist passend zu seiner repräsentativen Aufgaben gekleidet und macht einen gut genährten Eindruck.

Zum anderen sehen wir einen Mechaniker, der wohl ein Problem an dem Auto lösen musste, mit dem der Chauffeur selbst überfordert war. Dieser hagere Typ gefällt mir ebenfalls gut – man sieht ihm den nüchternen und konzentrierten Blick des mit Maschinen vertrauten Menschen an.

So unterschiedlich wie diese beiden hier harmonisch vereinten Männer sind auch die Blickwinkel, aus denen sich ein solches Automobil betrachten lässt, aus gesellschaftlicher, ästhetischer und technischer Sicht.

Jede dieser Perspektiven hat ihre Berechtigung, keine davon kann beanspruchen, die einzig richtige zu sein, erst alle zusammen ergeben ein umfassendes Bild – bis ein Foto auftaucht, das wiederum neue Einblicke erlaubt – vielleicht in den Motorraum oder das Passagierabteil.

Insofern ist auch zu diesem Dixi längst nicht alles gesagt und ich hoffe, dass sich uns hier wie bei andere Vorkriegsfabrikaten immer wieder neue alte Perspektiven eröffnen…

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Mut zur Lücke: Ist das ein Dixi R5 5/14 PS?

Zwei Dinge habe ich in der Schule wirklich gründlich gelernt. Das eine war Latein, das ich von der siebten Klasse bis zum Abitur belegte.

Meine mündliche Abiturprüfung in Latein legte ich über die Liebesgedichte des römischen Dichters Catull (1. Jh. v. Chr.) ab, obwohl ich von der Materie damals in praktischer Hinsicht wenig Ahnung hatte. Das stand dem schulischen Erfolg jedoch nicht im Wege.

Das zweite Fach war Mathematik – wie beim Lateinischen war hier pure Logik gefragt – die im Unterschied zu Musik oder Kunst kein Talent erfordert, sondern „nur“ Disziplin.

Während ich den Lateinunterricht stets gemocht habe, kam mir die Mathematik immer als notwendiges Übel vor.

Nachdem ich an der Universität im Hauptstudium die gefürchtete große Statistikprüfung knapp bestanden hatte, welche Volkswirte absolvieren müssen, hatte ich genug von Mathematik.

Eine Sache aus dem Mathematikunterricht am Gymnasium ist mir aber noch gegenwärtig.

Es war der Spruch eines kreativen Lehrers, welcher seine Computerfirma auf seine Frau angemeldet hatte. Nachmittags konnte er sich ihr hingebungsvoll widmen – der Firma – denn ein Mathematiklehrer muss sich wie ein Lateinpauker nicht weiterbilden.

Mut zur Lücke“ pflegte er zu sagen, wenn sich jemand seiner Sache nicht sicher war. Das sagte mir damals nicht viel, aber hängengeblieben ist es trotzdem.

Heute komme ich darauf zurück. Denn beim folgenden Foto, welches ich Leser Matthias Schmidt (Dresden) verdanke, brauche ich Mut, um eine mutmaßliche Lücke zu füllen:

Dixi Typ R5 5/14 PS (vermutlich); Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wer hier spontan einen Dixi der Fahrzeugwerke Eisenach erkennt, liegt schon einmal richtig.

Den vorne abgerundeten Spitzkühler in Kombination mit vier nach hinten geneigten kurzen Luftschlitzen in der Motorhaube gab es so nur bei Dixi kurz nach dem 1. Weltkrieg.

Sieht doch ganz aus wie der ab 1921 gebaute Typ G1 6/18 PS, welchen ich hier schon öfters dokumentiert habe, oder?

Aber haben Sie Mut zur enormen Lücke, die uns zeitlich von damals trennt, und schauen Sie einmal genau hin:

Dixi Typ G1 6/18 PS, Bauzeit: 1921-23; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Dixi des Typs G1 6/18 PS stimmt etliches überein mit dem eingangs gezeigten Wagen: Kühlerform, Haubenschlitze, Drahtspeichenräder und „Tulpen“-Karosserie.

Aber eines weicht deutlich ab, nämlich die Beleuchtungsanlage. Diese war beim Dixi des Typs G1 stets elektrisch, wie das Anfang der 1920er Jahre Standard war.

Das Foto von Matthias Schmidt zeigt jedoch ein Fahrzeug, dessen Scheinwerfer zumindest der Form nach noch gasbetrieben waren. Auch der Schwung der hinteren Kotflügel erinnert eher an Modelle aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg.

Zwar gab es auch elektrische Scheinwerfer, welche die Trommelform der gasbetriebenen Vorläufer aufnahmen, aber an einem Nachkriegs-Dixi habe ich diese noch nie gesehen.

Angesichts der bisher leider mangelhaften Dokumentation der Dixi-Typen jener Zeit bleibt nur zu sagen: „Mut zur Lücke“ und selbst eine vorläufige These aufzustellen. Es gab nämlich parallel zum ab 1921 gebauten Dixi-Typ G1 6/18 PS noch das kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs eingeführte Modell R5 5/14 PS.

Die Angaben dazu im bisherigen Standardwerk zu den Dixi-Wagen – H. Schraders Werk „BMW-Automobile“ von 1978, welches auch die Dixis abdeckt – sind fragwürdig. Der Typ R 5/14 PS habe eine elektrische Beleuchtung und eine innenliegende Schaltung gehabt.

Garniert wurde das Ganze mit der Abbildung eines Wagens mit außenliegender Schaltung und Gasbeleuchtung. Mut zur Lücke hatte man offenbar bei der Bebilderung nicht.

Meine Vermutung ist dennoch die, dass das Foto von Matthias Schmidt einen Dixi des Vorkriegstyps R 5/14 PS zeigt, welcher nach dem 1. Weltkrieg noch kurze Zeit weitergebaut wurde. Dass dies bis 1925 der Fall gewesen sein, wie Schrader behauptet, ist abwegig.

Gewissheit in der Frage erwarte ich mir eher von Zeitgenossen, welche sich in unseren Tagen mit der Dokumentation der Dixi-Wagen vor der Übernahme durch BMW befassen.

Ich weiß von einem Buchprojekt in der Hinsicht und fiebere seiner Fertigstellung entgegen. Da man mit Vorkriegsautos letztlich nie fertig wird, auch wenn deren Historie naiven Zeitgenossen „abgeschlossen“ erscheint, möchte ich zu „Mut zur Lücke“ aufrufen.

Reifen soll so ein Projekt schon und aus der Hüfte schießen, wie ich das hier gern tue, kann ein ernsthafter Automobilhistoriker nicht. Aber man sollte das Ziel auch nicht ewig nur anvisieren, irgendwann muss man auch abdrücken.

Nachladen kann man dann immer noch, wenn man ausreichend munitioniert ist, und dann kann man korrigieren oder präziser werden – insofern Mut zur Lücke!

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Düstere Zeiten: „Dixi“-Automobile von 1917-1919

Heute befassen wir uns mit einem dunklen Kapitel der deutschen Automobilgeschichte. Zum Glück dauerte es nur drei Jahre – von 1917-1919.

Aus der europäischen Historie wissen wir, dass Phasen, über die nur wenig Gesichertes bekannt ist, wesentlich länger andauern können. So bezeichnen die Briten als „Dark Ages“ die Jahrhunderte nach dem Abzug der letzten römischen Truppen anno 410 aus England.

Zurück blieb eine trotz des Niedergangs staatlicher Strukturen romanisierte und christianisierte Zivilisation. In das miltärische Vakuum rückten germanische Horden aus dem norddeutschen und dänischen Raum ein – die als Angeln und Sachsen bezeichnet wurden.

Außer Plünderung und Vernichtung ist von diesen Stämmen auf englischem Boden kaum kulturelle Kompetenz überliefert – archäologisch sind sie praktisch nur als Krieger zu fassen. Jedenfalls war nach der Besetzung Englands durch diese Herrschaften binnen weniger Generationen nahezu nichts von der spätantiken Zivilisation mehr übrig.

Die romanisierte und christliche Bevölkerung wurde von den primitiveren, aber brutaleren germanischen Völkern weitgehend verdrängt und vernichtet, sodass die Kirche ab dem 6. Jh. sogar eine neuerliche Christianisierung Britanniens beginnen musste.

Wer sich schon immer gefragt hat, weshalb jede größere englische Stadt eine römische Gründung war, aber die über drei Jahrhunderte währende Römerzeit in Traditionen und Sprache der Engländer so wenig Spuren hinterlassen hat, weiß nun warum.

Dass ein solcher Kulturbruch in noch viel kürzerer Zeit erfolgen kann, das wissen wir seit dem 1. Weltkrieg, der binnen vier Jahren die über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen in Frankreich, England sowie Deutschland und Österreich-Ungarn über den Haufen warf.

Einziger Sieger des Absturzes in die Barbarei des maschinisierten Massenmords waren die Vereinigten Staaten – nicht zufällig setzte bei Kriegsende der Höhenflug US-Automobilindustrie ein, womit wir fast beim eigentlichen Thema wären.

Denn heute soll es ja um düstere Zeiten gehen und das am Beispiel der Automarke Dixi der Fahrzeugfabrik Eisenach (Thüringen). Mit „düster“ sind in diesem Fall an Anlehnung an die „Dark Ages“ im nachrömischen Britannien die äußerst dürftigen Spuren gemeint, die sich von den zuvor so hochstehenden Dixi-Autos in dieser Zeit finden lassen.

Beginnen wir unsere Betrachtung im vorletzten Kriegsjahr 1917. Damals erschien in der Allgemeinen Automobil-Zeitung (Nr. 35) diese Dixi-Reklame:

„Dixi“-Reklame aus: Allgemeine Automobil-Zeitung, Nr. 35 (1917); Original aus Sammlung Michael Schlenger

Bemerkenswert finde ich hier zwei Dinge: Zum einen meidet diese Anzeige jeden Bezug zum Kriegsgeschehen, den man bei den meisten anderen zeitgenössischen Reklamen deutscher Autohersteller findet.

Wollte man hier bewusst der Hoffnung auf baldigen Frieden Ausdruck geben? Immerhin hatte US-Präsident Wilson im Januar 1917 Vorschläge für einen Verhandlungsfrieden zwischen den Kriegsparteien gemacht.

Dass es ganz anders kam und die USA letztlich selbst in den Krieg eintraten, steht auf einem anderen Blatt, wobei gewisse Parallelen zur Gegenwart bemerkenswert sind.

Mir stellt sich nun die Frage, ob das von Dixi anno 1917 in seiner Reklame gezeigte Spitzkühlermodell nur ein Entwurf für die Nachkriegszeit sein sollte oder ob die PKW-Kriegsproduktion in Eisenach tatsächlich dahingehend umgestellt wurde.

Hierzu liegen mir keinerlei Informationen vor – was entsprechende Evidenz auf zeitgenössischen Fotos angeht, ist die Lage düster, jedenfalls in meinem Fundus.

Rund ein Jahr später – im Frühjahr 1918 – schaltete man dann in der Zeitschrift „Motor“ die folgende Anzeige:

„Dixi“-Reklame aus: Motor, Ausgabe: Mai/Juni 1918; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Auch hier keine Spur vom nach wie tobenden Weltkrieg – dafür Urlaubsstimmung vor der Silhouette der Wartburg.

Mit einem Mal ist der ominöse Spitzkühler einem stärker abgerundeten gewichen. Dieser -sowie Positionierung und Gestaltung der Luftschlitze in der Motorhaube – entsprechen fast vollkommen den Nachkriegsmodellen von Dixi.

Bildbelege für die Produktion entsprechend aussehender Dixi-Wagen noch im Jahr 1918 liegen mir allerdings nicht vor – die Überlieferungssituation ist wieder einmal düster.

Erst ab 1919 ist von der Produktion des noch 1914 eingeführten Kleinwagentyps R5 5/14 PS die Rede. Daneben gab es ab 1919 das wiederaufgelegte Spitzenmodell U1 20/55 PS sowie den etwas schwächeren Typ S16 13/39 PS, ebenfalls eine Vorkriegsentwicklung.

Sind diese drei Modelle vielleicht vereinzelt doch bereits 1918 gebaut worden, ohne dass dies Einzug in die Literatur gefunden hat?

Ein Kandidat dafür – wohl das Einstiegsmodell R5 5/14 PS – könnte auf diesem Foto aus der Sammlung von Matthias Schmidt (Dresden) zu sehen sein:

Dixi-Kleinwagen um 1919; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Zwar wirkt dieses Exemplar mit schöner Zweifarblackierung auf den ersten Blick wie das 1921 eingeführte Basismodel G1 6/18 PS. Doch die offenbar noch gasbetriebenen Scheinwerfer sprechen für eine deutlich frühere Entstehung.

Zudem scheint mir auch der Radstand eher zum kleinen Modell 5/14 PS zu passen (2,70 m vs. 2,85 m). Nicht zuletzt wäre das Fehlen eines außenliegenden Schalthebels kompatibel mit dem Vorkriegstyp, welcher der erste Dixi mit innenliegender Schaltung war.

Vielleicht verhält es sich aber auch ganz anders und ein sachkundiger Leser weiß Licht ins Dunkel der düsteren Ära von 1917-19 zu bringen – jedenfalls was Dixi betrifft…

Ebenso wie Wissen in der Breite rasch verlorengehen kann, wenn sich keine entsprechende Kultur findet, die es schätzt und pflegt, kann mitunter die Initiative Einzelner die Weichen für eine Renaissance stellen. Was die Dokumentation frühen Dixi-Wagen betrifft, besteht durchaus Hoffnung in dieser Hinsicht.

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Noch rechtzeitig ausgewandert: Ein Dixi von 1914

Im Sommer 1914 spielten die sogenannten Eliten Europas mit dem Feuer – und konnten schon bald die Flammen, die sie mit auf Konfrontation angelegten Bündnissen und naiver Selbstüberschätzung entfacht hatten, nicht mehr löschen.

Am Ende standen fast alle Kriegsparteien als Verlierer da – vielleicht abgesehen von Italien und Rumänien, die ihr Territorium ab 1918 auf fragwürdige Weise erweitern konnten.

Zu den Gewinnern zählten neben den Vereinigten Staaten letztlich nur diejeinigen, die rechtzeitig ausgewandert waren – sofern sie nicht von den Kolonialmächten England und Frankreich als Kanonenfutter wieder zurück nach Europa geschickt wurden.

Dieses finstere Kapitel in der Geschichte Kanadas, Australiens und Neuseelands sowie Indiens und etlicher afrikanischer Staaten wird gern übergangen, dabei sprechen die Soldatenfriedhöfe in Frankreich auch in der Hinsicht eine erschütternde Sprache: Eine ganze Generation junger Männer aus aller Welt wurde für einen Krieg verheizt, dessen Ziel schon nach den ersten Monaten keiner der Schreibtischtäter mehr benennen konnte.

Dass Kriege eine fatale Eigendynamik entwickeln, aus der schwer bis unmöglich wieder herauszukommen ist, weil die Entscheider davon nicht direkt betroffen sind, sollte auch den neuerdings in Europa wieder fleißigen Kriegsertüchtigern zu denken geben.

Doch leider lehrt die Geschichte nur eines: dass die Menschen nur aus dem lernen, was sie am eigenen Leib erfahren haben – und die letzte Generation, für die das noch gilt, verlässt uns gerade. So mag man auf den Teppichetagen von heute wohl die Fehler von anno 1914 wiederholen oder andere kolossale Dummheiten begehen, die Dritte bezahlen müssen.

Genug davon – wir wollen uns heute mit einem Zeitzeugen beschäftigen, der im Sommer 1914 noch einmal davon gekommen ist – während es seinem Kameraden nicht gelungen ist.

Die Rede ist von einem Tourenwagen der Eisenacher Fahrzeugwerke, deren Automobile unter dem griffigen Markennamen Dixi verkauft wurden. Hier sehen wir einen davon:

Benz und Dixi-Tourenwagen ab 1914; Originalfoto: Sammlung Jason Palmer (Australien)

Moment mal, werden jetzt die Kenner sagen – hier ist doch eindeutig ein Benz zu sehen und links daneben ein Opel oder Dürkopp – jedenfalls der Kühlerform nach zu urteilen.

Tja, was den Benz betrifft, ist der Fall in der Tat klar. Die Marke zählt neben Daimler, NAG, Opel, Protos, Stoewer und Wanderer zu den häufigsten, die auf deutschen Fotos aus dem 1. Weltkrieg vertreten sind.

Speziell Benz-Automobile wurden so oft abgelichtet, dass ich noch längst nicht alle entsprechenden Fotos aus meinem Fundus oder dem von Sammlerkollegen hier gezeigt habe – das wäre auf die Dauer langweilig, so unglaublich das klingt.

