Sammler kennen das – ganz gleich, was sie sammeln: Die Sammlung nimmt genau den ganzen Platz ein, den man zur Verfügung hat.
Diese Gesetzmäßigkeit gilt zumindest auf längere Sicht.
Ich muss das wissen, auch wenn ich in Sachen Oldtimer erst auf 20 Jahre zurückschauen kann. 2005 kaufte ich als Nachfolger meines Alltags-Käfers einen MGB GT Bj. 1974, hier eine mäßige Handy-Aufnahme von damals:

Der Wagen stammt aus der Schweiz und ist in gutem Zustand – der Lack ist in weitgehend original und die Technik nach inzwischen 220.000 Kilometern mit dem ersten Motor nach wie vor einwandfrei. Bloß der Ölverbrauch ist gestiegen und von den 95 PS sind einige der gesunkenen Kompression zum Opfer gefallen.
Doch für eine abendliche Runde über die Landstraßen der Wetterau ist der MG immer noch gut; eine Italientour wie vor einigen Jahren mute ich ihm allerdings nicht mehr zu.
Unterdessen hat der Engländer etliche Kameraden gefunden, darunter drei Vorkriegswagen. Nun steht die alte Ziegelsteinhalle voll mit Fahrzeugen, darunter auch einige Zweiräder von den 1920ern bis in die 80er Jahre.
Ich kann nicht behaupten, dass ich die Großfamilie im Griff habe – nicht alle Autos bekommen die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Aber: Sie stehen sicher und trocken, werden beweglich gehalten.
Zwar gibt es noch einige Kandidaten, bei denen ich schwach werden könnte – ein Fiat 500 Topolino, eine Alfa-Giulia und ein Vorkriegs-Ami – doch fehlt es am Platz.
Anders sieht das aus, was die Oldtimer-Sammlung auf Papier angeht. Einige tausend alte Abzüge und Negative passen in ein paar Kartons. Und in der von mir bevorzugten 5 Euro-Kategorie mache ich immer wieder hübsche Entdeckungen.
Oft hilft mir dabei, dass viele Zeitgenossen nicht imstande sind, mit den Fotogeräten der Gegenwart eine scharfe Aufnahme zuwegezubringen. So war das auch im heutigen Fall.
Verwaschen war das Foto, das ein Anbieter im Netz zum Verkauf gestellt hatte. Doch das quadratische Format des Abzugs verriet, dass hier jemand mit einer Kamera zugange gewesen war, die Negative im beachtlichen Format 6×6 Zentimeter produzierte.
Tatsächlich fiel das Ergebnis dann recht erfreulich aus:
Nach dem Einscannen zeigte sich rasch, dass ich einen beeindruckenden Panhard-Levassor um 1930 an Land gezogen hatte.
Die Marke gehörte zusammen mit DeDion-Bouton, Darracq und Renault zu den Herstellern, die ab etwa 1900 das Automobil zu etwas weiterentwickelt hatten, das immer größere Bevölkerungskreise erreichte.
Von Volksautos kann man zwar noch nicht sprechen – das bekamen erst die US-Hersteller ab 1920 hin – doch die Konstruktionen von Panhard & Co. aus Frankreich ebneten den Weg zum Siegeszug des Autos als verlässliches Fortbewegungsmittel in Europa.
Interessant ist, dass Panhard später zu einer ziemlich exklusiven Marke mutierte, die bis zum 2. Weltkrieg faszinierend gestaltete und zugleich leistungsfähige Fahrzeuge baute.
Das jüngste Exemplar, das ich bisher vorstellen konnte, war dieses Panhard „Cabriolet Décapotable“ von 1934/35:
Erkennen Sie bei allen sonstigen Unterschieden die Ähnlichkeit der Kühlergestaltung?
Ignorieren Sie einfach die schrägstehenden Luftschlitze in der Motorhaube und die seitlichen „Schürzen“ an den weit nach unten gezogenen Vorderkotflügeln.
Das alles gab es wenige Jahre zuvor noch nicht, doch – wie gesagt – der Kühler war schon um 1930 ganz ähnlich ausgeführt – mit Markenemblem „PL“ in der Mitte flankiert von zwei dekorativen Elementen.
Bloß die Stoßstange entsprach noch nicht dem Art Déco-Stil und die Frontscheibe stand annähernd senkrecht im Wind:
Nach Konsultation des vorbildlichen Standardwerks zu Panhard-Levassor von Bernard Vermeylen gelangte ich zu der Einschätzung, dass wir es auf diesem 6×6-Foto mit einem 6-Zylinderwagen der Marke von ca. 1930 zu tun haben.
In Frage kommt aus meiner Sicht der Typ 6DS mit 3,5 Liter-Motor – den kleine Bruder 6CS mit 2,3 Liter-Aggregat würde ich mit Blick auf die schwere Karosserie eher ausschließen.
Panhard bot 1930 daneben auch einen 8-Zylindermotor mit 5,1 Litern Hubraum an, doch der blieb dermaßen selten, dass ich ihn hier ausschließen möchte.
So oder so sind 6 Zylinder auf 6×6 Zentimeter ein Ergebnis, das den von Platznot geplagten Sammler überzeugt. Bleibt nur die Frage, wo das heute vorgestellte Foto entstanden ist.
Klar ist, dass der Panhard neben einer gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer abgelichtet wurde. Diese könnte vom Stil her überall in Europa stehen, doch die jüngeren Bauten am rechten Bildrand deuten auf Frankreich hin.
Das Gepäck auf dem Dach des Wagens könnte für eine Urlaubsreise sprechen, doch habe ich solche Aufnahmen öfters schon im Kontext mit dem deutschen Feldzug gegen Frankreich im Sommer 1940 gesehen, als Autobesitzer den Kämpfen durch Flucht in sichere Regionen auswichen.
Nach der raschen Kapitulation Frankreichs, die noch größere Zerstörungen und sinnlose Opfer vermied, kehrten die Besitzer dieser Fluchtautos häufig zurück. Dass brauchbare Wagen von den deutschen Besatzer beschlagnahmt wurden und dem anstehenden Feldzug gegen Russland zugeführt wurden, ist ein anderes Thema.
Wie immer interessieren mich Ihre Überlegungen dazu und vielleicht kann sogar jemand den markanten Aufbau dieses Panhard genauer identifizieren, der nach meiner Einschätzung keiner Werksversion entsprach.
Spannend, was sich alles auf 6×6 Zentimetern unterbringen lässt, keineswegs nur 6 Zylinder, sondern vielleicht noch weit mehr Historie, hoffe ich…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.