Heute haben wir den seltenen Fall, dass ich die angekündigte Fortsetzung eines früheren Blog-Eintrags mit relativ geringem Abstand bringe – mitunter können dabei nämlich Jahre vergehen oder ich vergesse das Vorhaben einfach.
Solche Freiheiten kann ich mir erlauben, weil ich mich durch Wahl des Formats „Blog“ (kurz für „web log“=Online-Tagebuch) allerlei Zwängen enthoben habe, was Inhalt, Stil, Turnus usw. betrifft.
Während man sich durch die Ankündigung eines „Jahrbuchs“ oder durch die Selbstklassifizierung als Historiker beispielsweise nach außen bindet, kann ich hier das machen, was mir zu später Stunde in Sachen Vorkriegsautos in den Sinn kommt.
Und genau das tue ich – das hat sich für mich sogar zu einer Art Meditation entwickelt, die ich im Unterschied zur Arbeit im Garten oder in der Werkstatt auch nachts praktizieren kann.
Die so ziemlich einzige „Verpflichtung“ meinen Lesern gegenüber besteht in der Serie „Fund des Monats“ und ich weiß schon jetzt, was ich Ende Februar 2025 bringen werde. Es wird auf jeden Fall etwas werden, was Sie nur ganz selten zu sehen bekommen, vielleicht hier sogar erstmals überhaupt.
In Büchern klappt so ein Verwöhnprogramm natürlich nicht, was aber nicht gegen das Format spricht. Ich stütze mich bei aller Selbstverständlichkeit der Nutzung digitaler Technologien bei meinem Themen immer noch hauptsächlich auf Druckwerke.
Mein Favorit in der Hinsicht ist der „Standard Catalog of American Cars until 1942“ von Kimes/Clarke, ein weit über 1.500 Seiten starkes Werk. Es zählt zu den meistgenutzten in meiner Automobil-Bibliothek und zeigt trotz Softcover-Formar zeigt seit vielen Jahren keine Verschleißerscheinungen – im Gegensatz zu etlichen deutschen Publikationen, die selbst mit Hardcover schon nach kurzem auseinanderfallen, Pfusch made in Germany…
Besagter Schinken liegt auch jetzt neben mir – rechts vom Rechner, während es sich meine vierbeinige Freundin „Ellie“ zur Linken auf einem Stapel Papier bequem gemacht hat. Damit sind fast alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche „Séance“ gegeben.
Doch wie so oft, kann ich diese auch heute nicht ausschließlich mit „Bordmitteln“ bestreiten – oft sind die Leser, die mir bemerkenswertes Material zur Verfügung stellen, die eigentlichen „Autoren“ – jedenfalls was die Inspiration zur Niederschrift angeht.
Bei der letzten „Dodge“-Epistel hatte ich am Ende darauf hingewiesen, dass die traditionsreiche US-Marke ab Mitte der 1920er Jahre auf dem absteigenden Ast war, bis sie im Zuge der Übernahme durch Chrysler anno 1928 wieder auf die Gewinnerspur kam.
Genau aus dieser Zeit stammt dieses Exemplar:

Diese außergewöhnliche Aufnahme verdanke ich Leser Klaas Dierks, der mit sicherem Auge den besonderen Reiz der Situation erkannte.
Nur selten bekommt man die auch am Heck abwechslungsreiche Linienführung einer amerikanischen Limousine so anschaulich vorgeführt wie an diesem einst auf der Fähre bei Ostswine (heute Polen) fotografierten Dodge von 1928/29.
Das Auge erfreut hier das Zusammenspiel der waagerechten Zierleiste mit der am Dachende von oben herabgeführten Linie. Beide schwingen anschließend vereint wieder nach oben um das Heck herum.
Auch die spannungsreichen Kurven von Kotflügel, Heckkoffer und Stoßstange verhindern zuverlässig, dass hier Langeweile aufkommt, so konventionell diese typische US-Großserien-Limousine sonst auch erscheinen mag.
Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie man Hersteller und Baujahr aus dieser Perspektive so genau bestimmt. Nun, das war im vorliegenden Fall recht einfach. Auf den Radkappen lässt sich nämlich ein stilisiertes „DB“ erkennen, was einst für Dodge Brothers stand.