Im vorliegenden Fall wollen wir aber auch dem Benz Gerechtigkeit zuteil werden lassen – offenbar ein mittelgroßes Flachkühlermodell aus der Zeit ab 1913/14, worauf die elektrischen Parkleuchten unterhalb der Windschutzscheibe hindeuten:

Die Interpretation von Details wie der Kennung vor dem Kühler und des runden Gegenstands neben dem in Fahrtrichtung links befindlichen Vorderrads überlasse ich gern sachkundigen Lesern – ich schätze fundierte Ergänzungen und auch Korrekturen sehr.

Vielleicht findet ja sogar jemand heraus, in wessen „Garage“ das deutsche Heer hier irgendwo in Belgien oder Frankreich ungebeten „eingezogen“ war.

Noch spannender bleibt aber die Frage, was es mit dem zweiten Wagen auf sich hat, der am Rand der Szene steht, aber für mich das viel interessantere Gefährt ist.

Jason Palmer aus Australien – selber Sammler von Vorkriegsfahrzeugen und Kenner früher europäischer Fabrikate – ist der Ansicht, dass wir hier einen Dixi von anno 1914 sehen:

Naja, wird jetzt vielleicht einer selbstgewiss denken, ein Opel oder Dürkopp hatte doch einen ganz ähnlichen Kühler und überhaupt: Wo findet man denn Dokumente, die zeigen, dass Dixi damals ebenfalls so einen birnenförmigen Kühler verbaute?

Wer sich leichtfertig auf die bisher verfügbare (teils veraltete) Literatur verlässt, der kann leicht übersehen, das Dixi ab 1913/14 tatsächlich zu einer neuen Kühlerform überging. Ob das bei allen Modellen der Fall war und ob womöglich – wie bei Benz – neue und alte Form parallel angeboten wurden, das kann ich bislang nicht sagen.

Jedenfalls fand ich in der Literatur (Dixi-Kapitel aus: H. Schrader, BMW-Automobile) nur eine einzige Prospektabbildung, die einen Dixi aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg mit genau so einem Kühler zeigt (Typ S 16).

Das ist vielleicht etwas dünn, um als Beleg zu gelten, zumal reine Prospektabbildungen stets mit Vorsicht zu genießen sind, sind sie doch oft idealisierend oder zeigen in etlichen Fällen Ausführungen, die zwar angeboten, doch nie verkauft wurden.

Heute sind wir aber in der glücklichen Lage, dass uns Jason Palmer als Eigner des Fotos aus dem 1. Weltkrieg auch die Evidenz mitgeschickt hat, die den Fall sonnenklar macht.

Und nun halten Sie sich fest: Gerade noch rechtzeitig vor Ausbruch des 1. Weltkriegs verließ im August 1914 ein Dixi des Mittelklasse-Typs R12 per Schiff Europa und kam nach einigen Wochen im fernen Australien an, wo sein Aufbau von der Firma TJ Richards & Son in Adelaide vervollständigt wurde.

Das wissen wir deshalb so genau, weil dieses Auto noch im Originalzustand existiert:

Dixi-Tourenwagen Typ R12 von 1914; Bildrechte: Sammlung Jason Palmer (Australien)

Man sieht: Wer seinerzeit das Glück hatte, nach „down under“ auszuwandern, hatte eindeutig die besseren Überlebenschancen – zumindest, wenn es sich um einen automobilen Zeitgenossen handelt.

Überhaupt hat sich Australien – noch so ein Land, aus dem man in Europa praktisch nichts erfährt, außer wenn irgendwo mal wieder der Busch brennt – geradezu als „Safe Haven“ für heute rare europäische und speziell deutsche Wagen aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg erwiesen. Wir kommen bei Gelegenheit darauf zurück.

Ob nun der Dixi auf dem Foto aus dem 1. Weltkrieg ebenfalls ein Typ R12 oder ein anderes Modell aus der breiten Dixi-Palette anno 1914 war, sei dahingestellt. Jedenfalls hat die Einschätzung, dass es sich um einen Dixi und nichts anderes handelt, einiges für sich.

Damit übergebe ich das Wort an die Markenspezialisten…

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Schnappschuss auf dem Heimweg: Dixi DA1 3/15 PS

Sollten Sie Anstoß an den oft auf Effekt bemühten Überschriften nehmen, mit denen ich meine Blog-Einträge einzuleiten pflege, dann haben Sie recht. Ich bin diesbezüglich selbst mein schärfster Kritiker.

So ist die Bezeichnung „Schnappschuss“ für das Foto, das ich heute zeigen möchte, die Untertreibung des Jahres – bisher jedenfalls. Tatsächlich handelt es sich um ein kleines Meisterwerk.

Das gilt für das abgebildete Auto ebenso wie für die Inszenierung, die irgendwann um 1950 entstand. Wann genau und wo das war, ist mir nicht bekannt. Die Rückseite des Abzugs trägt den Stempel eines Fotoladens aus Hofheim am Taunus – nicht allzuweit von meinem Heimatort Bad Nauheim in Hessen.

Doch natürlich kann die Aufnahme überall entstanden sein. Dem darauf abgelichteten Auto waren trotz nur 15 PS Leistung nahezu keine Grenzen gesetzt. In England in der ersten Hälfte der 1920er Jahre als Austin 7 entstanden, fand das enorm populäre und wie Fords Model T unverwüstliche Automobil seinen Weg auch in deutsche Lande.

Die Rede ist von der Lizenzproduktion durch die altehrwürdige Eisenacher Fahrzeugfabrik unter der Marke Dixi, welche Ende 1927 begann.

So – jetzt stellen Sie sich vor, Sie gehören zu besseren Gesellschaft in der frühen Nachkriegszeit – sagen wir um 1950. Sie sind bei Leuten auf dem Land eingeladen, die es schon wieder zu Wohlstand gebracht haben oder diesen durch den Krieg retten konnten.

Zumindest das repräsentative zweistöckige Wohngebäude aus dem 19 Jh. mit weitläufigem Garten und gekiestem Vorplatz ist erhalten geblieben und von der Beschlagnahme durch Bonzen des NS-Regimes, Bombenangriffen oder randalierenden Besatzungstruppen verschont geblieben.

Für ein Abendessen mit Kammermusik und Gesang reichen die Mittel und Beziehungen – dass der alte Flügel in den im Winter ungeheizten Räumen verstimmt ist, tut der Stimmung der Gäste selbst keinen Abbruch.

Auch für geistige Nahrung in flüssiger Form ist gesorgt und bis Tagesanbruch wird „getagt“. Draußen ist es noch kühl, doch die Sonne scheint und man macht sich irgendwann auf den Heimweg.

Dabei ergibt sich bei einem jungen Paar, das zu den Teilnehmern der Festivität gehörte, der spontane Wunsch, die denkwürdige Situation inklusive dunklen Augenringen festzuhalten.

Was sucht man sich dazu als dekorativen Hintergrund aus? Schauen Sie einfach selbst:

Dixi Typ DA 1 3/15 PS; Originalfoto der frühen Nachkriegszeit (Sammlung Helmut Kasimirowicz)

Ist es eigentlich völlig daneben, wenn ich hemmungslos begeistert bin von dieser Selbstinszenierung? Für mich ist das eines der eindringlichsten Autoportraits seit langem und es freut mich diebisch, dass ich es für einen einstelligen Betrag bei ebay abstauben konnte.

Der Dixi DA 3/15 PS war als Triumph Gloria von 1935 angepriesen worden, weshalb er bei den Dixi-Enthusiasten durchs Suchraster gefallen war. Da ich „offen“ suche – also alles anschaue, was es in der Billigfraktion an alten Fotos zu kaufen gibt – machte ich das Rennen.

Über diesen Fund freue ich mich diebisch, zumal ich weiß, dass ich damit einem besonderen Oldtimer-Kameraden eine Freude machen kann, in dessen „Beuteschema“ dieser Dixi DA1 3/15 PS von Ende der 1920er Jahre perfekt passt.

Die Identifikation gelingt anhand des schemenhaft erkennbaren alten Dixi-Emblems, das einen vorwärtsstürmenden Kentauren zeigt:

Wo der Wagen mit Kennzeichen aus der amerikanischen Besatzungszone Hessen (ab 1948) zugelassen war, dies festzustellen überlasse ich gern meinen Lesern. Auf das Ergebnis bin ich sehr gespannt! – Nachtrag: Wiesbaden!

Mir ist jetzt aber noch etwas anderes wichtig. Irre ich mich, oder hat unser Paar hier ein Selbstporträt mit zeitverzögertem Auslöser gemacht?

Eine Möglichkeit ist, dass „sie“ hier den Abzug in der linken Hand hält – man sieht allerdings das Übertragungskabel nicht.

Eine andere besteht in einem mit Zeitverzögerung arbeitenden Selbstauslöser, und die beiden wussten, nach wievielen Sekunden die Blende betätigt und das Negativ belichtet wird. Dann könnte ihre Handhaltung Ausdruck der Spannung sein, während der Selbstauslöser ablief.

Wie interpretieren Sie die Szene? Habe ich etwas übersehen? Bitte hinterlassen Sie einen Kommentar, wenn Sie eine Idee dazu haben. Auch ich habe bisweilen einen Tunnelblick.

So kann ich diese Informationen (also auch die zur Zulassung und vielleicht sogar zum Aufnahmeort) – dem Foto mit auf den Heimweg geben. Ja, Sie haben richtig gelesen.

Wie angekündigt sind wir hier Zeuge eines wunderbaren Dokuments „auf dem Heimweg“ – von der Party wie auch zu der Person, welche solchen Zeugen des deutschen Austin-Lizenzbaus Dixi DA1 3/15 PS eine ideale Heimstatt gibt.

Gemeint ist Helmut Kasimirowicz aus Düsseldorf, dem wohl hierzulande bekanntesten Enthusiasten, was dieses letzte Dixi-Modell betrifft, und Betreiber einer einschlägigen Website, die schier unerschöpfliches Material dazu zugänglich macht.

Meine Lieblingskategorie dort sind die historischen Reiseberichte. Besonders gut gefällt mir die Aufbereitung einer Italienfahrt im Dixi DA1 anno 1932.

Während das heute gezeigte Foto nun im Original die Heimreise antritt und bald in Helmut Kasimirowicz‘ Sammlung ihr Zuhause findet, mache ich mich am Wochenende selbst nach Italien auf – zwar nicht im Vorkriegsauto, aber mit derselben Reisefreude wie einst.

Es wird im Blog ein paar Tage keine neuen Einträge geben, aber kommende Woche funke ich dann direkt aus dem Süden. Der Mai in Umbrien mit seiner Blütenpracht ist eine Zeit, die alles vertreibt, was einen sonst im Alltag plagen mag. Daran will ich Sie gern teilhaben lassen…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Erhellend andere Ansicht(en): Dixi 6/18 PS

Es gibt wenig im Bereich unserer Wahrnehmung, das nicht zum erheblichen Teil Ansichtssache ist und dessen Wesen sich erst aus verschiedenen Perspektiven einigermaßen erfassen lässt.

Nur innerhalb logisch geschlossener Systeme wie der Mathematik gibt es objektive Klarheit, die sich jedermann gleichermaßen offenbart. Was nicht bedeutet, dass es jenseits solcher in sich vollkommener Modelle nicht Dinge geben kann, die uns (noch) nicht zugänglich sind.

Die Ideen der Planetenbewegung, der Evolution, der Kontinentalverschiebung oder der Relativität verstießen zu ihrer Entstehungszeit nicht nur gegen den Stand der Wissenschaft, ihre Vertreter wurden sogar als Verrückte oder gefährliche Subjekte diskreditiert.

Dieselben Mechanismen sind auch heute in Kraft, weil es bei kontroversen Fragestellungen grundsätzlicher Art meist um Machtpositionen geht (Parole: „The science is settled“).

So schön es ist, recht zu haben und auch zu behalten, müssen wir uns dagegen immunisieren, auf die vermeintlich zwingende Logik der eigenen Sicht oder der anderer hereinzufallen. Das gilt auch für so banale Dinge wie ein altes Autofoto:

Dixi Typ G1 6/18 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wir können uns für noch so objektiv halten, unser Blick konzentriert sich anstatt auf den abgebildeten Tourenwagen auf die Menschen, die einst mit ihm abgelichtet wurden. Schon tritt unsere unhintergehbare Subjektivität zutage.

Immerhin ist das „einst“ zur Abwechslung als klares Datum überliefert: März 1928.

Schön an dieser Ansicht finde ich den Moment der Erwartung, der darin festgehalten ist. Wir ahnen, dass gleich nachdem die Aufnahme im Kasten ist, der Wagen gestartet wird und die ganze Baggage eine Ausfahrt oder gar eine kleine Reise unternimmt.

Vielleicht geht es auf Verwandtenbesuch und das ernst dreinschauende Mädchen, das wie bereits wie eine junge Dame wirkt, hält ein Geschenk für die Großeltern oder auch die Cousine in den Händen.

Unterdessen können es die beiden Buben hinter ihr kaum erwarten, dass es losgeht – sie schauen weniger dem Ziel als dem Abenteuer des Fahrens entgegen, wohl nicht zum ersten Mal.

Ganz anders gestimmt scheint der Herr mit Hut auf dem Trittbrett. Mit verhaltener Freundlichkeit sieht er in die Kamera. Vielleicht lagen in dem Moment irgendwelche Sorgen wie ein Schatten auf seinem Gemüt, dennoch bemüht er sich um Contenance.

Sie sehen, schon die Interpretation der Verfasstheit der einzelnen Personen auf diesem Foto ist Ansichtssache. Wie immer in solchen Fällen freue ich mich über erfrischend andere Perspektiven.

Bei einer Sache bin ich mir jedoch sicher: Der Wagen ist ein Fabrikat der Fahrzeugwerke Eisenach, die seit 1904 unter der Marke „Dixi“ hochwertige Automobile produzierte und dabei bis zum 1. Weltkrieg alle Kategorien abdeckte.

Danach baute man noch für kurze Zeit einige Vorkriegsmodelle weiter, bis 1921 der neu konstruierte Typ G1 6/18 PS erschien, welcher 1923 zum G2 6/24 PS mutierte.

Eine erhellende Ansicht in der Richtung liefert uns folgende Aufnahme aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt:

Dixi 6/18 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Dass wir es hier mit einem „Dixi“ zu tun haben, das verrät dem Kenner schon die Kühlerfigur – ein vorwärtsstürmender Kentaur.

Typisch für die G-Modelle der Marke war speziell die Kombination aus leicht spitz zulaufendem Kühler, Drahtspeichenrädern, schrägstehenden Haubenschlitzen und unten „geknicktem“ Frontscheibenrahmen.

Keines dieser Elemente war für sich genommen exklusiv den Dixis vorbehalten, aber in dieser Zusammenstellung waren sie letzlich einzigartig, so meine Sicht der Dinge.

Bei der Gelegenheit vergleiche man auch die ungewöhnliche Gestaltung des Heckkotflügels mit seitlicher „Schürze“ mit dem Wagen auf dem ersten Foto.

Nach meiner Ansicht ist so etwas selten zu sehen, während der Tourenwagenaufbau mit „Tulpenkarosserie“ und umlaufendem Verdeckkasten nicht markentypisch war, sondern kurz nach dem 1. Weltkrieg einen Standard bei fast allen deutschen Herstellern repräsentierte.

Vermutlich werden Sie sich jetzt meiner Ansicht anschließen, dass auch mein eingangs gezeigtes Foto einen solchen Dixi des Typs G1 6/18 PS zeigt, eventuell auch ein frühes Exemplar des G2 vor der Einführung großer Bremstrommeln hinten.

Aber würden Sie auch die oberflächliche Ansicht teilen, dass dieser Wagen ein Nummernschild trägt, dessen Kennung mit „NB“ beginnt?

Klarer Fall – das ist erst ein „N“ und dann ein „B“ zu sehen, oder?

Nun, wenn Sie das glauben, dann sind Sie zwei vermeintlichen Autoritäten auf den Leim gegangen. Die eine bin ich, die Ihnen diese auf perfide Weise Lesart nahelegt, die andere ist ihre eigene Sinneswahrnehmung, welche sie dort tatsächlich „NB“ sehen lässt.

Auf beides zu vertrauen, ist indessen gefährlich. Es gibt nur eine Instanz, die einen vor solchen Irrtümern bewahrt – der kritische Gebrauch des eigenen Verstandes, auch wenn es vielen lästig ist, wie schon der Aufklärungspapst Immanuel Kant feststellte.

So muss man sich nämlich fragen: Selbst wenn ich dort klar und deutlich „NB“ lese, kann das denn überhaupt sein? Der Verstand sagt einem, dass man das trotz aller scheinbarer Offensichtlichkeit kritisch prüfen muss.

