Heute kommen nicht nur die Freunde klassischer Mercedes-Cabrios der 1930er Jahre auf ihre Kosten, sondern auch die Liebhaber gediegener Weiblichkeit. Dennoch sind hier Schürzenjäger chancenlos, damit dies gleich klar ist. Heute geht es schwäbisch gesittet zu!
Ich will es gleich bekennen: An sich kann ich den kleinen Mercedes-Modellen 170, 200 und 230 nur wenig abgewinnen, die ab 1933 gebaut wurden. Speziell die Limousinen auf dem normalen Fahrgestell sind mir entschieden zu bieder:

Allerdings lief man in Stuttgart stets zu großer Form auf, wenn es galt, seinen Modellen offene Aufbauten zu verpassen.
Auf dem Standard-Radstand von 2,60 bzw. 2,70 Metern der Typen 170 und 200 hatte ich in dieser Richtung bislang wenig aufregendes in meinem Fundus – so dachte ich.
Sicherheitshalber schaute ich in der Mappe mit noch nicht eingescannten Mercedes-Fotos nach, in der vor allem frühe Modelle auf ihre „Wiederbelebung“ im Blog warten.
Und tatsächlich: Gleich obenauf fand sich diese hübsche Aufnahme, die einen Mercedes 200 von anno 1933/34 mit Cabrio-Karosserie zeigt:
Das lässt sich doch gar nicht so schlecht an, dachte ich mir.
Man könnte hier glatt zum Mercedes-Fan werden, jedenfalls was die Optik betrifft. Denn der wenig drehfreudige Seitenventiler mit 40 PS aus 2 Litern Hubraum war kein Ruhmesblatt.
Der direkte Konkurrent Wanderer W22 bot ebenfalls einen 2-Liter-Sechszylinder mit 40 PS, aber dank im Zylinderkopf hängenden Ventilen war er agiler, außerdem gab es eine leistungsfähige 12-Volt-Bordelektrik und vor allem: 3 Metern Radstand!
Da nichts beflügelnder wirkt als Wettbewerb, reagierte man bei Daimler prompt und bot ab 1934 den 200er auch mit 30 cm mehr Radstand an. Davon war nicht nur das markentreue Taxi-Gewerbe angetan, nun waren endlich auch schicke 4-Fenster-Cabriolets möglich.
Dies trugen meist die Bezeichnung „Cabriolet B“ und gehörten neben den Roadstern jener Jahre zu den attraktivsten Werksausführungen.
Mein persönlicher Favorit im mittleren Mercedes-Segment (unter 3 Litern) auf dem Sektor ist das Modell 290 – das ich hier schon einmal vorgestellt habe:
Dieses Prachtexemplar zeige ich zum einen, weil man im Leben von schönen Dingen nicht genug haben kann, vor allem wenn sie nicht „notwendig“ sind – denn dort beginnt die Kultur.
Zum anderen möchte ich hieran den Blick schärfen für einige Details, auf die es gleich ankommen wird:
Die Vorderkotflügel reichen beim ab 1934 gebauten Typ 290 bis fast auf die Stoßstangen herunter. Außerdem besitzen sie seitliche „Schürzen“, die den Blick auf das Chassis verbergen – ein Detail, das der Graham „Blue Streak“ 1932 etabliert hatte.
Auffallend hier zudem die schrägstehende und niedrig wirkende Frontscheibe – wobei das auch auf den Effekt des verwendeten Kameraobjektivs zurückzuführen sein könnte.
Nach dieser Vorbereitung sind Sie nun imstande, die folgende Aufnahme zu goutieren, auch wenn es hier für auf leichte Beute hoffende Schürzenjäger nichts zu sehen gibt:
Dieses schöne Dokument hat mir kürzlich Leser Klaas Dierks in digitaler Form zur Bestimmung des Modells zukommen lassen.
Ich muss zugeben, dass mich die Sache doch einige Zeit gekostet hat, auch wenn hier alles erkennbar ist, was man in solchen Fällen braucht.
Der Aufbau als vierfenstriges Cabriolet B ist einfach bestimmt. Auch ist an den deutlich oberhalb der Stoßstange endenden Kotflügeln ersichtlich, dass wir es nicht mit einem Exemplar des Typs 290 zu tun haben.
Doch was ist von den fehlenden Schürzen zu halten?
Ich meine damit nicht die reisefein gekleideten Damen – die vermutlich professionelle Fotomodelle waren, bei denen abenteuerlustige Schürzenjäger chancenlos waren. Ihnen dürfte eher an einer soliden Partie gelegen gewesen sein.
Nein, hier geht es um die fehlenden Schürzen an den Vorderkotflügeln. Wie gesagt wurde das verlängerte Chassis, auf dem Aufbauten wie das Cabriolet B entstanden, erst 1934 eingeführt. Zu der Zeit hatten sich seitliche Kotflügelschürzen allgemein durchgesetzt.
Wenn sie hier fehlen, ist das nur damit zu erklären, dass man zumindest bei den aufwendigen Cabrios auf Wunsch immer noch Kotflügel ohne dieses moderne Detail anbot.
Gesehen habe ich das allerdings bislang bei keinem anderen offenen Exemplar des Mercedes-Benz 200. Das will freilich nicht viel heißen, denn ich bin alles andere als ein Kenner dieses Fabrikats.
In dem Zusammenhang eine Frage an sachkundige Leser: Es muss bei einer Marke wie Mercedes-Benz doch allgemein zugängliche Dokumentationen auf ähnlichem Niveau geben wie im Fall der Marken der einstigen Auto-Union, in denen akribisch genau alle Werksaufbauten, Extras und Detailänderungen im Zeitverlauf beschrieben werden.
Ich arbeite notgedrungen mit der zweibändigen Paperback-Darstellung von Schrader/Hofer (Heel-Verlag, 1982), die aber vieles offen lässt und obendrein schon nach moderater Nutzung auseinanderfällt.
Da muss es für die Marke mit dem Stern nach über 40 Jahren doch Besseres geben, oder?
Immerhin sind wir in der Hinsicht keine auf oberflächliches Vergnügen abzielende Schürzenjäger, sondern sind ernsthaft an diesen Modellen interessiert, die vielleicht nicht umwerfend sind, aber doch ihren Reiz haben…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.