Ich habe es hier schon einmal erzählt: Dass man im Wettbewerb auf Platz 2 oder 3 landet und dennoch als Sieger tituliert wird, das hat mich früh so nachhaltig irritiert, dass ich es bis heute nicht vergessen habe.
Es dürfte in der dritten oder vierten Klasse gewesen sein, als ich meine Urkunde bei den Bundesjugendspielen in der Schule erhielt. „2. Sieger“ im Leichtathletikwettbewerb stand dort – das verstand ich nicht. Ich hatte doch gar nicht gewonnen.
Ich war keine 10 Jahre alt und fühlte mich verschaukelt. Platz 2 oder 3 sind zwar etwas, worauf man ein wenig stolz sein darf, sofern es deutlich mehr als drei Teilnehmer gibt. Doch die Urkunde war für mich durch die alberne Titulierung als Sieger entwertet.
Dass man mit falschen Begriffen die Welt umzugestalten sucht, anstatt die Begriffe nach den Tatsachen zu formen – diese Tendenz begann bereits in den 1970er Jahren, wie so manches andere, das die Fundamente einer Gesellschaft ausgehöhlt hat, deren Wohlstand auf Wettbewerb und Leistung basiert.
Ein Gutes hatte dieses irritierende Erlebnis aber doch, denn es liefert mir die Inspiration für den Titel des heutigen Autoporträts.
Dabei zeigt sich nämlich, dass man auch als Nummer 3 durchaus als glänzender Sieger durchgehen kann – jedenfalls am internationalen Automarkt des Jahres 1924.
Der Weltmarkt bestand damals vor allem aus dem in den USA, der europäische Markt war daran gemessen eher eine Nischenveranstaltung.
Die Nr. 1 in den Staaten war anno 1924 ganz klar Ford. Fast 2 Millionen Exemplare des Model T rollten binnen eines Jahres vom Band, während der Preis auf ein neues Rekordtief von unter 300 Dollar fiel. Mit erheblichem Abstand folgte Chevrolet mit rund 300.000 Autos.
Auf Platz 3 landete Dodge mit etwa 200.000 Wagen. Das war ein bemerkenswerter Erfolg, der den Entwicklungsstand des US-Markts erkennen lässt.
Im Unterschied zu den nur mäßig motorisierten Billigheimern von Ford und Chevrolet, war der Dodge des Modelljahrs 1924 ein deutlich größeres, moderner wirkendes und mit 35 PS Leistung spürbar stärkeres Fahrzeug.
Zwar entsprach es mit seitlich stehenden Ventilen und Zweiradbremse dem allgemeinen Stand der Technik, aber es war für seine Größe und Leistungsfähigkeit so günstig wie kein anderes Auto dieser Klasse.
Möglich wurde dies nicht nur durch die rationelle Großserienfertigung, die alle US-Hersteller gemeinsam hatten, sondern auch durch den Umstand, dass Dodge ab 1922 als erster Autoproduzent auf Ganzstahlkarosserien umgestiegen war.
Damit entfiel der Zeitaufwand für die üblichen blechbeplankten Holzgerippe. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und begründete die Rolle als glänzender Sieger seiner Klasse:

Man sieht an diesem geradezu ideal fotografierten Exemplar, wie vorteilhaft sich der 1924er Dodge von den kompakteren Einsteigermodellen abhob, die Ford und Chevrolet anboten.
Man hatte für dieses Modelljahr den Radstand verlängert und den Schwerpunkt des Wagens gesenkt, sodass er weniger hochbeinig und kompakt daherkam als die Vorgängerausführung, die optisch noch nahe am Chevrolet angesiedelt war.
Neu gestaltet waren die Scheinwerfer, während es die Doppelstoßstangen und die Stahlscheibenräder optional bereits seit 1922 gab. Ein weiteres auch hier verbautes Extra war das vom Fahrersitz aus ablesbare „Motometer“-Thermometer auf dem Kühler.
Auf das Modelljahr 1924 verweist die noch geteilte Frontscheibe, die 1925/26 einer durchgehenden wich, wie bei diesem Exemplar zu sehen:
Wie es scheint, haben wir es bei dem heute vorgestellten 1924er Dodge mit einer Taxiausführung zu tun, die ausweislich der Beschriftung des Fotos 1927 im Raum Riga abgelichtet wurde.
Es ist interessant zu sehen, dass in den 1920er Jahren die vor dem 1. Weltkrieg in Skandinavien sowie in Osteuropa dominierende deutsche Autoindustrie nicht mehr in der Lage war, mit der dortigen Nachfrage Schritt zu halten.
Mit der immer noch überwiegenden Manufakturproduktion – Ausnahmen: Brennabor und Opel – sowie den optisch meist veralteten Modellen aus Deutschland war man der Konkurrenz aus Übersee nicht annähernd gewachsen.
Von den Herstellern aus Europa konnte nur Fiat den Amerikanern annnähernd Paroli bieten. So kam es, dass die Nr. 3 aus den USA am europäischen Markt Mitte der 1920er Jahre einen glänzenden Auftritt hatte und zu den Siegern im dortigen Wettbewerb zählte.
Dass Dodge in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre im Wettbewerb immer weiter zurückfiel und erst nach der Übernahme durch Chrysler (1928) wieder bessere Ränge erreichte, das ist eine andere Geschichte, für die mir bereits einiges Material vorliegt…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.