Dass ich selbst dieser Sinnestäuschung zum Opfer gefallen bin, will ich gerne bekennen. Mir kam das Nummernschild zwar von Anfang an „spanisch“ vor, dennoch nahm ich es für den Nennwert und schaute im „Herzberg“ (Handbuch Deutsche KfZ-Kennzeichen, Band 1) nach, ob es nicht vielleicht doch so etwas wie „NB“ in deutschen Landen gegeben haben könnte.

Dort fanden sich jedoch nur zwei optisch ähnliche Kennungen „HB“ für Bremen und „IV B“ für den Raum Baden. Allerdings fällt es schwer, diese mit dem zur Deckung zu bringen, was das Auge auf dem Foto wahrnimmt.

Den Erkenntnisdurchbruch lieferte erst das Einnehmen einer ganz anderen Perspektive – die titelgebende erhellende Ansicht fand sich sogar in meinem eigenen Fundus:

Dixi Typ G1 6/18 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich hatte vergessen, dass sich in meinem Bestand an unaufgearbeiteten Fotos auch diese Dixi-Aufnahme befand – auf welcher der Wagen belichtungsbedingt ganz anders wirkt.

Doch nicht nur einige Insassen kommen einem auffallend bekannt vor, auch die laufende Nummer auf dem Kennzeichen war identisch: „43058“!

Für mich steht außer Frage, dass es sich um dasselbe Auto handelt, wenngleich ich mich nicht daran erinnern konnte, beide Abzüge gemeinsam erworben zu haben. Nur bei dem ersten hatte ich das umseitig vermerkte Aufnahmedatum im Dateinamen festgehalten.

Bleiben wir also skeptisch und schauen genau hin:

Was meinen Sie? Lesen Sie jetzt ebenfalls „IV B“ für Baden? Und bemerken Sie ebenfalls die übereinstimmende Gestaltung der Doppelstoßstange, die aus dem Zubehör stammte und US-Vorbildern ab etwa 1925 nachgebildet war?

Sollten Sie meine neu gewonnene Ansicht für erhellend halten, dann dürfen Sie auch meiner Feststellung glauben, dass dieser Dixi im Landkreis Waldkirch zugelassen war. Doch Vorsicht: Dies stützt sich nur auf die entsprechende Zuordnung zum Nummernkreis 43001-43400, wie sie für 1936 im „Herzberg“ dokumentiert ist.

Ob das auch in den 1920er Jahren so war, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. So erhellend sich das Einnehmen einer anderen Ansicht im vorliegenden Fall erweist, so vage bleibt am Ende das, was wir wirklich als gesichert ansehen können.

Doch muss man alles ganz genau wissen? Mitunter genügt es auch, sich mit dem zufrieden zu geben, was uns spontan zugänglich ist und uns für einen flüchtigen Moment Vergnügen bereitet wie die Vorfreude auf diesem Dokument:

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.   

Der erste seiner Art: Dixi S16 13/32 PS von 1912

Manche Dokumente von Vorkriegsautos schlummern jahrelang in meinem Fundus – oder dem von Sammlerkollegen – bevor ich sie hier publiziere.

Die Fülle des verfügbaren Materials zu deutschen Fabrikaten aus den letzten 120 Jahren ist erschlagend, und dabei sind die Archive derer noch nicht berücksichtigt, die gar nichts anderes damit anzufangen wissen, als sie ängstlich zu hüten.

Selbst die größten Exoten aus der deutschen Automobilgeschichte könnten mit dem dokumentiert werden, was Krieg und Aufräumfuror übriggelassen haben, behaupte ich.

Doch manchmal macht es einem Fortuna ganz leicht – oder nüchterner gesagt: ein Leser dieses Blogs. So funkte mich gestern nacht wieder einmal Klaas Dierks aus dem hohen Norden an, um mir einen neuen Fund zu übermitteln.

Heute warf ich während einer Arbeitspause einen Blick darauf und war spontan begeistert: „Den Wagen muss ich umgehend vorstellen, denn das ist der erste seiner Art!“

Das trifft gleich in doppelter Hinsicht zu und gern erkläre ich, wieso – aber hier erst einmal ein Blick auf das Prachtstück:

Dixi Typ S 16 13/32 PS (vermutlich); Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Ziemlich genau so stellt sich der Autoveteranen-Verehrer das perfekte Konterfei eines historischen Fahrzeugs aus einer Zeit vor, in der die Hersteller in Prospekten und Werbeanzeigen praktisch nur Seitenansichten ihrer Modelle abdruckten.

Sicher gibt es Zeitgenossen, die in ihren Archiven Vergleichbares verstecken, doch ausgehend von der dürftigen Literatur zu deutschen Automobilen der Zeit vor dem 1. Weltkrieg ist mir noch keine solche Abbildung untergekommen.

Bereits so gesehen ist dieser leicht als „Dixi“ der Fahrzeugwerke Eisenach zu erkennende Wagen mit repräsentativem Landaulet-Aufbau „der erste seiner Art“, der mir in dieser Form und Güte begegnet.

Da stellt sich bei aller Begeisterung die Frage, wie man überhaupt den Typ eingrenzt. Wie ich auf die These Dixi S16 13/32 PS gekommen bin, daran will ich Sie teilhaben lassen.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass wir es mit einem Modell aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg zu tun haben. Denn die Scheinwerfer geben sich als gasbetriebene Modelle zu erkennen, die es ab 1920 allenfalls noch bei Kleinstwagen gab.

Das entscheidende Merkmal sind nicht die trommelförmigen Gehäuse der Scheinwerfer als solche – die waren Mitte der 1920er Jahre nochmals Mode – sondern die oben aufgesetzten Kammern mit Löchern, aus denen die Verbrennungsabgase entweichen konnten.

Auch die teilweise an der Erwachsenenmode orientierte Kleidung der umstehenden Kinder spricht klar für die Zeit bis 1914. Nach dem 1. Weltkrieg trug kein Bub mehr solche Hüte.

Vor 1910 kann der Dixi aber auch nicht entstanden sein, denn dann hätte er noch keinen „Windlauf“ besessen – also kein von der Motorhaube zur Frontscheibe ansteigendes Blech, das erstmals die Vorderpartie harmonisch mit dem Passagierabteil verband.

Zum Vergleich eine Aufnahme eines Dixi, der etwa 1908/09 gefertigt worden war:

Dixi um 1908/09; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser prächtige Tourenwagen war am Rhein bei Kaub abgelichtet worden (mehr dazu hier).

Nicht nur fehlt ihm der erwähnte Windlauf, er besitzt auch eine gänzlich andere Kühlerform. Diese findet sich ähnlich noch bei etwas jüngeren Dixi-Modellen, was eine weitere zeitliche Eingrenzung des Wagens auf dem Foto aus der Sammlung Dierks erlaubt.

Ihr entstammt übrigens auch eine Aufnahme, auf der ein Dixi zu sehen ist, welcher bereits über einen Windlauf besitzt, also frühestens 1910 entstanden sein kann:

Dixi Typ R12 10/24 PS (vermutlich); Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Da der Windlauf hier noch recht stark nach oben gewölbt ist und die Frontscheibe noch nicht seiner Linie folgt, wage ich die Behauptung, dass dieser Dixi von 1910/11 stammt.

Ab 1912 verläuft der Übergang von Motorhaube zu Windlauf bei deutschen Automobilen allgemein weniger abrupt. Könnte das der Zeitpunkt sein, ab dem Dixi auch das neue birnenförmige Kühlergehäuse einführte, das auf dem eingangs gezeigten Foto zu sehen ist?

Interessanterweise scheint es diese Kühlergestaltung bei Dixi-Wagen nur vorübergehend gegeben zu haben. Wie bei vielen anderen deutschen Herstellern stellte man in Eisenach zu Beginn des 1. Weltkriegs – oder in seinem Verlauf – auf den modischen Spitzkühler um.

Eine Vorstellung davon vermittelt diese Reklame von 1917:

Dixi-Reklame aus: Allgemeine Automobil-Zeitung Nr. 38, Jahrgang 1917; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Auf Grundlage dieses Befunds würde ich den Kühler unseres heutigen Dixi-Fotomodells auf 1912-14 datieren. Unterstützt wird diese Einschätzung durch eine Prospektabbildung, welche sich im 1978 erschienen Werk „BMW Automobile“ von Halwart Schrader findet.

Dieses ist zwar in Sachen BMW zwischenzeitlich überflügelt worden, doch Schrader hat dankenswerterweise auch die Vorgeschichte der ersten BMW-Autos abgedeckt – und diese umfasst die Eisenacher Dixi-Wagen, deren letzter Typ (DA1 3/15 PS) ab 1929 als BMW gebaut wurde.

Auf S. 126 des Schraderschen Opus also ist die Prospektabbildung eines Dixi S16 mit 13/32 PS zu sehen, der ab 1912 gebaut wurde. Er besitzt genau so einen Kühler wie das Landaulet von Klaas Dierks!

Aus meiner Sicht könnte dieser prächtig geschmückte Wagen, der zurecht die Aufmerksamkeit der Kinder auf der Straße auf sich zog, also durchaus ein Dixi des Typs S16 mit 3,4 Liter-Vierzylinder und anfangs 32 PS gewesen sein.

Er blieb bis 1925 im Programm (zuletzt mit 39 PS Leistung und modernerem Aufbau) und wurde in etwas mehr als 700 Exemplaren gefertigt, wenn man den überlieferten Zahlen trauen kann.

Diese späteren Ausführungen besaßen den Dixi-typischen Spitzkühler, weshalb der heute vorgestellte S16 aufgrund seines Flachkühlers der erste seiner Art gewesen sein muss.

Doch nun die Frage an die Dixi-Spezialisten: Erhielten auch die anderen Typen aus Eisenach ab 1912 einen solchen Kühler? Also beispielsweise die etwas schwächeren Modelle R9 (8/21 PS), R12 (10/26 PS), die bis 1914 ebenfalls mit repräsentativen Aufbauten hergestellt wurden?

So oder so bliebe das Foto von Klaas Dierks das erste publizierte seiner Art, das einen solchen Dixi aus der Zeit von 1912-14 aus idealer Perspektive zeigt…

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Doch auch mit Dach: Wartburg anno 1904

Um gleich Protesten von Lokalpatrioten vorzubeugen: Natürlich verfügte die berühmte, bald 1000-jährige Wartburg in Thüringen anno 1904 über ein Dach.

Daran kann es keinen Zweifel geben, schließlich waren die Bauarbeiten zur Wiederherstellung der Ruine nach sechsjähriger Bauzeit schon 1859 abgeschlossen. Seither bietet sich die Anlage so dar, wie sie der Besucher des 21. Jh. zu sehen bekommt.

Die These „Wartburg ohne Dach“ ist mir in einem anderen Zusammenhang untergekommen, der nur indirekt mit der Festungsanlage zu tun hat, dieser aber keineswegs fernliegt.

Kenner der frühen deutschen Automobilgeschichte wissen jetzt natürlich, was kommt. Denn unweit der Wartburg wurden von der Fahrzeugfabrik Eisenach ab 1899 ein Automobil gebaut, das als „Wartburg-Wagen“ verkauft wurde.

Dabei handelte es sich um ein noch sehr einfaches Gefährt nach Lizenz des französischen Herstellers Decauville, dessen Konstruktion damals in Frankreich bereits veraltet war. So war hier der Motor noch im Heck verbaut und gelenkt wurde über einen Hebel:

Wartburg-Wagen von 1899/1900; Postkarte des Verkehrsmuseums Dresden; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Viele deutsche Hersteller wählten damals diesen Weg des Lizenznachbaus französischer Fabrikate wie Darracq, De Dion, Decauville oder Panhard, um überhaupt erst einmal in die Autoherstellung einsteigen zu können. Eigenentwicklungen in Deutschland waren um 1900 noch die Ausnahme und führten meist in Sackgassen.

Nachdem man in Eisenach mit diesen Vehikeln, die luft- bzw- wassergekühlte Zweizylindermotoren mit 3 bzw. 5 PS Leistung besaßen, erste Erfahrungen gesammelt hatte, folgten 1902 erstmals Modelle mit Frontmotor und Motorhaube. Diese Bauweise wurde damals von Panhard in Frankreich bereits seit über 10 Jahren praktiziert…

Immerhin gaben die Fahrzeugwerke Eisenach jetzt ordentlich Gas und bauten nun auch Vierzylindermodelle mit rund 15 bis 30 PS. Hier ein Exemplar von 1905, das bereits unter dem neuen Markennamen „Dixi“ firmierte:

Dixi Typ S12 oder S13 (1904-07); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Auto sieht mit einem Mal richtig erwachsen aus – das Einzige, was noch wie ein Fremdkörper wirkt, ist die Dachkonstruktion.

Wie es scheint, ist diese lediglich mit sechs vertikalen Rohren an der eigentlichen Karosserie befestigt. Gut möglich, dass sie sich einfach demontieren ließ bzw. erst nachträglich angebracht wurde.

Jedenfalls wird hier deutlich, dass ein festes Dach auf relativ simple Weise ergänzt werden konnte, wenn man das wollte. Damit sind nun endlich beim eigentlichen Thema.

Denn heute darf ich einen weiteren Wartburg aus der frühen Automobilproduktion der Fahrzeugwerke Eisenach präsentieren, den es so eigentlich gar nicht geben dürfte, wie er sich hier darbietet:

Wartburg 5,5 PS (1902-03); Originalfoto: Sammlung Andreas K. Vetter (Detmold)

Diese stimmungsvolle und gut erhaltene Aufnahme stammt aus dem Familienalbum von Andreas K. Vetter aus Detmold. Nach seinen Angaben entstand das Foto 1904 in Langensalza, wo der Wagen einem Veterinär als Alltagsfahrzeug diente.

Ich muss gestehen, dass ich zunächst eine Weile ergebnislos herumgerätselt habe, was für ein Fahrzeug hier abgebildet ist.

Zwischenzeitlich befasste ich mich mit einem anderen Rätselfoto, das eventuell einen Dixi zeigen sollte. Beim Durchblättern von Halwart Schraders immer noch unübertroffenem (wenn auch nicht perfekten) Standardwerk zu BMW-Automobilen von 1978, das auch Dixi bzw. die Vorgängermarke Wartburg abdeckt, stieß ich dann auf die zuvor gesuchte Lösung.

Diese Technik hat mich übrigens schon einige Male zum Ziel gebracht: Wenn eine intensive erste Recherche ohne Erfolg bleibt, ist es Zeitverschwendung, angestrengt weiterzubohren oder sich den Kopf zu zerbrechen.

Befasst man sich dann mit etwas anderem, bleibt das ungelöste Problem nämlich im Hinterkopf auf Wiedervorlage und oft genug läutet es dann unvermittelt, wenn sich in einem anderen Kontext die gesuchte Lösung offenbart.

So hielt ich auf S. 104 des Schraderschen Werks inne, denn dort (und m.W. nur dort) ist das gesuchte Automobil mit der eigenwillig gestalteten Motorhaube abgebildet – ein Wartburg 5,5 PS. Das Modell war zwischen dem ersten Wartburg und den ersten Dixis angesiedelt.

Zwar verfügte der Motor nach wie vor nur über 2 Zylinder, er befand sich nun aber vorn und war auf 1,1 Liter Hubraum gewachsen. Der Aufbau hatte an Substanz gewonnen, obwohl es sich nach wie vor um einen Zweisitzer handelte. Immerhin wurde das Auto jetzt mit einem Lenkrad gesteuert.

Nach Angabe von Halwart Schrader verfügte der Wartburg 5,5 PS über einen Röhrenkühler, der um die Motorhaube herumgelegt war. Damit meinte er vermutlich die pfeifenartigen Elemente auf der Haube.

Ganz sicher bin ich mir nicht, welche Funktion diese tatsächlich hatten. Waren es in Wirklichkeit nach außen gewölbte Luftschlitze oder röhrenartige Ausbuchtungen, die einen zusätzliche Oberflächenkühlung bewirken sollten – oder waren sie rein dekorativ?

Ich meine nämlich, hinter der Motorhaube die eigentlichen Kühlschlangen zu erkennen:

Was sagen die technisch versierteren Leser dazu? Kennt vielleicht jemand noch eine weitere Quelle, die sich mit diesem speziellen Wartburg 5,5 PS befasst und die mehr Informationen liefert?

In einer Hinsicht kann ich selbst eine neu hinzugewonnene Erkenntnis konstatieren. So heißt es bei Schrader, dass es zu diesem Wagen kein Verdeck gab. Strenggenommen hat er damit auch recht. Doch im nächsten Satz verweist er darauf, dass man einen Gummimantel tragen müsse, wenn man bei Regen fahren wollte.

