In den Vereinigten Staaten ist bekanntlich alles größer – das bekommen wir in unseren Tagen mal wieder eindrucksvoll auf politischer wie wirtschaftlicher Ebene vorgeführt. Zwecklos, daran die kleinmütigen Maßstäbe des alte(rnde)n Europas anzulegen – jenseits das Atlantiks gingen die Uhren schon immer anders – und oft genug so schnell, dass man kaum mitkam.
Die stürmische Entwicklung des Automobils für jedermann in der Hälfte des 20. Jahrhunderts ist immer wieder ein eindrückliches Beispiel dafür. Das gilt keineswegs nur für die Leistung von Henry Ford, der das erste wirklich universell erschwingliche Auto baute.
Nachdem er das zuwegegebracht hatte und mit seinem Werk zufrieden war, übernahmen andere Hersteller den Staffelstab und sorgten in scharfem Wettbewerb und mit praktisch unbegrenztem Kapital dafür, dass der Fortschritt unaufhörlich weiterging.
Ein weniger bekanntes Kapitel will ich heute anhand des „kleinen“ Marmon von 1927 beleuchten. Die Marke erlangte nie die Bedeutung wie die marktbeherrschenden US-Hersteller, wurde doch der Autobau die ersten 20 Jahre eher nebenher betrieben.
Initator war Howard C. Marmon, der nach seinem Ingenieurstudium an der Universität Berkely zunächst in der Firma der Familie (Nordyke & Marmon) arbeitete, die auf industrielle Mühlen spezialisiert war. Anno 1902 konstruierte er sein erstes Auto, da war er 23. In dem Alter schreibt heute noch mancher an irgendeiner Bachelor-Arbeit in einem Orchideenfach.
Marmon experimentierte anfänglich mit luftgekühlten Zwei- und Vierzylindermotoren, außerdem entwickelte er 1904 als einer der ersten eine Frühform der unabhängigen Vorderradaufhängung.
Ab 1908 ging Marmon zu wassergekühlten Motoren über. Einen ersten Achtungserfolg erzielte er 1911 beim Indianapolis-Rennen. Bemerkenswert war dann sein 1916 erschienener 6-Zylinderwagen mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen. Aluminium-Motorblock und Alukarosserie. Dieses Modell 48 wurde bis 1928 ständig weiterentwickelt.
Damit sind wir ziemlich genau in der Zeit angelangt, in der diese Aufnahme entstand:

Es nahm einige Zeit in Anspruch, um herauszubekommen, das diese Limousine mit 1928er US-Kennzeichen ein Wagen der Marke Marmon war. Man sieht so etwas auch bei intensiver Beschäftigung mit amerikanischen Modellen der 1920er Jahre nur ganz selten.
1926 war die Autoproduktion mit ihrer für US-Verhältnissen viel zu kleinen Produktion in ein eigenes Unternehmen überführt worden, die Marmon Motors Company, in dem Howard Marmon technischer Leiter blieb.
Um die Stückzahlen zu steigern, beschloss man neben den sehr aufwendig gefertigten und entsprechend teuren Modellen einen „kleinen“ Achtyzlindertyp anzubieten.
Genau solch einen „Little 8“ der Marke Marmon haben wir vor uns – ein Understatement nur nach US-Maßstäben natürlich.
Denn der „kleine“ Marmon war mit gut 3,30 Meter Radstand und über 60 PS starkem 8-Zylindermotor (3,2 Liter Hubraum) immer noch ein beeindruckendes Automobil. Für rund 1800 Dollar bekam man den damals wohl preisgünstigsten Antrieb dieser Art in einem US-Wagen.
Das war freilich vor allem eine Prestigesache für Leute, denen das wichtig war. Denn von Größe und Leistung vergleichbar war der Marmon „Little 8“ mit dem verbreiteten Buick „Master Six“ von 1927, bloß dass der einige hundert Dollar billiger war.
So blieb der ansehnliche „Little 8“ von Marmon, der sich übrigens gut anhand der anderen Verteilung der Luftschlitze auf der Haubenseite vom großen Modell 75 mit über 80 PS leistenden 6-Zylindermotor unterscheiden lässt, eher eine Randerscheinung.
Allerdings werden wir gelegentlich einem neuerlichen Versuch dieser Nischenmarke begegnen, Achtyzlinderwagen wirklich volkstümlich zu machen. Das passende Foto ist in Europa entstanden, wo die amerikanischen Hersteller damals vor allem Erfolg mit relativ kleinvolumigen Modellen Erfolg hatten – die engstirnige Hubraumsteuer lässt grüßen…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.