Wir alle kennen das Sprichwort „Große Schnauze, nichts dahinter“ und wir bekommen aktuell auch ein Beispiel dafür auf der politischen Bühne vorgeführt – in deutschen Landen, wohlgemerkt, falls Sie etwas anderes gedacht haben.
Ich habe nichts gegen den robusten Auftritt, wenn auf die Worte Taten folgen – ich verachte bloß diejenigen, die erst den harten Hund geben, dann aber den Schwanz einziehen.
Soviel Aktualität muss sein, dachte ich mir, als ich am Wochenende unseren 1100er Fiat von 1964 nach Jahren nur sporadischer Bewegung erst putzte und dann eine mutige Ausfahrt im Wettertal unternahm – man muss dabei auf Überraschungen eingestellt sein.
Gut 65.000 Kilometer hat usere „Bianca“ in ihrem langen Leben erst zurückgelegt und alles an ihr ist authentisch. Gebaut wurde sie einst als NSU-Fiat in Heilbronn wie schon ihre Vorfahren in den 1930er Jahren:

Dieses Exemplar eines 1100 NSU-Fiat beispielsweise fand Käufer in Schlesien, wo es im Juli 1939 in Goschütz aufgenommen wurde.
Man mag über die Eltern dieser Kinder mutmaßen, was man will (das damals omnipräsente Hakenkreuz am Wagen habe ich wegretuschiert) – doch die Kleinen haben das Schicksal nicht verdient, das ihnen wenige Jahre in Form von Flucht bzw. Vertreibung bevorstand.
Der Fiat 1100 begegnet uns hier in der vertrauten Form mit abgerundeter Kühlerpartie, wie sie bis 1938 Standard war. Doch noch vor Beginn des 1. Weltkriegs modernisierte man in Turin das Erscheinungsbild.
Wie stark sich der Wagen bei weitgehend identischer Technik dadurch äußerlich veränderte, das lässt sich kaum besser illustrieren als durch diese Gegenüberstellung des italienischen Grafikers Aldo Bovarone:
„Musone“ nannte der italienische Volksmund die neue „Visage“ des Fiat 1100 – man kann das gut mit „Schnute“ übersetzen.
Jedenfalls war die weichgezeichnete Frontpartie nach europäischer Tradition damit von gestern – durchgesetzt hatte sich der US-amerikanische Auftritt mit scharfem Profil und moderner Haubenpartie.
Passé waren damit auch die kaum ernstzunehmenden damaligen Versuche, Automobile mit stromlinienförmiger Vorderpartie zu geringerem Kraftstoffkonsum zu überreden – bei den moderaten Tempi solcher Mittelklassewagen damals war das irrelevant.
Dieser in Österreich zugelassene Fiat 1100 beispielsweise wird selten eine Geschwindigkeit erreicht haben, bei welcher der Benzinverbrauch außergewöhnliche Dimensionen annahm – zumal sich nur sehr Gutsituierte überhaupt ein vollwertiges Automobil leisten konnten:
Nun mögen Sie fragen, was denn hinter dieser charakteristischen „Schnauze“ zu finden war außer dem bereits bekannten kopfgesteuerten 1,1 Liter Vierzylindermotor mit 32 PS (den Leistungsvergleich mit dem deutschen Volkswagen von damals sparen wir uns).
Ganz einfach: Hinter dieser Schnute fand sich reichlich Platz für die Passagiere!
Das Beweisfoto konnte ich im September 2024 in Italien machen – in der umbrischen Stadt Foligno anlässlich der jährlichen historischen Radfahrveranstaltung „La Francescana„, von der ich wiederholt berichtet habe, weil dort stets Vorkriegswagen mit von der Partie sind.
Und jetzt schauen Sie sich das hier an, wenn Sie sich schon immer gefragt haben, ob die als solche bezeichneten „Selbstmördertüren“ in manchen Fällen doch ihren Sinn hatten:
Soviel Platz zum Einsteigen bot der Fiat 1100 „Musone“ zwischen 1939 und 1948 – das muss man erst einmal nachmachen.
Wer so großzügig liefert wie die Turiner, der darf auch eine freche große Klappe haben, meine ich…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.