Genau das musste aber nicht sein – denn den Wartburg 5,5 PS gab es ganz offensichtlich doch auch mit Dach! Und dafür dürften die damaligen Insassen dankbar gewesen sein…

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Stattliche Erscheinung(en): Dixi Chauffeur-Limousine

Mein heutiger Blog-Eintrag fällt in zweierlei Hinsicht aus dem Rahmen: Zum einen befasst er sich mit einem Fahrzeug von außergewöhnlichen Dimensionen, zum anderen sehe ich mich außerstande, den Typ genau zu benennen, obwohl der Hersteller kein Unbekannter war.

Wie an der Kühlerfigur – einem galoppierenden Kentauren – zu erkennen ist, zeichnete für die folgende stattliche Erscheinung die Fahrzeugfabrik Eisenach verantwortlich, die von 1904 bis zur Übernahme durch BMW Autos unter der Marke „Dixi“ baute:

Dixi Chauffeur-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Während die Ansprache des Herstellers dieses Kolosses klar ist, fällt (mir) die genaue Einordnung in die Dixi-Modellfamilie ausgesprochen schwer.

Der moderat ausgeprägte Spitzkühler gibt immerhin einen ungefähren Datierungshinweis: Wenn ich es richtig sehe, taucht dieser bei Dixi-Wagen recht spät auf – wohl erst mit dem 1921 vorgestellten Typ G1.

Dieses 6/18 PS Modell und sein Nachfolger G2 (6/24 PS) besaßen ebenfalls Drahtspeichenräder und (anfänglich) vier schrägstehende Luftschlitze in der Motorhaube:

Dixi Typ G1 6/18 PS; Originalfoto aus Sammlung Jürgen Ulloth

Doch unübersehbar handelte es sich hierbei um leichtere Modelle mit deutlich geringerem Radstand.

Der dicke Brummer auf dem eingangs gezeigten Foto muss also ein Dixi mit größeren Abmessungen und stärkerem Motor gewesen sein. Antriebsseitig kommen in den frühen 1920er Jahren mehrere Dixi-Modelle in Betracht:

Der Typ S16, welcher bereits 1912 eingeführt worden war und mit ständigen Leistungssteigerungen bis 1925 im Programm war – zuletzt mit 39 PS.

Daneben gab es den Dixi Typ U 20/55 PS, der 1914 vorgestellt wurde und noch bis 1923 gebaut wurde.

Außerdem waren leistungsgesteigerte Versionen des G-Typs erhältlich, bei denen bis zu 36 PS aus dem kompakten 1,6 Liter-Motor herausgeholt wurden.

Von diesen stärkeren Dixi-Wagen der frühen 1920er Jahre scheint nur der letztgenannte serienmäßig Drahtspeichenräder besessen zu haben. Aber letzlich hing es vom Geschmack des Besitzers ab, ob diese filigran bis sportlich wirkenden Räder oder rustikaler anmutende Holzspeichenräder montiert wurden.

In Anbetracht der stattlichen Erscheinung des heute präsentierten Dixi, der überdies einen schweren Aufbau als Chauffeur-Limousine erhalten hatte, tendiere ich zu einem der hubraumstärkeren Modelle, die sich wesentlich schaltfauler fahren ließen.

Welcher Typ es nun genau war, das kann vielleicht einer meiner in Sachen Dixi sachkundigen Leser sagen – ich schätze die Marke zwar sehr, würde mich aber nicht gerade als Kenner der komplexen Modellpalette dieses Herstellers bezeichnen.

Ebenfalls hoffe ich, dass mir jemand Aufschluss über eine weitere stattliche Erscheinung geben kann, die sich auf meinem Foto verbirgt – damit ist jedoch nicht der ausgeprochen gut genährte Fahrer gemeint:

Dixi Chauffeur-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vielmehr frage ich mich, was das für ein imposanter Bau im Hintergrund war. Ich würde diesen irgendwo zwischen Historismus und Jugendstil ansiedeln, also um etwa 1900.

Könnte es sich um ein Bahnhofsgebäude handeln? Bekanntlich gab es einst – lange bevor die Bahn in die moderne Barbarei abglitt – den schönen Brauch, solche Bauten sensibel dem lokalen Architekturstil anzupassen, was Formen und Materialien angeht.

Die ästhetische Meisterschaft dieser Funktionsbauten ist nach dem 1. Weltkrieg – dem bis heute nachwirkenden Kulturbruch in fast jeder Hinsicht – nie wieder erreicht worden. Legt man das Nummernschild des vor dem Dixi parkenden Autos mit dem Kürzel „IS“ zugrunde, könnten wir uns irgendwo in Niedersachsen befinden – vielleicht ist das ja ein Hinweis.

Was auf jeden Fall bleibt, ist der fabelhafte Eindruck gleich mehrerer stattlicher Erscheinungen. Nicht nur im Hinblick auf den mächtigen Dixi fragt man sich einmal mehr, wie so etwas einfach verschwinden kann.

Wir leben aber selbst in einer Zeit, in der man zur Kenntnis nehmen kann, was an stattlichen Erscheinungen eines einst hochentwickelten Gemeinwesens alles am Untergehen ist – das Automobil, wie es uns seit über 100 Jahren begleitet, ist nur eine davon…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Der Bub muss an die Luft: Ein Dixi 6/18 Tourer

Dieser Tage ist in meiner Heimatregion – der hessischen Wetterau – noch einmal ein Hauch Winter zu spüren. Nachts gehen die Temperaturen deutlich unter die Frostgrenze und die Höhen des Vogelsbergs grüßen schneebedeckt aus der Ferne.

Zur Abwechslung lässt sich auch die Sonne blicken, also heißt es hinaus an die frische Luft!

Unterwegs begegnen einem dann die üblichen Verdächtigen: einer führt seinen Hund aus, ein anderer begutachtet mit dem Fernglas das Storchennest in der nahen Aue, in dem kürzlich ein Junggeselle eingezogen ist, wiederum andere machen sich zu Pferde auf ins Gelände. Kinder waren nicht dabei – dabei müssten sie dringend an die frische Luft!

Es ist wie mit den Brillenträgern in der Schule – in meiner Jugend waren das ganz wenige, die man ob ihres Exotenstatus als Brillenschlange bezeichnete. Irgendwann später fiel mir auf, dass bei Schülern die Brille mittlerweile fast der Normalzustand geworden ist.

Ich entwickelte die These, dass die armen Blagen alle kurzsichtig sein müssen, weil sie von ihren Eltern kaum noch vor die Tür gelassen werden, sodass die Augen das „Scharfstellen“ in die Ferne verlernen. Erst kürzlich las ich von einer Studie, die genau das bestätigt.

Die Kinder müssen an die frische Luft, je öfter desto besser und je kälter es ist, desto besser – alles gut für Ausdauer, Augen, Abwehrkräfte. Und weil es in diesem Blog ja auch um Vorkriegsautos gehen soll, kann ich natürlich mit dem passenden Beweisfoto aufwarten:

Dixi 6/18 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

„Der Bub muss an die frische Luft, mein Sohn“, so bestimmte vielleicht der Großvater, der grimmig dreinschauend rechts zu sehen ist.

Recht hatte er, denn der Bubi war zwar wohlgenährt, wies aber eine ungesund blasse Gesichtsfarbe auf. Vielleicht gab es damals schon Eltern, die ihre Sprösslinge am liebsten von allem abschirmen wollten, was in irgendeiner Form unangenehm sein könnte.

Jedenfalls wurde kein Widerstand gegen das Votum der älteren Generation geleistet. Der Vater holte den Wagen hervor, verstaute das Verdeck im umlaufenden Kasten am Heck und nahm den Bub mit an Bord.

Gleich geht es los, schnell wird noch ein Foto gemacht: „Bubis erste Ausfahrt“, so schrieb die Mutter später liebevoll zur Erinnerung auf den Abzug. Das habe ich mir jetzt zwar ausgedacht, aber passen würde es.

Nicht ausgedacht habe ich mir, dass es sich bei dem Wagen um einen „Dixi“ der altehrwürdigen Fahrzeugfabrik Eisenach handelte.

Die schrägstehenden Luftschlitze findet man vor dem 1. Weltkrieg zwar auch bei anderen deutschen Herstellern – etwa bei Opel und Horch – doch dieser Wagen wurde erst Anfang der 1920er Jahre gebaut.

In Verbindung mit der markanten Kühlerfigur fanden sich diese schrägen Luftschlitze nur bei den ab 1921 neu vorgestellten G-Typen von Dixi:

Auf den Erstlingstyp G1 6/18 PS folgte bereits 1923 das Modell G2 6/24 PS, das nach damaligen Maßstäben nun auch angemessen motorisiert war.

Äußerlich lassen sich die beiden Varianten kaum auseinanderhalten. Radstand und Aufbau waren gleich, nur die Dimension der Räder unterschied sich. Leider ist hier die Beschriftung der Räder nicht lesbar.

Meine Vermutung ist aber, dass solche Dixis mit nur vier Luftschlitzen in der Regel Exemplare der schwächeren Ursprungsversion 6/18 PS waren, während man dem wesentlich stärkeren 6/24 PS-Modell früher oder später weitere Luftschlitze verpasste, um die in größerer Menge anfallende Abwärme aus dem Motorraum herauszubekommen.

Hier haben wir ein Beispiel dafür:

Dixi 6/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Helmut Kasimirowicz

Der hintere Aufbau ist deutlich moderner, die Proportionen sind aber dieselben geblieben und vorn auf dem Kühler stürmt ebenfalls der Dixi-typische Kentaur nach vorne.

Neben der größeren Zahl der Luftschlitze spricht hier auch die größere Bremstrommel an der Hinterachse für das stärkere Modell 6/24 PS, das in mehreren Ausbaustufen bis 1928 gebaut wurde (ab 1925 mit Vorderradbremse).

Zurück zum Dixi 6/18 PS, der hier noch eine üppig auskragende Karosserie im expressiven „Tulpenstil“ trägt, der Anfang der 1920er Jahre kurze Zeit en vogue war:

Der blasse Bub schaut uns pausbäckig und wenig inspiriert an. So viel Licht scheint er nicht gewohnt zu sein, daher kneift er die Augen zu.

„Das Kind muss an die frische Luft“, das ist wohl kaum zu übersehen. Es muss ja keine winterliche Ausfahrt im offenen Wagen sein, aber wann, wenn nicht jetzt, bauen die Kleinen die natürlichen Abwehrkräfte auf, die sie im Idealfall ihr Leben lang begleiten?

Diese Begegnung behält ihr Immunsystem in Erinnerung, wenn das Auto, in dem sie einst ihre Ausfahrt machten, längst Geschichte ist…

© Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Indizienprozess: Ein Dixi S12 / S13 von 1905

Ein Indizienprozess kann bekanntlich Unschuldige für Jahrzehnte hinter Gitter bringen.

Sofern irgendwann die Wahrheit herauskommt, werden solche Fälle dann in die harmlos klingende Kategorie des „Justizirrtums“ einsortiert. Irren ist bekanntlich menschlich – bloß hat dies selten so gravierende Konsequenzen wie vor Gericht.

Man könnte nun darüber sinnieren, ob ein Indizienprozess ohne Geständnis und objektive Beweise überhaupt einen Schuldspruch zulässt. Der Grundsatz „Im Zweifelsfall für den Angeklagten“ ist in der Praxis aber wohl ebensolche Folklore wie die angebliche Trennung von Justiz und Exekutive hierzulande.

Einem Indizienprozess mit am Ende erfreulichem Verlauf können meine Leser indessen heute beiwohnen. Dabei kann ich einen alten Fall klären, den ich neu aufgerollt habe, weil er mir keine Ruhe ließ.

Ausgangspunkt war dieses rätselhafte Dokument, welches unbekannte Täter anno 1905 hinterlassen haben und das vielleicht die einzige Spur ihres Tuns ist:

Dixi S12 oder S13 von 1905; Originaldokument aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar haben die Tatverdächtigen versucht, das Beweismaterial zu verfälschen, indem sie die Schrift darauf spiegelverkehrt ausrichteten und so für Irritation sorgten. Doch von solchen plumpen Versuchen lässt sich ein versierter Experte natürlich nicht ablenken.

Während die Kombination aus Foto und Grafik noch der Erklärung harrt (vielleicht kann ein Leser dies interpretieren), konzentrierten sich die Ermittlungen auf die vielversprechendsten Spur – das Automobil, das einst vor dem Schild eines „Hotel Roland“ Halt machte.

Auf den ersten Blick scheint das Fahrzeug hier einen so klaren „Fingerabdruck“ hinterlassen zu haben, dass es ein Leichtes sein sollte, die Identität zu klären und den Urheber dingfest zu machen:

Das wichtigste Indiz bei Abbildungen so früher Autos ist im Regelfall der Kühler. Dieser weist auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit der Frontpartie von „Adler“-Wagen auf.

Doch deren Kühler waren im Detail etwas anders gestaltet, speziell den Verlauf der Seitenpartie betreffend. Das Verdachtsmoment in Richtung Frankfurter Adlerwerke als „Tatort“ führte also in die falsche Richtung.

Man ist in solchen Fällen, in denen man Indizien angewiesen ist, gut beraten, sich nicht zu früh auf konkrete Hypothesen festzulegen. Besser geht man vorurteilsfrei vor und betrachtet zunächst ähnlich gelagertes Beweismaterial in der Breite.

Das habe ich hier bereits frühzeitig getan und wurde dann auch vorläufig fündig. So entdeckte ich beim ziellosen Durchblättern der Literatur (Halwart Schrader, Deutsche Autos 1885-1920) die Abbildung eines Wagens mit identischer Frontpartie (S. 147).

Die auf 1904 datierte Aufnahme zeigt „Regierungsbesuch bei der Fahrzeugfabrik Eisenach“, wo seit der Jahrhundertwende Wagen der Marke „Dixi“ gebaut wurden.

Doch durfte man daraus bereits schließen, dass das abgebildete Auto ebenfalls ein Dixi war? Es wäre ja möglich gewesen, dass die Herren Beamten im eigenen Wagen eines anderen Herstellers angereist waren. Zudem fand ich in den mir vorliegenden Unterlagen zu Dixi-Wagen um 1905 kein passendes Konterfei.

Daher schien es mir verfrüht, aufgrund dieses einen Indizes bereits ein Urteil zu fällen. So vertagte ich die Urteilsfindung – zumale es jede Menge Fälle abzuschließen galt, bei denen eine saubere Beweisführung möglich war.

Kürzlich habe ich das verdächtige Dokument aber wieder zur Hand genommen und mit frischem Blick einer neuen Betrachtung unterzogen in der Hoffnung, nun endlich auf Indizien zu stoßen, die mich weiterbringen.

Dabei fiel mir auf, dass die einstigen „Täter“ zwei Spuren hinterlassen hatten, die bei der ersten „Verhandlungsrunde“ noch keine Rolle gespielt hatten:

Zum einen erkennt man der Seite der Motorhaube einen einfachen, gebogenen Griff zum Anheben derselben. Zum anderen ist direkt unterhalb des Einstiegs, aber deutlich über den beiden Auspuffrohren ein weiteres Rohr zu sehen, das mir eigentümlich vorkam.

Daraufhin konsultierte ich ein Handbuch des o.g. Experten Halwart Schrader, in dem die in der ersten Runde bereits in Erwägung gezogene Eisenacher Marke Dixi im Kontext der BMW-Automobilgeschichte ausführlicher besprochen wird, illustriert mit zahlreichen Beispielfotos unterschiedlicher Typen.

Zwar konnte ich darunter keines finden, das dieselbe Kühlerform aus ähnlicher Perspektive erkennen ließ. Jedoch fand sich die Seitenansicht eines Dixi S13 ab 1905, die besagte Haubengriffe und eine vom Profil her vollkommen übereinstimmender Frontpartie zeigte (H. Schrader, BMW Automobile, S. 113).

Diese Indizien wurden durch ein weiteres ergänzt, dem ich den Rang eines Beweises zusprechen möchte.

Denn der Dixi Typ S13 (bzw. die etwas schwächere, aber äußerlich fast identische Version S12) besaß bis Mitte 1905 anstelle eines Profilrahmens einen Rohrrahmen. Dieser ist auf einer weiteren Aufnahme des Modells im Buch von Halwart Schrader so gut erkennbar, dass die Übereinstimmung mit dem erwähnten Rohr unterhalb des Aufbaus unseres undindentifizierten „Tatfahrzeugs“ unübersehbar ist.

