Wie konnte das nur passieren? Brennabor Typ R 6/25 PS

Wie konnte das nur passieren? Das fragt man sich immer wieder, wenn es beispielsweise um den Ausbruch des 1. Weltkriegs vor 110 Jahren geht.

Wie konnte es passieren, dass aus einem Regionalkonflikt ein völlig entfesselter Krieg der europäischen Großmachte wurde, der für alle Beteiligten selbstzerstörerisch war?

Leider – so fürchte ich – bekommt man die Mechanismen in unseren Tagen angesichts der bislang „nur“ rhetorischen Zuspitzung eines anderen Regionalkonflikts vorgeführt. Ich will dieses verminte Gelände nicht weiter betreten, nur kurz meine Antwort auf die Frage geben:

Weil diejenigen, die über den Krieg entschieden und entscheiden, zumindest in der Neuzeit nicht davon betroffen waren. Da ist es geradezu konsequent, wenn die meisten Befürworter (wie aktuell hierzulande) selbst noch nie einen scharfen Schuss abgegeben und – auch nur übungshalber – im Dreck gelegen haben.

Übergehen wir den 1. Weltkrieg und daran anknüpfende Fragen der Gegenwart. Stattdessen werfen wir einen Blick auf ein anderes, zum Glück harmloses Ereignis von Mitte der 1920er Jahre, das freilich auch die Frage aufwirft „Wie konnte das nur passieren?“

Den Anlass dazu liefert die Einführung des Brennabor Typ R 6/25 PS anno 1925. Sieht man von der Vierradbremse ab, handelte es sich in technischer Hinsicht um eine fast vollständige Weiterführung des seit 1922 gebauten Typs S 6/20 PS, der hier zu sehen ist:

Brennabor Typ S 6/20 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Schon dieses Gefährt mit seinen fehlproportionierten Scheinwerfern und den viel zu weit auseinanderstehenden Haubenschlitzen ließ kaum Ansätze zu gekonnter Gestaltung erkennen.

Ich wüsste kein Serienfabrikat aus dem deutschsprachigen Raum, das in der ersten Hälfte der 1920er Jahre dermaßen unattraktiv daherkam. Doch die altehrwürdige Marke aus Brandenburg, die vor dem 1. Weltkrieg in einer anderen Liga unterwegs gewesen war, setzte beim optisch überarbeiteten Typ R 6/25 PS noch einen drauf.

Der erschien trotz der weiter vorn im Alphabet stehenden Typbezeichnung tatsächlich erst 1925 und hatte außer 5 zusätzlichen PS und Vorderradbremse wenig zu bieten.

Was ihn aber dennoch dermaßen „auszeichnete“, dass man ihn auf Anhieb erkennt, war eine an Grobschlächtigkeit schwer überbietbare Karosseriegestaltung:

Brennabor Typ R 6/25 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man möchte kaum glauben, dass dieser Aufbau nicht etwa von einem begabten Bastler zusammengestoppelt worden war, sondern aus einer der größten deutschen Automobilfabriken mit Serienfertigung im Fließbandverfahren stammte.

Hier passt optisch so ziemlich gar nichts zusammen und fast hat man den Eindruck, dass man für die Vorderräder der Einfachheit halber die hinteren Kotflügel übernommen hat.

Die lange Haube des Vorgängers – dort noch eine der besseren Ideen – hatte man radikal gekürzt, was in Verbindung mit den nun auf einmal winzigen Luftschlitzen ebenso verunglückt wirkt wie die beiden unterschiedlich hohen Türen.

„Wie konnte das nur passieren?“ – Das fragt man sich hier schon.

Auf diesem Foto spricht einen letztlich nur das Leben auf zwei und vier Beinen an, und man studiert lieber die Gesichter der Insassen und sinniert über die Rasse des Hundes, der Einlass begehrt, als schwelgerisch den Blick über die Karosserielinien gleiten zu lassen.

Versöhnlich stimmt allerdings der Umstand, dass ich dieses Foto zusammen mit einem zweiten erwerben konnte, welches denselben Wagen zeigt:

Brennabor Typ R 6/25 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen wirkt hier nicht ganz so verunglückt, weil die schlimmste Partie verdeckt ist und das Auge eher auf der Kühlerpartie verweilt, die sogar Ansätze gestalterischer Rafinesse zeigt.

Das mit einem „A“ Kennzeichen verweist auf eine Zulassung dieses Wagens im Bezirk Anhalt – vielleicht kann es jemand genauer sagen.

Schön ist hier jedenfalls wieder die menschliche Komponente – wobei der Hund es diesmal in den Innenraum geschafft hat, er gehört also klar zur Familie.

