Fund des Monats: Hansa-Lloyd Trumpf-Aß oder NAG?

Der Fund des Monats November fiel für mich anfänglich fast ein wenig enttäuschend aus. Denn weder konnte ich mit einem Foto aus meinem eigenen Fundus aufwarten, noch vermoche ich Wesentliches zur Identifikation des darauf abgebildeten Wagens beitragen.

So schien es mir jedenfalls auf den ersten Blick zu sein.

Dennoch bin ich sicher, dass Sie – liebe Leser – ganz auf Ihre Kosten kommen. Das gilt vor allem, wenn Ihnen der Sinn nicht nur nach Nischenfabrikaten steht, sondern auch gelungene Aufbauten Ihr Herz erfreuen – und es gern ein wenig rätselhaft sein darf.

Diese ideale Kombination kann ich jedenfalls heute anbieten, und ich wüsste wirklich nichts daran auszusetzen, wäre da nicht der Makel, dass ich mich (fast) komplett mit fremden Federn schmücke. Doch das werden Sie mir in diesem Fall verzeihen:

Hansa-Lloyd „Trumpf-Aß“ von 1927 ((angeblich); Foto aus dem Borgward Archiv; Originalabzug aus Sammlung Jörg Pielmann

Ein zweitüriges Cabriolet mit hinreißender Linienführung ist das zweifellos. Ich hätte es aus stilistischer Perspektive auf ca. 1930 datiert, doch worum es sich genau handelt, das wäre mir vermutlich verborgen geblieben.

Ins Auge fällt unabhängig davon das ungewöhnlich niedrige Chassis, welches auf eine „Underslung“-Konstruktion hindeutet. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die blattgefederten Achsen nicht unterhalb des Leiterrahmens angebracht sind, sondern darüber. Der Rahmen ist also unter der Achse entlanggeführt, was einen wesentlich niedrigeren Schwerpunkt und damit bessere Straßenlage ermöglicht.

Diese Lösung wurde bereits weit vor dem 1. Weltkrieg ersonnen – das US-Fabrikat „American Underslung“ trug den Hinweis sogar im Namen. Doch kam so etwas letztlich nur für sportliche Fahrzeuge in Betracht, die sich nicht auf den meist noch kaum befestigten und unebenen Straßen im Alltag bewähren mussten.

Doch zum Posieren in der Großstadt und bei einschlägigen Schönheitskonkurrenzen eignete sich dieses Konzept vorzüglich.

Die elegante Erscheinung des oben gezeigten Wagens ist natürlich auch der außergewöhnlich langen Motorhaube geschuldet, die auf einen Reihensechser oder gar ein Achtyzlinderaggregat schließen lässt; beide bauten wesentlich länger als ein Vierzylindermotor, zumindest wenn sie auch einen größeren Hubraum besaßen.

Aber was ist das denn jetzt für ein Fahrzeug, werden Sie wissen wollen?

Nun, zwar kam mir die Form ein wenig vertraut vor, doch wäre ich nicht auf das gekommen, was auf der Rückseite des Originalabzugs steht, welcher sich in der Sammlung von Leser Jörg Pielmann befindet:

Demnach handelte es sich bei dem schicken Zweitüren-Cabrio um das Achtzylindermodell „Trumpf-Aß“ aus dem Hause Hansa-Lloyd, Baujahr 1927.

Tatsächlich baute der norddeutsche Traditionshersteller ab 1926 in kleinen Stückzahlen auch Achtzylinderwagen mit satten 100 PS Höchstleistung – anfänglich mit 4,6 Litern Hubraum, ab 1927 dann mit 5,2 Litern.

Das waren auch technisch beeindruckende Konstruktionen mit hochfeinem Ventiltrieb über im Zylinderkopf liegende Nockenwelle, getrieben wiederum von einer Königswelle.

Nüchtern veranlagte Zeitgenossen werden sich freilich von solchem Vokabular nicht ablenken lassen. „Stand auf dem Abzug nicht etwas von 7 Litern Hubraum?“ werden Skeptiker stattdessen fragen.

