Auch das war einst echte Wertarbeit! Skoda 645

Den Kult um die angeblich unerreichte deutsche Wertarbeit habe ich nie verstanden – jedenfalls nicht im Hinblick auf Automobile.

Wie in anderen Ländern auch finden sich in Deutschland neben großen Geniestreichen ebenso ausgemachte Fehlkonstruktionen, neben Vorbildern in Sachen feinster Verarbeitung ebenso mies gemachte Klapperkisten.

Der Mercedes-Stern konnte einen lahmen Roster wie den Heckflosser meines Vaters zieren, aber auch den genialen „Baby-Benz“ 190 der 1980er Jahre, der heute noch im Alltag zu finden ist – nach Meinung vieler eines der besten Autos der Marke der letzten 40 Jahre.

Volkswagen baute anfangs gnadenlos zuverlässige und ewig haltbare Autos wie den Käfer, der in Gestalt des 63er Exportmodells mit schickem Faltschiebedach bis Ende der 80er der Alltagswagen meiner Mutter war. Leider wurde er im Jahr meines Führerscheinerwerbs, der mir auf einem unkultivierten und dröhnigen Golf II Diesel gelang, gegen einen bräsigen Opel D-Kadett eingetauscht, der Rost, Plastikinterieur auf Ostblockniveau und Motormalaisen bot.

Nach einer solchen Historie war der erste und einzige deutsche Wagen, den ich je besaß, natürlich ein Käfer, den ich für 2.000 Mark mit ca. 100.000 km auf der Uhr erwarb. Er blieb mir bis Kilometerstand 220.000 treu, als der noch originale Motor nach über 10 Jahren Vollgas-Ganzjahresbetrieb aufgab. Für den Wagen mit Motorschaden bekam ich dann noch 1.000 EUR – meine beste Erfahrung mit deutscher Wertarbeit, ach nee: er kam ja aus Mexiko!

Seither habe ich nur ausländische Fabrikate besessen – vor allem englische (MGB, Jaguar XJ6, Landrover Serie III) und italienische (Fiat 1100, Innocenti-Mini). Alle haben bloß ein paar Tausender gekostet und vom Fiat abgesehen haben sie hohe sechstellige Laufleistungen. Ein Platter am MGB, ein kaputter Zündkondensator beim Inno und eine abgerissene Antriebswelle beim Landy waren die einzigen Defekte – keiner verhinderte, das ich wieder heimkam (beim Landrover rettete mich der Allradantrieb).

Ok, werden Sie jetzt sagen, aber die werden sicher nur wenig gefahren. Stimmt, auch wenn ich mit dem MGB schon in Italien und mit dem Jaguar in England war.

Im Alltag – und das heißt vor allem auf meinen Touren nach Italien – fahre ich einen Dacia „Duster“. Also ebenfalls keine deutsche „Wertarbeit“ – entwickelt in Frankreich und gebaut in Rumänien – oje…

Nach problemlosen, komfortabel und verbrauchsgünstig absolvierten 45.000 km weiß ich, warum sich der Duster seit vielen Jahren so gut verkauft. Für vergleichbare Qualität und Ausstattung (u.a. zuschaltbarer Allradantrieb) hätte ich für ein deutsches Fabrikat fast das Doppelte ausgeben und eine langweilige Optik akzeptieren müssen.

Dazu passt – und jetzt kommen wir zum eigentlichen Gegenstand der heutigen Betrachtung – dass den Volkswagen aus Wolfsburger Produktion die qualitativ mindestens ebensoguten, aber günstigeren und viel margenstärkeren Skodas im selben Konzern gegenüberstehen.

Die Tschechen schaffen das Kunststück mit weit weniger Arbeitern mehr Gewinn zu erwirtschaften und das bei anerkannter Top-Verarbeitung – so las ich kürzlich.

Das glaube ich sofort. Denn auch wenn es bedingt durch den Kommunismus in der einstigen Tschechoslowakei keine Konstruktionstradition bei Skoda gibt, die in die Gegenwart reicht, ist es eine altbekannte Sache, dass die Tschechen schon vor dem 2. Weltkrieg eine Reihe ganz ausgezeichneter und oft gutaussehender Autos bauten.

Vielleicht erinnern sich einige Leser noch an diese schöne Aufnahme eines Skoda 645 in Österreich, die ich vor gut zwei Jahren hier vorgestellt habe:

Skoda 645 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Cabriolet mit hell abgesetzten Zierleisten handelt es sich um Skodas Sechszylindertyp mit 45 PS – daher die Bezeichnung 645 – der 1929 eingeführt wurde und von dem bis 1934 rund 750 Stück gebaut wurden.

Daneben bot Skoda mit dem Typ 860 auch einen beeindruckenden Achtzylinderwagen an, von dem aber keine 50 Stück entstanden.

Wie alle tschechischen Hersteller hatte Skoda das Problem eines zu kleinen lokalen Markts im Anschluss an die Zerschlagung des österreichisch-ungarischen Reichs anno 1918. Das stand einer Skalierung der Produktion entgegen, welche die Voraussetzung für niedrigere Preise gewesen wäre.

So blieben auch die Skodas jener Zeit trotz zeitgemäßer Konstruktion und bester Werkmannsarbeit ausgesprochen seltene Erscheinungen – weshalb jedes „neu“ auftauchende Foto zu begrüßen ist, weil es die Marke ins verdiente Licht zu rücken hilft – so wie hier:

Skoda 645; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie ich den Wagentyp identifiziert habe, muss ich wohl nicht eigens erklären – alles Nötige dazu findet sich auf dem Kühlergrill – das würde man sich bei manchem anderen Wagen der Vorkriegszeit ebenfalls wünschen.

Hübsche Details sind neben der dreidimensional gestalteten Kühlerfigur, deren Silhouette sich bis in unsere Tage erhalten hat, die beiden vor der Windschutzscheibe angebrachten Lüftungseinlässe – eine markante Alternative zu den sonst gebräuchlichen seitlichen Belüftungsklappen.

Wohl nicht mehr klären lässt sich die Frage, woher dieser Skoda kam – das Nummernschild könnte sogar ein deutsches gewesen sein – und wo er unterwegs war. Ich tippe auf eine Bergregion irgendwo auf dem Balkan – aber das ist ein weites Feld.

Festzuhalten bleibt, dass Skoda mit seinen Sechszylinderwagen – 1931 folgte noch der kompakte Typ 633 – damals hervorragende Beispiele für echte Wertarbeit ablieferte. Der inländische Hauptkonkurrent Praga war nur hinsichtlich der Stückzahlen überlegen (vgl. diesbezüglich: P. Kozisek/J. Kralik: L&K- Skoda, Teil 1 1895-1945, hrsg. 2004).

Zum Abschluss können Sie sich hier ein eigenes Urteil von der gelungenen Anmutung und hervorragenden Verarbeitung des Skoda machen – der innen mit aufwendiger Holzausstattung geradezu luxuriös erscheint:

Videoquelle: Yuotube.com; hochgeladen von FreeMotionCanvas

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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