Wenn mein Indizien“beweis“ (nebenbei ein logischer Widerspruch, der aber vor Gericht wenig zu stören scheint) schlüssig ist, haben wir es auf dem eingangs gezeigten Foto mit einem von nur gut 100 gebauten Exemplaren des Typs S12 bzw. S13 der Marke Dixi zu tun.

Dabei handelte sich um einen technisch konventionellen, aber markentypisch ausgezeichnet konstruierten Vierzylinderwagen, der aus 3,5 Liter Hubraum 16-17 PS Spitzenleistung schöpfte. Gebaut wurde er von 1904 bis 1907.

Das ist ein erfreuliches Ergebnis dieses Indizien“prozesses“, denn Fotos dieses Modells scheinen äußerst selten zu sein.

Viele Spuren mögen zwar weitgehend verwischt sein, doch sind wir mit etwas Scharfsinn, Geduld und Glück imstande, den Hergang anno 1905 recht gut zu rekonstruieren…

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Spurenlese der besonderen Art: Vorkriegsautos in Seesen

Nanu, mag jetzt mancher denken – kein Markenname im Titel? Keine Sorge, die automobile Markengeschichte der Vorkriegszeit kommt nicht zu kurz, ganz im Gegenteil.

Es ist bloß so, dass ich heute Anlass zu einer Spurenlese der besonderen Art habe, und das vedanke ich der Unermüdlichkeit eines KfZ-Urgesteins und Lokalhistorikers aus Seesen im Harz – sein Name ist Wolf-Dieter Ternedde.

Wer unter meinen Lesern ein gutes Namensgedächtnis hat, mag sich daran erinnern, dass uns Herr Ternedde schon das eine oder andere reizvolle Dokument aus Vorkriegszeiten „vermittelt“ hat, etwa diesen großartigen Mercedes 15/70/100 PS – hier beim Tankstopp in der frühen Nachkriegszeit:

Mercedes 15/70/100 PS Tourenwagen; Originalfoto via Wolf-Dieter Ternedde (Seesen)

Ansonsten werden wir heute zwar etwas kleinere Brötchen backen, doch ich verspreche Ihnen: Die heutige Spurenlese durch die Welt der Vorkriegsautomobile in Seesen wird sich lohnen – und am Ende deutlich über diesen zeitlichen Horizont hinausweisen.

Doch der Reihe nach.

Wolf-Dieter Ternedde – von Hause aus Karosseriebaumeister und KfZ-Meister (beides zusammen findet man nicht alle Tage) wollte sich nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem traditionsreichen Betrieb der Familie Ternedde in Seesen nicht einem ordinären Ruhestand hingeben.

Nach der liebevollen Dokumentation der „Seifenkistenrennen in Seesen 1951 bis 1955“ in Buchform stand ihm der Sinn nach mehr. Nach guter Handwerksmanier hat er Nägel mit Köpfen gemacht – und als Nächstes auf fast 250 Seiten „Die Geschichte der heimischen KfZ-Werkstätten 1912-2021 und die ersten Automobile in Seesen“ aufgearbeitet.

Was dieses Werk so bemerkens- und lesenswert macht, das will ich am Ende darlegen.

Zuvor unternehmen wir eine Reise durch die Geschichte der Automobile im Seesen der Vorkriegszeit – anhand einer Auswahl von Fotos, die Wolf-Dieter Ternedde in seinem Buch verarbeitet hat. Die abgebildeten Autos habe ich – so gut es eben ging – für ihn bestimmt.

Ziemlich am Anfang steht dieser „Doktorwagen“:

Opel 5/10 PS Doktorwagen von Dr. Schüttrumpf (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde

Dieses frühe Automobil fuhr einst Dr. med August Schüttrumpf aus Seesen.

Im Unterschied zu zahlreichen fragwürdigen „Doktoren“, die es sich heutzutage in der Politik auf Kosten der arbeitenden Allgemeinheit bequem machen wollen, war er ein echter – nämlich ein praktizierender Arzt.

Vertreter seines Berufsstands waren meist die Ersten, die ein Automobil nicht zum bloßen Vergnügen erwarben. Hausärzte und Veterinäre gewannen mit der Benzinkutsche einen oft genug lebensrettenden Geschwindigkeitsvorteil und einen zuvor unerreichten Radius.

Der Wagen von Dr. Schüttrumpf war vermutlich ein Opel des Typs 5/10 PS, der einst als „Doktorwagen“ Karriere machte. Ob er schon 1909 das Licht der Welt in Rüsselsheim erblickte (dann wäre es noch ein Typ 4/8 PS) gewesen, oder erst 1910, ist schwer zu sagen.

Der „Windlauf“ – also die ab 1910 übliche aufwärtsgerichtete Blechpartie zwischen Motorhaube und Windschutzscheibe – könnte nachgerüstet sein. Interessant ist, dass diese Aufnahme ein winziger Ausschnitt aus einem weit größeren Bild ist, das erst 1919 entstand.

Was mag der „Doktorwagen“ in diesen zehn Jahren bereits alles erlebt haben? Wievielen Menschen konnte Dr. Schüttrumpf inSeesen und Umgebung damit rechtzeitig Hilfe leisten – wie oft mag er trotz des wackeren Wagens zu spät gekommen zu sein?

Bleiben wir in der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg: Hier haben wir eine eindrucksvolle Versammlung von Tourenwagen, die sich anlässlich einer Ausfahrt einst vor dem Hotel Wilhelmsbad in Seesen eingefunden hatten:

Adler 12/34 PS bzw. 12/40 PS (vorne links) vor dem Hotel Wilhelmsbad (Seesen); Originalaufnahme aus Stadtarchiv Seesen

Diese Wagen waren damals reine Luxusgefährte – auch nach dem verlorenen Krieg und trotz der erdrosselnden Tributleistungen infolge des Versailler „Vertrags“ gab es in Deutschland noch ein dünne Schicht Vermögender, die sich so etwas gönnen konnten.

Oft genug war damals der Kauf eines Automobils ein Weg, der sich anbahnenden Aushöhlung der Währung ein Schnippchen zu schlagen, denn auch bei galoppierender Inflation blieb ein Auto werthaltig, war doch sein Nutzen derselbe.

So kam es in der ersten Hälfte der 1920er Jahre zu einem Boom im oberen Segment des deutschen Automarkts. Davon profitierten auch die leistungsfähigeren Modelle der Frankfurter Traditionsmarke „Adler“.

Diese technisch konventionellen, aber mit ihrem Spitzkühler schneidig aussehenden Modelle wie das in der ersten Reihe links zu sehende Fahrzeug finden sich auf Fotos jener Zeit ziemlich häufig.

Während es sich dabei meist um Typen mit 9/24- bzw. 9/30 PS-Motorisierung handelte, könnte der Wagen auf obigem Foto durchaus ein stärkeres Modell gewesen sein, welches parallel mit 12/34 bzw. 12/40 PS-Vierzylinder im selben Stil gebaut wurde.

Während die meisten deutsche Hersteller in der ersten Hälfte der 1920er Jahre wie Adler noch an traditionellen Formen und Manufakturproduktion festhielten, beschritten Brennabor und Opel bald neue Wege – die von der führenden US-Autoindustrie vorgezeichnet waren.

Brennabor verzettelte sich nach vielversprechendem Anfang mit unübersichtlicher Modellpolitik und teils wenig ansprechender Gestaltung. Opel dagegen hatte mit der Orientierung an erfolgreichen Konzepten aus dem Ausland eine glücklichere Hand.

Nach dem von Citroen inspirierten Opel 4-PS-Modell folgten die Rüsselsheimer in der Mittel- und Oberklasse bald ganz amerikanischen Vorbildern – vor der Übernahme durch General Motors wohlgemerkt.

So begegnete man in der Vorkriegszeit auch in Seesen dem Opel Typ 7/34 PS bzw. 8/40 PS, hier in einer Ausführung von 1927/28:

Opel 7/34 oder 8/40 PS, Fahrschule Hoffmann (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde

Dieser Tourenwagen diente noch um die Mitte der 1930er Jahre als Fahrschulauto. Inhaber Paul Hoffmann war zugleich Besitzer einer Tankstelle und einer Opel-Werksvertretung – damit bestand die Aussicht, dass seine Fahrschüler ihm auch später treu blieben.

Wagen dieser Größenklasse blieben freilich die Ausnahme – größere Stückzahlen erreichten im damaligen Deutschland nur Kleinwagen wie das erwähnte Opel 4-PS-Modell.

Bemerkenswert ist, dass kein deutscher Hersteller damals aus eigenen Kräften in der Lage war, ein für eine Massenproduktion taugliches Kompaktmodell zu entwickeln. Entweder man verrannte sich in skurrilen Konzepten wie dem Hanomag „Kommissbrot“ oder man nahm „Anleihen“ an längst erfolgreichen Modellen ausländischer Hersteller.

Nachdem man etliche Jahre nur zugeschaut hatte, wie sich der automobile Globus weiterdrehte und man selbst stillstand, fiel irgendwann der Groschen. Nach Opel war es 1927 dann Dixi aus Eisenach, das sein Heil im Lizenznachbau des Austin Seven sah.

Der bereits seit fünf Jahren erfolgreiche Engländer fand mit einigen Anpassungen als Dixi rasch eine interessierte und oft begeisterte Anhängerschaft – so auch in Seesen:

Dixi 3/15 PS von Herbert Wadsack (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde

Hier lehnt sich als stolzer Besitzer ein gewisser Herbert Wadsack in die (scheinbare) Kurve. Der 15 PS leistende Wagen gehörte anfänglich noch der Cyclecar-Klasse an – zu der sehr leichte Autos mit Reifen im Motorradformat und freistehenden Kotflügeln zählten.

Im Lauf der Zeit entwickelte man auf dieser Basis neben minimalistischen und sportlich wirkenden offenen Versionen wie diesem auch erwachsener erscheinende geschlossene Ausführungen des „Dixi“.

BMW aus München – damals noch ein reiner Motorradhersteller – erkannte das Potential und übernahm kurzerhand die Firma Dixi und ließ die zunächst noch auf dem Austin-Lizenzmodell 3/15 PS basierenden eigenen Modelle bis Kriegsende in Eisenach bauen.

Damit sind wir nun in den 1930er Jahren, als die deutsche Autoindustrie endlich aus der Lethargie erwachte und begann, selbst zunehmend den Fortschritt mitzubestimmen.

Freilich waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen denkbar ungünstig und einst stolze Marken wie Audi, DKW, Horch und Wanderer überlebten nur durch Bündelung der Kräfte – die legendäre Auto-Union entstand.

Unter ihrer Führung gelang es, den eigenständigen Charakter der Marken zu wahren und gleichzeitig die Vorteile einer gemeinsamen Organisation zu nutzen. Oft bekam der Käufer gar nicht mit, dass dieselbe Plattform oder auch Motoren bei Wagen unterschiedlicher Marken verwendet wurden.

Vielleicht am wertvollsten war aber das Gestaltungsbüro der Auto-Union, dem es gelang, einerseits den einzelnen Marken ein eigenes Gesicht zu geben und andererseits gewisse ästhetische Gemeinsamkeiten zu entwickeln, die den hohen Anspruch der Auto-Union in gestalterischer Hinsicht repräsentierte.

Ein Beispiel dafür ist der ab 1936 gebaute Wanderer des Typs W51 bzw. 53, wie hier als schickes Vierfenster-Cabriolet zu sehen ist:

Wanderer W51 oder W 53; Wagen der Gießerei Gerhards (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde

Dieses Auto, das vermutlich eine Karosserie von Gläser (Dresden) besaß, gehörte dem Inhaber des Seesener Gießereiunternehmens Gerhards. Abgelichtet wurde es im Juni 1937 anlässlich einer längeren Ausfahrt bei Laboe.

Der Stil dieses Cabriolets mit gepfeilter Windschutzscheibe ähnelt zeitgenössischen Horch-Modellen, doch die Frontpartie war vollkommen eigenständig gestaltet und fand sich so nur bei Wanderer-Automobilen.

Hier sehen wir den Wagen während der gleichen Tour, wie er gerade ein Fähre verlässt:

Wanderer W51 oder W 53; Wagen der Gießerei Gerhards (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde

Das Kennzeichen verweist auf eine Zulassung im einstigen Landkreis Gandersheim, zu dem auch Seesen gehörte.

Mit dieser Aufnahme sind wir schon kurz vor Kriegsbeginn, doch noch nicht ganz am Ende. Wie es der Bedeutung der Marke entspricht, kehren wir ein drittes Mal zu Opel zurück.

Rund ein Vierteljahrhundert nach dem Erscheinen des ersten Opel „Doktorwagens“ in Seesen und etwa zehn Jahre nach der Einführung des Typs 8/34 PS, der als Fahrschulauto diente, finden wir zuletzt einen Vertreter des modernen Typs Olympia bzw. Kadett – des ersten in Großserie gebauten Ganzstahlwagens in Deutschland.

Verewigt ist dieses Modell auf einem Foto, das großen Charme besitzt, doch zugleich an die zeitlichen Umstände erinnert, unter denen es entstanden ist:

Opel Kadett oder Olympia; Foto via Wolf-Dieter Ternedde

Gegen diese junge Dame ist der wackere Opel natürlich chancenlos – aber er war dafür ausgelegt, eine dienende Rolle zu erfüllen und trug seine „Kühlerfigur“ mit Gelassenheit.

Die Tarnblenden auf den Scheinwerfern verraten, dass dieses schöne Dokument nach Kriegsausbruch im September 1939 entstanden sein muss.

Private Automobile wurden für Militärzwecke eingezogen, sofern sie nicht veraltet waren (das rettete viele Autos mit Baujahr vor etwa 1930) oder für die ein aus staatlicher Sicht unabweisbarer Bedarf bestand – wie bei Ärzten, „wichtigen“ Mitgliedern von Parteiorganisationen oder schlicht Leuten mit „Beziehungen“.

Im Fall des obigen Fotos dürften wir es mit einem beschlagnahmten Zivilfahrzeug zu tun haben, das wohl einer Luftwaffeneinheit diente – darauf deutet jedenfalls das auf dem linken Kotflügel angebrachte Abzeichen mit einer fallenden Bombe hin.

Vom späteren Bombenhagel der Alliierten scheint das kleine Seesen verschont worden zu sein, doch wie im übrigen Europa waren die Wunden des Kriegs auch so allgegenwärtig – in den Menschen, die ihn erlebt hatten.

Ein Kriegsteilnehmer dürfte auch dieser junge Mann gewesen sein, der uns auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 1951 ernst anschaut:

Ford Eifel; Aufnahme von 1951 an der Tankstelle/Werkstatt Georg Hoffmann (Seesen); Foto via Wolf-Dieter Ternedde

Er trägt zu seinem Overall eine typische Feldmütze, wie sie millionenfach von deutschen Soldaten getragen worden war und oft zu den wenigen Dingen gehörte, mit denen sie nach Kriegsende heimkehrten.

Wie es scheint, hat der Träger dieser Mütze einen Aufnäher angebracht, möglicherweise einen der Marke Gasolin, auf die auch das Schild im Hintergrund verweist. Das würde ausgezeichnet zusammenpassen, denn das Foto entstand vor der Tankstelle/Werkstatt Georg Hoffmann in Seesen.

Das Auto ist leicht zu bestimmen – es handelt sich um einen Ford „Eifel“ in der von 1937-39 gebauten Ausführung.

Viele dieser robusten Wagen leisteten noch lange nach Kriegsende gute Dienste, bis sie im Zuge des breiten Wirtschaftsaufschwungs der 1950/60er Jahre verschwanden, als sich erstmals die breite Masse Autos leisten konnte – zuimdest im Westen unseres Landes.

An dieser Stelle endet meine automobile Spurenlese in Seesen – doch die von Wolf-Dieter Ternedde ist hier noch lange nicht zuende. Denn er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die ganze Geschichte des Automobils in Seesen zu dokumentieren.

Die heute vorgestellten Fotos sind bloß ein kleiner Ausschnitt aus diesem Vorhaben, für das das Herr Ternedde in jeder Hinsicht berufen war – was die nötige fachliche Kenntnis angeht, die Beziehungen zu seinen Mitbürgern in seinem Heimatort und nicht zuletzt die Gründlichkeit und Hartnäckigkeit alter Schule, mit der er die Sache anging.

So gelang es Wolf-Dieter Ternedde „Die Geschichte der heimischen KfZ-Werkstätten und die ersten Automobile in Seesen“ in seinem soeben erschienen gleichnamigen Buch reich bebildert und mit lebendigen Schilderungen aus erster Hand festzuhalten.

Was mich an dem im Eigenverlag herausgegebenen Werk so begeistert, ist Folgendes: Man könnte meinen, dass einem als Nicht-Seesener dieses Stück Heimatgeschichte nicht viel sagen wird und die Dokumentation örtlicher Werkstätten, Karosseriebetriebe und Tankstellen bestenfalls ein Nischenthema ist – doch das ist nicht der Fall.

