Fit für ein paar Tage Urlaub im Süden: Fiat 501

Es ist bald Ende Mai und der Frühling zeigt sich wechselhaft. Da schleichen sich leicht Gedanken ein wie dieser: Was wäre, wenn man jetzt eine spontane Tour in den Süden unternähme, bevor der Sommer kommt und alle anderen auf die Idee kommen?

Die Pässe sind ja längst frei und in Italien hätte man die schönsten Gegenden und Sehenswürdigkeiten jetzt noch fast für sich.

So mag im Deutschland der 1920er Jahre vielleicht einer gedacht haben, der zu den wenigen Glücklichen zählte, die ein eigenes Auto besaßen, das einem die Freiheit zu solchen Abenteuern verlieh.

Unter diesen wenigen waren hierzulande erstaunlich viele, die auch noch den passenden Wagen für eine Italienreise besaßen – einen Fiat!

Speziell das 1919 neu eingeführte Modell 501 hatte auch in Deutschland rasch zahlreiche Käufer überzeugt. Die Turiner hatten nämlich das Kunststück vollbracht, aus einem 1,5 Liter „großen“ Vierzylinder absolut standfeste 23 PS herauszuquetschen.

Rasch gewann der Fiat international Renommee für Zuverlässigkeit und astronomische Laufleistungen. Während er heute in deutschen Landen völlig verschwunden zu sein scheint, findet man ihn und seinen ähnlichen großen Bruder 505 auf Vorkriegsautofotos ständig und in allen möglichen Erscheinungsformen.

Sogar Fotos von Serienwagen bei Sporteinsätzen finden sich, etwa dieses:

Fiat 501 oder 505 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was man dem Fiat abverlangen konnte, wurde aber erst bei leistungsgesteigerten Versionen deutlich, wie sie teils vom Werk angeboten wurden (Typ 501S mit 27 PS) oder in Eigeninitiative „frisiert“ wurden.

Ein solches von einem Amateurfahrer hergerichtetes Exemplar sehen wir wahrscheinlich auf dieser rasanten Aufnahme, die ich Leser Klaas Dierks verdanke:

Fiat 501 mit Sportkarosserie; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Hier hat jemand zur Gewichtsreduzierung kurzerhand das Heck eines Fiat-Tourers entfernt zugunsten eines zweisitzigen Aufbaus, der am Heck bestenfalls noch Platz für das Reserverad ließ.

Wer Fiats des Serientyps 501 bei solchen fordernden Sportaktivitäten sah, wurde in der Überzeugung bestärkt, dass man mit so einem Wagen auch sonst einiges anstellen kann – etwa eine spontan erdachte Italientour!

Mancher hatte da in Gedanken schon das Gepäck zusammengestellt und zur Erinnerung eine Aufnahme vom Start gemacht – die könnte etwa so ausgesehen haben:

Fiat 501 oder 505 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch irgendein Bedenkenträger mag zuvor dazu geraten haben, den Fiat erst einmal „fit“ machen zu lassen für die vorgesehenen Strapazen. Das sagte man zwar seinerzeit noch nicht so, aber gemeint war etwas in der Richtung.

Dafür bot sich ein Aufenthalt in einer Werkstatt des Vertrauens an, beispielsweise in der von Wilhelm Gruber, der nebenher auch noch Fahrlehrer war. Kurzerhand wird der Fiat dorthin gebracht, wo man sich mit allem Möglichen auskennt, wie das einst der Fall war.

Hier sehen wir den Wagen, bevor er auf Herz und Nieren geprüft wird.

Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Offenbar steht der Fiat hier noch nicht im Mittelpunkt, erst will noch ein DKW-Motorrad verarztet werden.

Anschließend erhält der Fiat frisches Öl und bekommt einen Schmierdienst, außerdem neue Zündkerzen und einige Ersatzteile für unterwegs wie etwa einen Keilriemen. Die Reifen werden einer Sichtprüfung unterzogen, aber noch für gut befunden.

Für die Arbeiter in der Werkstatt, die sich um den Wagen bemüht haben, springt sogar noch ein Erinnerungsfoto heraus:

Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zweierlei ist hier zu erkennen: Zum einen besitzt dieser Tourer eine etwas verfeinerte Karosserie mit kühn geschwungenen Vorderkotflügel und ohne Trittbrett.

Zum anderen sind die „noch guten“ Reifen vorne mit unterschiedlichem Profil ausgestattet, doch das sah man damals nicht so eng.

„Fit“ gemacht präsentiert sich der Fiat jedenfalls anschließend dem Besitzer vor der Werkstatt von Wilhelm Gruber, bevor es losgehen konnte:

Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Beherzt ging man nun die Tour in den Süden an, die unweigerlich großartige Aussichten erwarten ließ, wie sie nur im Alpenraum zu erleben sind.

