Was macht man, wenn man den Feiertag für allerlei Aktivitäten rund ums Haus, im Garten und in der Werkstatt genutzt hat, rechtschaffen müde ist und einem für den abendlichen Blog-Eintrag kein wirklich raffinierter Titel einfällt?
Man hält sich nicht lange auf und entscheidet sich für die erstbeste Idee, welche einem die grauen Zellen liefern – sie haben weit mehr parat als das, was wir uns selbst auf den Schirm des Bewusstseins rufen können.
Das ist übrigens die beste Technik, um die mir nur theoretisch bekannte Schreibhemmung zu überwinden – einfach loslegen mit dem, was einem spontan in den Sinn kommt – die Struktur ergibt sich dann aus der Sache – vorausgesetzt freilich, man kennt seine Materie.
Soviel zur Genese des heutigen Titels „Hängematte mit 4 Rädern“ – wie immer eine akkurate Zustandsbeschreibung des noch zu Zeigenden und hinreichend verwirrend, um das Publikum bei Laune zu halten.
Ich muss allerdings warnen – denn das angekündigte Automobil in Form einer Dodge-Limousine des Modelljahrs 1934 liefert nur ein Stück Hintergrund. Apropos: Ein Grund, etwas Hintergrund zu dem Auto zu liefern, bevor es gleich wieder in Vergessenheit gerät.
Der 1934er Dodge war ein typisches Mittelklassegewächs aus dem Chrysler-Konzern – jedenfalls aus Sicht von Käufern in den Vereinigten Staaten. Im damaligen Deutschland war dieses Großseriengefährt hingegen der reine Luxus.
Über 80 PS Leistung aus 3,6 Liter Hubraum, Sechszylinder-Laufkultur, Hydraulikbremsen und unabhängige Vorderradaufhängung – diese Kombination war nur in der Oberklasse zu finden und für den Durchschnittsdeutschen war ohnehin jedes Auto unerreichbar.
In den Staaten wurden 1934 über 100.000 Exemplare des Dodge an den Mann gebracht, teils auch mit verlängertem Radstand. Speziell diese Version dürfte vom Passagierkomfort einer Hängematte mit vier Rädern nahegekommen sein.
Dennoch ist es das nicht, was mich zu dem Bild mit der Hängematte inspirierte. Die Sache verhält sich viel einfacher:
Dodge Sedan von 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Gefällt Ihnen, was Sie sehen? Man müsste schon ein arger Ignorant sein, um diese Aufnahme nicht erfreulich zu finden.
Dieses Foto musste ich haben, obwohl beim Kauf noch nicht klar war, was das für ein Wagen im Hintergrund ist. Das Automobil muss im Leben nicht die Hauptsache sein, es kann auch eine reizvolle Nebensache sein, die uns das Dasein angenehm macht.
Der Gedanke wird von dem Foto geradezu perfekt transportiert, meine ich. Kurioserweise kann ich selbst mit einer Hängematte rein gar nichts anfangen. Ich stelle mir den Aufenthalt darin nicht sonderlich angenehm vor.
Es ist aber nicht bloß so, dass ich eigentlich immer etwas zu tun habe, worin ich Entspannung finde. Es ist vielmehr so, dass ich mir eine andere Art der horizontalen Ruheposition angewöhnt habe, in der meine Katze Ellie auf meinem Rücken herumtretelt, bis sie genug hat und es sich neben mir bequem macht.
Davon eine Viertelstunde täglich, dafür lasse ich jede Hängematte achtlos hängen. Was auch immer ihre Version der Hängematte ist – machen Sie Gebrauch davon und geben sich Ihren spontanen Gedanken hin – das sind meist die besten und fundiertesten…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Wenn Sie heute Tipps erwarten, wie Sie überflüssige Pfunde loswerden, muss ich Sie enttäuschen.
Abgesehen von meinen üblichen Empfehlungen – Gartenarbeit mit mechanischen Geräten (wie dem klassischen Spindelmäher und der Handsäge) – müssen Sie zum Abnehmen vor allem eines: den inneren Schweinehund besiegen.
Im Unterschied zu den deprimierenden äußeren Verhältnissen in deutschen Landen besteht hier immerhin eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit, denn es kommt dabei allein auf Sie selbst an.
Also machen Sie sich wieder einmal so richtig fertig beim Frühjahrsputz, beim Vertikutieren des Rasens, beim Baumschnitt oder auch auf dem Fahrrad (bitte ohne Hilfsmotor). Alles das ist produktiver, als sich von anderen fertigmachen zu lassen, und kostet fast nichts außer etwas Zeit und Willensanstrengung.
Wer vor über 100 Jahren Hilfe beim Abnehmen benötigte, wurde zwar schon damals von allen möglichen fragwürdigen Adressen „beraten“ – die Magazine jener Zeit sind voll von einschlägigen Reklamen – aber in einem Fall wie dem Folgenden half das nichts.
Hier waren nämlich keine Geheimrezepte und Tricks zur Selbstüberlistung beim Abnehmen gefragt, sondern schlicht der richtige Dreh und ein paar tatkräftige Mitstreiter:
Dodge mit „Rex“-Aufbau um 1918; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dieses technisch ausgezeichnete Foto entstand kurz nach dem 1. Weltkrieg in Chelsea – einem bei den schönen Künsten zugeneigten Zeitgenossen angesagten Stadtteil Londons.
Schon Oscar Wilde residierte hier, und der wusste wahrlich, was Qualität hatte. Leider starb der brilliante Spötter und Ästhet schon anno 1900 mit 46 Jahren, dabei hätte er ein aufmerksamkeitsstarkes Automobil wie das heute präsentierte sicher geschätzt.
Sie mögen nun denken, dass diese geräumige Limousine ein englisches Fabrikat war – doch weit gefehlt.
Tatsächlich waren die Briten in Europa das erste „Opfer“ der Invasion von US-Großserienautos und das unmittelbar, nachdem die Amis durch ihren Eintritt in den 1. Weltkrieg diesen binnen kurzem beendet hatten, obwohl sie bis dato nicht als sonderlich „kriegstüchtig“ aufgefallen waren.
Der Hersteller des hier präsentierten Automobils – Dodge – war nicht einmal einer der ganz Großen am US-Markt, doch schon von diesem Modell entstanden 1917-19 zwischen 60.000 und 100.000 Exemplare – pro Jahr, wohlgemerkt.
Es liegt auf der Hand, dass bei solchen Stückzahlen auch genügend „abfiel“, um nebenher den Markt in Europa einschließlich des Vereinigten Königreichs versorgen, das sich mit seinem Eintritt in den Regionalkonflikt auf dem Kontinent ab 1914 ruiniert hatte.
Die besten Zeiten hatte Großbritannien jedenfalls anno 1918 hinter sich, es wusste dort nur noch nicht jeder. Zeit zum Abnehmen für ein globales Kolonialreich, bei dem man Zweifel haben kann, ob sich die Sache jemals wirklich gerechnet hatte.
Egal, denn man gönnte sich nicht nur immer noch einen König ohne Befugnisse – was mir übrigens gefällt – man konnte sich auch noch in einer anderen Hinsicht einen „Rex“ leisten.
Unser schöner Dodge aus Chelsea besaß nämlich einen speziellen Aufbau der „Rex Manufacturing Company“ aus Connersville im US-Bundesstaat Indiana. Der erlaubte das mühelose Abnehmen des hier dunkel gehaltenen Aufbaus, sofern ein paar tatkräftige Herren vorhanden waren.
Anschließend hatte man statt einer gewichtigen Limousine einen schlank und rank daherkommenden Tourenwagen, mit dem es sich bei geeignetem Wetter durch die Botanik stromern ließ – in England ein Vergnügen auf den vielen schönen schmalen und hin und herschwingenden Landstraßen zwischen hohen Bäumen.
Anno 1918 war man mit dem 35 PS leistenden Dodge dafür adäquat motorisiert – viel Konkurrenz war damals noch nicht zu erwarten.