Diese ursprüngliche Markenbezeichnung wich nach der Übernahme durch Chysler ab dem Modelljahr 1930 dem Namen „Dodge“, sodass wir schon einmal einen ersten Anhaltspunkt haben. Alles übrige findet sich in der erwähnten US-Vorkriegsautobibel.
Dazu zählt auch die Information, dass es sich um einen Sechszylinderwagen handelte. Verfügbar waren Aggregate mit 58, 68 und 78 PS – allesamt für deutsche Verhältnisse beachtlich motorisiert, weshalb sie in Verbindung mit relativ niedrigem Preis ja damals auch so gern gekauft wurden in deutschen Landen.
Nun wird doch die neue Mutter Chrysler angesichts der Wirtschaftskrise ab 1929 dafür gesorgt haben, dass die gerade wieder im Aufschwung befindliche Marke den Umständen entsprechend kleinere Brötchen backte – so möchte man meinen.
Tatsächlich bot man ab Mitte 1929 nun auch eine Variante des kleinsten 6-Zylinderwagens mit kürzerem Radstand an, die sich auch am besten verkaufte. Besonders gut machte sich auf diesem Chassis das „Business Coupe“:
Diese schöne Aufnahme, die einen solchen Dodge-Geschäftswagen von 1929/30 zeigt. hat mir Leser und Oldtimer-Urgestein Helmut Kasimirowicz vermacht – ihm sei bei der Gelegenheit nochmals für seine Großzügigkeit gedankt.
Typisch für das Modelljahr waren die gebogene Scheinwerferstange und die ebenfalls einer Kurve folgenden Luftschlitze in der Motorhaube – beide Elemente verleihen diesem ansonsten optisch kaum auffallenden US-Wagen den dynamischen Charakter.
Wie die Bezeichnung „Business Coupe“ verrät, war dieser kompakte Aufbau vor allem für Vertreterautos vorgesehen. Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem Geschäftsauto des bis heute bedeutenden US-Landmaschinenherstellers John Deere zu tun.
Da die Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten schon damals einen in Deutschland erst lange nach dem Krieg erreichten Motorisierungsgrad erreicht hatte, bestand entsprechender Bedarf an Betreuung von Kunden im ganzen Land.
Genau diesem Zweck diente dieser Dodge, mit dem Vertrieb und Service für Geräte („Implements„) von John Deere in den Weiten der USA erbracht wurden.
Zwar ging damals infolge der Depression auch bei Dodge der Absatz stark zurück – doch in der Landwirtschaft blühte trotz aller Probleme weiterhin das Geschäft, jedenfalls für den Landmaschinenkonzern John Deere.
Der unternahm nämlich damals einen unkonventionellen Schritt, wie er typisch für amerikanisches Denken ist. Man schaut zwar in erster Linie darauf, dass sich eine Sache Sicht lohnt, vermag aber dafür durchaus Konzessionen zu machen.
So verzichtete John Deere in der schweren Zeit der Wirtschaftskrise darauf, Schulden von US-Landwirten einzutreiben, gewann aber gleichzeitig auf diese Weise treue Kunden für die Zukunft, was zum bis heute unerschütterlichen Rang der Marke beigetragen hat.
Blühende Geschäfte – das setzt in erster Linie ausgeprägten Geschäftssinn auch in schwierigen Zeiten voraus. In den rationalen Kategorien von Kosten und Nutzen, Aufwand und Ertrag, Risiko und Rendite zu denken, das zählt nach dem enormen Aufschwung der 1950er/60er Jahre in Deutschland heute leider zu den unterentwickelten Disziplinen.
Die Quittung für die schon beinahe modische Geringschätzung des Geschäfts zugunsten realitätsfremder bis suizidaler ideeller Ziele bekommen wir gerade vorgelegt. Ob bei uns auf die selbstverschuldete strukturelle Wirtschaftskrise nochmals erblühende Landschaften folgen, daran habe ich meine Zweifel – der „Business Spirit“ von einst scheint weg zu sein…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.