Da habe ich gestern noch mein Leiden am Luxus der frühen 30er beklagt – am Beispiel einer Horch „8“-Pullman-Limousine, die es mir nicht leicht gemacht hat. Man hat es der entsprechenden Abhandlung sicher angemerkt.
Vorausgegangen war dem eine völlig erfolglose erneute Recherche zu dutzenden Fotos in meinem Fundus, die deutsche Autos der frühen 1920er Jahre mit Spitzkühlern – aber ohne jeden Markenhinweis – zeigen.
An diesen oft in bester Qualität aufgenommenen Exemplaren versuche ich mich schon seit Jahren. Das können doch nicht alles individuell gemachte Specials mit modischem Kühlergehäuse aus dem Zubehör gewesen sein! Auch dass so viele Besitzer die Markenembleme entfernt haben sollen, halte ich für unwahrscheinlich.
Inzwischen bin ich soweit, dass ich aus diese Kandidaten bei Gelegenheit einen eigenen Fotoreport machen werde, damit Sie am wahren Ausmaß meiner Leiden an diesen praktisch nirgends dokumentierten Modellen teilhaben können.
Zuvor muss ich mich jedoch mit einigen schnellen Erfolgen belohnen, und wo lassen sich diese leichter als bei US-Großserienwagen erzielen, die in der Zwischenkriegszeit eine heute undenkbare Präsenz in deutschen Landen entfalteten?
Diese Beschäftigung tut einem nur selten leid, denn fast immer wird man mit bemerkenswerten Ergebnissen belohnt – so auch heute.
Ausgangspunkt war diese Aufnahme, die im August 1933 am „Deutschen Eck“ bei Koblenz im düst’ren Schatten von Kaiser Wilhelm entstand:

Beeindruckend diese 3-Fenster-Limousine mit sieben Plätzen, nicht wahr? Von den Dimensionen an den zuletzt präsentierten, etwas jüngeren Horch erinnernd, aber von der Gestaltung noch den späten 1920er Jahren verhaftet.
Dass es sich bei dem mächtigen und doch wohlproportionerten Wagen um ein US-Fabrikat handeln müsse, das war mir auf Anhieb klar. Die am hinteren Ende der Motorhaube angebrachten Parkleuchten und die Drahtspeichenräder waren Indizien in diese Richtung.
Doch ansonsten wollte sich dieses Gefährt seine Identität nicht ohne Weiteres entlocken lassen. Glücklicherweise genießen wir bei den gängigsten US-Vorkriegsautos jedoch den Luxus, dass einem die Ansprache von Hersteller und sogar Baujahr meist „light“ fällt.
Im vorliegenden Fall dachte ich für einen Moment an einen Cadillac, doch dem Auto fehlt doch einiges zu der Prachtentfaltung dieser amerikanischen Luxuswagen. Tatsächlich bewegen wir uns hier im Segment „Luxus light“, wie wir gleich sehen werden – nach US-Maßstäben.
Inzwischen muss ich in solchen Fällen nicht mehr immer die über 1.500 Seiten starke US-Vorkriegsauto-Bibel „Standard Catalog of American Cars“ von Kimes/Clarke bemühen, die ich zusammen mit den wichtigsten Werken für deutsche Autos stets in Reichweite in einem Biedermeier-Notenschrank neben meinem Schreibtisch liegen habe.
Oft genug hilft es bereits, durch meine eigene, laufend wachsende US-Markengalerie zu „brausen“. Sie ist zwar noch nicht nach Marken unterteilt, aber nach Marken sortiert – so kommt man schneller zum Ziel, indem man einfach solange herunterrollt, bis man fündig wird.
Dieses Mal war das bereits beim Buchstaben „B“ wie „Buick“ der Fall.
Denn dort findet sich diese Aufnahme, die mir Leser Klaas Dierks in digitaler Form zur Verfügung gestell hat und die ich noch nicht vorgestellt habe, meine ich:
Dieses im Raum Berlin zugelassene Exemplar liefert den Schlüssel zur Identifikation des Wagens vom Deutschen Eck, auch wenn es keine aufpreispflichtigen Drahtspeichenräder aufweist. Immerhin hatte sich der Käufer dieses Wagens ebenfalls für die seitlich angebrachten Ersatzräder entschieden, sogar mit Abdeckung (das Rad selbst fehlt).