Die in Frage kommenden Sportsmänner aus betuchtem Hause hatten entweder ihr Leben in Flandern gelassen oder sahen in ihren altehrwürdigen Häusern der Pleite entgegen, wenn sich keine reiche US-Erbin als rettende Partie fand – Downton Abbey lässt grüßen. Der verlinkte (absolut brillante) Trailer lohnt sich auch in Sachen Vorkriegsmobilität…
Quelle zu Dodge: Kimes/Clarke: Standard Catalog of American Cars -1945
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Heute haben wir den seltenen Fall, dass ich die angekündigte Fortsetzung eines früheren Blog-Eintrags mit relativ geringem Abstand bringe – mitunter können dabei nämlich Jahre vergehen oder ich vergesse das Vorhaben einfach.
Solche Freiheiten kann ich mir erlauben, weil ich mich durch Wahl des Formats „Blog“ (kurz für „web log“=Online-Tagebuch) allerlei Zwängen enthoben habe, was Inhalt, Stil, Turnus usw. betrifft.
Während man sich durch die Ankündigung eines „Jahrbuchs“ oder durch die Selbstklassifizierung als Historiker beispielsweise nach außen bindet, kann ich hier das machen, was mir zu später Stunde in Sachen Vorkriegsautos in den Sinn kommt.
Und genau das tue ich – das hat sich für mich sogar zu einer Art Meditation entwickelt, die ich im Unterschied zur Arbeit im Garten oder in der Werkstatt auch nachts praktizieren kann.
Die so ziemlich einzige „Verpflichtung“ meinen Lesern gegenüber besteht in der Serie „Fund des Monats“ und ich weiß schon jetzt, was ich Ende Februar 2025 bringen werde. Es wird auf jeden Fall etwas werden, was Sie nur ganz selten zu sehen bekommen, vielleicht hier sogar erstmals überhaupt.
In Büchern klappt so ein Verwöhnprogramm natürlich nicht, was aber nicht gegen das Format spricht. Ich stütze mich bei aller Selbstverständlichkeit der Nutzung digitaler Technologien bei meinem Themen immer noch hauptsächlich auf Druckwerke.
Mein Favorit in der Hinsicht ist der „Standard Catalog of American Carsuntil 1942“ von Kimes/Clarke, ein weit über 1.500 Seiten starkes Werk. Es zählt zu den meistgenutzten in meiner Automobil-Bibliothek und zeigt trotz Softcover-Formar zeigt seit vielen Jahren keine Verschleißerscheinungen – im Gegensatz zu etlichen deutschen Publikationen, die selbst mit Hardcover schon nach kurzem auseinanderfallen, Pfusch made in Germany…
Besagter Schinken liegt auch jetzt neben mir – rechts vom Rechner, während es sich meine vierbeinige Freundin „Ellie“ zur Linken auf einem Stapel Papier bequem gemacht hat. Damit sind fast alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche „Séance“ gegeben.
Doch wie so oft, kann ich diese auch heute nicht ausschließlich mit „Bordmitteln“ bestreiten – oft sind die Leser, die mir bemerkenswertes Material zur Verfügung stellen, die eigentlichen „Autoren“ – jedenfalls was die Inspiration zur Niederschrift angeht.
Bei der letzten „Dodge“-Epistel hatte ich am Ende darauf hingewiesen, dass die traditionsreiche US-Marke ab Mitte der 1920er Jahre auf dem absteigenden Ast war, bis sie im Zuge der Übernahme durch Chrysler anno 1928 wieder auf die Gewinnerspur kam.
Genau aus dieser Zeit stammt dieses Exemplar:
Dodge von 1928/29; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks
Diese außergewöhnliche Aufnahme verdanke ich Leser Klaas Dierks, der mit sicherem Auge den besonderen Reiz der Situation erkannte.
Nur selten bekommt man die auch am Heck abwechslungsreiche Linienführung einer amerikanischen Limousine so anschaulich vorgeführt wie an diesem einst auf der Fähre bei Ostswine (heute Polen) fotografierten Dodge von 1928/29.
Das Auge erfreut hier das Zusammenspiel der waagerechten Zierleiste mit der am Dachende von oben herabgeführten Linie. Beide schwingen anschließend vereint wieder nach oben um das Heck herum.
Auch die spannungsreichen Kurven von Kotflügel, Heckkoffer und Stoßstange verhindern zuverlässig, dass hier Langeweile aufkommt, so konventionell diese typische US-Großserien-Limousine sonst auch erscheinen mag.
Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie man Hersteller und Baujahr aus dieser Perspektive so genau bestimmt. Nun, das war im vorliegenden Fall recht einfach. Auf den Radkappen lässt sich nämlich ein stilisiertes „DB“ erkennen, was einst für Dodge Brothers stand.
Diese ursprüngliche Markenbezeichnung wich nach der Übernahme durch Chysler ab dem Modelljahr 1930 dem Namen „Dodge“, sodass wir schon einmal einen ersten Anhaltspunkt haben. Alles übrige findet sich in der erwähnten US-Vorkriegsautobibel.
Dazu zählt auch die Information, dass es sich um einen Sechszylinderwagen handelte. Verfügbar waren Aggregate mit 58, 68 und 78 PS – allesamt für deutsche Verhältnisse beachtlich motorisiert, weshalb sie in Verbindung mit relativ niedrigem Preis ja damals auch so gern gekauft wurden in deutschen Landen.
Nun wird doch die neue Mutter Chrysler angesichts der Wirtschaftskrise ab 1929 dafür gesorgt haben, dass die gerade wieder im Aufschwung befindliche Marke den Umständen entsprechend kleinere Brötchen backte – so möchte man meinen.
Tatsächlich bot man ab Mitte 1929 nun auch eine Variante des kleinsten 6-Zylinderwagens mit kürzerem Radstand an, die sich auch am besten verkaufte. Besonders gut machte sich auf diesem Chassis das „Business Coupe“:
Dodge von 1928/29; Originalfoto: Sammlung: Michael Schlenger
Diese schöne Aufnahme, die einen solchen Dodge-Geschäftswagen von 1929/30 zeigt. hat mir Leser und Oldtimer-Urgestein Helmut Kasimirowicz vermacht – ihm sei bei der Gelegenheit nochmals für seine Großzügigkeit gedankt.
Typisch für das Modelljahr waren die gebogene Scheinwerferstange und die ebenfalls einer Kurve folgenden Luftschlitze in der Motorhaube – beide Elemente verleihen diesem ansonsten optisch kaum auffallenden US-Wagen den dynamischen Charakter.
Wie die Bezeichnung „Business Coupe“ verrät, war dieser kompakte Aufbau vor allem für Vertreterautos vorgesehen. Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem Geschäftsauto des bis heute bedeutenden US-Landmaschinenherstellers John Deere zu tun.
Da die Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten schon damals einen in Deutschland erst lange nach dem Krieg erreichten Motorisierungsgrad erreicht hatte, bestand entsprechender Bedarf an Betreuung von Kunden im ganzen Land.
Genau diesem Zweck diente dieser Dodge, mit dem Vertrieb und Service für Geräte („Implements„) von John Deere in den Weiten der USA erbracht wurden.
Zwar ging damals infolge der Depression auch bei Dodge der Absatz stark zurück – doch in der Landwirtschaft blühte trotz aller Probleme weiterhin das Geschäft, jedenfalls für den Landmaschinenkonzern John Deere.
Der unternahm nämlich damals einen unkonventionellen Schritt, wie er typisch für amerikanisches Denken ist. Man schaut zwar in erster Linie darauf, dass sich eine Sache Sicht lohnt, vermag aber dafür durchaus Konzessionen zu machen.
So verzichtete John Deere in der schweren Zeit der Wirtschaftskrise darauf, Schulden von US-Landwirten einzutreiben, gewann aber gleichzeitig auf diese Weise treue Kunden für die Zukunft, was zum bis heute unerschütterlichen Rang der Marke beigetragen hat.