Vollkommen richtig und als ebenfalls keinen vermeintlichen Autoritäten hörige Person machte mich das ebenso stutzig wie die für mich unplausible Jahresangabe 1927.

Konnte man dem Vermerk vielleicht auch in sonstiger Hinsicht nicht trauen?

Werfen wir nochmals einen Blick auf die Vorderpartie des Wagens und prägen uns das Erscheinungsbild der Motorhaube mit den Proportionen der Luftschlitze und der Position des hinteren Haubenhalters ebenso ein wie die Gestaltung des Kühlwasserdeckels:

Und noch etwas: Die Ausführung der Räder mit dem sechseckigen Emblem auf den Nabenkappen behalten wir ebenfalls im Hinterkopf.

Solchermaßen präpariert wenden wir uns nun einem Foto aus meiner Sammlung vor, das ich schon einmal präsentiert habe – es zeigt einen NAG-Protos des Typs 16/80 PS (Bauzeit: 1930-33) in der besonders begehrten Ausführung als Sport-Cabriolet.

Hier haben wir das Prachtwück auf einem originalen Pressefoto:

NAG-Protos 16/80 PS Sport-Cabriolet (Typ 208), Bauzeit: 1930-33, originales Pressefoto von 1930 aus Sammlung Michael Schlenger

Meinen Sie nicht auch, dass die Gestaltung von Haubenpartie, Vorderkotflügel und Kühlwasserdeckel vollkommen übereinstimmen?

Gut, die Radkappen weichen ab, handelt es sich doch hier um Drahtspeichenräder mit Zentralverschlussmutter statt Radbolzen. Aber das sechseckige Logo, das auf den Nabenkappen des angeblichen Hansa zu sehen ist, findet sich hier unterhalb des Motorhaubenhalters.

Kann das ein Zufall sein? Ich halte das für sehr unwahrscheinlich, auch wenn der „Hansa“ auf dem Foto von Jörg Pielmann am Heck anders gestaltet ist als das Sport-Cabrio von NAG-Protos.

Denkbar wäre zwar, dass der Hansa vom selben Karosseriebauer eingekleidet wurde wie der NAG-Protos. Aber wenn ich es richtig verstehe, war der Aufbau als Sport-Cabriolet ein Werksfabrikat des Herstellers selbst.

Außerdem halte ich es für unglaubwürdig, dass die markante Gestaltung des Deckels für den Kühlwassereinfüllstutzen (wohlgemerkt: keine Kühlerfigur) bei zwei Herstellern identisch sein sollte, die nichts miteinander zu tun haben.

Sie sehen: Am Ende habe ich doch etwas Eigenes beizusteuern zu diesem Fund des Monats. Natürlich mag ich falsch liegen mit meiner These, dass der vermeintliche Hansa ein Wahrheit ein NAG-Protos war und bloß das Foto falsch beschriftet wurde.

Doch jetzt sind Sie an der Reihe, liebe Leser, denn dass Sie diese schönen Dinge einfach nur so genießen dürfen, das kann ich nicht immer gewährleisten.

Manchmal kommt man der Lösung nur im sportlichen Meinungsaustausch näher und dass wir es hier mit einem ganz besonderen Sport(objekt) zu tun haben, daran kann kein Zweifel bestehen…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.   

15 Gedanken zu „Fund des Monats: Hansa-Lloyd Trumpf-Aß oder NAG?

  1. Übrigens:
    Bei Kleinanzeigen werden derzeit 2 St. genau dieser Radkappen aus Bild 3 mit dem eingeprägten NAG- Hexagon angeboten !

  2. Die Frage Hansa-Lloyd oder NAG-Protos ist ist ja zu Gunsten des NAG-Protos geklärt. Von mir noch eine Anmerkung zum Hansa-Lloyd Trumpf-Aß: Das Einzige Foto eines solchen Wagens in meiner Uralt-Auflage des Oswald zeigt einen Tourenwagen mit Blumenschmuck. Das Foto stammt vom 19. Juni 1928. An diesem Tag wurden mit dem so geschmückten Wagen die Ozeanflieger Köhl, von Hünefeld und Fitzmaurice von Bremerhaven zum Empfang im Bremer Rathaus gefahren. Davon gibt es verschiedene Fotos etwa in einer undatierten Broschüre zur Junkers W 33 „Bremen“. Die Formensprache dieses Wagens weicht jedenfalls deutlich von der schönen Cabrios ab.

