Der Berg ruft – kein Problem: Buick „Six“ von 1930

Wer Werbeanzeigen früher Automobile studiert, stößt bei höherwertigen Modellen immer wieder auf das Attribut „idealer Bergsteiger“.

Das war ein Hinweis darauf, dass man im Mittel- oder Hochgebirge auch vollbesetzt ohne Überhitzung des Motors fahren konnte. Bis in die 1950er Jahre war eine Alpenüberquerung beispielsweise für viele Autos eine Herausforderung.

Der Ruhm des Volkswagens rührt nicht zuletzt daher, dass sich mit ihm auch die fiesesten Paßstraßen problemlos bewältigen ließen. Der Verfasser erinnert sich gern an die Überquerung des Gotthard mit seinem 1200er Käfer bei strahlendem Sonnenschein.

Vor dem Aufkommen luftgekühlter Motoren brauchte es vor allem reichlich Leistung, um unbeschwert nach Italien zu gelangen, wenn man sich nicht für einen Autoreisezug entschied:

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Autoreisezug in Airolo; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese außergewöhnliche Aufnahme zeigt einen Autoreisezug in Airolo (Tessin) südlich des Gotthardpasses.

Neben einem mächtigen Mercedes (zweiter von links) sehen wir unter anderem ein Horch 8 Typ 350 Sedan-Cabriolet (vierter von links), von dem wir hier schon einige Fotos gezeigt haben.

Abseits der Eisenbahnhauptstrecken musste der Besitzer solcher schweren Wagen aber schon selbst Hand anlegen. Da ist es kein Wunder, dass Aufnahmen aus bergigen Urlaubsregionen immer wieder gut motorisierte US-Modelle zeigen.

Folgender Bildausschnitt ist ein Beispiel dafür:

Buick „Six“ und Minerva; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vor einem Alpengletscher sehen wir hier an einem Aussichtspunkt irgendwo in der deutschen Schweiz mehrere großzügige Wagen, die den Weg hinauf aus eigener Kraft bewältigt haben müssen.

So reizvoll das offene Modell der belgischen Manufaktur Minerva (zweiter von links) auch ist, beschränken wir uns heute auf die großzügige Limousine am rechten Bildrand mit schweizerischer Zulassung.

Die Form des Kühlers und das zwischen den Scheinwerfern angebrachte Markenemblem verraten, dass es sich um einen Buick „Six“ von 1929 oder 1930 handelt. Ganz genau lässt sich das nicht sagen.

Präzise ansprechen lässt sich der Buick auf dem folgenden Foto, das einst ebenfalls im Alpenraum entstand:

Buick „Six“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Neben den beiden Damen mit Schal und Mantel sehen wir einen ganz ähnlichen Buick wie auf der vorangegangenen Aufnahme. Der Markenschriftzug ist etwas nach unten gerutscht, was für sich nicht viel bedeutet.

Wichtiger für die Eingrenzung sind die vertikalen Kühlerlamellen, die erst 1930 eingeführt wurden. Ihre Stellung wurde über ein Thermostat an den Kühlbedarf des Motor angepasst – im Gebirge eine ideale Lösung.

Noch wichtiger war jedoch die souveräne Motorleistung des Buick. Je nach Radstand wurden drehmomentstarke Reihensechszylinder mit 80 bzw. 99 PS angeboten.

Neben diesen Ausführungen des Buick „Six“ gab es ab 1931 auch einen „Eight“, der mit unterschiedlichen Leistungen angeboten wurde, die bis über 100 PS reichten. Zu erkennen waren diese Modelle an einer „8“ auf dem Kühleinfüllstutzen.

Dieses Detail fehlt auf den bisher gezeigten Aufnahmen ebenso wie auf dieser, die wir den Lesern dieses Blogs nicht vorenthalten möchten:

Buick „Six“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese schöne Privataufnahme wurde vor fast genau 80 Jahren – im Mai 1938 – als Ansichtskarte verschickt.

An dem im Kreis Schwaben (Kennung IIZ) zugelassenen Buick sehen wir deutlich die erwähnten Kühlerlamellen des Modells von 1930. Auch der obere Kühlerabschluss, die Form der Frontschutzbleche und die Doppelstoßstange passen dazu.

Mangels „8“ auf dem Kühler können wir davon ausgehen, dass diese Limousine mit einem der kräftigen Sechszylinder ausgestattet war.

Mit so einem souveränen und gut ausgestatteten Wagen im Gebirge unterwegs zu sein, muss aus damaliger Sicht ein Vergnügen gewesen sein, vorausgesetzt, die mechanischen Vierradbremsen waren richtig eingestellt.

Die Insassen des Buick scheinen jedenfalls ganz vergnügt gewesen zu sein:

Mit dem leistungsstarken Buick war man auch 1938 noch auf der Sonnenseite des Lebens. Was in den darauffolgenden Kriegsjahren aus den Personen auf dem Foto wurde, wissen wir wie so oft nicht.

Auch über das Schicksal des Buick kann man nur spekulieren. Von den einst so zahlreich in Deutschland verkauften „Amerikaner“-Wagen haben nur sehr wenige die Zeiten überdauert…

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

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