Blühende Geschäfte – das setzt in erster Linie ausgeprägten Geschäftssinn auch in schwierigen Zeiten voraus. In den rationalen Kategorien von Kosten und Nutzen, Aufwand und Ertrag, Risiko und Rendite zu denken, das zählt nach dem enormen Aufschwung der 1950er/60er Jahre in Deutschland heute leider zu den unterentwickelten Disziplinen.
Die Quittung für die schon beinahe modische Geringschätzung des Geschäfts zugunsten realitätsfremder bis suizidaler ideeller Ziele bekommen wir gerade vorgelegt. Ob bei uns auf die selbstverschuldete strukturelle Wirtschaftskrise nochmals erblühende Landschaften folgen, daran habe ich meine Zweifel – der „Business Spirit“ von einst scheint weg zu sein…
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Ich habe es hier schon einmal erzählt: Dass man im Wettbewerb auf Platz 2 oder 3 landet und dennoch als Sieger tituliert wird, das hat mich früh so nachhaltig irritiert, dass ich es bis heute nicht vergessen habe.
Es dürfte in der dritten oder vierten Klasse gewesen sein, als ich meine Urkunde bei den Bundesjugendspielen in der Schule erhielt. „2. Sieger“ im Leichtathletikwettbewerb stand dort – das verstand ich nicht. Ich hatte doch gar nicht gewonnen.
Ich war keine 10 Jahre alt und fühlte mich verschaukelt. Platz 2 oder 3 sind zwar etwas, worauf man ein wenig stolz sein darf, sofern es deutlich mehr als drei Teilnehmer gibt. Doch die Urkunde war für mich durch die alberne Titulierung als Sieger entwertet.
Dass man mit falschen Begriffen die Welt umzugestalten sucht, anstatt die Begriffe nach den Tatsachen zu formen – diese Tendenz begann bereits in den 1970er Jahren, wie so manches andere, das die Fundamente einer Gesellschaft ausgehöhlt hat, deren Wohlstand auf Wettbewerb und Leistung basiert.
Ein Gutes hatte dieses irritierende Erlebnis aber doch, denn es liefert mir die Inspiration für den Titel des heutigen Autoporträts.
Dabei zeigt sich nämlich, dass man auch als Nummer 3 durchaus als glänzender Sieger durchgehen kann – jedenfalls am internationalen Automarkt des Jahres 1924.
Der Weltmarkt bestand damals vor allem aus dem in den USA, der europäische Markt war daran gemessen eher eine Nischenveranstaltung.
Die Nr. 1 in den Staaten war anno 1924 ganz klar Ford. Fast 2 Millionen Exemplare des Model T rollten binnen eines Jahres vom Band, während der Preis auf ein neues Rekordtief von unter 300 Dollar fiel. Mit erheblichem Abstand folgte Chevrolet mit rund 300.000 Autos.
Auf Platz 3 landete Dodge mit etwa 200.000 Wagen. Das war ein bemerkenswerter Erfolg, der den Entwicklungsstand des US-Markts erkennen lässt.
Im Unterschied zu den nur mäßig motorisierten Billigheimern von Ford und Chevrolet, war der Dodge des Modelljahrs 1924 ein deutlich größeres, moderner wirkendes und mit 35 PS Leistung spürbar stärkeres Fahrzeug.
Zwar entsprach es mit seitlich stehenden Ventilen und Zweiradbremse dem allgemeinen Stand der Technik, aber es war für seine Größe und Leistungsfähigkeit so günstig wie kein anderes Auto dieser Klasse.
Möglich wurde dies nicht nur durch die rationelle Großserienfertigung, die alle US-Hersteller gemeinsam hatten, sondern auch durch den Umstand, dass Dodge ab 1922 als erster Autoproduzent auf Ganzstahlkarosserien umgestiegen war.
Damit entfiel der Zeitaufwand für die üblichen blechbeplankten Holzgerippe. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und begründete die Rolle als glänzender Sieger seiner Klasse:
Dodge Tourer, Modeljahr 1924; aufgenommen 1927 bei Riga; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Man sieht an diesem geradezu ideal fotografierten Exemplar, wie vorteilhaft sich der 1924er Dodge von den kompakteren Einsteigermodellen abhob, die Ford und Chevrolet anboten.
Man hatte für dieses Modelljahr den Radstand verlängert und den Schwerpunkt des Wagens gesenkt, sodass er weniger hochbeinig und kompakt daherkam als die Vorgängerausführung, die optisch noch nahe am Chevrolet angesiedelt war.
Neu gestaltet waren die Scheinwerfer, während es die Doppelstoßstangen und die Stahlscheibenräder optional bereits seit 1922 gab. Ein weiteres auch hier verbautes Extra war das vom Fahrersitz aus ablesbare „Motometer“-Thermometer auf dem Kühler.
Auf das Modelljahr 1924 verweist die noch geteilte Frontscheibe, die 1925/26 einer durchgehenden wich, wie bei diesem Exemplar zu sehen:
Dodge Tourer, Modeljahr 1925/26; aufgenommen in Rio de Janeiro; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wie es scheint, haben wir es bei dem heute vorgestellten 1924er Dodge mit einer Taxiausführung zu tun, die ausweislich der Beschriftung des Fotos 1927 im Raum Riga abgelichtet wurde.
Es ist interessant zu sehen, dass in den 1920er Jahren die vor dem 1. Weltkrieg in Skandinavien sowie in Osteuropa dominierende deutsche Autoindustrie nicht mehr in der Lage war, mit der dortigen Nachfrage Schritt zu halten.
Mit der immer noch überwiegenden Manufakturproduktion – Ausnahmen: Brennabor und Opel – sowie den optisch meist veralteten Modellen aus Deutschland war man der Konkurrenz aus Übersee nicht annähernd gewachsen.
Von den Herstellern aus Europa konnte nur Fiat den Amerikanern annnähernd Paroli bieten. So kam es, dass die Nr. 3 aus den USA am europäischen Markt Mitte der 1920er Jahre einen glänzenden Auftritt hatte und zu den Siegern im dortigen Wettbewerb zählte.
Dass Dodge in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre im Wettbewerb immer weiter zurückfiel und erst nach der Übernahme durch Chrysler (1928) wieder bessere Ränge erreichte, das ist eine andere Geschichte, für die mir bereits einiges Material vorliegt…
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Keine Sorge – Beifang & Blickfang sind keineswegs chinesische Elektroautomarken, die neuerdings mit Strafzöllen bedacht werden, weil dem müde werdenden Westen der Wettbewerb zu anstrengend geworden ist.
Zu Zeiten der Japaner-Offensive war das noch anders, auch wenn schon damals gern von „Dumping“ fabuliert wurde, bloß weil die Asiaten sich nicht jedes Ausstattungsdetail extra bezahlen ließen und Toyota, Mazda & Co. obendrein unverschämt zuverlässig waren.
Nein, was wie Spionageprodukte vom Chinamann klingt, dem neuen Feindbild alter kalter Krieger, die ihre Macht angesichts neuer Bündnisse selbstbewusst gewordener aufstrebender Staaten schwinden sehen – Beifang & Blickfang also sind ganz harmlose Zeugen aus einer Zeit, in der die USA und Europa global noch die unangefochtenen Hegemonialmächte waren.
Auf das Thema Beifang kam ich dank der Großzügigkeit von Helmut Kasimirowicz – dem bekannten Spezialisten für den DIXI DA1 3/15 PS bzw. das darauf basierende erste BMW-Automobil. Er schenkt mir nämlich kürzlich einen Stapel Autofotos, die er im Zuge seiner Sammlerkarriere ungewollt miterworben hatte.
Im Unterschied zu Fischern, die den Beifang in ihren Netzen wieder dem Meer anvertrauen, bewahrte er diese für ihn weniger interessanten Zeugnisse jedoch sorgfältig auf und beschloss letztlich, dass sie bei mir in den richtigen Händen sind.
Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle auch im Namen meiner übrigen Leser, die so in den Genuss weiterer Schätze aus dem Ozean vergessener Autofotos kommen, welche es verdienen, an Land gezogen und gewürdigt zu werden.