  3. Das ist zu 100% sicher ein NAG-Protos, Limousine 201 / 204, auf den Bildern der „NAG – Sport“ 208 von 1930 – da passt auch das Heck !!
    Siehe Seite 142-145, „Autos aus Berlin: Protos und NAG“, von Hans-Otto Neubauer. Das Auto mit „Kupplungs-Automaten“ !!

  4. Nachsatz: ich sehe gerade, dass der „Trumpf-Ass“ auf Coachbuilt.com von einem Forumsteilnehmer aus Weiterstadt/Darmstadt unter „Drauz“ bereits als NAG-Protos identifiziert wurde. Wobei das auch keine 100%ige Garantie ist.

  5. Die Rückenbeschriftung ist zu 99% falsch würde ich sagen. Ich denke beide Fotos zeigen NAG-Protos 208, wobei der obere ein wenig älter sein dürfte, frühestens aber von 1929 würde ich sagen. 1927 gab es so eine moderne Karosserie noch nicht. Das identifizierte Auto unten von 1931 hat eine Karosserie von Drauz/Heilbronn und dieses oder ein Zwilling davon steht laut Coachbuilt.com im Technik-Museum in München. So wie es aussieht hat Drauz für den NAG-Protos wohl um 1930 jede Saison immer wieder leicht modifizierte Varianten angeboten wie ein Auto von 1932 mit ganz modernen schrägen Haubenlamellen beweist, wobei man diese Entwürfe sicher auch ganz ähnlich auf Chassis anderer Marken bekommen konnte.
    Beides wunderschöne Autos und mit die attraktivsten die um 1930 hierzulande gebaut wurden.
    In meinen Augen wurden die schönsten Autos aller Zeiten ausgerechnet im tiefen Tal der Depression in der ersten Hälfte der 30er Jahre gebaut. So ab 1937/38 wurde mir das Fahrzeugdesign langsam zu schwülstig.

  6. Nochmals zum Thema „underslung“: Echte Underslung-Chassis kenne ich auch von anderen Herstellern aus den USA (Mercer, Regal usw.), außerdem von britischen Herstellern (Bsp. Morgan). Solange Blattfedern verbaut wurden, blieb es nach meiner Wahrnehmung in vielen Fällen üblich, dass die Achse unterhalb der Blattfedern montiert war. Die Underslung-Anbringung der Achse scheint mir eher die Ausnahme gewesen zu sein, weshalb der resultierende Niederrahmen ja auch eigens hervorgehoben wurde. Bspw. noch beim 1934er Riley ist die Vorderachse unterhalb der Blattfedern montiert: https://www.prewarcar.com/292903-1934-riley-chassis-ideal-to-build-a-special#group

  7. Zur mittlerweile ausgiebig geführten Debatte zur Provinienz des besprochenen
    Luxuswagens- Bildes möchte ich lediglich anmerken, daß in dieser ( Extra-) Klasse umsomehr galt, daß eigentlich alle äußeren Merkmale mehr den Hersteller der Karossierung kennzeichnen als die Herkunft des zugrundeliegenden Chassis mit
    Motor. Ob nun Motorhaube (beidemale mit 50 Schlitzen), A- Säule (Tür mit 3 Scharnieren angeschlagen), alles Karosserie- Merkmale.
    Allerdings gleichen sich hier auch die dem Chassis zuzurechnenden Merkmale Stoßstangen, Radnaben- Emblem,
    Rahmenform, Rücklichtträger mit Kennz – Halter aufs Haar un sprechen somit m.E. eindeutig für Autos des selben Herstellers.
    Allerdings ist die Diagnose: Zentralverschluß- Räder beim zweiten gezeigten Wagen eindeutig missgedeutet, da es sich ja eindeutig um eine Blechradkappe handelt, unter der sich der Radbolzen- Kranz verbirgt wie beim ersten Fahrzeug. Auf den Kappen ist auch wieder das NAG- Sechseck
    eingeprägt.
    Aber– Einspruch, Euer Ehren:
    Der Bezug des Begriffes „underslung“ auf die gesamte Fahrzeugrahmen- Anlage war wohl ein Alleinstellungsmerkmal des amerikanischen Herstellers
    Dieses Namens (der in die Irre führte) , wurde jedoch nach allgemeiner Einführung dieser Bauart bezüglich der Achs- Aufhängung an den Federn in den Staaten auch in Europa bald zur allgemein angewandten Bauweise im PKW- Bereich !
    ( siehe hierzu auch das Prinzip – Schaubild bei Wikipedia ).

