Ein Auto zum Abheben: Amilcar Type CGS

Ein Auto, das abhebt, wirklich? Im Rennsport traditionell ein gefürchteter Moment, wenn ein Wagen durch übermäßigen Auftrieb den Bodenkontakt verliert. Dagegen wurden bald probate Mittel eingesetzt, um allzu kühnem Aufwärtsstreben entgegenzuwirken.

Doch dagegen, den Bodenkontakt mit der Wirklichkeit zu verlieren, ist man auch in unseren Tagen nicht gefeit. Seit Jahren verfolgten mit der Fliegerei Vertraute halb spöttisch, halb fassungslos, die Versuche, elektrische Flugtaxis auf den Markt zu bekommen.

Damit sollte zum günstigen Tarif künftig in den Städten der Taxibetrieb in die dritte Dimension verlagert werden. Dabei war weniger die Technik fragwürdig, prinzipiell lässt sich das Konzept der Drohne auf einen entsprechenden Maßstab skalieren.

Aber jeder, der schon einmal in einer Sportmaschine mitgeflogen ist, weiß um die Komplexität der Bewegung in der dritten Dimension – selbst in ländlichen Gebieten.

Pilot und Tower müssen den Luftraum ständig aufmerksam beobachten, auf Hindernisse oder Verzögerungen muss in genau einstudierter Weise reagiert werden, was eine Disziplin und Erfahrung erfordert, welche die eines Taxifahrers auf dem Boden weit überschreitet.

Nicht zuletzt ist jedes Fluggerät plötzlichen Änderungen der aerodynamischen Verhältnisse ausgesetzt – Luftlöcher, Aufwinde und Scherwinde verlangen großes fliegerisches Können speziell bei der Landung, weshalb diese bis heute von Berufspiloten übernommen wird.

Ich kenne das ein wenig von Mitfluggelegenheiten im Aero-Club Bad Nauheim – sei es mit der behäbigen Focke-Wulff „Stieglitz“ der Vorkriegszeit, sei es mit einem hochmotorisierten „Yakovlev“-Militärtrainer, mit dem ich Rollen und Parabelflüge absolvieren durfte (nichts für Leute mit Kreislaufschwäche, nebenbei).

Und nun soll Fliegerei ausgerechnet in städtischen Ballungsgebieten demokratisiert werden? Soll einfach jedes Flugtaxi starten und landen können, wo es der Passagier will? Völlig illusorisch. Damit ist die Sache erledigt, weil Tür-zu-Tür-Service unmöglich ist.

Dennoch flossen 1,5 Milliarden an spekulativem Kapital in ein solches Projekt in deutschen Landen, welches kürzlich die Flinte ins Korn werfen musste. Doch das Geld ist volkswirtschaftlich nicht weg, es ist jetzt nur in anderen Händen und wird hoffentlich in aussichtsreichere Verwendungen fließen.

Gleichwohl gefällt mir die Verbindung von Fliegerei und Automobilismus ausnehmend gut. Hier als Beispiel mein komplett original erhaltener und nur technisch überholter Peugeot 202 als Gast beim Flugtag beim Aero-Club Bad Nauheim im Jahr 2014:

Peugeot 202 UH, Flugtag Bad Nauheim 2014; Bildrechte: Michael Schlenger

Zwar ist mein wackerer Peugeot-Pickup, der sein Dasein beim französischen Militär begann und später von einem Bauern in der Champagne übernommen wurde, bevor er nach Jahren des Schlummers zu mir gelangte, leistungsmäßig nicht gerade zum Abheben geeignet.

Er ist als LKW klassifiziert und sein Motor ist gegenüber der Limousine gedrosselt, ab Tempo 70 wird es zäh mit dem Vorwärtsdrang. Aber er macht zum Abheben viel Freude und alle, die ihn sehen, verlieben sich in seine Optik mit den hinter dem Kühler sitzenden Scheinwerfern.

Doch es geht auch durchaus sportlich, was die Kombination aus Auto und Flugggerät angeht. Das will ich Ihnen anhand eines Fotos zeigen, das ich jüngst erworben habe.