Denn für uns sind solche Dokumente nicht nur ein netter Beifang sondern vor allem ein Blickfang in vielerlei Hinsicht:
Dodge Six Sedan, Modelljahr 1931; Originalfoto via Helmut Kasimirowicz
Für mich besonders erfreulich ist nicht nur die Szenerie und die hervorragende Qualität der Aufnahme, sondern auch die Tatsache, dass mir dieses Modell „gerade noch gefehlt“ hatte.
Denn so umfangreich meine Galerie mit US-amerikanischen Vorkriegsautos auch ist – die meisten davon in Deutschland oder anderen europäischen Ländern aufgenommen – so weist diese auch bei den bekannteren Marken noch einige Lücken auf.
Im vorliegenden Fall ließ sich das Fahrzeug anhand des Schriftzugs auf dem Kühler rasch als Dodge identifizieren. Der Hersteller gehörte seit 1928 zum Chrysler-Konzern, war aber nach meiner Wahrnehmung am europäischen Markt nicht ganz so präsent wie die Konkurrenten von General Motors und Ford.
So klaffte bislang eine Lücke in meiner Bilddokumentation von Dodge-Wagen zwischen 1928 und 1932. Das Exemplar auf obigem Foto trägt dazu bei, diese zu schließen, denn es handelt sich um einen Dodge des Modelljahres 1931.
Typisch dafür war insbesondere die mittig nach oben spitz zulaufende Stoßstange. Neben diesem Teil verfügt der Wagen auf dem Foto über weitere glänzende Extras wie den Steinschlagschutz vor dem Kühler und die verchromte Reserveradabdeckung.
Sonderausstattung waren auch die Drahtspeichenräder. Ordern konnte man außerdem Uhr, Radio, Heizung und Zigarettenanzünder sowie Außenspiegel. Extras ließ man sich also schon damals gern bezahlen, doch dafür war man antriebsseitig serienmäßig großzügig.
Kleinste Motorisierung war ein Sechszylinder mit 3,5 Liter Hubraum, der es auf gut 65 PS brachte. Wer mehr wollte, konnte auch einen knapp 85 PS starken Reihenachtzylinder bekommen.
Von den über 50.000 Dodge-Wagen des Modelljahrs 1931 dürften die meisten nach Europa exportierten Exemplare den 6-Zylindermotor besessen haben.
Was im Fall „unseres“ Beifang-Wagens mit den vielen Extras unter der Haube schlummerte? Ein Sechszylinder, am geringen Abstand zwischen Kühler und den ersten Luftschlitzen ersichtlich (beim Achtzylinder deutlich größer). Dieses Fahrzeug war dennoch dank des üppigen Chromzierats ein echter Blickfang.
Dasselbe trifft auf die junge Dame zu, die etwas abwesend dreinschauend neben dem Wagen steht. Hatte sie nicht mitbekommen, dass der Auslöser am Fotoapparat bereits betätigt wurde, wollte sie sich gerade abwenden oder mochte sie im Profil abgelichtet werden?
Jedenfalls ist sie der eigentliche Blickfang für mich auf diesem schönen Zeitdokument. Gut gefallen mir die hellen langen Handschuhe – ein Accessoire, das heute völlig vergessen ist.
Meine Mutter trug so etwas als junge Sekretärin auf dem Weg ins Büro in den 1950er Jahren im damals noch mondänen Wiesbaden – nicht schlecht für ein Flüchtlingskind, das 1945 mit einem Koffer aus Schlesien im Westen angelangt war und zwischenzeitlich in Bayern Kühe hatte hüten müssen, vor denen das Mädchen aus der Großstadt fürchterliche Angst hatte.
Solche Sachen hat sie immer wieder erzählt und das Bild, das ich Helmut Kasimirowicz verdanke, hat diese Erinnerungen wieder in mir geweckt. Welche Assoziationen haben Sie, wenn Sie die Situation betrachten?
Und: Wer weiß, wo dieser Dodge eigentlich zugelassen war? Ich tippe auf Südosteuropa, aber vielleicht liege ich auch völlig falsch.
Meinem Vergnügen an diesem Beifang und Blickfang tut dies jedoch keinen Abbruch und ich habe gerade keine Lust, mich in eine Recherche zu europäischen Nummernschild-Konventionen der Vorkriegszeit zu vertiefen, die Woche war anstrengend genug.
Stattdessen lege ich jetzt eine Platte auf und dann schaue ich, was mir Helmut Kasimirowicz mit seinem Beifang-Konvolut noch für Fotorelikte übereignet hat, an denen man sich zu später Stunde erbauen kann …
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
„Ha, jetzt knickt er auch schon ein, unserer Verteidiger der vielleicht letzten Männerdomäne – des Vorkriegswagens, dessen Bau, Beherrschung und Bewahrung ganze Kerls erfordert“.
Wie kann er nur den Frauen widerstandslos den Sieg zusprechen, wo sie doch längst alles erobert haben, außer letzten Refugien der Männlichkeit: Schraubergaragen, Autobahnbaustellen, Bergwerken und (Karriere-Geheimtipp!) der Müllabfuhr?
Doch keine Sorge, auch heute bleibt die Welt intakt, in der Frauen aussehen wie Frauen und sich dabei auch noch wohlfühlen, und den Buben gern die gefährlichen, dreckigen und lauten Tätigkeiten überlassen und sich anderen wichtigen Arbeiten widmen.
Vor rund 100 Jahren gab es außerhalb von Büro, Labor, Geschäft und Schule wenig, worin emanzipierte Frauen den Männern gern den Rang streitig machen wollten. Natürlich gab es absurde Hindernisse, was die weibliche Berufsausübung anging, wobei Deutschland auch in der Hinsicht besonders rückständig war und bis in die Nachkriegszeit blieb.
Aber größere Beschwerden wurden meines Wissens nicht artikuliert, was das Erobern von typischen Männerdomänen angeht – Erscheinungen wie die Fliegerinnen Amelia Earhart oder Elly Beinhorn blieben beeindruckende Ausnahmen.
Der Sieg war klugen Frauen zumindest im aufgeklärten Teil der Welt ohnehin sicher, denn sie wussten und wissen dort zu herrschen, wo es darauf ankommt.
Bertha Benz war ein gutes Beispiel. Ihr bräsiger Gatte kam in weltentrückter Tüftlermanier einfach nicht auf den Markt mit seiner Erfindung, während sie ihre im Unternehmen versenkte Mitgift bei weiterem Zaudern in akuter Gefahr sah.
Kurzerhand unternahm sie 1888, ohne den Alten auch nur zu fragen, mit ihren beiden Söhnen die erste Fernfahrt im Automobil – der Rest ist Geschichte. Für mich ist sie die wahre Erfinderin des unschätzbaren Freiheitsbringers auf vier Rädern.
Um Frauen dieses beeindruckenden Formats, die kein verhuschtes Heimchen am Herd waren und dennoch vollkommen weiblich blieben – äußerlich wie charakterlich – ist der heutige Blog-Eintrag gewidmet. Dabei werden wir sehen: Der Sieg(er) war ihrer!
Vielleicht erinnern sich einige Leser an dieses schöne Beispiel:
Dodge Victory Six „Brougham“ von 1928; aufgenommen 1931; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Diese Dame aus der „besseren“ Gesellschaft in New Jersey gehörte zweifellos zu den Gewinnerinnen – gemessen jedenfalls am Alltagsschicksal des weit überwiegenden Teils ihrer Geschlechtsgenossinnen in Deutschland beispielsweise.
Nicht nur der Pelzmantel und die Schoßhunde erzählen von einem Leben ohne materielle Sorgen, auch der Wagen steht im wahrsten Sinne des Worts dafür, „es“ geschafft zu haben.
Denn hier haben wir ein besonders elegantes Exemplar des Modells „Victory“ von Dodge aus dem Jahr 1928. Mit 60 PS-Sechszylindermotor und hydraulischen Bremsen war das zwar nach amerikanischen Maßstäben ein ordinärer Mittelklassewagen, aber vielleicht handelte es sich um einen Zweitwagen, also „ihr“ persönliches Auto.