  8. Daß die als Nr. 5735 registrierte Aufnahme gar keinen Hansa-Lloyd zeigt und die Rückseite auch in der Jahreszahl fehlbeschriftet ist, ist denkbar. Auch ich würde eher auf 1929/30 tippen, jedoch war die Berliner Automobilausstellung da ausgesetzt. Die auf 1928 datierte Aufnahme der großen Limousine „Hansa-8-Lloyd“ kann so wohl nur im Nov.1928, weil anderenfalls erst im Feb.1931erfolgt sein, denn das Gebäude ist die Ausstellungshalle am Berliner Kaiserdamm. Wenn ich nun mit dem Pontiac Six-28 oder dem Studebaker, aber auch mit Brennabor, Hanomag oder Wanderer vergleiche, wären zur Seitenansicht besonders zwischen Windlauf, A- und B-Säule alles zwischen 1927 und 1931 möglich, denn die sich teilende Zierlinie mit Bogen zum Windlauf und Doppellinie unter dem Türfenster hatten die Amerikanerwagen 3 Jahre eher. Als Achtzylinder dürfte aber auch der Hansa-Lloyd möglichst modern gestaltet worden sein ? Jedoch erscheint mir die Ähnlichkeit der vorderen Kotflügel am deutlichsten – noch mehr als bei den Kühlerdeckeln.

  9. Sie haben recht: Trumpf-Aß, nicht Treff-Aß – danke! Ändert aber nichts an den unplausiblen Angaben zu Hubraum und Baujahr (stilistisch nicht ins Jahr 1927 passend) und vor allem die mit dem NAG-Protos identische Frontpartie.

  10. Natürlich Trumpf-Aß, nicht Treff-Aß – danke! Ändert aber nichts an den unplausiblen Angaben zu Hubraum und Baujahr (stilistisch nicht ins Jahr 1927 passend) und vor allem die mit dem NAG-Protos identische Frontpartie.

  11. Hallo Herr Schlenger, einen sehr schönen Wagen haben Sie da wieder ausgegraben. Ich freue mich immer wieder mir unbekanntes in Ihrem Blog vorgestellt zu bekommen. Danke dafür! Eine Frage habe ich noch zu dem Hansa Lloyd Wagen, sind Sie sicher das der Typ ein Treff Ass ist? Ich würde aus der Bildbeschreibung „Trumpf Ass lesen!“ Gruß Jörg Z.

  12. Der Rückseitenbeschriftung nach lese ich hier Trumpf-As, was für den im Herbst 1928 am Berliner Kaiserdamm (21.IAA) gezeigten 20/100 PS Achtzylinder spräche. Den Niederrahmen hatten sowohl Treff-As als auch Trumpf-As; letzterer soll aber immer ein Viertürer gewesen sein. Eine als Bundesarchivbild 102-06828 registierte, im Herbst 1928 entstandene Aufnahme zeigt jedenfalls eine viertürige 6-Fenster-Limousine mit „Hansa-8-Lloyd“ als Kühlergrilllogo, die ebenfalls eine ganz senkrechte A-Säule aufweist. Jedoch halte ich es für denkbar, daß es auch 1927/28 eine zweitürige Ausführung – zumal als Cabriolet – gab.

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