Am Rande erkennt man dies an dem folgenden schönen Schnappschuss, der tatsächlich bei einer Alpenüberquerung eines Fiat 501 Tourers entstand, wenn auch nicht desselben, den wir soeben beim Werkstattaufenthalt gesehen haben.

Aber so eine Aufnahme ist dermaßen rar und faszinierend, dass ich sie einfach zeigen muss, denn so erlebten die Insassen einen Fiat 501 auf Alpentour:

Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die genaue Route überlasse ich Ihrer Phantasie, liebe Leser, denn jeder hat eine andere Lieblingsroute gen Süden.

Einen Anhaltspunkt gibt aber ein weiteres Foto – das auf wundersame Weise in diese Reihe aus unterschiedlichen Quellen passt.

So könnte nämlich einem Italienreisenden im Fiat 501 einst unterwegs ein Kamerad in Südtirol entgegenkommen sein.

Jedenfalls haben wir hier ein solches Exemplar mit Zulassung in Bozen, übrigens mit interessanter Zweifarblackierung:

Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Da wir es nicht eilig haben – in Italien ohnehin eine Sünde – und der Fiat wie ein Uhrwerk läuft, machen wir nach der Alpenüberquerung erst einmal einen Abstecher nach Venetien.

Denn einmal im Leben sollte man doch eine der ältesten Traumstädte der Welt gesehen haben – Venedig.

Unterwegs dorthin – in der Nähe von Treviso, so ist es auf dem Foto umseitig vermerkt – begegnet uns ein weiterer Fiat-Tourer, doch leider diesmal arg lädiert.

Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gern würde ich nun in diesem Stil weitermachen und Sie mit weiteren solchen Zeugnissen immer weiter in den Süden locken.

Doch zwei Gründe sprechen dagegen: Der eine ist der, dass ich aktuell keine weiteren historischen Fotos von Fiats des Typs 501 aus noch südlicheren Gefilden habe (wer welche in seinem Fundus hat, bitte melden).

Der andere ist der, dass ich selbst morgen nach Italien aufbreche.

Und wie es der Zufall will, werde ich südlich des Veneto, wo wir zuletzt einen Fiat 501 gesehen haben, von Cesena aus ins Herz Italiens vorstoßen, über Cittá di Castello nach Umbrien, meiner zweiten Heimat südlich der Alpen.

Ob ich dort einem Fiat 501 begegne, das kann ich zwar nicht versprechen.

Doch weiß ich, dass es dort einen gibt, der dort schon immer zuhause war (mit Zulassung in Perugia) – nämlich eine Sportversion ähnlich der, die ich eingangs gezeigt habe:

Videoquelle: YouTube.com; hochgeladen von Laura Ferriccioli

Während ich eine runde Woche in Italien weile, ist zwar auch der Blog in Ferien, doch vielleicht mag unterdessen dieser Fiat 501 davon erzählen, wie „fit“ für den Süden so ein über 100 Jahre altes Auto sein kann…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

7 Gedanken zu „Fit für ein paar Tage Urlaub im Süden: Fiat 501

  1. Das Fahrzeug mit der #15 dürfte Herrn Bittner(oder möglicherweise auch Büttner) aus Köln bei der Eifelrundfahrt 1924 zeigen. Genannt als Typ 6/28, wäre dann ein 501S.

  2. Von der Etsch bis an die Saar
    gibt’s das Turiner Exemplar !
    Ob um die Kurven superschnell,
    ob hinter’m Bretterzaungestell,
    so tut der FIAT 501 uns erfreu’n
    strahlend schön im Sonnenschein !
    Innsbruck, Brenner, Verona,
    und ob Lucrezia oder Pergola …
    Nun auf nach Bella Italia !

  3. Hallo Herr Schlenger,
    das Foto, Fiat mit Bozener Kennzeichen, entstand am Misurina-See.
    Das Hotel Sorapis gibt es auch heute noch.
    Beste Grüße
    Hans Dieckmann

  4. Der Fiat 501ist ein gutes Beispiel für die – heute weitgehend in Vergessenheit geratene – langjährige technologische Spitzenposition den dieser Hersteller in der Entwicklungsgeschichte des Automobils einnahm !
    Interessant ist besonders die kleine Bilderserie, in der die Tätigkeit der Fa. WILLY GRUBER (der mit der Pfeife und den merkwürdigen „Clocs“ ?) hier dokumentiert wurde:
    Sie zeigt, auf wie bescheidener Basis damals eine berufliche Existenz im Kfz- Gewerbe möglich war!
    Interessant ist die hier für die Zwanziger Jahre typische Sport- Ausführung des Fiat 501 mit der bemerkenswerten unsymmetrischen Anbringung zweier Ersatzräder links und rechts der Karosserie, die den Zustieg für beide Sitzbänke ebenfalls auf beide Fahrseiten verteilte.
    Gelungen insbesondere die gestellte „Werkstattszene“ mit den anschaulich vor der DKW E 206 drapierten Werkzeugen, die für Eingriffe an dem Motorrad wohl wenig geeignet gewesen wären !

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