Zur selben Zeit in Deutschland war so ein Dodge Victory Six wie jedes vollwertige und fernreisetaugliches Automobil der pure Luxus. Daher dürfen wir vermuten, dass auch diese Hamburger Damen – groß und klein – auf der gesellschaftlichen Gewinnerseite standen:
Dodge Victory Six „Sedan“ von 1928; aufgenommen 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dieses Exemplar – nun mit Limousinenaufbau – habe ich gemeinsam mit der „Brougham“-Ausführung hier vorgestellt.
Daher will ich es an dieser Stelle dabei belassen, an die typische Gestaltung der Luftschlitze in der Motorhaube hinzuweisen – nur leicht geneigt und in Gruppen zu je vier zusammengefasst mit Ausnahme der letzten.
Dieser Hinweis genügt, um auch den Wagen auf dem nächsten Foto als Dodge „Victory“ ansprechen zu können, auch wenn vor lauter Frauensvolk kaum etwas davon zu sehen ist.
Diesen Damen gehörte der Sieg ganz, zumindest auf den Dodge „Victory“ gemünzt. Sie geben sich entsprechend selbstbewusst und wissen zudem ganz genau, wo es langgeht:
Dodge Victory Six „Sedan“ von 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ich würde diese Damen, die so gar nicht nach unterdrückten und benachteiligten Wesen aussehen, irgendwo in Südosteuropa verorten – vielleicht in Rumänien.
Die auf schlechte oder auch gar keine Straßen ausgelegten, robust verarbeiteten und leicht zu reparierenden US-Fabrikate wurden dort gern gefahren – in Skandinavien ebenso. Deutsche Autos waren die Ausnahme, sie waren zu teuer und auch nicht in hinreichender Zahl verfügbar. Der riesige Markt in Europas Osten blieb selbst von Opel weitgehend unbeackert.
„Schau‘ doch, da hinten kommt her“ – so könnte die junge Frau ganz rechts ausgerufen haben. Endlich hatte ihr Gatte in ein neues Gefährt investiert, nunmehr einen Achtzylinder. Denn als das Foto entstand, war der Dodge „Victory Six“ der späten 20er Jahre längst von gestern und musste einem anderen Sieger der Autoentwicklung weichen.
So vollzieht sich auch das Schicksal von uns Menschen. Nichts bleibt, wie es ist, die Welt dreht sich weiter und vitalere Kräfte machen das Rennen, ob man diese mag oder nicht.
Nicht auf die Verliererseite zu geraten, darauf kommt es an, und Siegertypen zugeneigt zu sein, dazu zählt eines der vielen dem Überleben dienenden Talente der Frauen…
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Erst kürzlich fragte ich an dieser Stelle „Wo geht’s hier zum Sommer?„. Jetzt ist er ohne Zweifel da, auch wenn die angedrohten „Tropennächte“ auf die Tropen beschränkt bleiben.
Es ist nach Mitternacht, drinnen ist’s nach vielen Sonnenstunden noch wärmer als draußen. Bis sich das wieder einregelt, macht man alle Fenster auf und legt eine Platte auf. Ja die gibt’s immer noch, genauso wie Kerzen, Violinen oder Olivenöl.
Der Fortschritt ist eine feine Sache, wenn man ihn als Angebot versteht, das sich am Bewährten und Gewohnten zu messen hat. Der Lebenskünstler prüft alles, was die Menschheit irgendwo und irgendwann geschaffen hat und entscheidet, was ihm zusagt.
So gesehen, aber auch nur so gesehen, leben wir in den besten aller Zeiten. Passt uns das neureligiöse Verzichts-Spießertum der Gegenwart nicht, können wir ja nach Belieben in Welten auswandern, in denen das Leben hemmungslos gefeiert wird.
Ich habe keine Idee, was es Mitte der 1920er Jahre zu feiern gab, als diese Aufnahme entstand, aber vielleicht können wir etwas davon lernen::
Dodge Tourer von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Was geht hier vor sich? Haben Sie eine Idee?
Mir gefällt jedenfalls dieses automobile Treiben mit geschmückten Wagen, elegant gekleideten Frauen in gewagten Posen (gemessen an modernen Sicherheitsstandards) und hilflos dazwischen herumstehenden düsteren Gestalten.
Vor allem gefällt mir die Besatzung des Tourenwagens im Vordergrund, den ich als Dodge des Modelljahrs 1925/26 ansprechen würde.
Von der Laune der Insassen lässt man sich doch gerne anstecken. Wer würde hier ängstlich die CO2-Emissionen kalkulieren und „sinnlose“ Fahrten konstatieren?
Dodge Tourer von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wer weiß etwas zu dem Kennzeichen dieses Fahrzeugs? Wo könnte dieser Korso gut gelaunter Zeitgenossen einst stattgefunden haben?
Ich würde auf ein Land ohne nennenswerte eigene Autoindustrie tippen, eventuell eines in Skandinavien oder in Osteuropa.
So der so gab es etwas zu feiern, als vor bald 100 Jahren jemand auf den Auslöser drückte. Die Probleme jener Zeit waren zweifellos andere, gravierendere als die derzeit propagierten.
Eine warme Sommernacht wäre da nicht als Bedrohung empfunden worden, sondern als willkommener Kontrast zu dem, was in mitteleuropäischen Breiten die Hälfte des Jahres an Wettermisere üblich ist.
Bald ist es ein Uhr nachts, gerade hat es geregnet – war gar nicht „angesagt“.
Die Platte mit Cecilia Bartolis Vivaldi-Album noch einmal umgedreht – in der Hinsicht findet sich immer einen Anlass zu feiern. Morgen beginnt eine neue Arbeitswoche, doch mit so einem schönen Dokument aus alter Zeit hat das Hier und Jetzt ausnahmsweise Vorrang…
Nachtrag: Der Aufnahmeort war laut João Pedro Gazineu die Avenida Rio Branco in Rio de Janeiro (Brasilien). Der „Corso Carnavalesco” war von den 1910er bis in die 1920er Jahre populär. DF auf dem Nummernschild steht für „Distrito Federal“. Also da, wo es echte Tropennächte gibt und das Leben tobt…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Glaubt man den Panikmeldungen der Presse, leben wir in wahrlich schlimmen Zeiten. Nicht, dass wir in deutschen Landen Verhältnisse wie 1969/70 zu Zeiten der Hongkong-Grippezu beklagen hätten – von der unberührt das Leben damals weiterging.
Nein, wirklich schlimm muss sein, dass die Leute heuer im Winter mit Kind und Kegel den Schnee genießen wollen, der sich in den letzten Jahren rar gemacht hat. Frische Luft, Sonnenschein, Vitamin D tanken – gut für die Abwehrkräfte, sollte man meinen.
Leider gefallen sich vom Bürger besoldeteBürokraten derzeit darin, selbigem den Spaß in Wintersportgebieten zu verbieten. In der Schweiz sieht das übrigens ganz anders aus, aber dort ist traditionell auch sonst mehr Hausverstand am Werk.
Wer sich gern den Willküranordnungen von Corona-Apokalyptikern beugt, mag unterdessen Genuss aus der Betrachtung virtueller Winterfreuden beziehen. Doch auch wer noch selber denkt, wird ein Angebot wie dieses wohl kaum ausschlagen:
Dodge „Victory Six“ von 1928; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Selbst ohne das amerikanische Nummernschild – ausgestellt im Ostküsten-Bundesstaat New Jersey – würde wohl jeder auf ein US-Auto der späten 1920er Jahre tippen.
Der stämmige Auftritt, die geschwungenen Doppelstoßstangen und der coupéhaft anmutende kurze Dachaufbau – alles das fand sich so kaum bei europäischen Herstellern.
Zwar dürfte hierzulande kaum einer diesen Wagen auf Anhieb erkennen, dennoch ist die Identifikation von Marke und Typ ein Kinderspiel – vorausgesetzt, man hat die US-Vorkriegsbibel in Reichweite, den „Standard Catalog of American Cars“ von Kimes/Clarke.