Entscheidend ist hier die Silhouette des Kühergehäuses welche sich in Form seitlicher Einbuchtungen über die ganze Länge der Motorhaube fortsetzt.
Wichtig außerdem, dass der Aufbau vor dem hinteren Kotflügel nicht mehr über die darunterliegende Schwellerpartie hinauskragt, wie das noch beim 1929er Modell der Fall war.
Nach diesen Hinweisen kehren wir nun zu dem eingangs gezeigten Wagen zurück:
Vergleichen Sie auch die seitlichen Zierleiste und die Position der Türgriffe. Die Haubenschlitze brauchen Sie in diesem Fall nicht zu zählen, wesentlich ist nur, dass sie ebenfalls nicht bis ganz nach vorne reichen. Auch die erwähnte Haubenkontur sollten Sie erkennen können.
Ebenfalls ein 1930er Buick, einverstanden?
Dann ein paar Worte zu dem Wagen, den wir hier sehen: Die Marke Buick war nach amerikanischen Maßstäben in der gehobenen Mittelklasse angesiedelt, bot also selbst im Fall der enorm großzügigen 3-Fenster-Limousine nur Luxus „light“.
Das schlug sich im Fall des Modelljahrs 1930 auch darin nieder, dass es noch keine Achtzylindermotoren wie bei Cadillac gab. Die Reihensechser boten aber hinreichend Leistung, sodass einem der Verzicht auf die zwei zusätzlichen Zylinder nicht leid tun mussten.
Je nach Version (Serie 40, 50 oder 60) wurden zwischen 80 und 100 PS geboten. Das war damals auch das Territorium der Luxuswagen von Horch, aber in den Staaten galt das nicht als ungewöhnlich. Den Buick-Aggregaten fehlte zwar die Komplexität der Zwickauer 8-Zylinder, aber mit kopfgesteuerten Ventilen (ohv=over-head valves) waren sie auf der Höhe der Zeit.
Dass Luxus „light“ auch in ästhetischer Hinsicht zu überzeugen wusste, das zeigt die folgende Aufnahme, die ich in digitaler Form Leser Marcus Bengsch verdanke:
Mit der hellen Grundfarbe wirkt der Buick trotz des schweren Aufbaus als 6-Fenster-Limousine mit einem Mal auch optisch „light“.
Interessant ist an diesem Exemplar, dass die Parkleuchten hier nach deutscher Konvention auf den Kotflügeln angebracht sind. Auffallend ist außerdem die Rechtslenkung.
Ein ganz bemerkenswertes Dokument für die Leichtigkeit, mit der so ein Wagen daherkommen konnte, auch wenn sich aufgrund der Umstände im Deutschland der frühen 1930er Jahre schwere Zeiten ankündigen.
Doch wir genießen noch den Augenblick und staunen, wie lässig Luxus „light“ in Form eines Buick von anno 1930 damals in deutschen Landen daherkommen konnte:
Na, was sagen Sie dazu? Ist doch eine großartige Sache, wenn Luxus so leicht daherkommt – von der Form und der Farbe des Wagens und den Personen her.
Die extrem niedrige Frontscheibe dieses Cabriolets verrät bereits, dass wir es hier – unabhängig vom Hersteller – mit einer Spezialausführung in Manufaktur zu tun haben.
In Ermangelung anderer Hinweise, müssen wir uns in diesem Fall ganz auf die Kühler-und Haubenpartie konzentrieren.
Ein Markenemblem auf dem Kühlergehäuse ist nicht zu erkennen, was zum 1930er Buick passt. Der Opel 1,8 Liter von 1931 (ebenfalls aus dem Hause General Motors) wies oberflächlich betrachtet einen ähnlichen Kühler auf – doch war der Wagen deutlich kleiner und besaß auch nicht die erwähnte durchgängige Einkerbung in der Motorhaube.