Man hätte diesen Leuten gern gewünscht, dass sie Ihr Leben in Frieden weiterleben dürfen, doch das war ihnen nicht vergönnt, wie wir wissen. Sehr wahrscheinlich wurde der Junge auf der Rückbank im 2. Weltkrieg als Soldat für die Zwecke der Mächtigen missbraucht, die sich anmaßen, über das Leben anderer für ihre persönlichen Ziele und Obsessionen verfügen zu können, ohne selbst dabei viel zu riskieren.

„Wie konnte das passieren?“ – Die Antwort auf diese Frage liefert letzlich die Gegenwart, denn der Mensch lernt offenbar aus der Geschichte nur, dass er nichts dazulernt.

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8 Gedanken zu „Wie konnte das nur passieren? Brennabor Typ R 6/25 PS

  1. Danke, wieder sehr interessant! Die Hauben ohne Luftschlitze gab’s doch auch schon beim P 8/24 PS. Die Lösung hat man vermutlich beim Typ S erst einmal übernommen, aber aus irgendeinem Grund scheint die Entlüftung des Motorraums dort nicht ausgereicht zu haben. Oder man wollte tatsächlich dem Eindruck der Langeweile entgegenwirken und die Haubenfläche tatsächlich optisch abwechslungsreicher gestalten. Die Lösung dafür erinnert mich stark an Modelle der Zeit weit vor dem 1. Weltkrieg (Cudell aus Aachen). Jedenfalls war die Gestaltung sehr eigenwillig, ich wüsste in den frühen 20er keinen anderen Wagen, bei dem die Haubenschlitze so aussahen. Unverwechselbar waren die Brennabors dadurch schon.

  2. Die Frage zu den Türen ließ mir dann doch keine Ruhe. Nun ist klar, ich habe mich geirrt. Sorry. Ich habe in meinem Archiv Prospektmaterial von 1926 gefunden, demnach gab es diese Türversion auch so ab Werk. Vermutlich, damit die vorderen Türen auf einer Höhe waren.

    Interessant ist auch, die ersten Typ S Modelle von 1922 hatten noch geschlossene Motorhauben. Da muß es wohl thermische Probleme gegeben haben, oder man befand die 5 Öffnungen einfach optisch ansprechender.

  3. Interessant – danke für den Hinweis! Demnach baute man den Typ R nicht nur mit Serienkarosserie, sondern bot auch Chassis für individuelle Aufbauten auf. Fragt sich, wer dann dieses Exemplar „verbrochen“ hat 🙂

  4. Nachtrag: Diese unterschiedlichen Türen gab es so nicht ab Werk. Bitte dafür nicht auch der Firma die „Schuld“ zuweisen.

  5. Sicher verkauften sich diese Typen damals gut – allein schon deshalb, weil außer Opel und Adler in dieser Hubraumklasse kein deutscher Hersteller größere Stückzahlen zustandebekam. Wer überhaupt ein deutsches Auto in der unteren Mittelklasse kaufen wollte, kam an Brennabor daher kaum vorbei. Aber: Auch dem damaligen Zeitgeschmack entsprachen die Typen S und R nicht. Die angesprochenen Gestaltungslemente findet man an keinem anderen Serienautomobil jener Zeit, sie waren also bestenfalls eigenwillig. Wie ein zeitgemäßes Auto auszusehen hatte, das gaben vor allem zur Entstehungszeit des Typs „R“ die US-Hersteller vor und alle deutschen Marken bemühten sich, entsprechend zeitgemäß gestaltete Wagen abzubieten. Nur Brennabor gelang das zunächst nicht. Erst mit dem Typ „Z“ war die Marke gestalterisch wieder auf der Höhe. Dem Erscheinungsbild des Typs R kann man beim besten Willen nichts attestieren, was ihn nach damaligen Maßstäben attraktiv gemacht hätte – das ist also nicht lediglich ein modernes Urteil.

  6. Trotzdem ebnete dieser Typ S den Erfolg in den 20er Jahren, zum größten Dt. Automobilhersteller, um 1926/27 noch Zweiter hinter Opel….. Typ R zählt zudem zu den meist verkauften Brennabor. Sooo „schlecht und häßlich“
    können Typ S und R dann doch nicht gewesen sein. Aus heutiger Sicht läßt sich manches anders sehen, die Wagen entsprachen dagegen dem Zeitgeschmack. Schönheit liegt auch immer im Auge des Betrachters.

  7. Menschen mit Irritationen in Geschmack, Stil und Schönheit muß es auch damals gegeben haben, sonst hätte niemand so viel Geld zum Erwerb eines derartigen Fahrzeuges ausgegeben.
    Wie bestellt, so geliefert, nicht wahr ? Mögen sich auch die Zeiten und Technologien ändern, die Menschen ändern sich nicht.

  8. Der letzte Satz müsste enden:
    … daß er nichts dazulernen WILL.(!)
    Denn er könnte ja! Niemand hindert ihn daran – außer seiner eigenen Dummheit (und Bequemlichkeit)…

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