Der Hersteller ist jedenfalls schnell ermittelt, am zuverlässigsten anhand der Aufschrift auf der Nabenkappe:
Die Initialen „DB“ stehen natürlich weder für „Daimler-Benz“ oder „Deutsche Bahn“, sondern für die „Dodge Brothers“, die vor dem 1. Weltkrieg ihr Glück als Zulieferer für Oldsmobile und Ford gemacht hatten.
Ihnen kommt der Ruhm zu, Amerikas erstes Großserienauto mit Ganzstahlkarosserie zu bauen – das war 1914! Schon 1915 setzte Dodge rund 45.000 Autos ab, niemand vor ihnen war auf Anhieb so erfolgreich.
1920 starben die Gebrüder Dodge, was den Geschicken der Firma nicht bekam. Erst 1928 wendete sich das Blatt, als Walter Chrysler das Unternehmen kaufte. Aus demselben Jahr stammte der Dodge auf dem heutigen Foto.
Der Dodge des Modelljahrs 1928 war nach amerikanischen Maßstäben ein Wagen der unteren Mittelklasse, in Deutschland war er eher der Oberklasse zuzurechnen: 60 PS-Sechszylindermotor mit Aluminiumkolben und hydraulische Bremsen serienmäßig, als Extra u.a. Drahtspeichenräder, Heizung und Außenspiegel.
Der Dodge auf dem Foto war ein Vertreter der Variante „Victory Six“, zu erkennen unter anderem an der Aufteilung der Luftschlitze in der Motorhaube auf vier Gruppen, davon drei mit je vier Schlitzen und eine mit nur zweien.
Markant ist auch der Aufbau mit der Bezeichnung „Brougham“ – ein Mittelding zwischen einer Zweitürer-Limousine mit vier gleichgroßen Seitenscheiben und einem Coupé mit zwei Seitenscheiben – ich finde, das steht dem Wagen ausgezeichnet:
Sehr hübsch ist die Aufnahmesituation mit dem Schoßhund auf dem Trittbrett und der Besitzerin im Pelzmantel neben dem Wagen.
Bei näherem Hinsehen scheint sie mit der Linken auf etwas im Innenraum des Wagens zu deuten – tatsächlich: dort lugt ein weiterer Vierbeiner hervor, vermutlich hat er sich auf dem Fahrersitz auf die Hinterbeine gestellt.
Übrigens ist das Foto dieses vergnüglichen Winterausflugs nicht das einzige in meinem Fundus, das einen Dodge „Victory Six“ zeigt. Wer meint, das Modell bloß deshalb nicht zu kennen, weil es so etwas in Europa nicht gab, muss das hier zur Kenntnis nehmen:
Dodge „Victory Six“ von 1928; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses Foto stellt das maximale Kontrastprogramm zum ersten dar. Aufgenommen wurde es im Hochsommer 1934 und zwar auf der anderen Seite des Großen Teichs: in Hamburg.
Aufnahmedatum und -ort waren das Einzige, was auf dem Abzug vermerkt war. Man kann sich vorstellen, wie lange es gedauert hat, bis ich herausgefunden habe, was das für ein Auto ist. Erst mit dem Vergleichsstück aus New Jersey sieht das einfach aus, auch wenn wir es hier mit einer viertürigen Limousine mit sechs Fenstern zu tun haben.
Der genaue Standort ließ sich ebenfalls ermitteln – im Hintergrund sieht man nämlich die Seewarte unweit der St. Pauli Landungsbrücken. Der Gründerzeitbau von 1875 wurde wie das Umfeld bei den Bombardierungen Hamburgs im 2. Weltkrieg zerstört.
Heute sieht man vom einstigen Aufnahmeort aus nur noch die schwedische Gustaf Adolfs-Kirche rechts im Hintergrund, die als eines der wenigen Gebäude am Hamburger Hafen den Bombenkrieg überstanden hat.
Der Versuch, dieses Foto aus dem Sommer 1934 nachzustellen, wird also nicht erst daran scheitern, dass heute bei uns vermutlich kein Dodge „Victory Six“ mehr vorhanden ist. Auch die übrige Welt von damals ist bis auf kleine Reste untergegangen.
DAS waren Ereignisse, die die Bezeichnung Katastrophe verdienten. Wer dagegen heute harmlose Wintervergnügungen von Familien zu einem verantwortungslosen „Ansturm auf Wintersportgebiete“ hochjazzt, dem fehlen Maßstäbe und Anstand.
So hilft die Beschäftigung mit Vorkriegsautomobilen auf alten Fotos einmal mehr dabei, sich der Tyrannei der Bewertung durch den Zeitgeist zu entziehen und sich selbst ein Bild zu machen von dem, was war und was ist.
Nachtrag: John Heitmann aus den USA hat mich auf einen sehr interessanten Artikel aufmerksam gemacht, der darlegt, dass Dodge beim 1928er Modell völlig neue Karosserie-Technologien eingesetzt hat.
Heute begebe ich mich wieder einmal in die „Niederungen“ amerikanischer Großserienfabrikate – zumindest aus Sicht derer, für die ein Vorkriegsautomobil rar sein und möglichst spektakulär daherkommen muss.
So sehr mich Exoten aller Art begeistern – falls sie gelungen sind und nicht nur eine technische oder formale Sackgasse darstellen – so wichtig ist mir, an die Wagen zu erinnern, die das Auto der Luxusnische entrissen und jedermann zugänglich gemacht haben.
In Deutschland gelang dies zwar vor dem Zweiten Weltkrieg noch nicht, dennoch waren auch hier ab den 1920er Jahren in zunehmender Anzahl volkstümliche Automobile aus den USA vertreten, die man hierzulande kaum mehr zu Gesicht bekommt.
Dabei waren Importfahrzeuge wie das folgende bereits um 1925 nicht ungewöhnlich – sie wurden bei aller Vaterlandsliebe gekauft, weil es kein konkurrenzfähiges heimisches Angebot gab. Entsprechend stolz ließ man sich damit ablichten:
Dodge Series 116 Limousine von 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Limousine des Baujahrs 1925 habe ich vor einigen Jahren hier in einem größeren Kontext präsentiert, der die Geschichte des Herstellers Dodge ausführlich darstellt.
Heute will ich nicht so weit ausholen, sondern lediglich einen recht ähnlichen Wagen zeigen, der ebenfalls einst in deutschen Landen unterwegs war und deutlich macht, dass bei Automobilen der Vorkriegszeit „jedes Detail“ zählt.
Halten wir zunächst einige Elemente fest, die den Dodge mit Limousinenaufbau auszeichnen:
Da wäre die (zumindest optisch) einteilige Frontscheibe – jedenfalls ist kein unterer Abschluss des Rahmens erkennbar, wenngleich die Scheibe wohl ausstellbar war. Die Schwellerpartie ist schmucklos, dafür weisen die Scheibenräder einen feinen konzentrischen Zierstreifen auf, fünf Radbolzen sind zu sehen.
Die Vorderkotflügel sind mittig „bauchig“ ausgeführt, was der Stabilität dient, in dieser Ausprägung selten zu sehen. Darauf sitzen (möglicherweise nachgerüstete) Positionslampen und wohl aus deutscher Produktion stammende Scheinwerfer.
Nun im Vergleich eine weitere Aufnahme, die einen auf den ersten Blick ganz ähnlichen Dodge mit Tourenwagen-Karosserie zeigt:
Dodge Series 116 Tourer von 1924; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch hier haben wir zweifellos einen Dodge der „Series 116“ vor uns, die 1923 eingeführt wurde – nebenbei mit der wohl ersten serienmäßigen Ganzstahlkarosserie überhaupt!
Details wie die senkrechten Luftschlitze verraten, dass dieser Dodge aber erst aus dem Modelljahr 1924 stammen kann.
Der untere Abschluss des Scheibenrahmens ist hier deutlich zu sehen, laut Literatur ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Modelljahr 1925, als eine durchgehende oder zumindest weiter herunterreichende und unten rahmenlose Scheibe verbaut wurde.
