Bis heute war ich der Ansicht, dass es Fahrsimulatoren nur auf dem Computer gibt – man kann damit in realistisch erscheinender Umgebung beliebige Autos auf den tollsten Strecken der Welt fahren.
Nicht mein Geschmack, aber es soll jeder selbst zusehen, was er mit seiner Zeit anstellt. Über Vorkriegsautos auf alten Fotos Bloggen ist ja kaum weniger virtuell. Immerhin bin ich dabei aber auf eine ganz neue Bedeutung des Begriffs „Fahrsimulator“ gestoßen.
In dem Zusammenhang habe ich gelernt, dass es neuerdings auch Fahrsimulatoren zum Einsatz in Fahrschulen gibt. Nachdem mir in letzter Zeit Fälle von Fahreleven begegnet sind, die offensichtlich bereits mit der Lenkradbedienung Schwierigkeiten hatten, befürworte ich das unbedingt.
Vermutlich fehlt der Jugend von heute die einschlägige Erfahrung mit Kett-Car und Auto-Scooter – ist ja auch viel zu gefährlich für die Kleinen, die heute schon auf dem Dreirad einen Helm aufsetzen müssen.
Ich kann mich unterdessen erinnern, dass ein Nachbarsbub schon mit 14 die Schaltung des 5er BMWs seiner Mutter vom Beifahrersitz aus bedienen durfte – sie kuppelte, er legte den passenden Gang ein. Das habe ich selbst gesehen, weil ich bisweilen auf dem Heimweg von der Schule mitfahren durfte.
Heute undenkbar – schließlich braucht man in Deutschland sogar einen Führerschein, wenn man im Wald für private Zwecke Holz mit der Kettensäge macht. Nur für höchste Ämter braucht’s keinen Qualifikationsnachweis hierzulande – die Ergebnisse sprechen für sich.
Nun aber zu einem Fahrsimulator, den ich ich tatsächlich auf einer historischen Aufnahme gefunden habe, die mir Leser und Dixi-Urgestein Helmut Kasimirowicz vermacht hat:

Als Erstes werden sich manche fragen, wie ich bloß den Hersteller dieses auf den ersten Blick beliebig wirkenden Tourenwagens -vor dem 1. Weltkrieg oft noch Doppel-Phaeton genannt – ermittelt habe.
In der Tat sah so kurz vor 1910 fast jedes Auto dieser Größenklasse aus. Doch auf dem Originalabzug war der Schriftzug „Darracq“ auf den Nabenkappen zu lesen – sonst wäre das wohl ein aussichtsloser Fall gewesen.
Darracq gehört zusammen mit De Dion-Bouton, Panhard und Renault zu den französischen Herstellern, die ab 1900 erstmals in größeren Stückzahlen alltagstaugliche Automobile bauten, die nicht nur reinen Sport- oder Repräsentationszwecken dienten.
Damit waren diese die eigentlichen Erfinder des Autos, wie wir es heute als vierrädrigen Begleiter für alle Lebenslagen kennen. Freilich waren auch diese frühen Fahrzeuge noch dermaßen teuer, dass nur sehr gut betuchte Zeitgenossen sie sich leisten konnten.
Eine ganze Gruppe dieser Privilegierten sehen wir in diesem Wagen versammelt – mit einer Ausnahme. Denn der Mann mit dem wachen und selbstsicheren Blick, der uns direkt fixiert, war der eigentliche Fahrer des Darracq.
Der mit Bürobleiche gesegnete Herr am Steuer war dagegen nur ein Fahrsimulator – er war sicher der Eigner des Autos und hatte sich für diese Aufnahme hinters Lenkrad begeben.
Seine wenig outdoor-taugliche Nickelbrille verrät zusätzlich, dass er dort normalerweise nicht anzutreffen war. Übrigens ist es eine häufig auf solchen frühen Autofotos anzutreffende Situation, dass der Chauffeur der Familie mit abgelichtet wurde.
Er hatte damals in etwa den Rang eines heutigen Piloten, der die Beechcraft Bonanza einer vermögenden Familie fliegt und dem man sein Leben sowie ein Fortbewegungsmittel anvertraut, das den Gegenwert eines Eigenheimes repräsentiert.
Ich vermute, dass wir im Hintergrund Teile der Fabrik unseres „Fahrsimulators“ sehen – leider fehlt jeder Hinweis auf die Region oder gar den genauen Ort.
Aber das tut dem Aussagewert dieses für die Zeit sehr typischen Fotos keinen Abbruch und in so einem Fall ist auch der genaue Typ nachrangig. Nur das Entstehungsjahr lässt sich anhand stilistischer Überlegungen und einiger Vergleiche recht gut eingrenzen.
Der Aufbau hätte zwar schon um kurz nach der Jahrhundertwende so aussehen können, doch der das Rad umfassende und genau am Trittbrett endende Vorderkotflügel taucht bei den meisten europäischen Herstellern erst ab 1905/06 auf. Die größte Übereinstimmung fand ich mit Abbildungen von Darracq-Wagen, die auf ca. 1907 datiert sind.
Vor 1910 ist der Wagen auf jeden Fall entstanden, genauer brauchen wir es heute nicht,, denn das Thema war diesmal eher das frühe Automobil als Plattform zur Fahrsimulation…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.