Mir war auf Anhieb klar, dass es einen Sportwagen der französischen Marke Amilcar von Mitte der 1920er Jahre zeigte – nur der genaue Typ war noch ungewiss. Auch ein hübsches Detail an dem Auto hatte ich beim Erwerb noch nicht bemerkt.

Aber schauen Sie sich das einfach selbst an – möchte man da nicht innerlich abheben?

Amilcar Typ CGS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ja, so muss ein leichter Sportwagen um Mitte der 1920er Jahre aussehen, nicht wahr?

Bootsheckkarosserie, tiefe Türausschnitte im schmalen Aufbau, damit genügend seitlicher Bewegungsspielraum vorhanden ist, vor allem für den Wagenlenker.

Drahtspeichenräder mit Zentralverschluss und minimalistische Kotflügel helfen, das Gewicht gering und die Optik rasant zu halten. Dabei werkelt unter der Motorhaube bloß ein Vierzylinder mit 1,1 Litern Hubraum.

Trotz der strömungsungünstigen Seitenventil-Konstruktion, die immer noch auf dem ersten Amilcar des Typs CC von 1921 basierte, holte man aus dem Motor ab 1923 bereits standfeste 33 PS heraus. Das sollte auch zehn Jahre später noch beachtlich sein.

Ein Spitzentempo von 115 km/h war mit diesem Wagen drin und wir dürfen davon ausgehen, dass sich dies wie heute mehr als 150 km/h anfühlte. Für gewisse Fahrsicherheit sorgten die vier Stoßdämpfer und die Vierradbremse – vor 1925 keineswegs Standard.

Was die Karosserie betrifft, bot Amilcar selbst keine Aufbauten ab. Das Hauptgeschäft in der Hinsicht übernahm die Firma Duval, die viele Variationen über das Thema des sportlichen Zweisitzers anbot.

Hier haben wir eine Ausführung mit lang nach hinten gezogenen Vorderkotflügeln, die neben einer anderen Version offeriert wurde, welche das Rad umfasste.

Die extrem reduzierte Form des hinteren Kotflügels ist neben den fast in Wagenmitte angebrachten Ausleger-Blattfedern der Hinterachse eines von vielen Details, die den Wagen als Amilcar erkennbar machen.

Eher ungewöhnlich ist die recht hohe und fast senkrecht stehende Frontscheibe. Mag sein, dass sie einer Forderung der jungen Dame am Steuer entsprang, die Wert auf eine modische Kopfbedeckung auch in solchen sportlichen Lebenslagen legte:

Wie das Licht auf ihrer Kappe, dem Pelz und dem hellen Mantel spielt und strahlt, das lässt einem das Herz höher schlagen und die nach Schönheit dürstende Seele schweben.

Wie schon so oft konstatiert: Es gibt kein Automobil, das nicht durch die Anwesenheit einer ansehnlichen Frauensperson das entscheidende Element erhält, welches seine Wirkung vervollkomnet.

Leider wissen wir nichts über die Schöne, die uns über einen Abstand von rund 100 Jahren anlächelt, als sei es gestern gewesen. Die Umstände des Erwerbs lassen aber vermuten, dass der Wagen in Deutschland zugelassen war – bei Amilcar keine Seltenheit, denn kein einheimischer Hersteller bot in dieser Hubraumklasse damals Vergleichbares.

Alles schön und gut, mögen Sie jetzt sagen, wir mögen dergleichen Abschweifungen ebenfalls. Aber was ist denn jetzt mit den in Aussicht gestellten fliegerischen Qualitäten dieses Amilcar?

Wenn Sie es partout nicht mehr aushalten, dann sagen wir der Erscheinung am Steuer nun: „Adieu Madame, es war schön, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.

Abschließend wenden wir uns dem Detail des Wagens zu, welches mich zum Titel des heutigen Blog-Eintrags inspiriert hat.

Also, bilde ich es mir ein, oder ist hier als Kühlerfigur nicht ein Flugzeug zu sehen?

Das zu beurteilen und auch die Interpretation des Standers neben dem Scheinwerfer überlasse ich gerne Ihnen, liebe Leser.