Dass dieser Wagen eine Doppelstoßstange, Trittschutzbleche am Schweller und vor der Scheibe angebrachte Positionslampen aufweist, unterscheidet ihn zusätzlich.
Diese Elemente waren als aufpreispflichtiges Zubehör verfügbar, wurden aber auch beim Sondermodell „Special“ verbaut, das außerdem über eine „Motometer“-Kühlerverschlusskappe verfügte, welche hier ebenfalls zu sehen ist:
Hier haben wir nun auch die serienmäßigen Frontscheinwerfer, während der Winker am linken Scheibenrahmen ein Indiz dafür ist, dass dieser Dodge einst in Deutschland gefahren wurde.
Übrigens spricht auch die Qualität des Abzugs gegen einen in den USA fotografierten Wagen. Ich meine nämlich, dass Fotomaterial aus den Staaten damals eine andere Anmutung hatte – schwer zu beschreiben, aber man sieht irgendwann einen Unterschied.
Auch das Kopfsteinpflaster und die Mittelgebirgslandschaft, die sich in der Karosserieflanke spiegelt, wirken eher europäisch.
Hier kann man auch die dem Schutz des Lacks in der Schwellerpartie dienenden Trittschutzbleche studieren, die ein Extra waren und deren eigenständige Form eines der vielen Details ist, auf die es ankommt, wenn man einen solchen Wagen identifizieren will.
Bei allen feinen Unterschieden hatte sich unter der Motorhaube nichts getan, was den Dodge des Modelljahrs 1925 vor dem von 1924 oder 1923 ausgezeichnet hätte. Verbaut wurde derselbe robuste Vierzylinder mit 35 PS aus 3,5 Litern Hubraum.
Deutsche Serienhersteller boten damals meist nur Wagen mit 20-30 Pferdestärken in traditioneller Holz-Stahlbauweise, die einer rationellen Fertigung und damit einem günstigen Preis entgegenstand. Entsprechend gering waren die Stückzahlen.
Dagegen setzte Dodge vom Modell „Series 116“ in den Jahren 1923-25 über 450.000 Stück ab, wobei die Kapazitäten ausreichten, um quasi nebenbei auch den eher unbedeutenden deutschen Markt zu bedienen.
Dieser lag nach dem 1. Weltkrieg und einer kurzen Scheinblüte in der Zeit der Hyperinflation, als Autos wie heute Immobilien als Schutz vor Geldentwertung gekauft wurden, weitgehend darnieder. Dass inländische Hersteller die überschaubare Nachfrage nicht selbst stillen konnten, kündet vom Rückstand gegenüber den US-Marken.
Angesichts der überragenden Rolle, die US-Großserienfabrikate am deutschen Markt in den 1920er Jahren spielten, ist es für mich immer wieder rätselhaft, wie unterrepräsentiert diese in der heutigen Klassikerszene hierzulande sind.
Sicher, einen Ford jener Zeit findet man immer mal wieder, aber einen Dodge? Dabei sind die Dinger für immer noch überschaubares Geld in den USA zu haben und ein Überseetransport kostet nicht die Welt.
Prestige darf man zwar nicht erwarten, aber ein solcher Dodge dürfte heute einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen, denn für die wahren Enthusiasten zählt jedes Detail einer untergegangenen Autowelt.…
Bei „Raritäten“ aus der Vorkriegszeit denkt man nicht gerade an Fahrzeuge von US-Marken – schon gar nicht an Fabrikate eines Massenproduzenten wie Dodge.
Tatsächlich war der letzte Dodge, der auf diesem Oldtimerblog vorgestellt wurde, ein typischer Vertreter amerikanischer Fließbandproduktion – ein Series 116 „Four“.
Das ist keineswegs abwertend gemeint, die US-Großserienhersteller bauten in der Zwischenkriegszeit durchweg technisch moderne und formal stets harmonische Autos – in ausgezeichneter Qualität und zu volkstümlichen Preisen.
Hier haben wir zur Erinnerung noch einmal besagten Dodge Series 116 „Four“, von dem über eine halbe Million Exemplare entstanden:
Dodge Series 116 „Four“; Bildrechte Michael Schlenger
Der Verfasser konnte den aus Skandinavien (?) angereisten Wagen während eines kurzen sonnigen Abschnitts aufnehmen, ohne zu wissen, dass ein Exemplar dieses Typs unerkannt in seiner Sammlung historischer Automobilfotos schlummerte.
Nun zum Gegenstand des heutigen Blogeintrags, der sich als veritable Rarität entpuppen wird:
Dodge Typ DK „Eight“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Ein mächtiges Automobil, dessen Haube Platz für ein großzügiges Aggregat bot.
Auf den ersten Blick wirkt nichts vertraut an dem Fahrzeug, dessen geneigte Kühlermaske und Frontscheibe auf eine Entstehung Anfang der 1930er Jahre verweisen.
Da sind die Buchstaben „DBB“ auf der Nabenkappe und ein Flügelemblem auf dem Kühler zu erkennen, doch dazu fällt einem erst einmal nichts ein:
Dass die Buchstabenkombination „DBB“ in jener Zeit für die seit 1928 zum Chrysler-Konzern gehörende Marke Dodge steht, ist nicht gerade intuitiv – vielleicht kann ein Leser Erhellendes dazu beitragen.
Die Identifikation als Dodge der frühen 1930er Jahre ist jedenfalls gesichert; fragt sich nur, welches Modell wir vor uns haben.
An dieser Stelle kommt das mehr als 1.500 Seiten starke Werk „Standard Catalog of American Cars 1805-1942“ ins Spiel – ja, richtig gelesen: „1805-1942“.
Dieses Dokument jahrzehntelanger Recherchen, für die auf dem europäischen Kontinent offenbar Motivation und Durchhaltevermögen fehlen, ist unverzichtbar, wenn es um die Identifikation von Vorkriegsautos aus US-Produktion geht.
So sind wir imstande, Typ und Entstehungsjahr ungewöhnlich präzise einzugrenzen. Im Hinblick auf das Baujahr helfen uns folgende Details:
schräge Frontscheibe ohne außenliegende Sonnenblende
in den Windlauf zurückversetzte Positionslampen
vollverchromte Scheinwerfer.
Damit lässt sich der Wagen als Dodge des Modelljahrs 1932 ansprechen.
Verfügbar waren drei unterschiedliche Motorisierungen, ein Vierzylinder mit 65 PS, ein 79 PS starker Sechszylinder und ein 90 (später 100 PS) leistender Reihenachtzylinder. Soviel zum Thema „untermotorisierte Vorkriegsautos“…
Auch wenn der Dodge auf unserem Foto nicht vollständig zu sehen ist, erlaubt eine Kleinigkeit die präzise Identifikation als „Eight“, also als Achtzylinder:
Hier sehen wir eine zweiteilige Stoßstange, damit können wir den Vierzylinder-Dodge von 1932 ausschließen, dessen Stoßstange einteilig war.
Beim Sechszylindermodell waren beide Elemente der Stoßstange in der Mitte V-förmig geschwungen, beim Achtzylinder war dies nur beim oberen Teil der Fall.
Wir sehen auf unserem Foto genug: Der obere Teil der Stoßstange steigt zur Mitte an, um dann (hier nicht sichtbar) V-förmig nach unten weisen. Das untere Teil verläuft in etwa waagerecht – das gab es 1932 nur beim Dodge Typ DK „Eight“.
Mit 8-Zylinder wurde der Dodge des Modelljahrs 1932 rund 20.000mal gebaut – für amerikanische Verhältnisse eine geringe Zahl, in Deutschland dagegen wäre das ein großer Erfolg gewesen.
Dass wir es wirklich mit einer Rarität zu tun haben, verrät folgender Bildausschnitt:
Offensichtlich verfügt dieser Dodge DK „Eight“ mit festem Dach nur über drei Fenster – es muss also ein 2-sitziges Coupé sein.
Davon gab es laut dem „Standard Catalog of American Cars“ (3. Ausgabe, S. 473) weniger als 900 Fahrzeuge – das Coupé mit außenliegendem „Schwiegermuttersitz“ (821 Exemplare) und das „Business Coupé“ (57 Stück).
