Mehr Mini wagen! Mathis MY „Faux Cabriolet“

„Mehr Demokratie wagen“ – mit diesem für deutsche Ohren kühnen Schlachtruf zog einst ein Politiker in den (west)deutschen Wahlkampf, der heute vermutlich als „rechts“ (also zu bürgerlich) gebrand(t)markt würde. So ändern sich die Zeiten.

Mehr Demokratie haben wir nicht bekommen – jedenfalls keine Volksentscheide in Fragen existenzieller Bedeutung: Beteiligung an Kriegen, Duldung massenhafter illegaler Grenzübertritte, Zerstörung zuverlässiger Energieinfrastruktur usw.

Da das mit der Verschweizerung wohl nichts wird im „großen Kanton“, müssen wir uns wohl oder übel ins Private zurückziehen und unsere eigenen Formeln für ein gutes Leben finden.

Heute gehe ich in Vorlage und versuche es mit „Mehr Mini wagen!“. Das mag bei zeigefreudigen Damen und bewundernden Herren Anklang finden, doch was hat das mit Vorkriegsautos zu tun?

Ich behaupte: Wenn man will, lässt sich alles mit Vorkriegswagen in Verbindung bringen, denn es gibt nichts wirklich Neues unter der Sonne und unsere Vorfahren haben dem Leben bereits genügend Facetten in jeder Hinsicht abgewonnen, dass man dort umfassend fündig wird.

„Aber der Mini ist doch eine Erfindung der 60er Jahre“, mögen jetzt einige einwenden. Ich entgegne dem: „Keineswegs. Mini war schon in den 20ern groß angesagt.“

Wer sich mit der Skulptur der griechischen und römischen Antike beschäftigt hat, kann in Sachen „Mini“ sogar bereits bei der Jagdgöttin Diana oder den Amazonen zum Zuge kommen. Doch soweit (zurück) wollen wir heute dann doch nicht gehen.

Mini ist zunächst der Wagen, welcher auf folgendem Foto zu sehen ist, das ich kürzlich wie üblich für einen Mini-Betrag erworben habe. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, beschränkte ich mich auf die Billigklasse um die 5 EUR – das Sammeln kommt auch so teuer genug über’s Jahr und schöne Funde macht man hier ebenfalls:

Mathis Typ MY „Faux Cabriolet“: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer auch immer diese Situation fotografiert hat, muss ein großer Freund ebensolcher Bäume gewesen sein – schon das macht ihn mir sympathisch.

Nadlige Gewächse zählen zwar nicht zu meinen Favoriten, doch ein mächtiger Baum ist per se eine beeindruckende Sache. Man kann ihn nicht nur in Fachwerk für Jahrhunderte fortdauern lassen, sondern ihn auch zur prachtvollen Kulisse wählen, wie hier geschehen.

Menschliche Schöpfungen dürfen gern grandios sein, doch wenn sie vor den Werken der übrigen Natur auf Zwergenmaß schrumpfen, hat auch das seine lehrreichen Seiten – denn so werden wir wieder unserer letztlich verschwindenden Bedeutung gemäß zurechtgestutzt.

Für die Dauer unseres Daseins wollen wir dennoch im Mittelpunkt stehen – ein zeitlos eitles Bedürfnis, das schon die Philosophen der Antike angeprangert haben, doch wir kommen einfach nicht aus unserer Haut und wollen uns partout an uns selbst erfreuen.

So „mini“ wir auch im globalen Kontext oder gar in dem des endlosen Flusses der Zeit sind, so erbaulich ist es doch, wenn einige Individuen zu großer Form auflaufen. Der winzige Mensch auf der Höhe, für einen schönen Moment herausgehoben – das hat etwas:

Mathis Typ MY „Faux Cabriolet“: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer von Ihnen hat sich zuerst der Kühlerpartie des Autos auf diesem Bildausschnitt zugewandt und sich gefragt, mit was für einem Hersteller und Typ man es zu tun hat?

Auch das ist das Schöne an diesen Dokumenten aus der Vorkriegszeit: In den besten Momenten lassen sie uns für einen Moment vergessen, dass wir uns doch eigentlich mit den Karosserien und der Technik von einst befassen wollen.

Dann kommt plötzlich etwas dazwischen, wie hier das Thema „Mini“. Von rechts nach links betrachtet werden die Kleider der Damen nämlich erfreulicherweise immer kürzer und man stellt fest, dass dies in allen Fällen passend ist.

Meine Favoritin ist zwar die junge Frau in der Mitte, doch ist festzustellen, dass auch ihre auf dem Trittbrett stehende Nachbarin für ihre Verhältnisse alles richtig gemacht hat.

Über dem Knie endende Kleider und Röcke tauchen in der Neuzeit erstmals wieder Mitte der 1920er Jahre auf, also vor fast 100 Jahren. Mein Motto „Mehr Mini wagen“ hätte man damals zwar wohl nicht verstanden, aber „mini“ und „Wagen“ finden sich hier dennoch.

Damit wären wir endlich bei dem Auto angelangt, das hier als Kulisse dient. Als französischen Mathis identifizieren konnte ich ihn anhand der flammenartigen Kühlerfigur:

Mathis „Emysix“von 1928; Quelle unbekannt

Wie es scheint, brannte die Flamme auf dem Kühler der Mathis-Wagen ab etwa Mitte 1928, sofern der Besitzer keine andere Figur montiert hatte.

Das allein erlaubt also noch keine Typansprache, aber immerhin eine zeitliche Eingrenzung. Zwar besitze ich (noch) keine Literatur zu dieser noch vor dem 1. Weltkrieg im damals deutschen Elsass gegründeten Marke, doch findet sich im Netz ein sehr passabler Abriss.

Wenn ich den dort zu findenden Abbildungen und Beschreibungen glauben darf, haben wir es bei dem Mathis auf dem heute vorgestellten Foto mit einem „Faux Cabriolet“ auf Basis des Typs MY zu tun, welcher von 1926 bis 1930 gebaut wurde.

Der Motor dieses Modells war trotz des repräsentativen Aussehens eher „mini“: Gerade einmal 1,2 Liter maß sein Vierzylindermotor. Die Spitzenleistung lag bei rund 22 PS, was je nach Übersetzung für Tempo 70-80 reichte – damals solider Standard.

Sie sehen: „Mini“ und „wagen“ oder auch „Wagen“ können sich auf’s Schönste zusammenfügen. Wer beanstandet, dass die Minis der 1960er Jahre aber noch reduzierter waren, hat zwar recht, was den Hubraum der ersten Austin „Mini“ angeht.

Doch im Hinblick auf die Rocklänge möchte ich bei Gelegenheit zeigen, dass im Einzelfall schon in Vorkriegszeiten noch weniger drin war – und das anhand einer überraschenden Aufnahme aus dem Deutschland der 1930er Jahre, die es in sich hat…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Gedanke zu „Mehr Mini wagen! Mathis MY „Faux Cabriolet“

  1. Nun, Mathis kommt auch aus der Liga der „Cycle Cars“, daher ist der „Kleinwagen“ das Normale bei Mathis. Überall in Europa gab es neue Firmen in der umkämpften Kleinwagen-Klasse.

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