Ein Hauch von Hollywood: 1931er Buick an der Ostsee

Schon wieder ein Ami, und dann noch ein Buick – Massenware aus dem Hause General Motors. Das mag jetzt einer denken, der hier lieber etwas mit Prestige sähe.

Groß widersprechen kann man da nicht. Ein Buick war traditionell gehobene Mittelklasse in den Staaten. Technisch wurde allenfalls Standard geboten und natürlich waren die Produktionszahlen sechsstellig – pro Jahr, versteht sich.

Bloß: Was damals in Detroit unter Buick-Flagge vom Fließband lief, bot so ziemlich alles, was des Automobilisten Herz begehrt, solange es nichts Sportliches oder Luxuriöses sein sollte.

Für den Glamour-Effekt sorgte man nötigenfalls selbst – das Ergebnis sah dann so aus:

Buick „Eight“ von 1931; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was könnte es hier auszusetzen geben, außer vielleicht dem Fehlen eines Mercedes-Sterns oder einer geflügelten Horch-Weltkugel?

Die enorm teuren in Manufaktur gebauten Wagen deutscher Provenienz mögen technisch raffinierter und luxuriöser ausgestattet gewesen sein, doch wenn es um vernünftig gepreiste Sechs- und Achtzylinderautos ging, führte an US-Fabrikaten kein Weg vorbei.

Man kann es gar nicht oft genug betonen, wie präsent um 1930 die Amerikaner-Wagen in einem Segment waren, in dem einheimische Hersteller wenig Konkurrenzfähiges auf die Räder stellten. Davon ist auf heutigen „Oldtimer“-Veranstaltungen kaum noch etwas zu sehen, auf denen es vor Prestigefahrzeugen nur so wimmelt.

In Berlin, wo dieser prächtige Buick einst zugelassen war, waren US-Automobile dagegen ein alltäglicher – und wie hier oft erbaulicher – Anblick:

Das Steinschlaggitter vor dem Kühler macht die Identifikation der Marke nicht ganz einfach, doch eine Reihe von Details erlauben es, diesen Wagen als Buick anzusprechen:

Das Kühlergehäuse weist in der gerundeten Partie etwa mittig einen „Knick“ auf, der sich in der Haube eine Weile fortsetzt. Buick-typisch war 1929/30 außerdem die spitz zulaufende Verzierung des vorderen Kotflügelendes.

Für Gewissheit sorgt schließlich das geschwungene „B“ auf den Radkappen – hier an optional erhältlichen Scheibenrädern montiert – meist findet man Speichenräder an den Buicks der späten 20er und frühen 30er. Die Scheibenräder könnten eine Besonderheit in Deutschland montierter Buicks gewesen sein.

Womöglich haben wir es hier auch mit einer Manufakturkarosserie aus deutscher Produktion zu tun. Zurecht kamen sich diese Herrschaften mit ihrem Buick ganz schön glamourös vor:

Man hatte Kleidung und Posen damaliger Filmschauspieler offenbar so weit studiert, dass man sich selbst so zu inszenieren wusste.

Dieser Hauch von Hollywood – den heute hierzulande schwerlich finden wird – macht für mich den eigentlichen Reiz dieser Aufnahme aus.

1931 ist dieses schöne und technisch ausgezeichnete Foto entstanden – wahrscheinlich in Swinemünde vor dem Strandhotel „Walfisch“ (Hinweis von Leser Klaas Dierks).

Wie mögen sich die darauf abgebildeten Personen in der zwei Jahre später beginnenden national-sozialistischen Diktatur verhalten haben?

Offene Anbiederung, oberflächliche Anpassung, innere oder tatsächliche Emigration waren die Optionen, vor denen damals jeder stand – egal, ob man Besitzer eines Buick war oder zu Fuß zur Arbeit musste. Echter Widerstand kam kaum in Frage, da lebensgefährlich.

Wie schnell für den Einzelnen die selbstverständliche Leichtigkeit des Seins dem unbarmherzigen Zugriff eines ideologischen Kollektivs weichen kann, auch daran erinnern einen solche Zeugnisse, auf denen für einen Moment eine perfekte Welt wie aus einem Hollywood-Film festgehalten ist, in der scheinbar kein Platz für düstere Gedanken ist…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Ein Hauch von Hollywood: 1931er Buick an der Ostsee

  1. Die „8“ kann ich zwar nur mit Mühe erkennen, aber Du scheinst recht zu haben. Die Scheibenräder hatten mich davon abgehalten, die nach 1930 erschienenen Achtzylinder in Betracht zu ziehen. Ich passe den Beitrag rasch an – danke für den Hinweis!

  2. Hallo Michael, nach meiner Ansicht handelt es sich um einen BUICK EIGHT, also Baujahr 1931, denn die Kühlerfigur zeigt vorne eine 8. Dieser Wagen dürfte in Kimes / Clarke, 3.Auflage auf S. 180 abgebildet sein. Ein Bild der Figur, die auch in meiner Sammlung existiert, sende ich als Beleg nach. Ich bedanke mich schon jetzt für deine Aktivitäten, gerade in diesem Jahr habe ich sie als Ablenkung / Abwechslung sehr genossen. Weiter so. Claus aus Berlin

Kommentar verfassenAntwort abbrechen