Leider wissen wir nichts über Aufnahmeort und -anlass. Der Verfasser vermutet, dass das Foto einst irgendwo in den USA entstand und über den Umweg des Fotoalbums eines Verwandten in Deutschland zu uns gelangte.
Der Besitzer des Dodge Achtzylinder-Coupés hinterlässt jedenfalls den Eindruck eines Geschäftsmanns, der „es geschafft“ hat – zumindest aus Sicht der deutschen Angehörigen – in den USA zählte Dodge bloß zur Mittelklasse…
Der Blick des Herrn im Nadelstreifenanzug geht in die Ferne – woran er wohl im Moment der Aufnahme gedacht haben mag? Vielleicht beschäftigten ihn Geschäftsideen oder auch drängende Sorgen – seine Miene wirkt angestrengt.
Bestimmt jedoch dachte er nicht daran, dass er über 80 Jahre später mit seinem Auto den Freunden ungewöhnlicher Vorkriegsautos Freude bereiten würde.
Darin liegt der Zauber dieser alten Bilder – für einen Moment sind wir den Wagen von einst und ihren Besitzern so nah, als wären wir Zeitgenossen…
Hand auf’s Herz: Welchem Freund von Vorkriegsautos hierzulande fällt etwas zur US-Marke „Dodge“ ein? Vermutlich irgendetwas mit gesichtsloser Massenproduktion, ein Hersteller unter vielen in den Staaten…
Der Verfasser hatte zugegebenermaßen bislang auch kein klares Bild davon, was die Autos der „Dodge Brothers“ einst besonders machte. Dass sich das geändert hat, ist folgender Aufnahme und dem Besuch des Goodwood Revival 2017 zu verdanken:
Dodge Series 116 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Foto fand eigentlich nur aus Mitleid Eingang in die Sammlung des Verfassers. Wäre ja schade, wenn es an ein paar Euro scheitern würde, den stellenweise schon angegriffenen Abzug nicht in digitalisierter Form zu konservieren.
Was da für ein Auto zu sehen ist, blieb erst einmal im Ungefähren. Klar war nur, dass es einst in Deutschland aufgenommen wurde. Das verraten die Häuser im Hintergrund (das Originalfoto zeigt mehr davon) und das Erscheinungsbild des Herrn mit „Zweifinger“-Bart und Ledergamaschen über den Halbschuhen.
Das Bauchgefühl sagte zwar „US-Fahrzeug“, doch schien hier zunächst nichts Markentypisches erkennbar zu sein:
Weder die Stoßstange noch die Scheibenräder sind für sich genommen einzigartig, solches Zubehör war prinzipiell für viele Autos der 1920er Jahre verfügbar.
Auch die Scheinwerfer, das elektrische Horn und die Positionsleuchten auf den Kotflügeln liefern keinen Anhaltspunkt. Ein Detail merken wir uns aber vorerst: die ungewöhnliche Ausbuchtung auf der Oberseite der Schutzbleche.
Zeitsprung: Gut 90 Jahre, nachdem obige Aufnahme entstand, fand sich anlässlich des Goodwood Revival Meeting 2017 auf dem „Vintage Car Park“ dieses Fahrzeug:
Dodge „Four“ Series 116 Tourer; Bildrechte: Michael Schlenger
Dieser großzügige Tourenwagen war leicht als Dodge der frühen 1920er Jahre zu identifizieren.
Formal betrachtet hätte das Auto alles Mögliche sein können, wenn man einmal vom flachen Kühler absieht. Den hätte man an einem Wagen aus dem deutschen Sprachraum nach dem 1. Weltkrieg kaum zu sehen bekommen – hier waren stattdessen Spitzkühler in allen möglichen Varianten groß in Mode.
Ein näherer Blick auf die Kühlermaske und wir erkennen den Hersteller:
Dodge Brothers-Emblem; Bildrechte: Michael Schlenger
Nun beginnt die Sache spannend zu werden. Das Emblem verweist auf die Brüder John und Horace Dodge aus Detroit, die kurz vor dem 1. Weltkrieg beschlossen, Autos zu bauen.
Bis dahin waren sie als Zulieferer von Ford tätig, sahen aber die Bemühungen ihres Kunden mit Sorge, einen immer größeren Teil der Wertschöpfungskette aus eigenen Kräften abzudecken.
Der Entschluss, in die Offensive zu gehen, fiel den beiden leicht – die Brüder Dodge waren zeitlebens ein Herz und eine Seele. Das auf den ersten Blick an einen Davidstern erinnernde Emblem bringt das zum Ausdruck: Tatsächlich zeigt es zwei griechische „Deltas“, die einander umschlingen (Quelle).
Ihr 1914 vorgestelltes Vierzylindermodell mit 35 PS war auf Anhieb ein Erfolg. Schon 1916 waren die Dodge Brothers auf Rang 4 der größten US-Autohersteller aufgerückt. Kein anderer Wagen seiner Klasse galt damals als dermaßen robust.
1920 erreichten die nur behutsam weiterentwickelten Dodge-Automobile Platz 2 der Zulassungsstatistik in den Vereinigten Staaten – ein wohl einzigartiges Ergebnis für eine Firma, die noch keine zehn Jahre alt war.
Im selben Jahr starben die Brüder Dodge kurz nacheinander. Doch ihr Vermächtnis sollte noch einige Zeit Erfolge zeitigen. 1922 brachte Dodge den weltweit ersten Wagen mit Ganzstahlkarosserie auf den Markt.
Eine 12-Volt-Elektrik war bereits damals Standard bei Dodge, ab 1921 war außerdem eine Heizung verfügbar. 1922 wurden erstmals Scheibenräder verbaut, Stoßstangen vorne und hinten gab es als Extra.
Scheibenräder, Stoßstangen? Hatten wir die nicht auf dem ersten Foto? Und wie war das mit den auffallend gewölbten Schutzblechen? Zumindest die finden wir hier wieder:
Dodge „Four“ Series 116; Bildrechte: Michael Schlenger
Der Fall ist klar: Die historische Aufnahme zeigt ebenfalls einen Dodge „Four“ der ab 1923 gebauten Serie 116, bloß als Limousine statt als Tourenwagen.
Der lange Radstand und die senkrechten Luftschlitze in der Haube verweisen auf das Modelljahr 1924/25. Scheibenräder und Stoßstangen gab es – wie gesagt – als Zubehör. Luxusausführungen besaßen außerdem vernickelte Kühler.
In der Literatur zum Dodge „Four“ Series 116 ausdrücklich erwähnt wird die von viertelkreisförmigen Haltern getragene Sonnenblende, die wir hier sehen:
Beim näheren Hinsehen kann man zudem die Initialien „DB“ auf der Nabenkappe des Hinterrads entziffern, die sich auch auf dem Kühleremblem des in Goodwwod abgelichteten Wagens wiederfinden.
Letztlich ist die Handschrift der „Dodge Brothers“ also auch auf dem anfangs so rätselhaft anmutenden Foto zu erkennen.
Dass ein Exemplar des Dodge „Four“ Series 116 einst ein Deutschland landete, verwundert kaum. Weit über 500.000 Exemplare dieses Modells wurden an verschiedenen Standorten gefertigt.
Davon haben auch in Europa eine ganze Reihe überlebt, wie der makellose Tourer in Goodwood zeigt:
Dodge „Four“ Series 116; Bildrechte: Michael Schlenger
Wer schon immer davon träumte, sich einen erschwinglichen Tourenwagen der frühen 1920er Jahre zuzulegen, das Model T von Ford aber zu simpel findet, der kommt am Dodge „Four“ wohl kaum vorbei.
In den USA sind gute Exemplare ab 10.000 Dollar zu haben – wie war das noch einmal mit angeblich unbezahlbaren Oldtimern? Genau: Wer auf Prestige pfeift, bekommt zum Gebrauchtwagentarif auch heute noch echte Klassiker!
Literatur: „Standard Catalog of American Cars“, von B.R. Kimes, 3. Ausgabe, 1996, S. 459-465