So erzählt Wolf-Dieter Ternedde in seinem Buch nicht nur – quasi nebenher – die Geschichte des Automobils bis in die unmittelbare Gegenwart. Er schildert zugleich die Geschichte unseres Landes aus einer ganz speziellen Perspektive, die uns allen etwas sagt.

Während man die Geschicke der teils längst verschwundenen, teils noch existierenden Seesener Firmen über die Jahrzehnte anhand von Fotos und Erzählungen verfolgt, beginnen einem die Menschen, die dort arbeiteten, und die Familien, denen die Betriebe gehörten, auf merkwürdige Weise vertraut zu werden.

Denn wir alle kennen aus eigener Geschichte und Anschauung ganz ähnliche Situationen, Lebenswege und Umbrüche. Die wechselnden Autos über die Jahrzehnte und das sich verändernde Erscheinungsbild der Betriebe und des Stadtbilds sind bloß stellvertretend für unser eigenes Erleben über die Jahrzehnte.

So zieht in diesem einzigartigen Buch, für das Wolf-Dieter Ternedde zum richtigen Zeitpunkt mit großem Fleiß auf die noch vorhandenen Dokumente und Zeitzeugen zurückgegriffen hat, letztlich das Leben mehrerer Generationen unseres Landes vorüber.

Wer ein Herz für das Automobil in allen seinen Facetten hat – von bodenständig bis glamourös – und wer Genuss und Erkenntnis aus dem Studium der Alltagshistorie bezieht, der wird an diesem Buch viel Freude haben.

Mancher wird sich auch einigen nachdenklichen Worten von Wolf-Dieter Ternedde am Ende anschließen wollen, denen ich hier nicht vorgreifen will. Nur soviel: Dieses Buch mit der Schilderung eines stetigen, über lange Zeit aber immer wieder belebenden Strukturwandels ist aktueller, als man vielleicht denken mag.

Bezug für 20 EUR (zzgl. 4 EUR Versandkosten) direkt beim Autor: w-ternedde@t-online.de

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Zwei unzertrennliche Typen: Dixi G1 und G2

Die Marke „Dixi“ lässt die meisten Freunde deutscher Vorkriegswagen an das letzte Modell denken, das die Eisenacher Fahrzeugfabrik fertigte – den Lizenznachbau des britischen Kleinwagens Austin Seven.

Von diesem Typ DA1 3/15 PS haben mit Abstand die meisten Dixi-Exemplare überlebt.

Bevor 1928 die neue Mutter – BMW aus München – die Fertigung in Eisenach mit anfänglich nur geringen Änderungen übernahm, trugen die Dixis des Typs 3/15 PS wie ihre Vorgänger seit Anfang der 1920er Jahre einen Kentauren auf dem Kühler.

Dieser war mal als Figur auf dem Kühlerdeckel ausgeführt, mal nur als Plakette wie bei diesem Exemplar:

Dixi Typ DA 1 3/15 PS; Originalfoto via Wolf-Dieter Ternedde (Seesen)

Diese hübsche Aufnahme hat den seltenen Vorzug, dass wir genau wissen, wo sie entstand und wer in dem Dixi abgelichtet wurde: Der vergnügte Fahrer hieß Herbert Wadsack und stammte aus Seesen im Harz – dort lebt auch Wolf-Dieter Ternedde, über den ich die digitale Kopie des Fotos erhielt.

Der Erfolg des kleinen Dixi 3/15 PS hat später die Erinnerung an die früheren und meist wesentlich größeren Modelle der Eisenacher Fahrzeugfabrik verblassen lassen. Dort hatte man bereits 1899 mit dem Automobilbau begonnen – zunächst unter der Marke „Wartburg“.

Von den frühen Dixi-Wagen, die vor dem 1. Weltkrieg entstanden, konnte ich bereits einige Exemplare auf alten Fotografien dingfest machen (siehe meine Dixi-Galerie).

Doch in größerer Anzahl finden sich erst Aufnahmen der Nachkriegsmodelle G1 und G2, um die es heute geht. Dabei handelte es sich ganz im Sinne des Titels meines heutigen Blog-Eintrags um Typen, die eine enge Verbindung miteinander aufweisen.

Den nach dem 1. Weltkrieg neu entwickelte Dixi Typ G1 6/18 PS hatte ich schon wiederholt zu Gast. Die Freunde der Marke wird es aber sicher freuen, dass in der Zwischenzeit ein „neues“ Foto davon aufgetaucht ist:

Dixi Typ G1 6/18 PS; Originalfoto bereitgestellt von Jürgen Ulloth

Diese trotz technischer Unzulänglichkeiten sehr wirkungsvolle Aufnahme verdanke ich Leser Jürgen Ulloth.

Man sieht hier alle wesentlichen Identifikationsmerkmale des Typs G1: Auf den hinteren Teil der Motorhaube beschränkte schrägstehende Luftschlitze, serienmäßig Drahtspeichenräder (bei deutschen Herstellern damals die Ausnahme), eine leicht geneigte, mittig unterteilte Windschutzscheibe und den typischen Spitzkühler, gekrönt vom vorwärtsstürmenden Kentauren – einem Fabelwesen halb Pferd, halb Mensch:

In dieser Form wurde der Dixi Typ G1 von 1921-23 gebaut – weitgehend unverändert mit dem kompakten 1,6 Liter-Vierzylinder, dessen 18 PS immerhin Spitze 70 km/h ermöglichten.

Eine Änderung betraf die Lage des Schalthebels – dieser wanderte im letzten Produktionsjahr von rechts außen in den Innenraum des Wagens (Quelle: Halwart Schrader: BMW Automobile, 1978).

Im selben Jahr wurden dem prinzipiell baugleichen Motor durch Feinarbeit sechs weitere Pferdestärken entlockt, die den Kentauren auf dem Kühler nun mit Maximaltempo 75 km/h dahingaloppieren ließen.

Dies rechtfertigte die neue Typbezeichnung G2 6/24 PS, doch ansonsten kann man von zwei Typen sprechen, zwischen denen eine denkbar enge Verbindung bestand. Äußerlich scheint nur die größere Zahl an Luftschlitzen den Dixi G2 ausgezeichnet zu haben:

Dixi Typ G2 6/24 PS Landaulet; Originalfoto aus Sammlung René Förschner

Der Dixi 6/24 PS auf diesem Foto aus Sammlung von René Förschner muss zwar ohne die Kühlerfigur auskommen, an seiner Identität besteht aber kein Zweifel – kein anderer deutscher Wagen wies nach dem 1. Weltkrieg diese Kombination von Spitzkühler, Drahtspeichenrädern und breiten Luftschlitzen in der Haube auf.

Zum Vergleich sei auf einen Dixi desselben Typs verwiesen, den ich hier vor längerem vorgestellt habe. Eine Besonderheit weist der Dixi dem Foto von René Förschner auf – er besitzt einen repräsentativen Aufbau als Landaulet, wie er sich öfters bei Taxis fand.

Die Dixi-Freunde werden nichts dagegen haben, nun noch eine dritte Aufnahme eines G-Typs vorgestellt zu bekommen, gibt es doch außer der Website von Helmut Kasimirowicz zum Dixi DA 3/15 PS und seinen Verwandten im Netz kaum etwas über die Marke.

Einmal mehr zahlt sich dabei die Zusammenarbeit mit anderen Sammlern aus, ohne deren Bildbeiträge ich nicht imstande wäre, ein derart umfassendes und facettenreiches Bild der Vorkriegs-Automobilität in deutschen Landen zu zeichnen.

So hat im vorliegenden Fall Klaas Dierks eine Aufnahme eines Dixi G-Typs beigesteuert, die an technischer und gestalterischer Qualität nicht leicht zu übertreffen ist:

Dixi G-Typ; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Hier stimmen Blickwinkel, Schärfe und Kontrast – aber auch die Situation, die dem technischen Gegenstand Automobil das benötigte Quentchen Leben einhaucht.

Nur einen Gefallen hat uns der Fotograf dieses einst im Raum Ulm zugelassenen Prachtexemplars nicht getan: Wieviele Luftschlitze sich in der Haubenseite befinden, ist nicht zu erkennen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Frage aufwerfen, ob es überhaupt einen festen Zusammenhang zwischen der Zahl der Luftschlitze und der Zugehörigeit zu einem der beiden Dixi-Typen G1 und G2 gab.

In der Literatur werden nämlich bisweilen auch Dixi-Wagen der ersten Hälfte der 1920er Jahre als der stärkere Typ G2 angesprochen, die nur vier Schlitze im hinteren Teil der Motorhaube besitzen.

Dies kann auf eine Übergangsphase zwischen den beiden „unzertrennlichen Typen“ hinweisen, aber auch schlicht einer der Ungenauigkeiten sein, die sich vor allem durch die ältere deutsche Automobilliteratur ziehen.

Wie dem auch sei – am Ende faszinieren auf dem Foto von Klaas Dierks mehr die beiden offenbar unzertrennlichen Typen, von denen der eine dem anderen gerade Feuer gibt:

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Rätselhaftes Trio: Ein „Dixi“-Tourer um 1909

Mit der thüringischen Marke Dixi habe ich mich in meinem Blog schon öfters beschäftigt – meist anhand der recht verbreiteten G-Typen der 1920er Jahre sowie des Austin 7-Lizenznachbaus 3/15 PS Typ DA1.

Von den frühen Modellen vor dem 1. Weltkrieg konnte ich bislang nur einen Dixi T7 von 1905 dingfest machen (Porträt hier).

Die schillernde Vielfalt der übrigen bis zum 1. Weltkrieg gebauten Dixi-Modelle wird näherungsweise in Halwart Schraders Klassiker „BMW-Automobile“ deutlich, das ein umfangreiches Kapitel zu den Eisenacher Dixi-Werken umfasst, wo nach Übernahme der Marke die ersten BMWs gebaut werden sollten.

Das Dixi-Kapitel ist zwar mit vielen Werksaufnahmen und Prospektabbildungen garniert, doch darf an deren Zuschreibung angesichts teilweise identischer Abbildungen bei unterschiedlichen Typen gezweifelt werden.

Umso erfreulicher, wenn doch einmal zeitgenössische Fotos solcher frühen Dixi-Automobile auftauchen, die die Wagen im Alltag zeigen – auch wenn dabei einige Unwägbarkeiten mit im Spiel sind. So haben wir es heute mit einem Trio zu tun, das sich zwar am Ende erstaunlich offen zu erkennen gibt, aber dennoch rätselhaft bleibt.

Den Anfang macht diese prachtvolle Aufnahme, die vor der gewaltigen Festung Königstein in Sachsen entstand:

Dixi Tourenwagen von ca. 1905/06; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Festungsanlage gehört mit ihrer großartigen Lage und den Bauphasen vom Mittelalter bis in die Barockzeit zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten des Elbsandsteingebirges.

Der Tourenwagen davor verliert sich beinahe in der Aufnahme, die im Original ein noch größeres Panorama umfasst. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass wir es mit einem durchaus repräsentativen Fahrzeug zu tun haben.

Dem Aussehen nach würde man hier auf etwa 1905/06 tippen. Schauen wir genauer hin:

Dixi Tourenwagen von ca. 1905/06; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man präge sich hier folgendes ein: die Stellung des geöffneten Verdecks, die Gestaltung der Karosserieflanke mit geschwungenem unteren Türabschluss, auf der Beifahrerseite angebrachter Ballhupe und einem großen Kasten am vorderen Ende des Trittbretts.

Festzuhalten ist außer dem die senkrechte, sehr hohe Windschutzscheibe, die wohl keine Verstellmöglichkeiten bot. Nicht zuletzt präge man sich die beiden Insassen ein – der Dritte im Trio dürfte sich zu diesem Zeitpunkt hinter der Kamera befunden haben.

Zusammen mit dieser Aufnahme habe ich das folgende Foto erworben, das vom Papier und der Alterung her dazu zu passen scheint. Es zeigt einen ganz ähnlich wirkenden Wagen, aber diesmal schräg von hinten aufgenommen:

Dixi Tourenwagen um 1909; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man ist spontan geneigt, hier dasselbe Auto zu sehen – doch auch wenn die Aufnahmen demselben Konvolut entstammen, ist das nicht der Fall.

So liegt das geöffnete Verdeck hier flacher auf, die Werkzeugkiste befindet sich am hinteren Ende des Trittbretts, davor sind zwei Reservereifen angebracht. Vor allem aber erscheint die Windschutzscheibe hier niedriger und ist schräg fixiert.

Könnte aber nicht einer der Insassen aus dem Wagen auf dem ersten Foto hier mit von der Partie sein? Nun, auszuschließen ist das nicht, vielleicht sind sogar beide hier zu sehen. Doch kann dies auch täuschen, da die den funktionellen Anforderungen angepasste Reisekleidung das Erscheinungsbild dominiert.

Ein Zusammenhang zwischen dem Trio auf diesem Foto und dem vorherigen bleibt gleichwohl möglich. Nur was den Wagen angeht, ist der Unterschied gegeben.

Auf ein Detail sei hier noch verwiesen. Wirft man einen Blick auf das Kennzeichen am Heck, scheint dort „CG“ und dann in der zweiten Zeile „302“ stehen. Wirkt erst einmal ungewöhnlich für ein deutsches Nummernschild.

Doch der Eindruck täuscht nicht, denn auf dem dritten Foto aus dieser kleinen Serie ist dasselbe Kennzeichen zu sehen, diesmal von vorn und etwas deutlicher:

Dixi um 1909; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn sich unser Herrentrio hier wieder etwas anders darstellt, ist wiederum eine Schnittmenge gegeben. Nun passen auch die schräggestellte Windschutzscheibe, die Reservereifen und die Neigung des niedergelegten Verdecks.

Rätselhaft bleibt manche Übereinstimmung mit dem Wagen auf dem ersten Foto: Auch hier ist am vorderen Ende des Trittbretts ein Kasten zu sehen, oberhalb der Ersatzreifen lugt ein Teil des Hupenballs hervor. Zudem würde die Windschutzscheibe hochgeklappt wohl wieder so groß wirken wie bei dem Wagen auf der ersten Aufnahme – verwirrend.

Doch findet sich hier ein weiterer klarer Unterschied: die Gestaltung der Vorderschutzbleche, die hier vorn nicht gerade und kastenförmig auslaufen, sondern abgerundet sind und außerdem einen inneren Spritzschutz besitzen:

Dixi-Tourenwagen um 1909; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nun erscheinen besagte Innenkotflügel nachträglich angebracht, und die Schutzbleche selbst könnten gegenüber der ersten Aufnahme verändert worden sein.

Doch weitere Unterschiede betreffen den hier geschwungenen oberen Abschluss der Schottwand zwischen Motorraum und Fahrerabteil. Andererseits finden sich wie auf dem ersten Foto ebenfalls merkwürdige Scheinwerfer am hinteren Ende der Vorderkotflügel.

Man ist hin- und hergerissen – haben die beiden Wagen am Ende doch mehr miteinander gemeinsam als nur die Insassen (oder einige davon)?.

Klar ist nur eines: Der Tourenwagen auf dem dritten Foto ist ein Dixi, auch wenn ich im ersten Reflex an die Marke „Dux“ der Leipziger Polyphonwerke dachte – aber da war der Wunsch nach einer solchen Rarität Vater des Gedankens.

Für den ab 1908 recht häufig gebauten kompakten Typ R8 mit 1,6-Liter-Motor wirkt der Wagen zu groß. Auch die zehn statt nur acht Speichen in den Vorderrädern sind ein Indiz für eine stärkere Motorisierung.

Dummerweise kommen hier gleich mehrere Modelle in Frage, da Dixi zu jener Zeit eine kaum überschaubare Palette an Vierzylindermodellen mit Hubräumen bis zu 7,3 Litern (Typ U35) anbot.

Aus meiner Sicht ist es kaum mehr möglich, den Typ exakt zu bestimmen, was aber nicht weiter schlimm ist, da allein schon ein solches Foto mit einem eindeutig als früher Dixi zu erkennenden Wagen ein erfreulicher Fund ist.

Das das Kennzeichen mit dem auf dem zweiten Foto übereinstimmt, hätten wir zudem den raren Fall, dass ein und derselbe Wagen in Front- und Heckansicht dokumentiert ist.

Zu dem Nummernschild selbst noch ein Wort. Ich hielt es anfänglich für ein ausländisches, doch ein Blick in Andreas Herzfelds unverzichtbares Werk „Deutsche Kfz-Kennzeichen, Band 1, Deutschland bis 1945“ lieferte die Lösung.

