Familiengeschichte (Teil 1): Hansa 1700

Kürzlich erhielt ich ein Schreiben, in dem jemand – inspiriert von Fotos aus meinem Blog – einige persönliche Erinnerungen an die frühe Nachkriegszeit festgehalten hatte. Natürlich ging es dabei um Vorkriegsautos – nur um was für eines, das war das Rätsel.

Der freundliche Verfasser – Peter Hüttenrauch aus Zühlsdorf (Brandenburg) – meinte sich erinnern zu können, dass er als Bub in den 1950er Jahren mit dem Hansa der Eltern Ausflüge gemacht habe. Lassen wir ihn einfach selbst zu Wort kommen:

Ich erinnere ich mich heute noch mit Freuden und Wehmut an den eleganten, windschnittigen und zuverlässigen zweitürigen Wagen meines Vaters, mit den seitlich ausstellbaren Lüftungsklappen, den großen Türen und dem cremefarbenen Verdeck. Damals ein Traumauto, und das in der DDR.

Mit der Familie fuhr mein Vater als leidenschaftlicher Autofahrer damit zur Ostsee nach Warnemünde, nach Altenbrak im Harz, auf den Inselsberg, nach Thüringen nach Friedrichroda, Finsterbergen und zur Wartburg. Für Winterfahrten heizte mein Vater den Wagen mit einem transportablen Glühofen vor. Der Wagen wurde 1958 nach Tangerhütte in der Altmark verkauft. Ich kleiner Junge, 10 Jahre alt, weinte damals bitterlich.

Diese anrührende Geschichte weckt Erinnerungen an ein Hansa-Cabriolet des Typs 1700, das ich hier vorgestellt habe:

Hansa 1700 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So hätte das Cabriolet aussehen können, an das sich Peter Hüttenrauch mit Abstand von 64 Jahren erinnert. Seine Beschreibung würde perfekt zu dem attraktiv gezeichneten Sechszylinderwagen passen, mit dem Hansa damals eine Marktnische besetzte.

Doch auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es doch ein anderes Auto gewesen sein müsse, wie sich beim nochmaligen Blick auf die Familienfotos von damals gezeigt hatte.

Was das tatsächlich für ein Wagen war, an den Peter Hüttenrauch sich so liebevolle Erinnerungen bewahrt hat, das ist dem Teil 2 der Familiengeschichte vorbehalten, die ich anhand von Kopien der Originalfotos erzählen darf.

Doch auf gewisse Weise hat die Erinnerung Peter Hüttenrauch nicht getäuscht. Unter den Fotos der Familie fand sich nämlich tatsächlich eines, das einen ähnlichen Wagen zeigt, wie er ihn beschrieben hat – und das ist nun tatsächlich ein Hansa:

Hansa 1700 Cabrio-Limousine; Originalfoto bereitgestellt von Peter Hüttenrauch (Zühlsdorf)

Trotz der Unschärfe erkennt man die schnittige Kühlerpartie mit dem mächtigen Chromscheinwerfern und die markanten fünf ausstellbaren Luftklappen, die es so nur beim Hansa 1700 gab, der wie die Vierzylindervariante 1100 von 1934 bis 1939 gebaut wurde.

Die kleinen glatten Radkappen deuten auf eine frühe Ausführung hin, da später größere profilierte verbaut wurden. Genaueres ließe sich sagen, wenn die Scheibenpartie nicht überbelichtet wäre. So geben die Form des unteren Scheibenabschlusses und die Anbringung der Scheibenwischer normalerweise nähere Datierungshinweise.

Doch immerhin ist das Foto selbst datiert – es entstand im August 1936. Übrigens erkennt man bei näherem Hinsehen, dass es sich bei dem Hansa um die beliebte Ausführung als Cabrio-Limousine gehandelt haben muss.

Man erkennt nämlich auf der Fahrerseite schemenhaft den gebogenen Abschluss des hinteren Seitenfensters, das es so beim Cabriolet nicht gab.

Zum Vergleich hier eine Aufnahme, die dieses Detail und den massiven oberen Abschluss der Seitenscheiben gut erkennen lässt, wie er typisch für Cabrio-Limousinen ist:

Hansa 1700 Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Man sieht hier auch schön, wie wie sich die schrägstehende Kühlerpartie im gesamten Aufbau widerspiegelt, sogar im hinteren Abschluss der Türen – sehr raffiniert.

Doch zurück zum Foto aus dem Familienalbum von Peter Hüttenrauch. Nachdem wir geklärt haben, dass es einen Hansa 1700 zeigt – wenn auch nicht den Wagen, an den er sich aus der Kinderzeit erinnerte – wüsste man gern, wer darauf zu sehen ist.

Hier schließt sich auf einmal der (Familien)Kreis: Denn neben dem Hansa posieren dessen Besitzer Albert Kühne und seine Frau Else aus Rathenow/Havel – die Großeltern von Peter Hüttenrauch. Sie unternahmen damals mit den beiden Kindern Heinz (damals 19) und Ruth (damals 13) einen Ausflug, wie wir dank der Beschriftung des Fotos wissen.

Ruth Kühne, die hier noch ein Mädchen ist, werden wir in Teil 2 dieser hübschen kleinen Familiengeschichte wiederbegegnen – dann aber als erwachsene Frau und Mutter von Peter Hüttenrauch.

Ihn werden wir dann ebenfalls als Bub kennenlernen, außerdem natürlich das Auto, an das er völlig zu recht so schöne Erinnerungen hat. Das war ein Wagen, der auch mir ganz große Freude bereitet hat, denn ihm bin ich in meiner Blogger-Karriere überhaupt erst einmal begegnet.

Bis dahin – Geduld! Den Hersteller habe ich nämlich erst kürzlich behandelt und daher sollen vorher noch ein paar andere Modelle zu ihrem Recht kommen…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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