Wie der Blitz auf dem Kühlergitter zu interpretieren ist, überlasse ich erfahreneren Lesern. Ich sehe hier jedenfalls keine unmittelbare Beziehung zum Hersteller.
Für mich bleibt als Arbeitshpothese festzuhalten, dass es sich bei dem schicken Sport-Cabrio vor der Villa (oder Pension) „Ella“ um eine in Deutschland gefertigte Sonderausführung auf Basis eines Buick des Modelljahrs 1930 handelt.
Sie sehen hoffentlich: die Beschäftigung mit solchen Formen von Luxus light“ tut einem selten leid, sofern man mit angemessenem Aufwand zu solcherlei Ergebnissen gelangt.
Jetzt ist die Welt der Vorkriegsautos auf alten Fotos für mich wieder in Ordnung. Damit das Glück aber auch wirklich perfekt ist, blenden wir den Miesepeter am linken Bildrand aus und erfreuen uns einfach nur an all dem, das hier zu sehen ist…
Solche Ausflüge in die automobile Welt von einst sind heute wahrlich kein Luxus. Sie haben allerdings ein gewisses Frustrationspotenzial, denn nicht immer erschließen sich einem die Dinge so „light“ wie im heutigen Fall.
Wenn dann aber alles wie von Zauberhand ineinandergreift, haben diese autotherapeutischen Übungen eine heilende Wirkung in Zeiten, in denen das Schöne viel zu kurz kommt, meine ich.
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Danke – die unterschiedlichen Radstände korrelierten mit den drei verschiedenen ab Werk erhältlichen Ausführungen: 118, 124 bzw. 132 inches.
Die drei gezeigten Buick‐ Limousinen unterscheiden sich vor allem durch ihren Radstand!
Bei genauerem Hinsehen fällt auf, daß der in voller Breitseite abgelichtete Wagen am Deutschen Eck deutlich gestreckter wirkt. Wir sehen eine weit geringere Überschneidung der hinteren Tür mit dem Kotflügelausschnitt und das längere, auf halbe Höhe herabhassbare dritte Seitenfenster.
Die beiden folgenden Limousinen wirken nicht nur wesentlich gedrungener – sie sind es auch!
Der glänzend dunkle Wagen Nr. 2 verfügt noch über die seit den frühen Autotagen bekannte abnehmbare, warmgewalzte „Patentfelge“ auf dem aus amerikanischen Hickory- Holz gefertigten Rad. Diese Bauweise war gerade bei den großen amerikanischen Wagen bis in die frühen Dreißiger noch sehr beliebt – vermutlich, weil sie die Handhabung beim Radwechsel und das Anheben des Reifens mit Felge doch sehr erleichterte.
Also : Ersatzreifen an Bord ! Kein
Klappern der ja aus zwei oder drei Teilen bestehenden blechernen Ersatzradhülle !
Hier sind noch 2 weitere Berichte zum L-1, wobei dieser sich doch mehr am Nachfolger Buick 90 von 1932 orientierte :
https://all-andorra.com/krasny-putilovets-l-1/
https://absolutelycars.fr/culture-automobile/leningrad-l-1/
https://www.classicdriver.com/de/car/buick/series-90/1932/864505
Danke, sehr interessanter Hinweis! Die Nummer mit den Rätselfotos folgt demnächst.
Zum „Luxus-Light“ kann noch ein drittes „L“ genannt werden, das aber bei einem anderen historischen Verlauf der letzten 111 Jahre vielleicht ein P-1 geworden wäre. Durch die Umbenennung des von Zar Peter I gegründeten „Fensters zum Westen“ wurde so auch ein Automobil namentlich zum Leningrad L-1, dessen charakteristische Einbuchtung am Kühlergrill so eindeutig auf sein amerikanisches Vorbild verweist :
https://clasicosenescala.blogspot.com/2012/05/leningrad-l-1-1933.html
Gespannt bin ich auch auf die vielen deutlichen Bilder von etwa 1920-1925 gebauten Kraftwagen, deren unbezeichnete Kühlergrillmasken wegen ihrer noch wenig spezifischen Ausformung eine Zuordnung unmöglich machen.