Unser Herrentrio mit dem großzügigen Dixi-Tourenwagen stammte aus dem Bundesstaat des Deutschen Reichs Sachsen-Coburg-Gotha, wo ab Ende 1906 die Kennung „CG“ verwendet wurde.

Reiselustig scheinen die Herren aus dem Herzogtum gewesen zu sein – und Vertrauen in die Zuverlässigkeit ihres Dixi hatten sie ebenfalls. Denn das dritte Foto dieser schönen Reihe zeigt sie im grandiosen Mittelrheintal bei Kaub:

Just im Moment der Aufnahme rauscht hier ein prächtiger Schaufelraddampfer vor der Burg Pfalzgrafenstein vorbei, die mitten im Fluss liegt und wie die Loreley einst und heute zu den magischen Orten am Mittelrhein zählt, an denen man gern anhält und den Kontrast aus urwüchsiger Natur und menschengemachter Kulturlandschaft genießt.

Dazu passen perfekt rätselhafte Relikte wie dieses Fototrio, das ich heute behandelt habe und dessen Gehalt ich ein wenig unterschätzt hatte, als ich zu schreiben begann.

Nachtrag: Der Wagen auf dem ersten Foto – das vor der Festung Königstein – entstand, zeigt sehr wahrscheinlich ebenfalls einen Dixi, aber wohl ein etwas früheres Modell um 1905/06. Vielleicht bekommen wir doch noch mehr dazu heraus…

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Fund des Monats: Ein Dixi-Cyklon 9/40 PS

Der Wagen, den ich heute anhand eines „neuen“ Fotos zeigen kann, ist von derart schillernder Herkunft, dass es schwerfiele, ihn mit einem passenden und hinreichend prägnanten Titel zu präsentieren.

Weder lässt sich der tatsächliche Hersteller ohne weiteres genau benennen noch der Ort seiner Entstehung – so kann ich von Glück reden, dass sich das Modell mühelos für die Rubrik „Fund des Monats“ qualifiziert. Das erspart mir einiges Kopfzerbrechen gut eine Stunde vor Mitternacht…

Zum Einstieg ins Thema eignet sich eine historische Abbildung, die einen auf den ersten Blick vertraut wirkenden Wagen der späten 1920er Jahre zeigt. Wäre da nicht die abweichende Bildunterschrift, könnte man hier an einen Adler „Favorit“ oder „Standard 6“ denken – beides ausgesprochen häufige Gäste in meinem Blog:

Cyklon 9/40 PS; zeitgenössische Abbildung aus Sammlung Michael Schlenger

Tatsächlich entspricht der Limousinenaufbau den Karosserien, die Adler von Ambi-Budd aus Berlin für seine Modelle Favorit und Standard 6 bezog.

Doch dort enden schon die Gemeinsamkeiten. Denn dieser Wagen entstand nicht in Frankfurt am Main, sondern bei den Cyklon Automobilwerken. Mit dem Namen „Cyklon“ verbindet man heute allenfalls noch die dreirädige „Cyklonette“.

Nachdem deren Hersteller – die Berliner Cyklon Maschinenfabrik GmbH – 1922 Teil des Schapiro-Konzerns geworden war, baute man zunächst einen 5/18 PS Kleinwagen, der unter der Marke des ebenfalls von Schapiro kontrollierten Karosserielieferanten „Schebera“ vermarktet wurde.

Einen raren Originalprospekt dieses Wagens konnte ich vor einiger Zeit erwerben – er wird Gegenstand eines weiteren Fundes des Monats sein – hier als Vorgeschmack das Deckblatt:

Prospektdeckblatt zum Schebera 5/18 PS; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Hier werden neben Schebera aus Berlin die Cyklon Automobilwerke als Hersteller genannt, nun aber auf einmal mit Standort Mylau im sächsischen Vogtland.

Bereits bei diesem Wagen deutet sich an, was erst recht für den ab 1927 als Cyklon 9/40 PS gebauten Wagen galt – die genaue Herkunft lässt sich schwer greifen. Das neue 9/40 PS-Modell war als Antwort auf die Flut preisgünstiger US-Sechszylinderwagen gedacht, die in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre den deutschen Markt überschwemmten.

Die Tatsache, dass man massenhaft Fotos solcher „Amerikaner“-Wagen in deutschen Landen findet, aber ein Cyklon 9/40 PS eine Rarität darstellt, ist ein Indiz dafür, dass Deutschlands (laut Literatur) billigster Sechszylinder am Markt nicht zündete.

So fristete die eingangs gezeigte Abbildung eines Cyklon 9/40 PS lange Zeit ein einsames Dasein in meinem Fundus – trotz fast dreijähriger Bauzeit. Doch nun kann ich endlich ein Originalfoto eines solchen Fahrzeugs zeigen:

Dixi-Cyklon 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick scheint diese Limousine mit Berliner Zulassung vollkommen der auf der vorherigen Abbildung zu entsprechen.

Neben der Ambi-Budd-Karosserie finden sich hier Details wie die Scheibenräder mit sechs Radbolzen ebenso wieder wie die an den Enden kastenartig gebogene Doppelstoßstange.

Doch bei näherem Hinsehen scheint es, dass wir es hier eher ein „Cy-Klon“ vor uns haben, dessen mutmaßlicher Hersteller andernorts beheimatet war:

Auch wenn es auf diesem Ausschnitt nur schwer zu erkennen ist, zeigt sich auf dem Originalabzug auf dem Kühler das Markenemblem von „Dixi“ aus Eisenach – ein Kentaur.

Tatsächlich wurde der Cyklon 9/40 PS ab 1927 auch als Dixi 9/40 PS vermarktet – was wenig überrascht, gehörte die altehrwürdige Marke seit den frühen 1920er Jahren ebenfalls zum Schapiro-Konglomerat.

Spätestens hier beginnt die Geschichte unübersichtlich zu werden. So suggeriert ein Teil der Literatur, dass Dixi das 9/40 PS-Model von Cyklon ins eigene Programm aufnahm und auch in Eisenach fertigte.

Eine zweite Produktionslinie ein und desselben Modells wäre aber betriebswirtschaftlich noch größerer Unfug gewesen als der, der bei Cyklon ohnehin bereits üblich war. Denn der Cyklon-Wagen entstand aus Baugruppen, die von mehreren Standorten zugeliefert wurden, was einer rationellen Produktion nicht gerade förderlich ist.

Die schon ältere, aber in vielen Details nach meinem Eindruck immer noch wertvolle Publikation „Ahnen unserer Autos von Gränz/Kirchberg (Ostberlin 1975) stellt lapidar fest, dass der Cyklon 9/40 PS auch als 9/40 PS Dixi verkauft wurde, „aber während der Herstellung Eisenach nie gesehen“ habe.

So stammte der Limousinenaufbau aus Berlin, der Motor aus Mylau, und das Fahrgestell aus Gotha, wo dann auch die Fertigstellung erfolgte. Vermutlich wurde die Dixi-Kühlerplakette dann eigens per Paketpost aus Eisenach angeliefert…

Leider schweigt sich die Literatur ebenso darüber aus, wer den Sechszylindermotor entwickelt hatte, wie auch darüber, in welchen Stückzahlen das 9/40 PS-Modell überhaupt entstand – sei es als Cyklon, als Dixi oder Dixi-Cyklon.

Gemessen an der Fülle von Fotos der äußerlich sehr ähnlichen Adler-Limousinen „Favorit“ und „Standard 6“ sind Bilder dieses 9/40 PS-Modells so selten, dass es wohl kaum in mehr als einigen hundert Exemplaren entstanden sein dürfte.

Am Preis kann das laut Literatur nicht gelegen haben – aber woran dann? Fehlte es am Ende an einer schlagkräftigen Vertriebsstruktur? Hinweise über die Kommentarfunktion sind wie stets in solchen Fällen willkommen!

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Winteranfang – aufgepasst! Dixi Typ 6/24 PS

Dieser Tage gab es in meiner Heimatregion – der hessischen Wetterau – einen kleinen Vorgeschmack auf den Winter.

Meist fällt die kalte Jahreszeit in unserer klimatisch begünstigten Region ja moderat aus.

Selbst in den 1970er Jahren, als die Klimahysteriker von damals eine neue Kaltzeit heraufziehen sahen, reichte es in der Wetterau mitunter nur für einen traurigen Schneemann auf fast grünem Rasen – daran kann ich mich gut erinnern.

Die dünne Schneedecke auf den Feldern weckte heute aber noch andere Erinnerungen: Während meines Studiums und etliche Jahre später fuhr ich ganzjährig einen 1200er VW Käfer, den ich mit 100.000 km Laufleistung erstanden hatte.

Auch im Winter musste der Volkswagen ran, jedoch nicht bevor ich ihm eine frische Packung Unterbodenwachs verpasst hatte. Er dankte es mir mit einem rostfreien Dasein über die nächsten 110.000 km – alles mit dem ersten Motor, wohlgemerkt.

Was ich alle 5.000 km an frischem Öl, Ventilreiniger usw. in die Lebensdauer des sparsamen 34 PS-Motors investierte, sparte ich an andere Stelle ein – auf Winterreifen beispielsweise verzichtete ich.

Das ging eigentlich immer gut. Wenn man das Verhalten seines Käfers kennt, ein Sicherheitstraining absolviert hat, gute Stoßdämpfer und korrekt eingestellte Bremsen hat, kommt man mit dem Heckantrieb auch auf Schnee zurecht.

Nur einmal hat es mich kalt erwischt.  Auf dem Weg zu einer nicht ganz offiziellen Autobahnauffahrt geriet ich bei trockenem Winterwetter aus dem Wald kommend auf einer unter freiem Himmel liegenden überfrorenen Stelle so schnell ins Rotieren, dass es zum Gegenlenken zu spät war.

Im Nu stand ich mit dem VW auf dem Acker. Und damit wäre ich bei dem Foto, das ich heute vorstellen möchte:

Dixi Typ 6/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Normalerweise zeige ich keine Unfallfotos – doch hier ist die Sache offenbar glimpflich ausgegangen, sodass man sich um die Insassen nachträglich wohl nicht sorgen muss.

Was mag hier passiert sein? Hat hier ebenfalls jemand bei blitzartig auftretender Glätte die Kontrolle über den Wagen verloren und fand sich auf umgepflügter Erde wieder?

Fand eventuell eine Kollision mit Wild statt und beim Ausweichen oder Bremsen kam es zu dem unfreiwilligen Ausflug ins Feld? Das überlasse ich der Phantasie des Leser.

Weit interessanter ist nämlich das Auto selbst, das vielleicht der Besitzer aufgenommen hat, vielleicht aber auch Spaziergänger.

Trotz der Beschädigungen an der Frontpartie und der Unschärfe lässt sich genau erkennen, was für einen Wagen es hier einst auf Abwege gebracht hatte:

Die Kombination aus moderatem Spitzkühler mit obenliegendem Markenemblem, schrägen Luftschlitzen in der Motorhaube und Drahtspeichenrädern mit geflügeltem Zentralverschluss gab es so nur beim Typ 6/24 PS, den die traditionsreiche Fahrzeugfabrik Eisenach ab 1923 unter dem Markennamen Dixi herstellte.

Die Trommelbremsen an den Vorderrädern waren wie bei den meisten deutschen Serienwagen erst ab 1925 Standard. Da sich die Lenkung noch auf der rechten Seite befindet, handelt es sich entweder um ein älteres Modell, an dem die Vorderradbremse als Zubehör montiert worden war, oder Dixi führte die Linkslenkung erst nach 1925 ein.

Tatsächlich findet sich in Halwart Schraders Buch über BMW-Automobile, das auch die Dixi-Fabrikate umfassend abhandelt, auf Seite 137 eine sehr instruktive Abbildung der Motor- und Getriebeeinheit des Typs 6/24 PS mit Linkslenkung und dem Hinweis, dass diese Ausführung 1926 verfügbar war.

Nicht vorenthalten möchte ich den Lesern folgende (hier) bereits gezeigte Aufnahme eines weiteren Dixi 6/24 PS, die ebenfalls in die Jahreszeit passt:

Dixi Typ 6/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser einst im Dienst der deutschen Reichspost bei Schnee und Eis furchtlos bewegte Wagen stimmt in allen wesentlichen Details mit dem oben gezeigten Tourer überein – nur die Vorderradbremsen fehlen ihm noch.

Zudem wurde dieser Wagen auch im Winter offen bewegt, und man meint dem jungen Postkraftfahrer den Kontakt mit der frischen Luft anzusehen – nebenbei würde ich ein solches Erscheinungsbild entschieden demjenigen heutiger Paketboten vorziehen…

Das Können dieser Autofahrer muss dem ihrer Nachfahren im 21. Jahrhundert um Längen vorausgewesen sein. Dass auch damals die Physik oder der Gegenverkehr für unangenehme Überraschungen sorgen konnte, liegt natürlich auf der Hand.

Und nicht immer kamen die Insassen dabei mit dem Schrecken und ein paar blauen Flecken davon. Was die Sicherheit angeht, leben wir heute ebenso in der besten aller Welten – ebenso wie emissionstechnisch.

Auch das entlarvt die Angriffe vorgeblich unabhängiger „Pressure-Groups“ auf die angeblich verantwortungslose Individualmotorisierung als das, was sie tatsächlich ist: antidemokratisch und rückwärtsgewandt.

Bleibt noch zu ergänzen, wie meine eingangs beschriebene unerwartete Pirouette auf dünnem Eis vor über 20 Jahren ausging.

Nun, mein treuer VW ließ sich im Rückwärtsgang wieder aus dem aufgeweichten Acker herausmanövrieren, nicht ohne erhebliche Verschmutzung allerdings.

Die anschließende Heimfahrt auf nächtlicher Autobahn absolvierte ich behutsam bei gemütlich bollernder Heizung (die bei richtiger Wartung im Käfer übrigens beinahe zu gut funktioniert).

Wie sich bei anschließender Inspektion der Vorderachse zeigte, waren außer einer Korrektur von Sturz und Spur keine weiteren Arbeiten fällig.

Der schöne Dixi 6/24 PS auf dem heute gezeigten Foto war möglicherweise stärker mitgenommen. Ein verzogener Rahmen und eine verbogene Vorderachse hätte vermutlich das Todesurteil für den Wagen bedeutet.

Betrachtet man das fehlende Ersatzrad, hatte bei diesem Unfallwagen möglicherweise das ungeregelte Schlachten schon begonnen…

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Ein Wagen wie im Traum: Dixi 6/24 PS Sport-Tourer

Im Traum sind die Dinge ganz klar und plastisch, selbst Stimmen und Gerüche vermag unser Gehirn herbeizuzaubern, wenn das Bewusstsein die Kontrolle abgegeben hat und die grauen Zellen ohne Aufsicht miteinander austauschen, was sie wissen.

Faszinierend, zu welchen Schöpfungen der menschliche Kopf dann imstande ist – vermutlich ist er nie so kreativ wie im Traum – oft genug ist das auch besser so.

Ganz gleich, was sich das Hirn so zusammenkonstruiert – nach dem Erwachen bleibt oft nur eine verschwommene Erinnerung. Man weiß noch ungefähr, was man träumend erlebt hat, doch die Details entziehen sich dem Zugriff.

Ganz ähnlich ist das mit dem Foto, das ich heute vorstellen möchte. Es wirkt wie eine Erinnerung an einen entfernten Traum, doch vieles bleibt unscharf und ungewiss:

Dixi Typ G2 6/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Manchen mag dieses leider etwas unscharfe Dokument an einen Bentley oder einen anderen rassigen Sportwagen der 1920er Jahre erinnern.

Wenn ja, spielen dem Betrachter da wohl persönliche Träume einen Streich. So raffiniert dieser offene Wagen auch aufgenommen ist, so ernüchternd ist es, wenn der Verstand wieder einsetzt und man sich der realen Leistungsdaten bewusst wird.

Ganze 24 PS aus 1,6 Liter trieben diesen so sportlich daherkommenden Wagen offiziell an. Und mehr als 75 km/h Spitze sollen damit nicht mehr erreichbar gewesen sein.

Hand auf’s Herz – daran glaubt doch niemand, nicht im Traum! Und tatsächlich spricht einiges dafür, dass unter der Haube einiges mehr los war. Doch der Reihe nach.

Wer die Kühlerpartie studiert, kommt früher oder später darauf, dass es sich um einen Wagen der Eisenacher Traditionsmarke „Dixi“ handeln muss. Genau solch einen spitz zulaufenden Kühler mit markant „genickter“ Unterseite findet man hier:

Dixi Typ G2 6/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist die Frontpartie eines Dixi 6/24 PS Tourenwagen in der 1923/24 gebauten frühen Version ohne Vorderradbremsen (Porträt).