Ich habe noch einiges zu erledigen, und Sie werden davon profitieren in nächster Zeit, wenn Sie wie ich die Betrachtung solcher alter Autofotos als eine erhebende und vielleicht sogar beflügelnde Erfahrung empfinden…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

5 Gedanken zu „Ein Auto zum Abheben: Amilcar Type CGS

  1. à propos ADAC: Der Stander am Amilcar könnte vom ADAC sein. Es finden sich Abbildungen, in denen ein Kreis mit Adler und den 4 Buchstaben durch ein Kreuz (rot mit schwarzem Rand) hinterlegt ist.
    Joachim Schmidt

  2. Herzlichen Dank für dieses Lob, Herr Hirmer! Der BMW Wartburg war natürlich ein feines Sportgerät und wir wissen, dass fahrerisches Können oft die halbe Miete ist, nicht nur die schieren Leistungsdaten. Was Ihre Versicherung betrifft: Meine Haftpflichtprämie (bei der HUK) hat sich nicht geändert, nur die Teilkaskoprämie ist um gut 10 % teurer geworden (vertretbar, weil sich die Inflation nach und nach durch das gesamte Preisgefüge frisst). Für eine 50%ige Erhöhung kann es keine versicherungsmathematische Evidenz geben – also würde ich eine Stellungnahme verlangen und für den Fall mangelnden Entgegenkommens gleich den Anbieterwechsel in Aussicht stellen. Ärgern allein genügt nicht, man muss als Verbraucher den Wettbewerb nutzen! Der ADAC ist nicht alternativlos…

  3. Da kann man Herrn Hirmer (und natürlich allen anderen Leser) nur empfehlen, die nächstmögliche Kündigungsmöglichkeit übers Jahr zum Versicherungswechsel zu nutzen! Wie man hört, bewegen sich die Tarif- Unterschiede bei bis zu 100 %.
    Und gerade der ADAC hat sich ja seinen Ruf als Auto- Apotheke über Jahrzehnte redlich
    verdient !

  4. Guten Morgen Herr Schlenger.

    Als stiller Leser möchte ich mich bei Ihnen einmal bedanken für meinen täglichen Start mit Ihrem so fantastischem vorkriegs-klassiker-rundschau.blog. Inzwischen lese ich Ihre immer mit viel Liebe, und Ihrer aussergewöhnlichen Sprachbegabung und technischem Wissen verfassten Berichte, als positiven Einstieg in den Tag, am liebsten schon zum Frühstück.
    Dann lassen sich die negativen Meldungen, wie heute, dass der Versicherungsbeitrag der ADAC Haftpflichtversicherung für meinen kleinen „ Stadtrutscher“ um ziemlich genau 50 % teurer wird, mit etwas Galgenhumor auch als akrobatische Höhenflugnummer des ADAC bezeichnen.
    Als „alter Knabe“ (75 jährig) erinnere ich mich durchaus an solidere Zeiten. Kein Wunder also dass leider so viele, und nicht nur im Osten das ??Heil?? am rechten Rand (m.E. jedoch vergeblich)suchen.

    Ich lese jetzt lieber nochmal ihren so wohltuenden, positiven Bericht zum Amilcar Typ CGS der mir heute ganz besonders gut gefallen hat. Die beschriebenen, wenigen Grundkriterien für einen damaligen Sportwagen( Bootsheck, geringes Gewicht, schmaler Aufbau, minimalistische Kotflügel, erstaunlich geringe Motorleistung, Speichenräder etc.)treffen für meinen BMW 3/15 Wartburg, dem 1. von BMW gebauten Sportwagen genau ins Schwarze. Auch wenn dieses kleine Sportgerät nicht wirklich mit einem Amilcar vergleichbar ist, damit haben viele Sport- und Rennfahrer erstaunliche Leistungen erzielt und viele I. u.II. Preise geholt. Allen voran der Eisenacher Bobby Kohlrausch. Ihr Bericht erinnert mich meine Recherchen zu dem weniger bekannten DA 3 Rennfahrer Fritz Hedderich, Helmut ( Kasi hat mir Fotos geschickt) noch weiter zu betreiben . Das macht mehr Sinn als sich über den ADAC zu ärgern.
    Besten Dank und herzliche Grüße aus München

    Ihr begeisterter, meist stiller Leser
    Wolfgang Hirmer

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