Eigentlich wollte ich heute abend nur rasch einen unverfänglichen Eintrag in meinem Blog vornehmen – irgendetwas, was das Herz des Vorkriegsklassiker-Freunds anspricht und allgemein das Auge des ästhetisch sensiblen Menschen erfreut.
Doch habe ich den Fehler gemacht, zuvor noch kurz in die Nachrichten zu schauen – im Netz, versteht sich, denn „Fernsehen“ tue ich seit rund 35 Jahren nicht.
Während andernorts die Kettensäge bemüht wird, um einen wuchernden Staatsapparat zurechtzustutzen, der trotz gigantischer Einnahmen seine Kernaufgaben vernachlässigt, hält die Lobby der öffentlich Bediensteten in deutschen Landen noch eine Ausweitung des Bürokraten-Stadels um weitere 570.000 Amtsschimmel für geboten, also locker 30 % mehr.
Ich musste kurz schlucken, ein ungesunder liberaler Reflex, doch dann besann ich mich. Denn natürlich: praktisch alle Dinge, die wir täglich nutzen, sind ausschließlich dem Erfindungsgeist von Beamten und staatlicher Lenkung zu verdanken.
Wir hätten in den letzten 125 Jahren rein gar nichts auf die Kette gekriegt – wie man unter Anhängern eines mechanistischen Weltbilds zu sagen pflegt – wenn nicht die steuerfinanzierten Inhaber überlegenen Wissens und weitsichtigen Planer uns die Richtung gewiesen hätten. Ja, so muss es gewesen sein.
Nach diesem Moment der Besinnung war es ein Leichtes, das passende Autofoto zu finden, welches genau das eindrucksvoll illustriert:

So eine mit irrational spekulierendem Privatkapital und völlig ohne Plan und Aufsicht agierende Firma wie der französische Autopionier Panhard kriegte mit seinen Gefährten Anfang des 20. Jh. doch einfach nichts auf die Kette!
Das ist schon daran zu ersehen, dass die Kette, welche die Motorkaft auf die Hinterachse übertrag – Kardanantrieb gab’s bei Panhard erst ab 1908 – tatsächlich mit einer Verlängerung des Heckkotflügels davor bewahrt wurde, dass einer der Insassen seinen Café au Lait „to go“ darauf kleckerte oder dergleichen.
Spaß beiseite – natürlich diente diese Behausung der Antriebskette dem Schutz der Insassen und der Karosserie. Erfunden haben muss das wohl ein Beamter in Paris, so wie auch die Entwicklung von Knautschzone, Sicherheitsgurt und ABS bekanntermaßen ausschließlich der Kreativität staatlicher Schreibtischtäter zu verdanken sind.
Sie sehen, ich gebe mich heute ganz und gar als dankbarer Untertan. Mal sehen, wie lange ich das durchhalte, denn ich wurde in der guten alten Tante BRD noch zum Selberdenken und zur Skepsis gegenüber der Obrigkeit erzogen.
Zurück zur Kette und deren segensreicher Funktion – nicht nur, aber besonders auch in ihrer Verwendung in Sägegeräten, wie jeder Gartenbesitzer weiß, selbst wenn er ohne entsprechenden Führerschein zurechtzukommen weiß.
Bei näherem Hinsehen sehen wir an dem Panhard weitere Verwendungen und zwar an den Vorderrädern. Natürlich nicht zwecks Antrieb derselben, sondern schlicht zum Abstreifen von Dreck oder Sonstigem, was man nicht gegen den Kotflügel prallen lassen wollte.
Dass sich dieser Geistesblitz nicht bewährt hat, ist daraus zu ersehen, dass er sich nur kurz auf Fotos früher Automobile zeigt. Aber man hat damals sehr vieles ausprobiert, auch tatsächlich oder scheinbar Abwegiges.
Diesem unkontrollierten Suchprozess im Bestreben, aus der damals noch recht neuen Erfindung des Automobils das Beste für die Praxis herauszuholen, verdanken wir 100 % dessen, was moderne Autos nützlich, zuverlässig und komfortabel macht.
Ach ja, die Firma Panhard war daran ganz maßgeblich beteiligt zusammen mit anderen französischen Firmen wie Darracq, Renault und Peugeot, die das Auto erst zu einer Sache gemacht haben, das für immer Menschen eine Bereicherung ihres Daseins wurde und nicht ein reines Kuriosum oder Reichenhobby blieb.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Panhard auf meinem Foto um 1904/05 entstanden sein dürfte und wahrscheinlich eines der damals in hunderten Exemplaren pro Jahr hergestellten 8CV-Modelle mit 1,8 Liter-Dreizylindermotor war.
Kurios, dass man schon einmal bei solchen Aggregaten war – bloß dass sie einst am Anfang einer Entwicklung standen, die auf „schneller, höher, weiter“ abzielte und nicht auf das von modernen Ideologen gepredigte Schrumpfen in die Armut und Bedeutungslosigkeit.
Zum Glück finden alle Übertreibungen früher oder später ihre Korrektiv. Leider dauert es in deutschen Landen meist etwas länger, bis man die Kurve bekommt und wieder etwas auf die Kette kriegt. Das wird ohne beherzte Schritte und Schnitte nicht gehen…
Eine Sache noch: Wer sich für die Marke Panhard (eigentlich Panhard & Levassor) interessiert, wird in folgender Publikation eine Quelle finden, die auf 255 Seiten alles in den Schatten stellt, was zu irgendeinem frühen deutschen Hersteller zu finden ist:
Bernhard Vermeylen: „Panhard & Levassor – entre tradition et modernité„, 2005
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Klasse, danke! Hatte gehofft, dass Du das beisteuern kannst. Damit ist meine Datierung zumindest plausibel – denkbar ist als frühestes Baujahr auch 1903.
Was hier gemeint ist, sind die „Nagelketten“ , hier hängen sie an allen vier Kotflügeln und sollen versuchen, die berüchtigten Hufnägel bereits innerhalb der nächsten halben Radumdrehung wieder herauszuziehen, noch ehe sie bei erneutem Bodenkontakt tiefer in den Reifen gestoßen werden konnten !
Als bald darauf die einvulkanisierten Reifennägel als „Anti- slip- Vorkehrung, meist aus Preisgründen nur einseitig gefahren wurden, stellte man wohl fest, daß diese „erwünschten“ Nägel (als Vorläufer des Reifenprofils) beseitigt wurden, sobald sie sich etwas gelockert hatten !
Zulassung Ende Juli 1904 im Arrondissement Douai