Dieses Volumenmodell der Eisenacher Manufaktur ist auf alten Fotos fast ausschließlich als konventioneller Tourenwagen zu finden.

Der Grund dafür ist derselbe wie bei anderen deutschen Herstellern der kargen Zeit nach dem 1. Weltkrieg – offene Aufbauten waren schlicht am billigsten. Geschlossene Karosserien waren dermaßen teuer, dass sie nur für wenig Käufer erschwinglich waren.

Im Fall des Dixi Typ 6/24 PS kam hinzu, dass dem Wagen sportliche Eigenschaften nachgesagt wurden. Die wollte man nicht durch unnötiges Gewicht riskieren, siehe auch die häufig verbauten Drahtspeichenräder mit Zentralverschluss.

Käufer konnten eine weitere Gewichtsreduktion erreichen, indem sie sich für einen besonders einfachen Aufbau als Sport-Tourer entschieden. So etwas ist in der spärlichen Literatur zu Dixi anhand eines Prospektabbildung dokumentiert – auf Seite 62 des Standardwerks „Ahnen unserer Autos“ (Gränz/Kirchberg, Berlin 1975).

Wer das Buch nicht zur Hand hat, braucht dennoch nicht weiterzuträumen, denn dieser Aufbau mit niedriger Gürtellinie und flacher, gepfeilter Frontscheibe ist auf dem heute präsentierten Foto zu sehen:

Geheimnisvoll wirkt hier jedoch eines: Die in Fahrtrichtung rechts befindliche Frontscheibenhälfte ist klar zu sehen, während auf der linken Seite nichts davon erkennbar ist.

Stattdessen erscheint dort wie eine Traumgestalt eine ernst in die Ferne schauende Frauengestalt mit dunklem Kleid und langer Halskette.

Was soll man von dieser merkwürdigen Erscheinung halten? Nun, besagte Prospektabbildung lässt erkennen, dass die obere Hälfte der Windschutzscheibe vor dem Fahrer – damals noch rechts  – waagerecht ausklappbar war.

Das scheint auch hier der Fall zu sein, sodass nur die untere, dem Betrachter zugewandte Hälfte eine Reflektion (des Himmels?) aufweist. Die Frontscheibenhälfte in Fahrtrichtung links war dagegen durchgehend und da sie in einem anderen Winkel zu Sichtachse steht, ist sie hier komplett durchscheinend.

Wer genau hinschaut, kann rechts neben der geheimnsvollen jungen Dame auf dem Beifahrersitz des Dixis die nach hinten geneigte Fenstersäule erkennen.

Bleibt das Geheimnis, was sich unter der Haube dieses feschen Dixi Sport-Tourers des Typs G2 6/24 tatsächlich verbarg. Nun, genau lässt sich das nicht mehr ermitteln, doch träumen wird man ja wohl noch dürfen.

Dafür gibt es sogar eine sehr reale Grundlage. Halwart Schrader erwähnt im Dixi-Kapitel seines nach wie vor unverzichtbaren Buchs „BMW Automobile“ (1. Auflage, 1978) auf Seite 135, dass der 1,6 Liter Motor des Typs G2 6/24 PS auf Wunsch auch in sportlichen Varianten erhältlich war.

30 bis 36 anstatt bloßen 24 PS waren mit klassischem „Frisieren“ aus dem Aggregat zu kitzeln, also nicht durch Aufbohren, sondern durch Gewichtsverringerung bewegter Bauteile, strömungsoptimierten Ein-/Auslass und geänderte Gemischaufbereitung.

Damit dürften je nach Übersetzung Höchstgeschwindigkeiten um die 100 km/h möglich gewesen sein. Ausnutzen ließ sich diese auf den Straßen der 1920er Jahre zwar kaum, aber das deutlich bessere Beschleunigungsvermögen war ein klarer Vorteil.

So konnten sich Dixi-Fahrer einst vor über 90 Jahren ihren ganz persönlichen Traum vom sportlichen Auftritt ermöglichen – oder sich zumindest einbilden, die Damenwelt ließe sich von so etwas beeindrucken.

Einmal mehr die Frage: Wie kann ein so attraktives Auto spurlos verschwinden? Ich wüsste jedenfalls nicht, dass noch ein Exemplar dieser sportlichen Ausführung des braven Dixi 6/24 PS noch irgendwo existiert.

Vielleicht besitzt ja noch jemand ein Chassis und einen Motor dieses Typs und träumt davon, solch ein elegantes Fahrzeug wiederzuerschaffen – dann wäre das das Vorbild!

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So schön kann der Winter sein: Dixi 6/24 PS Tourer

Wir nähern uns dem Frühlingsanfang des Jahres 2018 – zumindest in kalendarischer Hinsicht. Doch das Wetter zeigt sich kapriziös und sorgt bei Autofahrern wie Gartenbesitzern mit unerwartet winterlichen Verhältnissen für Verdruss.

Doch uns Liebhabern von Vorkriegsautos auf alten Fotos bieten Schnee und teils deftige  Temperaturen einen willkommenen Vorwand, eine alte Aufnahme zu studieren, die in ganz ähnlicher Situation vor rund 90 Jahren entstand:

Dixi 6/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ja, so schön kann der Winter sein, wenn man in der warmen Stube sitzt, ein solches Prachtfoto genießen kann und nebenbei der Eisenacher Marke Dixi zugetan ist.

Das Auto selbst stellt uns vor keine großen Rätsel, selten lässt sich ein Tourenwagen der 1920er Jahre so mühelos identifizieren. Der Typ als solcher – ein 6/24 PS-Modell – ist uns auf diesem Blog schon auf einigen Aufnahmen begegnet.

Doch keine davon kann es annähernd mit der Qualität dieses Dokuments aufnehmen. Dabei stand der Wagen vielleicht gar nicht im Mittelpunkt, denn der knapp bemessene Schärfebereich ist auf die Ebene des daneben stehenden Fahrers begrenzt.

Trotzdem sehen wir von dem Auto auf Anhieb alles wesentliche, was die präzise Ansprache erlaubt:

Der gemäßigte Spitzkühler mit dem nach vorn abfallenden Oberteil und dem Aufwärtsschwung des unteren Abschlusses würde auch ohne das Markenemblem genügen, um das Auto als Dixi der 1920er Jahre identifizieren zu können.

Zusammen mit den nach hinten geneigten, recht niedrigen Luftschlitzen in der Motorhaube verweisen diese Details auf den ab 1923 gebauten Typ 6/24 PS.

Technisch unspektakulär, aber sorgfältig konstruiert und einwandfrei verarbeitet erfreute sich das Modell einiger Beliebtheit – bis 1928 wurde es gebaut. Das markante „Gesicht“ und die serienmäßigen Drahtspeichenräder mögen dazu beigetragen haben.

Das Fehlen von Trommelbremsen an der Vorderachse spricht für ein Modell aus der Zeit vor 1925. Dem makellosen Zustand nach zu urteilen könnte es sich um ein beinahe neues Exemplar gehandelt haben – die unterschiedlichen Profile der beiden Vorderreifen sprechen aber dagegen.

Bei guter Lackpflege vermochte der Winter den damaligen Autos auch kaum etwas anzuhaben. Streusalz auf den Straßen gab es nicht, rostanfällige Hohlräume ebenfalls nicht und die Schichtdicke der Lackierungen war beachtlich.

Sicher war dem Fahrer – offenbar ein Chauffeur eines Reichspostbeamten (siehe Kennzeichen) – sehr an einem sauberen Erscheinungsbild „seines“ Wagens gelegen. Der Beruf genoss damals Prestige, wenn man bedenkt, dass die allermeisten Altersgenossen in der Landwirtschaft, im Handwerk oder der Industrie schwere, eintönige oder gefährliche Arbeiten leisten mussten.

Der blutjunge Bursche war sicher stolz auf seine Position und hat sich eigens fotografieren lassen, um Angehörigen und Familie zu zeigen:“Seht her, ich habe es zu etwas gebracht.“

Ruhig und ernst, mit bewusster Haltung schaut er in die Kamera – ein Schnappschuss war das eindeutig nicht. Nur einen Knopf der zweireihigen Lederjacke hat er vergessen zu schließen.

Das ist übrigens ein zeitloses Kleidungsstück, wie es bereits die Kampfflieger des 1. Weltkriegs trugen und bei Automobilisten und Motorradfahrern lange Zeit beliebt blieb.

Deutsche Polizisten trugen bis in die 1970er Jahre solche Lederjacken in bester Qualität. Mit etwas Glück bekommt man noch ein gut erhaltenes Exemplar, das ohne weiteres eine Winterjacke ersetzt, wie der Verfasser aus eigener Erfahrung weiß.

Für Fahrer offener Vorkriegsautomobile und klassischer Motorräder ist dies eine ausgezeichnete Wahl, die das authentische Erscheinungsbild abrundet.

Überhaupt kann man sich auf solchen zeitgenössischen Fotos einiges an Stilsicherheit abschauen, den man in Zeiten von „Funktionskleidung“ in aggressiven Farben vermisst…

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Fund des Monats: Ein Dixi Typ T7 von 1905

Heute beschäftigen wir uns mit einem außerordentlich seltenen Fahrzeug – nur 60 Stück sollen davon entstanden sein. Außerdem geht es weit zurück in die Frühzeit des Automobils, ins Jahr 1905.

Damals vollzog sich die Entwicklung des Kraftfahrzeugs in unvorstellbarem Tempo: Fünf Jahre entsprachen einer ganzen Fahrzeuggeneration, und ein zehn Jahre alter Wagen war so veraltet wie heute einer aus den 1970er Jahren.

Was war das Geheimnis dieses enormen Innovationstempos? Hier kommen mehrere Dinge zusammen:

  • Der Wichtigste ist der, dass nach der Erfindung des Automobils rasch hunderte – später tausende (!) – Firmen an der Weiterentwicklung arbeiteten. Dem stehen heute weltweit nur noch ein gutes Dutzend relevanter Hersteller gegenüber.
  • Hinzu kam, dass es in vielen Ländern, die heute kaum noch führende Technologie zustandebringen, England oder Belgien beispielsweise, eine hochentwickelte Industrie und eine bedeutende Ingenieurstradition gab.
  • Ein weiterer Faktor war die Unternehmensgröße – in kleinen und mittleren Firmen waren die Entscheidungswege kürzer. Für Bedenkenträger gab es seinerzeit keinen Platz – bremsende Rechts- und Complianceabteilungen kannte man nicht.
  • Außerdem war der Chef oft (Mit)Eigentümer, Risikoträger und Profiteur zugleich. Heute stehen Angestellte an der Spitze der Autokonzerne, die risikofrei Millionengehälter beziehen und bei jeder Entscheidung tausend Vorschriften beachten müssen. Für unternehmerischen Mut fehlt schlicht der Anreiz.
  • Nicht zuletzt: In der Pionierzeit des Automobils vollzog sich die Entwicklung ohne politische „Lenkung“. Keine Steuergelder wurden dafür missbraucht, bestimmte Firmen oder technische Lösungen zu begünstigen. Planwirtschaftliche Vorgaben kannte man nicht. Offenbar wusste man damals noch, dass sich technologische Innovation nicht vorhersehen oder gar von Politikern „gestalten“ lässt…

Nach dieser angesichts heutiger Verhältnisse leider notwendigen Vorrede blenden wir nun über 110 Jahre zurück und erfreuen uns an diesem Anblick:

Dixi T7; Originalfoto aus Besitz der Familie Knut und Edith Nicolaus

Dieses herausragende Dokument stammt aus dem Familienalbum von Knut Nicolaus, der uns das Bild großzügigerweise zur Verfügung gestellt hat.

Die Aufnahme zeigt seine Großeltern auf einer Postkarte, die an die Verwandschaft ging und anhand des Poststempels auf 1905 datiert werden kann.

Übrigens sieht man im unteren Drittel Anzeichen einer beginnenden Auflösung des Abzugs – auch das ein Grund, es in digitaler Form der Nachwelt zu erhalten.

Wie sich zeigen wird, muss die Aufnahme entstanden sein, als der abgebildete Wagen noch so gut wie neu war – wir können die Bauzeit recht genau eingrenzen. Allerdings war zuvor einige Fleißarbeit zu erledigen.

Der erste Gedanke war der, dass dies ein Wagen eines französischen Herstellers sein könnte. Die Industrie in Frankreich war um die Jahrhundertwende führend im Automobilbau und vergab auch Lizenzen an etliche deutsche Firmen.

In Frage dafür kamen dafür vor allem DeDion, Darracq, Decauville und Panhard. Hier haben wir eine schöne Aufnahme aus dem Elsass, die zwei Panhard-Wagen zeigt:

Panhard-Wagen um 1902/03; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei dem linken Panhard meint man eine ganz ähnliche Kühlerkonstruktion wie auf dem Foto der Familie Nicolaus zu erkennen – verrippte Kühler“schlangen“, die mit Metallbändern zusammengehalten werden.

Doch die genauere Betrachtung zeigt eine andere Gestaltung der Kühlerpartie. So werden die Kühlerschlangen hier nicht nach unten breiter, zudem reichen sie bis unter den Rahmen hinab:

Auch Vergleiche mit anderen französischen Wagen nach der Jahrhundertwende lieferten keinen Treffer.

So blieb einmal mehr, die naheliegendste Möglichkeit in Betracht zu ziehen: Ein Auto auf einer deutschen Postkarte der Zeit vor dem 1. Weltkrieg ist wahrscheinlich auch eines aus deutscher Produktion.

So ging der Verfasser daran, die Literatur mit Fotos und Prospektbildern zeitgenössischer Wagen aus dem deutschsprachigen Raum zu durchforsten.

Dass sich am Ende ausgerechnet in einem Buch zu BMW-Automobilen ein zu 100 % übereinstimmendes Fahrzeug finden ließ, übertraf alle Erwartungen. Dazu muss man anmerken, dass besagtes Werk von Altmeister Halwart Schrader auch die Geschichte der einstigen Eisenacher Marke Dixi abdeckt.

Dixi bzw. die Vorläufermarke Wartburg hatte bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit Automobilen experimentiert und erwarb dazu eine Lizenz von Decauville, die die Grundlage für eigene Konstruktionen darstellte.

Schon 1902 baute Dixi ein Vierzylindermodell mit 5-Gang-Getriebe, wohl dem ersten der Automobilgeschichte. Doch vernachlässigte man auch das Einsteigersegment nicht. 1904 entstand so der Einzylindertyp T7, und das ist genau der Wagen, um den es sich bei unserem Fund des Monats handelt!

Das BMW-Buch von Halwart Schrader zeigt auf S. 107 zwei Karosserievarianten dieses bis 1907 gebauten Typs – einen offenen Zweisitzer und ein darauf basierendes Coupé.

Man findet auf den dortigen Prospektabbildungen alle Details unserer Aufnahme wieder – bis hin zum mittig zwischen den Vorder- und Heckschutzblechen angebrachten Batteriekasten:

Ein hübsches Detail ist die Ballhupe, die hier offenbar am Lenkrad angebracht ist – demnach dürfte die Lenkung sehr direkt ausgelegt gewesen sein, andernfalls wäre die Hupe sicher störend gewesen.

Besonderen Reiz gewinnt diese Aufnahme nicht zuletzt durch das schön getroffene  Besitzerpaar, das hier mit verhaltenem Ernst posiert, während hinter der Plattenkamera jemand sein Werk verrichtet.

Dafür, dass Automobilfotografie ein noch sehr junges Genre war, hat er hier vorbildliche Arbeit geleistet – schräg von vorn und mit den stolzen Besitzern – so wünscht man sich die historische Aufnahme solch‘ einer frühen „Benzinkutsche“. 

Dass so ein aus heutiger Sicht einfach wirkender Wagen tatsächlich bereits mehr vermochte als jede Kutsche, wird schon an den technischen Daten deutlich: Der Dixi T7 mit seinem 9 PS leistenden 1-Zylinder war für ein Spitzentempo von 40 km/h gut.

Im Vergleich zur Masse, die per pedes oder allenfalls mit dem Fahrrad unterwegs war, befand man sich damit anno 1905 schon in einer herausgehobenen Position. Die hatte freilich ihren Preis: Das Auto kostete damals rund 4.000 Mark – eine stattliche Summe.

Laut Literatur sind vom Dixi T7 nur rund 60 Exemplare entstanden – der Leser mag daran ermessen, wie außerordentlich selten ein Originalfoto eines solchen Wagens nach mehr als 110 Jahren sein muss.

Solche Schätze den Freunden von Vorkriegsautos zugänglich zu machen, das ist eine ganz wesentliche Motivation hinter diesem Blog. Und es ist nicht das erste Mal, das wir ein herausragendes Fundstück der Sammlung oder dem Album eines Lesers verdanken.

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